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DOI: 10.1055/s-2005-870169
Anaphylaktischer Schock nach Verzehr von „saure Nierle” bei Typ I-Allergie auf Schweineniere
Anaphylactic Shock Due to Type I-Allergy Against Pork Kidney
Dr. med. Tobias Plaza
Klinik für Dermatologie und Allergologie · Zentrum für Hautkrankheiten · Klinikum Stuttgart
Prießnitzweg 24 · 70327 Stuttgart
Email: t.plaza@kbc-intern.de
Publication History
Publication Date:
26 September 2005 (online)
Zusammenfassung
Wir berichten von einem 76-jährigen Patienten, bei dem es nach Genuss von schwäbischen „sauren Nierle” zu einer anaphylaktischen Reaktion kam. Andere Fleischgerichte isst der Patient seit Jahren ohne Probleme. Als Ursache der allergischen Reaktion konnten wir im Pricktest eine Typ I-Allergie auf die enthaltene Schweineniere nachweisen. Bei allergischen Reaktionen nach Verzehr von Fleischgerichten, insbesondere bei Innereien, sollte daher eine Typ I-Allergie auf Schweineniere mitbedacht werden.
#Abstract
We report on a 76-year-old male patient suffering from a life-threatening anaphylactic reaction due to ingestion of “sour pork kidney”, a special German meal from Swabia. Pork and other meat has been tolerated without any complications by the patient for many years. As reason for the anaphylactic reactions we found a Type I-allergy to pork kidney with a positive pricktest to pork kidney. Whenever a patient suffers from allergic reactions due to meat-containing meals a pork kidney-allergy should be considered.
#Fallbericht
#Anamnese
Bei Erstvorstellung im Februar 2005 berichtet der 76-jährige Rentner und Hobby-Landwirt, dass er im Jahr 2004 zwei Stunden nach Genuss von „saure Nierle” mit Spätzle und Kroketten sowie Pfefferminztee in einem Landgasthaus mit einer generalisierten Urtikaria, Quincke-Ödem sowie mit Atemnot mit anschließendem Herz-Kreislauf-Stillstand reagiert habe. Im Jahr zuvor habe er „saure Nierle” mehrfach gegessen und problemlos vertragen. Der sofort verständigte Notarzt habe den Patienten erfolgreich reanimiert und zur intensivmedizinischen Weiterbetreuung ins Krankenhaus eingeliefert.
Schweinefleisch, Rindfleisch, Geflügel und Lamm seien seither mehrfach problemlos verzehrt worden.
Unter Würdigung der Anamnese bestand der Verdacht, dass ein Inhaltsstoff der „sauren Nierle” für die Beschwerden des Patienten verantwortlich sein könnte. Daher entschieden wir uns zur Prick- und Intrakutantestung von Nutritiva sowie von mitgebrachter Niere roh und gekocht (nativ) und nach oben genanntem Rezept (Tab. [1]) selbst zubereiteten „saure Nierle” (nativ). Außerdem bestimmten wir spezifische IgE-Antikörper gegen Rindfleisch, Schweinefleisch, Hammelfleisch und Hühnerfleisch im Serum mittels EAST.
#Allergologische Befunde
#Pricktestung
Die Pricktestung wurde nach Standardverfahren durchgeführt [1]. Die Ablesung erfolgte nach 20 und 40 Minuten.
Dreifach-positive Pricktestreaktionen (Quaddel: 4 - 6 mm/Rötung: 11 - 20 mm) waren nachweisbar auf: Schweineniere roh (nativ), Schweineniere gekocht (nativ), „saure Nierle” (nativ). Zweifach-positive Pricktestreaktionen (Quaddel: 3 mm/Rötung: 6 - 10 mm) waren nachweisbar auf: Kuhmilch (Allergopharma), Bettfedern (ALK Scherax). Ansonsten negativ, insbesondere zwei Fleischmischungen (Schwein, Hammel, Huhn, Gans, Ente, Pute, Rind) (Allergopharma), Schweinefleisch (Allergopharma), Weizenmehl (Allergopharma), Hühnerei (Allergopharma), Kartoffel (Allergopharma), Tomate (Allergopharma), Pfeffer (Allergopharma), Tomatenmark (nativ), Fleischbrühe (nativ), Pfefferminztee (nativ), Katzenepithelien (Allergopharma). Dreifach-positive Histaminkontrolle, negative 0,9 % NaCl-Kontrolle (Abb. [1]).
#In-vitro-Untersuchungen
EAST/spezifische IgE-Antikörper: Negativ waren (< 0,35 kU/l (Klasse 0)): Rindfleisch, Schweinefleisch, Hammelfleisch, Hühnerfleisch.
#Diskussion
Im vorliegenden Fall kam es zu einer anaphylaktischen Reaktion mit Urtikaria, Quincke-Ödem und Herz-Kreislauf-Stillstand nach Verzehr von „saure Nierle” mit Kroketten, Spätzle und Pfefferminztee. In den durchgeführten allergologischen Testungen konnten wir dreifach-positive Pricktest-Reaktionen auf Schweineniere roh, gekocht, sowie auf „saure Nierle” nachweisen (Abb. [1]). Die weiteren Inhaltsstoffe der „sauren Nierle” (Tomatenmark, Fleischbrühe, Pfeffer, Zwiebel (Tab. [1])) sowie Kartoffel, Weizenmehl und Hühnerei (Inhaltsstoffe der Beilagen) und der zeitgleich getrunkene Pfefferminztee waren in der Pricktestung negativ. Der Nachweis von spezifischen IgE-Antikörpern im Serum ist nach den Empfehlungen der American Academy of Allergy and Immunology nicht unbedingt erforderlich, wenn durch einen positiven Pricktest die IgE-vermittelte Immunantwort nachgewiesen ist [2] [3]. Somit stellten wir die Diagnose einer Typ I-Allergie auf Schweineniere.
Saure Schweinenierle (nach alter Familientradition) |
Zutaten:
250 g Schweinenieren 30 g Butter (oder etwas mehr), Prise Salz und Pfeffer Etwas Tomatenmark 1/3 Tasse Fleischbrühe (oder Soßenrest vom Sonntagsbraten) 1 guter Schuss Essig (nach Geschmack) 1 Zwiebel 2 Gewürzgurken |
Zubereitung:
Die Schweinsnieren gut wässern, sonst „soichelts”. In Scheiben schneiden und in gut heißem Fett kurz anbraten. Mit Salz und Pfeffer und Tomatenmark würzen und mit der Fleischbrühe ablöschen. Essig je nach Geschmack zugeben (lässt sich nachdosieren). Nun die in Scheiben geschnittene Zwiebel rösten und diese über die Nieren geben. Die Gewürzgurken in Streifen schneiden und das Ganze damit garnieren. Dazu reicht man Spätzle & Salat. TIP: Geröstete Spätzle vom Vortag sind spitze dazu! |
In der Literatur sind nur sehr wenige Fälle von Typ I-Allergien auf Schweineniere beschrieben [4] [5] [6]. Sehr selten sind diese Patienten nicht ausschließlich auf Schweineniere, -darm und -leber allergisch, sondern auch auf Schweinefleisch [6]. Im vorliegenden Fall wurde Schweine-, Rind- und Lammfleisch sowie Geflügel nach dem allergischen Ereignis mehrfach problemlos verzehrt, außerdem waren Pricktestung und EAST auf Schweine-, Rind-, Hammelfleisch sowie auf Huhn und Pute negativ.
Kreuzreaktionen zwischen Schweineniere und Lammdarm sind beschrieben [4]. Eine Allergie auf Lammfleisch konnte im speziellen Fall bei negativem EAST und Pricktest auf Hammelfleisch und fehlender Klinik ausgeschlossen werden.
Außerdem sind Kreuzallergien zwischen Schweineniere und Katzenepithelien nachgewiesen worden [7]. Auch diese konnten wir bei negativem Pricktest und fehlender Klinik ausschließen.
Die molekulare Charakterisierung und rekombinante Expression des/der Schweinenierenallergene, insbesondere (parziell) hitzestabiler Transferfaktoren, steht bislang aus.
Neben der Typ I-Allergie auf Schweineniere fielen in der durchgeführten Pricktestung positive Reaktionen auf Kuhmilch und Bettfedern auf. Die Anamnese unseres Patienten war negativ bezüglich klinischer Symptome beim häufigen Verzehr von Kuhmilchprodukten. Außerdem bestand keine Rhinokonjunktivitis allergica perenniales oder ein allergisches Asthma bronchiale bei positivem Pricktest auf Bettfedern und Verwendung von Federbetten. Somit ist für beide positive Reaktionen nicht von einer klinischen Relevanz auszugehen. Kreuzallergien zwischen Schweineniere und Kuhmilch oder Bettfedern sind ebenfalls nicht beschrieben.
#Fazit für die Praxis
Zusammenfassend sollte bei einer Typ I-Reaktion auf Fleischgerichte, insbesondere auf Innereien, eine mögliche Schweinenierenallergie mitbedacht werden.
#Literatur
- 1 Dreborg S. EAACI: skin tests for diagnosis of IgE-mediated allergy. Allergy. 1989; 44 (Suppl. 10) 31-37
- 2 Bock S A, Sampson H A, Atkins F M, Zeiger R S, Lehrer S, Sachs M, Bush R K, Met calfe D D. Double-blind, placebo-controled food-challenge (DBPCFC) as an office procedure: A manual. J Allergy Clin Immunol. 1988; 82 986-997
- 3 Sampson H A. Food allergy. Part 2. Diagnosis and Management. J Allergy Clin Immunol. 1999; 103 981-989
- 4 Llatser R, Polo F, De La Hoz F, Guillaumet B. Alimentary Allergy to pork. Crossreactivity among pork kidney and lamb gut. Clin Exp Allergy. 1998; 28 1021-1025
- 5 Panhans-Gross A, Gall H, Berger O, Peter R U. Nahrungsmittelallergie auf Schweinenieren. Allergo J. 2000; 9 159-160
- 6 Wüthrich B. Allergien auf Fleischeiweiße bei Erwachsenen. Allergologie. 1996; 3 130-134
- 7 Sabbah A, Lauret M G, Chène J, Boutet S, Drouet M. Le syndrome porc-chat ou l'allergie croisée entre viande de porc et épithélia de chat. Allergie et Immunologie. 1994; 26 173-180
Dr. med. Tobias Plaza
Klinik für Dermatologie und Allergologie · Zentrum für Hautkrankheiten · Klinikum Stuttgart
Prießnitzweg 24 · 70327 Stuttgart
Email: t.plaza@kbc-intern.de
Literatur
- 1 Dreborg S. EAACI: skin tests for diagnosis of IgE-mediated allergy. Allergy. 1989; 44 (Suppl. 10) 31-37
- 2 Bock S A, Sampson H A, Atkins F M, Zeiger R S, Lehrer S, Sachs M, Bush R K, Met calfe D D. Double-blind, placebo-controled food-challenge (DBPCFC) as an office procedure: A manual. J Allergy Clin Immunol. 1988; 82 986-997
- 3 Sampson H A. Food allergy. Part 2. Diagnosis and Management. J Allergy Clin Immunol. 1999; 103 981-989
- 4 Llatser R, Polo F, De La Hoz F, Guillaumet B. Alimentary Allergy to pork. Crossreactivity among pork kidney and lamb gut. Clin Exp Allergy. 1998; 28 1021-1025
- 5 Panhans-Gross A, Gall H, Berger O, Peter R U. Nahrungsmittelallergie auf Schweinenieren. Allergo J. 2000; 9 159-160
- 6 Wüthrich B. Allergien auf Fleischeiweiße bei Erwachsenen. Allergologie. 1996; 3 130-134
- 7 Sabbah A, Lauret M G, Chène J, Boutet S, Drouet M. Le syndrome porc-chat ou l'allergie croisée entre viande de porc et épithélia de chat. Allergie et Immunologie. 1994; 26 173-180
Dr. med. Tobias Plaza
Klinik für Dermatologie und Allergologie · Zentrum für Hautkrankheiten · Klinikum Stuttgart
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