Quelle: Stukel TA, Lucas FL, Wennberg DE. Long-term outcomes of regional variations in intensity
of invasive vs medical management of medicare patients with acute myocardial infarction.
JAMA 2005; 293: 1329-1337
Thema: Studienergebnissen zufolge bestehen große regionale Unterschiede bezüglich der Intensität
der Therapie bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt.
Projekt: Welche Auswirkungen diese Therapievariabilität auf das Outcome der Herzinfarktpatienten
hat, untersuchte jetzt ein Team US-amerikanischer Forscher in einer Kohortenstudie.
Ergebnis: Je höher die Kapazität der Katheterlabore in einer Region war, desto eher wurde (dann
unabhängig von Alter oder anderen Risikofaktoren) auch eine invasive Therapie durchgeführt.
Erwartungsgemäß waren die Mortalitätsraten in den Regionen am niedrigsten, in denen
die Patienten am häufigsten katheterisiert wurden (und Betablocker erhielten).
Auffallend war jedoch, dass - entgegen der Erkenntnisse aus randomisierten klinischen
Studien - jüngere Patienten und solche mit einem relativ geringen Risiko mit einer
höheren Wahrscheinlichkeit invasiv therapiert wurden als ältere oder Hochrisikopatienten.
Anscheinend, so die Autoren, schätzen die Ärzte das Nutzen-Risiko-Verhältnis oder
mögliche behandlungsassoziierte Komplikationen noch immer falsch ein.
Obwohl auch diese Kohortenstudie insgesamt den Vorteil der invasiven Koronarintervention
bestätigt, war interessanterweise in Gebieten, in denen die Patienten intensiv medikamentös
behandelt wurden, praktisch kein zusätzlicher Nutzen einer invasiven Therapie zu sehen.
Fazit: Bei einer großen Mehrheit der Patienten sei es aufgrund der Studienergebnisse nötig,
den routinemäßigen Gebrauch der invasiven Strategie zu überdenken, meinen die Autoren,
nämlich dann, wenn der mögliche Nutzen der Koronarintervention relativ gering ist
und andere, einfachere und preiswerte medizinische Alternativen existieren. Denn wie
so oft lassen sich die Daten aus den randomisierten klinischen Studien zur Therapie
des akuten Koronarsyndroms nicht direkt in den klinischen Alltag übertragen - beispielsweise,
weil weniger erfahrene Ärzte die Koronarintervention vornehmen oder weil lange Transportwege
bis zum Katheterlabor in Kauf genommen werden müssen. Außerdem verzerrt natürlich
der zu geringe Einsatz der Katheterintervention bei Hochrisikopatienten das Bild.
Key Words: akutes Koronarsyndrom - Koronarintervention - optimale medikamentöse Therapie