Der Klinikarzt 2005; 34(4): XIX-XX
DOI: 10.1055/s-2005-868425
Recht

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Fallstricke für die Klinik - Wandel in der Arzneimittelpreispolitik

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Publication Date:
18 April 2005 (online)

 
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Früher war alles besser! Über dieses Statement lässt sich in der Gesundheitspolitik streiten. Was die Arzneimittel(preis)situation in Kliniken betrifft, ist dies aber sicherlich richtig. Derzeit finden große Veränderungen statt, deren Auswirkungen sich durchaus als Fallstrick für das eine oder andere Krankenhaus entwickeln könnten. Nach wie vor unterscheidet sich die Arzneimittelversorgungssituation von Kassenpatienten in Kliniken noch deutlich von der im niedergelassenen Bereich. Jedoch führen die von der Gesundheitspolitik angelegten Mechanismen langsam aber sicher zu einer immer stärkeren Angleichung der Ausgangsbedingungen.

Bisher besteht der auffälligste Unterschied darin, dass in der Klinik grundsätzlich nicht auf die einzelnen Verordnungen eines Patienten gesehen wird, sondern ein "Budget" eingehalten werden muss. Was dem Patienten innerhalb dieses "Budgets" verordnet wird, ist letztlich (nur) eine Frage des Gewinns, den die Kliniken durch geschicktes Wirtschaften mit Einsparungen auch in diesem Bereich erzielen können.

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Die Arzneimittelversorgungslandschaft verändert sich!

Aufgrund der geänderten Gesetzeslage zur Möglichkeit der Belieferung auch des ambulanten Bereichs des Krankenhauses durch Krankenhausapotheken (wir berichteten) entwickeln Krankenkassen ein immer größeres Interesse an Verträgen mit den Krankenhausträgern, welche die ambulante Arzneimittelversorgung der Versicherten durch die Krankenhausapotheke betreffen.

Das Motiv wird ausdrücklich in diesen Verträgen genannt: Die Einschaltung der Krankenhausapotheke muss zu einer deutlichen Kostenersparnis für die Krankenkassen gegenüber der Versorgung durch niedergelassene Apotheken führen. Dies ist nur deshalb möglich, weil die Arzneimittelpreise in Krankenhausapotheken frei verhandelbar sind und noch erheblich unter denen der niedergelassenen Apotheken liegen. Die Krankenhausapotheke ist nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden, die für die niedergelassene Apotheke genaue Vorgaben für die Preisbildung enthält.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass Originalpräparatehersteller Krankenhausapotheken mit Ware zum "Nulltarif" versorgen. Der Gedanke dahinter liegt auf der Hand: Werden Patienten in der Klinik auf ein Originalpräparat eingestellt, so besteht eine gute Chance, dass diese Verordnung auch "draußen", das heißt bei den Niedergelassenen, bestehen bleibt. Dies wiederum sichert die Umsätze des Unternehmens und bringt einen Wettbewerbsvorteil.

Diese Nulltarif-Belieferungspraxis ändert sich allerdings zurzeit - mit folgendem Hintergrund: Zunächst einmal hat sich die Situation für Arzneimittelhersteller insbesondere durch das so genannte GMG-Gesetz aus dem Jahr 2004 erheblich verschlechtert. Die Pharmaindustrie wurde im Jahr 2004 zur Abgabe eines Herstellerrabatts in Höhe von 16% auf den Herstellerabgabepreis gezwungen. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit im Gesetz eingeräumt, dass auch Festbeträge für patentgeschützte Arzneimittel gebildet werden können. Dies führt letztlich dazu, dass der Preis eines Originals während der Patentlaufzeit in der Regel auf Festbetragsniveau abgesenkt werden muss, um noch konkurrenzfähig zu sein.

Darüber hinaus ist den Pharmaunternehmen natürlich auch der Reigen um die ambulante Versorgung von Patienten durch die Krankenhausapotheken nicht verborgen geblieben. Denkt man dieses Modell zu Ende, würde die Pharmaindustrie durch kostenfreies oder kostengünstiges Beliefern der Krankenhausapotheke die Ausweitung dieser Vertragsabschlüsse noch begünstigen. Dies wiederum würde aber für die Unternehmen natürlich zu deutlichen Umsatzeinbußen auf dem ambulanten Sektor führen, da immer öfter die Krankenhausapotheken die Versorgung übernehmen und die niedergelassenen Apotheken folglich nicht mehr die Produkte des Unternehmens verkaufen. Daher haben viele Unternehmen ihre Belieferungspolitik an Krankenhausapotheken noch einmal überdacht und zum Teil die Praxis der Null-Tarif-Belieferung eingestellt oder stark eingeschränkt.

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Fallstrick 1: Verträge mit dem Krankenhausträger

Hierin liegt aber eine Gefahr für den Krankenhausträger, der Verträge über die ambulante Versorgung durch Krankenhausapotheken mit den Krankenkassen abschließt. Die Preiskalkulation basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf Arzneimitteln, welche die Krankenhausapotheke umsonst oder zu äußerst günstigen Konditionen erhält. Fallen diese Konditionen einmal weg, da die Pharmaunternehmen dazu nicht verpflichtet sind, könnte die Kalkulationsgrundlage fehlerhaft und die Folgen für das Krankenhaus und seine Gewinnkalkulation äußerst unangenehm werden. Dies gilt es bei der Vertragsgestaltung in jedem Fall zu berücksichtigen!

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Fallstrick 2: Zuweiser nicht verprellen

Darüber hinaus setzen auch die niedergelassenen Ärzte die Krankenhäuser immer mehr unter Druck, die Patienten nicht auf teure Präparate einzustellen oder gar "off-label" zu verordnen. Der Hintergrund dafür liegt wiederum in der anderen Ausgangssituation der niedergelassenen Ärzte. Im Rahmen von so genannten Wirtschaftlichkeitsprüfungen können die niedergelassenen Vertragsärzte für jede einzelne Verordnung zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Krankenkassen wiederum üben einen massiven Druck auf die Ärzte aus, gerade im Arzneimittelsektor deutliche Einsparungen zu erzielen. Ein wesentlicher Ansatzpunkt ist die Forderung, so oft wie möglich Generika einzusetzen. Kommt der Patient nach einem stationären Aufenthalt zum niedergelassenen Arzt, und wurde er dort auf ein teures Präparat eingestellt, muss der niedergelassene Arzt den Patienten in mühseliger Kleinarbeit davon überzeugen, dass er zum Beispiel statt eines Originals auf ein Generikum umstellen muss. Patienten haben hierfür häufig kein Verständnis, was wiederum nicht selten zu erheblichen Auseinandersetzungen mit dem Arzt führt, der dafür freilich weder Zeit noch Muße hat. Das Arzt-Patienten-Verhältnis wird dadurch massiv belastet.

Ein noch deutlicheres Beispiel für die unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen ist die "Off-label-Verordnung". Im stationären Bereich werden viele Patienten zum Beispiel aufgrund einer guten Studienlage mit Arzneimitteln in einer Indikation behandelt, für die das betreffende Arzneimittel keine arzneimittelrechtliche Zulassung hat. Verordnet man in der Klinik off-label, fällt dies in der Regel überhaupt nicht auf und wird meistens auch nicht geprüft. Vereinzelt gibt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) vielleicht einmal einen Hinweis, aber Sanktionen (etwa bei den Verhandlungen mit Krankenkassen über Arzneimittelausgaben) sind eher selten. Verordnet dagegen der niedergelassene Arzt off-label (ohne, dass die Ausnahmegrundsätze vorliegen), muss er unter Umständen in einem Regressverfahren die Kosten für diese Verordnung selbst übernehmen. Vielen Klinikärzten ist diese Problematik gar nicht bewusst.

Da die Klinik aber sehr wesentlich von den niedergelassenen Ärzten als Zuweiser abhängt, sollte zumindest eine Sensibilität für die Situation der Niedergelassenen vorhanden sein. Hilfreich sind insoweit häufig Diskussionen, die zum Beispiel - professionell moderiert - anlässlich einer gemeinsamen Fortbildung stattfinden können.

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Fallstrick 3: Arzneimittelausgaben können geprüft werden

Gerade im ambulanten Bereich der Klinik unterliegen die Verordnungen des Krankenhauses denselben Prüfmechanismen wie die eines niedergelassenen Arztes. Es ist davon auszugehen, dass sich zukünftig die prüfenden Augen der Krankenkassen auch immer stärker auf Klinikärzte richten werden. Erste Anzeichen dafür sind schon festzustellen. So häufen sich die Meldungen aus Krankenhäusern, dass sich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung mit konkreten Einzelfällen befasst und Empfehlungen für die Verordnungen ausspricht. Häufig betreffen diese zulässigen Prüfungen den Abgleich der Verordnung mit der Diagnose des Patienten.

Es ist damit zu rechnen, dass zukünftig mehr Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegen ermächtige Krankenhausärzte durchgeführt werden. In einigen Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen gibt es sogar eigenständige Richtgrößen für ermächtigte Ärzte. Inwieweit diese Prüfungen überhaupt durchführbar sind, steht dabei sicherlich auf einem anderen Blatt. Fakt ist jedoch, dass sich auch (ermächtigte) Krankenhausärzte mit den Grundsätzen der Verordnungsmöglichkeiten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes vertraut machen sollten.

Auch in den Verträgen zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern über die ambulante Arzneimittelversorgung durch die Krankenhausapotheken wird regelmäßig vereinbart, dass sich die Krankenkassen die Prüfung des indikationsgerechten Einsatzes der Arzneimittel und deren wirtschaftliche Verordnung vorbehalten. Dies sollte durchaus ernst genommen werden.

Dr. jur. Isabel Häser, Rechtsanwaltssozietät Ehlers, Ehlers und Partner, München