Die Grundlage des akuten Koronarsyndroms ist die Ruptur oder Erosion einer instabilen Plaque. Diese vulnerable Plaque entsteht aus einer stabilen Plaque durch einen chronisch-aktiven inflammatorischen Prozess, an dem Makrophagen und Lymphozyten beteiligt sind [48]. Durch Ruptur oder Erosion der Plaque kommt es zu einer akuten Aktivierung der primären Hämostase. Es bildet sich ein subokkludierender oder okkludierender Thrombus, der reich an Thrombozyten ist („weißer Thrombus”). Zusätzlich werden durch aktivierte Thrombozyten vasoaktive Substanzen freigesetzt, die eine verstärkte Vasokonstriktion vermitteln.
Diese pathophysiologischen Veränderungen führen zu messbaren Modifikationen im Blut. Dadurch spiegelt sich der Krankheitsprozess und dessen Aktivität im Blut wider, der durch die Bestimmung geeigneter Biomarker der Inflammation, Leukozyten, Thrombozyten und Endothelaktivierung, der humoralen Gerinnungsaktivität sowie der myokardialen Ischämie und Nekrose dargestellt werden kann.
Etablierte Marker und Methoden
Etablierte Marker und Methoden
Kardiales Troponin T oder Troponin I
Kardiales Troponin (cTnT) ist ein Bestandteil des kontraktilen Apparates der Herzmuskelzelle und liegt nur zu einem geringen Anteil ungebunden im Zytosol vor [33]. Außerhalb der Muskelzelle ist kardiales Troponin beim Gesunden nicht nachzuweisen. Durch die Embolisation fragmentierter Thrombozytenaggregate in die Gefäßperipherie entsteht eine ischämische Schädigung der Herzmuskelzelle und kardiales Troponin wird freigesetzt. Im Blut ist dieser Marker nach einer zeitlichen Verzögerung von etwa zwei Stunden zu messen [16].
Die Bestimmung der kardialen Troponine ist der Messung der Enzymaktivität oder Proteinkonzentration der Kreatinkinase (CK-MB) oder deren Isoformen hinsichtlich der diagnostischen Sensitivität überlegen [23]
[34]. Etwa 30 % aller Patienten mit Ruheangina, die negativ für CK-MB sind, weisen erhöhte Troponinwerte auf und werden daher als akuter Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebung (NSTEMI) klassifiziert [23]
[34]. Die Senkung des diagnostischen Schwellenwerts hat zu einer Zunahme von Infarktdiagnosen um mindestens 30 % geführt [35].
Kardiales Troponin gilt als Surrogatmarker einer vermehrten Bildung und Embolisation plättchenreicher Thromben. Entsprechend konnte in angiografischen und angioskopischen Untersuchungen gezeigt werden, dass der Nachweis eines intrakoronaren Thrombus eng mit dem Nachweis von kardialem Troponin T oder I korreliert [17]
[28]
[44]. Auch in vergleichenden Therapiestudien war der Nutzen einer besonders intensiven antithrombotischen Therapie fast ausschließlich auf Patienten mit Troponinnachweis begrenzt [21].
In großen randomisierten Studien korrelierten der Nachweis und die Höhe des gemessenen kardialen Troponins mit dem akuten, thrombotischen Risiko der Patienten, innerhalb von 30 Tagen einen Reinfarkt zu erleiden oder zu versterben [2]
[43].
Angesichts dieser Datenlage gilt kardiales Troponin seit der neuen Infarktdefinition des Jahres 2000 als der biochemische Goldstandard und ist der wesentliche Bestandteil für die Klassifikation und die akute Risikostratifizierung des akuten Koronarsyndroms [56]. Danach gilt jede Erhöhung des kardialen Troponins oberhalb der 99. Perzentile einer gesunden Referenzpopulation bei Vorliegen ischämischer Symptome als akuter Myokardinfarkt. Von besonderer Bedeutung ist die biochemische Diagnostik in den Fällen, die keine ST-Streckenhebung im EKG aufweisen. Gelingt jedoch ein Troponinnachweis, liegt selbst bei einem normalen EKG die Diagnose eines NSTEMI vor.
Symptomatische Patienten ohne Nachweis von Troponin dagegen werden unabhängig vom EKG als instabile Angina pectoris klassifiziert. Liegen persistierende ST-Streckenhebungen im EKG oder ein neu aufgetretener kompletter Linksschenkelblock vor, reicht das EKG aus, um sofort eine Reperfusionstherapie zu initiieren. In diesem Fall sollte das Ergebnis der kardialen Troponine nicht abgewartet werden. Erleiden Patienten während ihres Krankenhausaufenthalts einen Reinfarkt, kann die Erkennung durch kardiales Troponin erschwert sein. In einer kleinen Serie konnte jedoch gezeigt werden, dass die Erkennung eines Reinfarkts durch Troponin mindestens so gut war wie durch die Kreatinkinase [4].
Da eine Erhöhung des kardialen Troponins nicht zwangsläufig an eine myokardiale Ischämie im Rahmen eines akuten Koronarsyndroms gebunden ist, ist sie nur im Kontext mit der klinischen Symptomatik zu beurteilen. Besteht kein akutes Koronarsyndrom, kommen für erhöhte Troponinwerte eine Reihe von Differenzialdiagnosen infrage ([Tab. 2]; [22]).
Inflammationsmarker
Bereits bei frühen atherosklerotischen Läsionen ist ein Inflammationsprozess nachzuweisen, der an der Progression und Destabilisierung der Plaque beteiligt ist: Dabei setzen aktivierte Makrophagen und T-Lymphozyten proinflammatorische Zytokine frei.
So genannte „second messenger” potenzieren die Akutphasereaktion, die sich mithilfe sensitiver biochemischer Marker im Blut messen lässt. Dazu zählen C-reaktives Protein (CRP), Serumamyloid A und andere Akutphaseproteine, die mit der Instabilität der Plaque korrelieren [37]. Die Rate kardiovaskulärer Ereignisse steigt proportional zur Konzentration einzelner Akutphaseproteine zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme [30]. Der prognostisch ungünstige Effekt der entzündlichen Plaqueaktivität ist mindestens vier Jahre nach dem akuten Indexereignis nachweisbar [17]. Weiter verbessert werden kann die Einschätzung der Langzeitprognose durch die Kombination des Ergebnisses von kardialem Troponin und C-reaktivem Protein [17].
Marker der Hämostase und Fibrinolyse
Das Gerinnungssystem verändert sich nachweislich schon in frühen Phasen der Atherosklerose. Akute Veränderungen der Plaque führen zu messbaren Veränderungen der Thrombozytenfunktion und zu einer Aktivierung des Gerinnungssystems. Bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom lassen sich sowohl Veränderungen der Thrombinaktivität (Fibrinopeptid A, „tissue factor”), der sekundären Fibrinolyse (Fibrinspaltprodukte) oder der aktivierten Thrombozytenfunktion (CD40-Ligand, PF-4, Thrombomodulin) durch repräsentative Parameter nachweisen [47].
Trotz des hohen Evidenzgrads unzähliger, zumeist kleinerer Studien konnten sich diese Parameter aus verschiedenen Gründen nicht in der klinischen Routine etablieren. Ungünstige Grundvoraussetzungen für einen Routineeinsatz sind insbesondere starke inter- und intraindividuelle Schwankungen, eine zirkadiane Variabilität, der Einfluss antithrombotischer Substanzen oder Fibrinolytika, Artefakte durch die Probengewinnung und eine schwierige Präanalytik.
Natriuretische Peptide
In experimentellen Studien führte eine myokardiale Ischämie zu einer Hochregulation des BNP-Gens und zu einer vermehrten mBNP-Transkription und Freisetzung von BNP („brain natriuretic peptide”) [20]. Außerdem ist bei symptomatischen Patienten mit einer stabilen Angina pectoris der objektive Nachweis einer myokardialen Ischämie mit höheren Plasma-NT-proBNP-Konzentrationen assoziiert [53]
[58]. Die Höhe des NT-proBNP ist zudem mit der Schwere der koronaren Herzerkrankung vergesellschaftet [58].
Immer mehr klinische Studien belegen, dass erhöhte NT-proBNP- und BNP-Konzentrationen bei Patienten aller Manifestationsformen des akuten Koronarsyndroms zu finden sind. Die Höhe der Markerkonzentration korreliert positiv - und unabhängig von der des kardialen Troponins oder anderer Inflammationsmarker - mit der Rate nachfolgender kardialer Ereignisse. Der Einsatz von NT-proBNP oder BNP für die langfristige Risikostratifizierung als alleiniger Marker oder in Kombination mit anderen kardialen Markern oder der Nierenfunktion ist ausreichend belegt [30]
[42]
[46]
[53], weshalb die wichtigen kardiologischen Gesellschaften diese in ihren Leitlinienempfehlungen integriert haben [1]
[14]
[21]. Weniger gut eignen sich diese Marker, um den klinischen Verlauf innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Akutereignis vorherzusagen oder die Patienten in der Akutphase zu selektionieren, die von einer frühinvasiven Koronardiagnostik und -intervention profitieren [27]
[32].
Multimarkerkonzept
Bereits frühere Studien belegen, dass die Kombination von kardialem Troponin mit CRP die Prognose der Patienten besser abschätzen lässt. Jedoch könnte sich die Risikoprädiktion möglicherweise noch weiter verbessern lassen, wenn man mehrere unabhängige biochemische Marker berücksichtigt [30]
[53]. Insbesondere scheint bei Patienten mit einem troponinnegativen akuten Koronarsyndrom das teilweise nicht unerhebliche Risiko durch weitere negative Inflammationsmarker besser kalkulierbar zu sein [26]. Da die therapeutischen Konsequenzen, die sich aus einer ungünstigen Markerkonstellation für den individuellen Patienten ergeben, nicht eindeutig erkennbar sind, ist eine abschließende Beurteilung dieses umfassenden und kostenintensiven Konzeptes noch nicht möglich.
Klinische Risikoscores
Anstelle mehrerer biochemischer Marker versuchen klinische Risikoscores, das akute Risiko des Patienten anhand einer Auswahl klinischer Risikoprädiktoren einzuschätzen. Die TIMI-Gruppe hat dazu einen Score aus mehreren Komponenten erarbeitet und hinsichtlich seiner klinischen Eignung validiert [3]
[51]. Eine Punktsumme von mehr als fünf Punkten zeigt ein höheres akutes Risiko an - Patienten, die vom Einsatz von Enoxaparin, Tirofiban oder einer frühinvasiven Strategie mit einer Vorbehandlung durch den Glykoproteinantagonisten Tirofiban profitieren [13]
[51]. Allerdings erfordert der Einsatz solcher Summenscores einen zusätzlichen Zeitaufwand und hat sich bedauerlicherweise weniger in der klinischen Routine als vielmehr in kontrollierten Studien durchgesetzt.
Perspektive
Perspektive
1. Frühe Ischämie- und Nekrosemarker Myoglobin und CK-MB
Nach einer myokardialen Schädigung tritt kardiales Troponin mit einer zeitlichen Verzögerung im Blut auf. Dies verhindert - gerade bei Patienten mit fehlenden oder nichtdiagnostischen EKG-Veränderungen - eine schnelle Diagnose. Früher als kardiale Troponine sind Myoglobin und CK-MB im Blut nachzuweisen. Allerdings ist die Datenlage derzeit nicht konsistent [19]
[41].
Anders als einige kleinere Serien konnte eine große Studie an 6352 Patienten den Vorteil von Myoglobin bei sehr früher Krankenhausaufnahme (unter drei Stunden) nicht bestätigen [19]. Vielmehr scheint der diagnostische Nutzen von Myoglobin im Vergleich zu kardialem Troponin hauptsächlich in einem Zeitfenster zwischen vier und sechs Stunden nach Schmerzbeginn zu liegen [31]. Allerdings wurden diese Markervergleiche zu einem Zeitpunkt durchgeführt, zu dem für kardiales Troponin noch ein höherer diagnostischer Schwellenwert galt.
Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung zeigt erstmalig eindrucksvoll, dass der niedrigere Troponin-Schwellenwert (10 % CV [Variationskoeffizient]) die diagnostische Sensitivität wesentlich verbessert [16]. Dabei war das kardiale Troponin I sowohl bei Aufnahme als auch in allen weiteren Zeitpunkten sensitiver und als alleiniger Test sogar einer Kombination mit Myoglobin überlegen. An einer beispielhaften Freisetzungskinetik zeigte sich überdies, dass Troponin I bei Verwendung der aktuell gebräuchlichen Schwellenkonzentration (10 % CV) früher als Myoglobin oder CK-MB im Blut nachweisbar ist.
h-FABP
Zu den biochemischen Markern, die geeignet wären, eine myokardiale Ischämie innerhalb der ersten vier Stunden festzustellen, zählen das ischämisch modifizierte Albumin und das herzspezifische „fatty acid binding protein” (h-FABP).
H-FABP ist ein kleines (15 kDa), zytoplasmatisch lokalisiertes Protein, das in die Lipidhomöostase involviert ist. Seine diagnostische Bedeutung wird kontrovers diskutiert. Kleine Studien deuten darauf hin, dass h-FABP früher als Myoglobin, CK-MB oder Troponin im Blut nachweisbar ist und den anderen Markern hinsichtlich der diagnostischen Sensitivität innerhalb der ersten Stunden deutlich überlegen ist [15]
[45].
Dagegen berechnete eine größere Studie an 460 konsekutiven Patienten eine diagnostische Sensitivität zum Aufnahmezeitpunkt von nur 39 % im Vergleich zu 28 % für Myoglobin. Innerhalb der ersten vier Stunden nach Schmerzbeginn hatte kardiales Troponin die höchste diagnostische Performanz („receiver operator characteristics”, ROC 0,91), gefolgt von h-FABP (ROC 0,80), CK-MB (ROC 0,79) und Myoglobin (ROC 0,73). Mit Ausnahme von kardialem Troponin I nahm nach mehr als zwölf Stunden die diagnostische Sensitivität aller Marker erneut ab [18].
Ischämiemodifiziertes Albumin
Durch eine myokardiale Ischämie oder oxidativen Stress kommt es unter Einwirkung reaktiver Sauerstoffspezies zu einer strukturellen Änderung von Albumin und damit zu einer verminderten Bindung von Kobalt. Das vermehrt anfallende ungebundene Albumin lässt sich mit dem Kobaltbindungstest (ACB) im Blut bestimmen.
Kleine klinische Studien konnten zeigen, dass eine dynamische Ergometrie oder eine kurze Ischämie, die während einer transluminalen Koronarangioplastie induziert wird, zu einer vermehrten Bildung von ischämiemodifiziertem Albumin (IMA) führen können [6]
[28]. Nach einer initialen Euphorie dokumentierten aber nachfolgende Studienergebnisse, dass eher der oxidative Stress als die myokardiale Ischämie per se die Bildung von ischämiemodifiziertem Albumin beeinflusst [11]. Zudem wird die Zunahme dieser Substanz auch bei skelettmuskulärer Ischämie im Rahmen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, nach extremer Ausdauerbelastung bei Marathonläufern und nach Radiofrequenzablation aberrierender Reizleitungsbahnen beobachtet [5]
[49]
[50]. Der Anstieg ist daher nur unter Berücksichtigung des klinischen Kontexts und in Kombination mit dem Troponinergebnis zuverlässig zu beurteilen.
2. Erkennung der drohenden Plaqueruptur Myeloperoxidase
Myeloperoxidase ist ein Degranulationsprodukt aktivierter neutrophiler Granulozyten und Monozyten. Besonders bei Patienten mit instabiler Angina oder einem akuten Myokardinfarkt wird eine Aktivierung und Degranulation der Leukozyten beobachtet. Dabei kommt es vor allem an kleinen Fissuren der vulnerablen Plaque zu einer Infiltration mit neutrophilen Granulozyten und Monozyten. Diese setzen vermehrt Myeloperoxidase aus intrazellulären Granula in die Umgebung frei. Myeloperoxidase soll an der Entstehung weicher lipidreicher Plaques, an der zunehmenden Destabilisierung der Plaque, an der Produktion zytotoxischer und prothrombogener oxidierter Lipide beteiligt sein und durch Verbrauch von Stickstoffmonoxid (NO) zu einer Vasokonstriktion führen.
Erhöhte Myeloperoxidasewerte sind mit einer höheren Ereignisrate für kardiale Ereignisse (Myokardinfarkt, Revaskularisation oder Tod) innerhalb von 30 Tagen assoziiert [7]
[12]. Bei 462 Patienten ohne akuten Myokardinfarkt bzw. negativem Troponinergebnis war eine erhöhte Myeloperoxidasekonzentration mit einer höheren kardialen Ereignisrate korreliert und verbesserte als unabhängiger Prädiktor die Einschätzung der Prognose [7]. Nach Ansicht der Autoren könnte die Myeloperoxidase daher eine wesentliche Rolle bei der Identifizierung der instabilen Plaque bereits vor Entstehung einer Ruptur spielen.
Löslicher CD40-Ligand
Der lösliche CD40-Ligand (sCD40-Ligand) spiegelt die komplexe Interaktion zwischen Inflammation und Thrombozytenaktivierung wider. Eine Instabilität der Plaque mit nachfolgender Ruptur oder Erosion führt zu einer gesteigerten Thrombozytenaktivität und zu einer vermehrten Expression des oberflächlichen CD40-Liganden. Nach Loslösung von der Membranoberfläche aktiviert dieser die CD40-Rezeptoren auf Endothelzellen, Monozyten und T-Zellen und begünstigt dadurch die weitere Instabilität der Plaque.
In zwei Studien konnte gezeigt werden, dass die Konzentration von CD40-Ligand mit der Ereignisrate für Myokardinfarkt, Tod oder Revaskularisation innerhalb der ersten 30 Tage nach dem Indexereignis korreliert [26]
[57]. Dabei erlaubt der Nachweis von sCD40-Liganden unabhängig von Troponin die Identifizierung derjenigen Patienten, die von einer Therapie mit dem Glykoproteinantagonisten Abciximab profitieren [26].
Zwar scheint der Einsatz von löslichem CD40-Ligand ein interessanter Ansatz zu sein, eine drohende Instabilität der koronaren Plaque früher als durch Troponin erkennen zu können. Der praktische Einsatz und die prospektive Validierung des Tests an einer unselektionierten Kohorte ist derzeit durch das Fehlen eines stabilen Assays für die Messung am Analyseautomaten nicht möglich.
In der kritischen Durchsicht der Arbeit fällt auf, dass als Schwellenwert für Troponin ein derzeit nicht mehr gebräuchlicher Wert von 0,1 ng/ml angesetzt wurde. Da bereits eine Konzentration von mehr als 0,01 ng/ml (99. Perzentile) oder unter Berücksichtigung der Präzisionskriterien ein Wert von mehr als 0,03 ng/ml (10 % CV) einen akuten Myokardinfarkt anzeigen, ist die tatsächliche Bedeutung des CD40-Liganden im akuten Koronarsyndrom derzeit nicht unumstritten.
Plazenta Growth Faktor (PlGF)
Der „placenta growth factor” (PlGF) gehört zur Gruppe der vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF) und wird in frühen und fortgeschrittenen atherosklerotischen Läsionen vermehrt exprimiert [39]. Vermutlich begünstigt PlGF die entzündliche Destabilisierung der atherosklerotischen Plaque [6]
[40].
In der CAPTURE[1]-Studie konnten erhöhte Plasmakonzentrationen von PlGF bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom nachgewiesen werden. Diese Werte korrelierten mit einer erhöhten Rate an kardiovaskulären Ereignissen innerhalb von 30 Tagen nach dem akuten Indexereignis [24]. Der prädiktive Wert von PlGF war unabhängig von anderen Risikomarkern wie hsCRP, cTnT oder löslichem CD40-Ligand. Bei der Prädiktion der Prognose war PlGF der Messung des hsCRP überlegen. Patienten, bei denen die Aufnahmekonzentration von cTnT, PlGF und sCD40-Ligand negativ waren, hatten einen komplikationsarmen Verlauf innerhalb der ersten 30 Tage [24].
Aus diesen Ergebnissen postulierten die Autoren eine besondere Rolle von PlGF als primärem Inflammationspromotor und damit dessen besondere Eignung für die frühe Erkennung einer drohenden Instabilität einer atherosklerotischen Läsion. Umgekehrt konnte gezeigt werden, dass die Blockade des PlGF-Rezeptors eine Plaquestabilisierung und Regression der Atherosklerose begünstigt [39]
[40].
Ob die prädiktive Rolle von PlGF tatsächlich unabhängig von einer Myokardnekrose ist, lässt sich in CAPTURE nicht mit Sicherheit ausschließen, da die statistische Analyse nur die Aufnahmekonzentrationen von kardialem Troponin T (> 0,01 ng/ml), jedoch keine Verlaufswerte berücksichtigt [24]. Zudem ist PlGF bislang nicht prospektiv validiert und wurde bislang nur aus eingefrorenen Blutproben nachträglich gemessen.
Pregnancy associated plasma protein A (PAPP-A)
PAPP-A ist ein Enzym der Gruppe der zinkbindenden Metalloproteasen, das in rupturierten Plaques von Patienten, die an einem akuten Myokardinfarkt verstorben waren, zu finden ist (9). Erhöhte Plasmakonzentrationen werden bei asymptomatischen Patienten mit echoreichen atherosklerotischen Karotisstenosen und nachfolgenden Komplikationen und bei Patienten mit NSTEMI und STEMI gesehen [9]
[10]. Erhöhte Konzentrationen des Enzyms sind bei Patienten mit troponinnegativem akuten Koronarsyndrom mit einem 4,6fach höheren Risiko für Infarkt, Tod und Notwendigkeit einer Revaskularisation assoziiert [38].
Interleukin 10
An der zunehmenden Destabilisierung atherosklerotischer Plaques sind aktivierte Makrophagen und T-Lymphozyten beteiligt, was die Proteolyse von bindegewebiger Matrix, eine exzessive proinflammatorische Zytokinproduktion und die Induktion einer Apoptose vaskulärer Zellen begünstigt. Im Blut können bei Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom erhöhte Konzentrationen von C-reaktivem Protein, Serumamyloid A und Interleukin 6 festgestellt werden [37]. Dagegen scheinen erhöhte Konzentrationen des antiinflammatorischen Zytokins Interleukin 10 mit einer niedrigeren Rate kardiovaskulärer Ereignisse assoziiert zu sein [25]
[55].
In der CAPTURE-Studie wurde deutlich, dass niedrige Interleukin-10-Konzentrationen nur bei gleichzeitig erhöhter Konzentration des C-reaktiven Proteins (> 10 mg/ml) mit einer höheren Ereignisrate assoziiert waren [25]. Umgekehrt ließ sich bei niedriger CRP-Konzentration - selbst bei niedriger Konzentration von Interleukin 10 - kein erhöhtes Risiko erkennen.
Eine abschließende Bewertung von Interleukin 10 als Risikoprädiktor ist in Anbetracht der geringen Datenlage derzeit nicht möglich [Tab. 1].
Empfehlungen für die akute Risikoschätzung
Empfehlungen für die akute Risikoschätzung
Nach den aktuellen Leitlinienempfehlungen nationaler und internationaler Fachgesellschaften sollte bei einem Patienten, der mit Symptomen eines akuten Koronarsyndroms aufgenommen wird, sofort bei Aufnahme ein Zwölf-Kanal-EKG registriert werden und eine Blutentnahme erfolgen. Zeigt das EKG keine ST-Streckenhebung (> 0,1 mV) oder neuen kompletten Linksschenkelblock, wird eine medikamentöse Basistherapie bestehend aus Heparin, Acetylsalicylsäure, Clopidogrel und einem Beta-Rezeptorenblocker eingeleitet.
Das Ergebnis des Troponintests sollte nach spätestens 60 Minuten vorliegen. Bei Patienten mit einem negativen Test (unterhalb der Konzentration, die mit einer CV < 10 % gemessen werden kann), sollte dieser nach sechs bis neun Stunden wiederholt werden. Erst ein zweifach negativer Troponintest und ein unverändertes EKG schließen ein höheres Risiko aus. Bei beschwerdefreien Patienten, bei denen das Schmerzereignis mehr als zwölf Stunden zurückliegt, kann auf die zweite Messung verzichtet werden. Umgekehrt können bei Unsicherheit oder erneuter Angina pectoris auch mehr als zwei Troponinkontrollen nötig sein.
Patienten mit einer ST-Streckensenkung von mehr als 0,1 mV, einer Troponinerhöhung oder einem anderen Risikomerkmal wie Diabetes mellitus, refraktären Symptomen, Zeichen der Herzinsuffizienz oder Rhythmusinstabilität weisen Merkmale eines akuten thrombotischen Risikos auf und benötigen zusätzlich einen Glykoprotein-IIb/IIIa-Inhibitor, dem eine frühe invasive Koronardiagnostik und -intervention folgen sollte. Andere biochemische Marker wie das C-reaktive Protein, NT-proBNP oder BNP sind für die akute Risikostratifizierung und Therapiesteuerung weniger gut geeignet und haben ihren Stellenwert für die Einschätzung des Langzeitrisikos [21]
[14]
[1].
Zusammenfassung
Zusammenfassung
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Biomarker bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom identifiziert. Diese Biomarker geben uns ein besseres Verständnis in die komplizierte Pathophysiologie des akuten Koronarsyndroms.
Eine überwältigende Datenlage belegt aufgrund ihrer exklusiven Kardiospezifität und besseren Sensitivität die herausragende Bedeutung kardialer Troponine für die akute Risikostratifizierung und objektive Therapiesteuerung. Die kardialen Troponine haben die Kreatinkinase oder die CK-MB abgelöst, spielen eine zentrale Rolle in der neuen Infarktdefinition und sind in allen internationalen und nationalen Leitlinienempfehlungen als alleiniger biochemischer Marker für die Einschätzung des akuten, thrombotischen Risikos etabliert.
Die Kombination mit anderen, vor allem inflammatorischen Biomarkern (CRP, sCD-40 Ligand, Myeloperoxidase) oder natriuretischen Peptiden (NT-proBNP oder BNP) verbessert sowohl die Identifizierung von Patienten mit sehr hohem als auch mit sehr niedrigem Risiko. Welche dieser Marker sich in der Zukunft durchsetzen werden ist derzeit noch nicht klar, zumal ihre Alltagstauglichkeit in der Notaufnahme oder Intensivstation, ihre (Kosten-) Effektivität und ihre therapeutischen Konsequenzen, die sich aus der Bestimmung einer breiten Palette von Markern ergeben, erst durch prospektive Studien etabliert werden müssen.
Um allerdings einen objektiven Vergleich von kardialem Troponin T oder I - dem Referenzstandard, an dem sich alle neuen Biomarker mit prognostischer Wertigkeit messen lassen müssen - sicherzustellen, müssen die optimalen Blutentnahmeprotokolle und Referenzwerte beachtet werden [29]. Auch die Bedeutung so genannter früher Ischämiemarker sollte dann relativiert werden, wenn die neuen Referenzwerte (10 % CV oder 99. Perzentile) konsequent angewandt werden. Dann kann sogar ein Patient mit einem gesicherten Myokardinfarkt früher durch das kardiospezifische Troponin als durch Myoglobin oder CK-MB erkannt werden.
Tab. 1 Evidenzgrad neuer biochemischer Marker (Übersicht)
|
Patienten
|
Autor
|
Veröffentlichung in
|
Referenz
|
ischämisch modifiziertes Albumin (IMA)
|
n = 41
|
Bar-Or D et al.
|
Am Heart J 2001; 141: 985-991
|
[8]
|
n = 19
|
Apple FS et al.
|
Clin Chem 2002; 48: 1097-1100
|
[5]
|
-
|
Roy D et al.
|
Am J Cardiol 2004; 94: 234-236
|
[50]
|
n = 23
|
Roy D et al.
|
Clin Chem 2004; 50: 165-160
|
[49]
|
„heart-type fatty acid binding protein” (h-FABP)
|
n = 218
|
Chan CP et al.
|
Z Kardiol 2004; 93: 388-397
|
[15]
|
n = 189
|
Okamoto F et al.
|
Clin Chem Lab Med 2000; 38: 231-238
|
[45]
|
n = 460
|
Ghani et al.
|
Clin Chem 2000; 46: 718-719
|
[18]
|
C-reaktives Protein (CRP)
|
n = 92
|
Liuzzo G et al.
|
N Engl J Med 1994; 331: 417-424
|
[37]
|
CD40-Ligand
|
n = 195
|
OPUS TIMI 16
|
Circulation 2003; 108: 1049-1052
|
[57]
|
n = 1088
|
Heeschen C et al.
|
N Engl J Med 2003; 348: 1104-1111
|
[17]
|
Myeloperoxidase
|
n = 604
|
Brennan ML et al.
|
N Engl J Med 2003; 349: 1595-1604
|
[12]
|
n = 1990
|
Baldus S et al.
|
Circulation 2003; 108: 1440-1445
|
[7]
|
„placenta growth factor” (PlGF)
|
in vitro
|
Luttun A et al.
|
Nat Med 2002; 8: 831-840
|
[40]
|
in vitro
|
Autiero M et al.
|
J Thromb Haemost 2003; 1: 1356-1370
|
[6]
|
„pregnancy associated plasma protein A (PAPP-A)
|
n = 64
|
Bayes-Genis F et al.
|
N Engl J Med 2001; 345: 1022-1029
|
[9]
|
n = 64
|
Beudaux JL et al.
|
Arterioscler Thromb Vasc Biol 2003; 23: e7-10
|
[10]
|
n = 200
|
Lund J et al.
|
Circulation 2003; 108: 1924-1926
|
[38]
|
Tab. 2 Auswahl der wichtigsten nicht-ACS-bedingten Troponinerhöhungen im Blut
kardiale Genese
|
extrakardiale Genese
|
-
Herzinsuffizienz (akut, chronisch)
-
kardiales Trauma
-
Kontusion
-
Kardioversion (?)
-
nach elektiver perkutaner Koronarintervention
-
nach Herzoperation
-
Herztransplantation
-
Myokarditis / Perikarditis
-
arterielle Hypertonie / hypertensive Krise
-
kardiotoxische Medikamente
-
Systemerkrankungen mit kardialer Beteiligung (z.B. Amyloidose, Vaskulitis)
|
-
terminale Niereninsuffizienz
-
Lungenarterienembolie
-
Sepsis
-
Verbrennungen (insbesondere, wenn mehr als 30 % der Körperoberfläche betroffen sind)
|