Früher war alles besser! Über dieses Statement lässt sich in der Gesundheitspolitik
streiten. Was die Arzneimittel(preis)situation in Kliniken betrifft, ist dies aber
sicherlich richtig. Derzeit finden große Veränderungen statt, deren Auswirkungen sich
durchaus als Fallstrick für das eine oder andere Krankenhaus entwickeln könnten. Nach
wie vor unterscheidet sich die Arzneimittelversorgungssituation von Kassenpatienten
in Kliniken noch deutlich von der im niedergelassenen Bereich. Jedoch führen die von
der Gesundheitspolitik angelegten Mechanismen langsam aber sicher zu einer immer stärkeren
Angleichung der Ausgangsbedingungen.
Bisher besteht der auffälligste Unterschied darin, dass in der Klinik grundsätzlich
nicht auf die einzelnen Verordnungen eines Patienten gesehen wird, sondern ein "Budget"
eingehalten werden muss. Was dem Patienten innerhalb dieses "Budgets" verordnet wird,
ist letztlich (nur) eine Frage des Gewinns, den die Kliniken durch geschicktes Wirtschaften
mit Einsparungen auch in diesem Bereich erzielen können.
Die Arzneimittelversorgungslandschaft verändert sich!
Die Arzneimittelversorgungslandschaft verändert sich!
Aufgrund der geänderten Gesetzeslage zur Möglichkeit der Belieferung auch des ambulanten
Bereichs des Krankenhauses durch Krankenhausapotheken (wir berichteten) entwickeln
Krankenkassen ein immer größeres Interesse an Verträgen mit den Krankenhausträgern,
welche die ambulante Arzneimittelversorgung der Versicherten durch die Krankenhausapotheke
betreffen.
Das Motiv wird ausdrücklich in diesen Verträgen genannt: Die Einschaltung der Krankenhausapotheke
muss zu einer deutlichen Kostenersparnis für die Krankenkassen gegenüber der Versorgung
durch niedergelassene Apotheken führen. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Arzneimittelpreise
in Krankenhausapotheken frei verhandelbar sind und noch erheblich unter denen der
niedergelassenen Apotheken liegen. Die Krankenhausapotheke ist nicht an die Arzneimittelpreisverordnung
gebunden, die für die niedergelassene Apotheke genaue Vorgaben für die Preisbildung
enthält.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass Originalpräparatehersteller Krankenhausapotheken
mit Ware zum "Nulltarif" versorgen. Der Gedanke dahinter liegt auf der Hand: Werden
Patienten in der Klinik auf ein Originalpräparat eingestellt, so besteht eine gute
Chance, dass diese Verordnung auch "draußen", das heißt bei den Niedergelassenen,
bestehen bleibt. Dies wiederum sichert die Umsätze des Unternehmens und bringt einen
Wettbewerbsvorteil.
Diese Nulltarif-Belieferungspraxis ändert sich allerdings zurzeit - mit folgendem
Hintergrund: Zunächst einmal hat sich die Situation für Arzneimittelhersteller insbesondere
durch das so genannte GMG-Gesetz aus dem Jahr 2004 erheblich verschlechtert. Die Pharmaindustrie
wurde im Jahr 2004 zur Abgabe eines Herstellerrabatts in Höhe von 16% auf den Herstellerabgabepreis
gezwungen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit im Gesetz eingeräumt, dass auch Festbeträge
für patentgeschützte Arzneimittel gebildet werden können. Dies führt letztlich dazu,
dass der Preis eines Originals während der Patentlaufzeit in der Regel auf Festbetragsniveau
abgesenkt werden muss, um noch konkurrenzfähig zu sein.
Darüber hinaus ist den Pharmaunternehmen natürlich auch der Reigen um die ambulante
Versorgung von Patienten durch die Krankenhausapotheken nicht verborgen geblieben.
Denkt man dieses Modell zu Ende, würde die Pharmaindustrie durch kostenfreies oder
kostengünstiges Beliefern der Krankenhausapotheke die Ausweitung dieser Vertragsabschlüsse
noch begünstigen. Dies wiederum würde aber für die Unternehmen natürlich zu deutlichen
Umsatzeinbußen auf dem ambulanten Sektor führen, da immer öfter die Krankenhausapotheken
die Versorgung übernehmen und die niedergelassenen Apotheken folglich nicht mehr die
Produkte des Unternehmens verkaufen. Daher haben viele Unternehmen ihre Belieferungspolitik
an Krankenhausapotheken noch einmal überdacht und zum Teil die Praxis der Null-Tarif-Belieferung
eingestellt oder stark eingeschränkt.
Fallstrick 1: Verträge mit dem Krankenhausträger
Fallstrick 1: Verträge mit dem Krankenhausträger
Hierin liegt aber eine Gefahr für den Krankenhausträger, der Verträge über die ambulante
Versorgung durch Krankenhausapotheken mit den Krankenkassen abschließt. Die Preiskalkulation
basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf Arzneimitteln, welche die Krankenhausapotheke
umsonst oder zu äußerst günstigen Konditionen erhält. Fallen diese Konditionen einmal
weg, da die Pharmaunternehmen dazu nicht verpflichtet sind, könnte die Kalkulationsgrundlage
fehlerhaft und die Folgen für das Krankenhaus und seine Gewinnkalkulation äußerst
unangenehm werden. Dies gilt es bei der Vertragsgestaltung in jedem Fall zu berücksichtigen!
Fallstrick 2: Zuweiser nicht verprellen
Fallstrick 2: Zuweiser nicht verprellen
Darüber hinaus setzen auch die niedergelassenen Ärzte die Krankenhäuser immer mehr
unter Druck, die Patienten nicht auf teure Präparate einzustellen oder gar "off-label"
zu verordnen. Der Hintergrund dafür liegt wiederum in der anderen Ausgangssituation
der niedergelassenen Ärzte. Im Rahmen von so genannten Wirtschaftlichkeitsprüfungen
können die niedergelassenen Vertragsärzte für jede einzelne Verordnung zur Rechenschaft
gezogen werden.
Die Krankenkassen wiederum üben einen massiven Druck auf die Ärzte aus, gerade im
Arzneimittelsektor deutliche Einsparungen zu erzielen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt
ist die Forderung, so oft wie möglich Generika einzusetzen. Kommt der Patient nach
einem stationären Aufenthalt zum niedergelassenen Arzt, und wurde er dort auf ein
teures Präparat eingestellt, muss der niedergelassene Arzt den Patienten in mühseliger
Kleinarbeit davon überzeugen, dass er zum Beispiel statt eines Originals auf ein Generikum
umstellen muss. Patienten haben hierfür häufig kein Verständnis, was wiederum nicht
selten zu erheblichen Auseinandersetzungen mit dem Arzt führt, der dafür freilich
weder Zeit noch Muße hat. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird dadurch massiv belastet.
Ein noch deutlicheres Beispiel für die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen ist
die "Off-label-Verordnung". Im stationären Bereich werden viele Patienten zum Beispiel
aufgrund einer guten Studienlage mit Arzneimitteln in einer Indikation behandelt,
für die das betreffende Arzneimittel keine arzneimittelrechtliche Zulassung hat. Verordnet
man in der Klinik off-label, fällt dies in der Regel überhaupt nicht auf und wird
meistens auch nicht geprüft. Vereinzelt gibt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung
(MDK) vielleicht einmal einen Hinweis, aber Sanktionen (etwa bei den Verhandlungen
mit Krankenkassen über Arzneimittelausgaben) sind eher selten. Verordnet dagegen der
niedergelassene Arzt off-label (ohne, dass die Ausnahmegrundsätze vorliegen), muss
er unter Umständen in einem Regressverfahren die Kosten für diese Verordnung selbst
übernehmen. Vielen Klinikärzten ist diese Problematik gar nicht bewusst.
Da die Klinik aber sehr wesentlich von den niedergelassenen Ärzten als Zuweiser abhängt,
sollte zumindest eine Sensibilität für die Situation der Niedergelassenen vorhanden
sein. Hilfreich sind insoweit häufig Diskussionen, die zum Beispiel - professionell
moderiert - anlässlich einer gemeinsamen Fortbildung stattfinden können.
Fallstrick 3: Arzneimittelausgaben können geprüft werden
Fallstrick 3: Arzneimittelausgaben können geprüft werden
Gerade im ambulanten Bereich der Klinik unterliegen die Verordnungen des Krankenhauses
denselben Prüfmechanismen wie die eines niedergelassenen Arztes. Es ist davon auszugehen,
dass sich zukünftig die prüfenden Augen der Krankenkassen auch immer stärker auf Klinikärzte
richten werden. Erste Anzeichen dafür sind schon festzustellen. So häufen sich die
Meldungen aus Krankenhäusern, dass sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung
mit konkreten Einzelfällen befasst und Empfehlungen für die Verordnungen ausspricht.
Häufig betreffen diese zulässigen Prüfungen den Abgleich der Verordnung mit der Diagnose
des Patienten.
Es ist damit zu rechnen, dass zukünftig mehr Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegen ermächtige
Krankenhausärzte durchgeführt werden. In einigen Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen
gibt es sogar eigenständige Richtgrößen für ermächtigte Ärzte. Inwieweit diese Prüfungen
überhaupt durchführbar sind, steht dabei sicherlich auf einem anderen Blatt. Fakt
ist jedoch, dass sich auch (ermächtigte) Krankenhausärzte mit den Grundsätzen der
Verordnungsmöglichkeiten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes vertraut machen
sollten.
Auch in den Verträgen zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern über die ambulante
Arzneimittelversorgung durch die Krankenhausapotheken wird regelmäßig vereinbart,
dass sich die Krankenkassen die Prüfung des indikationsgerechten Einsatzes der Arzneimittel
und deren wirtschaftliche Verordnung vorbehalten. Dies sollte durchaus ernst genommen
werden.
Dr. jur. Isabel Häser, Rechtsanwaltssozietät Ehlers, Ehlers und Partner, München