Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(2): 140-142
DOI: 10.1055/s-2005-868443
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mittelfristige Ergebnisse nach subakromialer Dekompression - Ein Vergleich klinischer, sonographischer und radiologischer Befunde

Further Information

Publication History

Publication Date:
29 April 2005 (online)

 
Table of Contents
Zoom ImageZoom Image

Dr. Emanuel V. Geiger

Das "Impingementsyndrom" auch als "Supraspinatussehnensyndrom" oder "subakromiales Engpasssyndrom" bezeichnet (aus dem Englischen "to impinge") ist eine Erkrankung der Schulter, bei der es aufgrund eines eingeengten Subakromialraumes zu starken Bewegungsschmerzen kommt.

Bereits im 19. Jahrhundert haben verschiedene Autoren begonnen, Erkrankungen der Schulter und die damit einhergehenden pathologischen Veränderungen zu beschreiben. Goldthwait war der Erste, der den Begriff "impingement" prägte und hierbei auf die Funktion der Bursa subacromialis bei Bewegungen zwischen Humeruskopf und Akromion einging. Ferner wies er auf interindividuelle Unterschiede bezüglich Größe und Stellung des Akromions hin. Pfuhl unterstrich ebenfalls die Bedeutung des subakromialen Gleitraumes und prägte den Begriff des "subakromialen Nebengelenkes". Hierbei stellen korakoakromialer Bogen und Rotatorenmanschette gewissermaßen die beteiligten Gelenkpartner dar. Im Jahr 1972 wurde das Impingementsyndrom sowie seine Therapie ausführlich und umfassend von Neer beschrieben.

#

Ursachen des Impingements

Im Hinblick auf die Ätiologie und Pathogenese des Impingementsyndroms spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. In Abhängigkeit von strukturellen Veränderungen im Bereich des Akromions, Akromioklavikluargelenkes oder Humeruskopfes bzw. der Rotatorenmanschette oder Bursa subacromialis wird zwischen Outlet- und Non-Outlet-Impingement unterschieden.

Beim Outlet- Impingement führen morphologische Varianten des Akromions (Typ Bigliani II und III) oder Osteophyten im Bereich des Akromioklavikulargelenkes, welche mit einer Prävalenz von bis zu 29% auftreten, zu einer Verkleinerung des subakromialen Raumes. Indirekt kann es aufgrund eines Höhertretens des Humeruskopfes, nach Rotatorenmanschettenruptur, zu einem Einklemmen der Supraspinatussehne kommen.

Das Non-Outlet-Impingement entsteht bei einer Volumenzunahme der unter dem Schulterdach durchziehenden Strukturen. So können chronische Entzündungen der Bursa oder Kalkeinlagerungen in der Rotatorenmanschette ebenfalls zu einem Impingementsyndrom führen. Das Impingementsyndrom hat bezüglich der Veränderungen im Bereich der Rotatorenmanschette einen stadienhaften Verlauf:

Zoom ImageZoom Image

Abb. 1: Altersverteilung der Patienten.

Stadium 1: Reversible ödematöse Veränderungen, ggf. Einblutungen

Stadium 2: Fibrose, Tendinitis

Stadium 3: (Teil-)Ruptur und knöcherne Veränderungen

Langfristig kann es bei zunehmender Verklebung und Verwachsung des Subakromialraumes bzw. Degeneration der Rotatorenmanschette zu einer deutlichen Bewegungseinschränkung im Schultergelenk kommen. Das Impingementsyndrom tritt in bestimmten Berufsgruppen mit einer Prävalenz von bis zu 24% auf. Schwere körperliche Arbeit, sich häufig wiederholende Bewegungen im Berufsalltag und das Arbeiten über Kopf sind prädisponierende Faktoren. Es hat sich gezeigt, dass das Impingementsyndrom großen Einfluss auf die Lebensqualität und berufliche Leistungsfähigkeit hat. Mit einer teils sehr langwierigen Rehabilitationsphase stellt es einen nicht zu vernachlässigenden klinischen und volkswirtschaftlichen Faktor dar.

#

Diagnostik und Therapie

Neben der klinischen Untersuchung ist der Impingementtest nach Neer, d.h. die subakromiale Injektion eines lang wirksamen Lokalanästhetikums, ein Verfahren mit hoher diagnostischer Aussagekraft. Zu den bildgebenden Verfahren zählt die Sonographie, welche Veränderungen der Bursa subacromialis, der Rotatorenmanschette und der langen Bizepssehne darstellt. Mit- hilfe der Röntgendiagnostik werden Form und Stellung des Akromions sowie morphologische Veränderungen des Subakromialraumes dargestellt.

Erst wenn konservative Therapiemaßnahmen im Sinne von NSAR- Gabe, Steroidinjektion und/oder physiotherapeutische Maßnahmen vollständig ausgereizt sind, sollte eine Dekompressionsoperation in Erwägung gezogen werden.

Historisch betrachtet erfolgte die operative Therapie des Impingementsyndroms zunächst mit einer (sub-)totalen Akromionresektion. Die Ergebnisse waren allerdings, aufgrund der häufig resultierenden Deltamuskelinsuffizienz, nicht überzeugend. Mit der 1972 von Neer beschriebenen anterioren Akromionplastik konnten, bei erhaltener bzw. intraoperativ wieder hergestellter Integrität des Deltamuskels, deutlich bessere Ergebnisse erzielt werden.

Das Prinzip der anterioren Akromionplastik beruht auf der Abtragung eines Keils von der Vorderunterkante des Akromions sowie der Ablösung des Lig. coracoacromiale. Hierbei wird der Deltamuskel sorgfältig geschont bzw. anschließend am Akromion refixiert.

Mittlerweile wird die subakromiale Dekompression meistens arthroskopisch durchgeführt. Zunächst erfolgt nach diagnostischer Arthroskopie des Glenohumeralgelenkes die Resektion der Bursa subacromialis und analog zur offenen Akromionplastik die Resektion des Lig. coracoacromiale sowie die Abtragung der akromialen Vorderunterkante mit einem Fräsgerät, dem so genannten "Akromionizer". Die Vorteile der arthroskopischen subakromialen Dekompression liegen in der besseren intraoperativen Übersicht, der geringeren perioperativen Morbidität sowie der kürzeren Rehabilitationsdauer.

In der postoperativen Phase nach alleiniger subakromialer Dekompression können die Patienten, sofern keine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette erfolgte, direkt schmerzadaptiert funktionell nachbehandelt werden. Das erste Ziel sollte stets die Wiederherstellung der Beweglichkeit sein, so dass in der Frühphase der Rehabilitation zunächst Pendelübungen durchgeführt werden. Anschließend erfolgen der Muskelaufbau, Bewegungen über der Horizontalen und ein gezieltes Koordinationstraining.

Zoom ImageZoom Image

Abb. 2: Subakromialer Enge bei AC-Gelenkarthrose mit Spornbildung.

#

Vergleich klinischer und sonographischer und radiologischer Befunde

Ziel der vorliegenden Studie war es, die mittelfristigen Ergebnisse nach subakromialer Dekompression bei Patienten mit Impingementsyndrom zu evaluieren. Im Zentrum des Interesses lag hierbei der Vergleich klinischer, sonographischer und radiologischer Befunde.

Zoom ImageZoom Image

Abb. 3: Zustand nach anteriorer Akromionplastik mit lateraler Klavikularesektion und offener Rotatorenmanschettennaht.

Im Untersuchungszeitraum wurden an der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Eberhard- Karls- Universität Tübingen 55 Patienten (14 Frauen und 41 Männer) aufgrund eines Impingementsyndroms subakromial dekomprimiert. Das Durchschnittsalter der Patienten zum Zeitpunkt der Operation lag bei 52 Jahren (19-70 Jahre). 88% der untersuchten Patienten waren Rechtshänder. In 72% der Fälle wurde die dominante Seite operiert. Von den Patienten, die auf der nicht dominanten Seite operiert wurden, gaben 55 % an mit der betroffenen Schulter beruflich schwere Arbeit zu verrichten. Zwei Patienten wurden an beiden Schultern operiert.

Retrospektiv erfolgte die Auswertung der Krankenakten bezüglich der präoperativ erhobenen klinischen, sonographischen und radiologischen Befunde. Die Patienten wurden durchschnittlich jeweils 6 und 74 Monate postoperativ nachuntersucht. Untersuchungsgegenstand war hierbei die Funktion, welche mittels des Constant Score erhoben wurde, die Schmerzen sowie radiologische und sonographische Befunde. Es wurde weiterhin nach den praktizierten Sportarten, der beruflichen Tätigkeit und Dauer der Arbeitsunfähigkeit gefragt. Außerdem wurden Fragen nach der subjektiven Meinung der Patienten zur Operation und zum Operationsergebnis gestellt.

#

Gute Resultate

37 Patienten konnten vollständig nachuntersucht werden. In 78% der Fälle zeigte sich eine für die Pathologie relevante Akromionform (Typ II und III nach Bigliani, 28 bzw. 50%) Der Constant Score lag präoperativ durchschnittlich bei 59 Punkten. Innerhalb der ersten 6 Monate postoperativ stieg der Constant Score durchschnittlich um 21 auf 80 Punkte an. Bei der letzten Nachuntersuchung 74 Monate postoperativ erreichten die Patienten durchschnittlich 85 Punkte. Insgesamt bewerteten die Patienten die Schmerzhaftigkeit postoperativ mit durchschnittlich 10,5 von 15 möglichen Punkten. Gegenüber den präoperativen 2,3 von 15 Punkten stellt dies eine deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik dar. Operationsspezifische Komplikationen wurden keine beobachtet. 86% der Patienten waren mit dem Operationsergebnis sehr zufrieden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die subakromiale Dekompression bei einem konservativ therapierefraktären Impingementsyndrom eine hervorragende Therapieoption darstellt und zu sehr guten reproduzierbaren Ergebnissen führt.

Literatur beim Verfasser

Emanuel V. Geiger, Patrik Reize, Stephanie Baur, Nikolaus Wülker

Orthopädische Klinik und Poliklinik

Eberhard-Karls-Universität Tübingen