Aktuelle Dermatologie 2006; 32(1/02): 11-22
DOI: 10.1055/s-2005-870546
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antimikrobiell ausgestattete textile 3D-Strukturen

Antimicrobial-Finished Textile 3D StructuresM.  Heide1 , U.  Möhring1 , R.  Hänsel2 , M.  Stoll2 , B.  Heinig3 , U.  Wollina4
  • 1TITV Greiz (Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland e. V. Greiz)
  • 2Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen gGmbH Freiberg
  • 3Abteilung für Physiotherapie und
  • 4Hautklinik am Klinikum Dresden-Friedrichstadt, Städtisches Krankenhaus, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
Further Information

Prof. Dr. Uwe Wollina

Hautklinik am Klinikum Dresden-Friedrichstadt · Städtisches Krankenhaus · Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

Publication History

Publication Date:
14 February 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Köpernah getragene Textilien stehen in enger Wechselbeziehung zur Standortflora der Haut. Mikroben auf der Haut können sowohl die Haut als auch Textilien und schließlich die Wechselwirkung Textil/Haut beeinflussen. Bei antimikrobieller Ausstattung von Textilien ist die Hautverträglichkeit aber auch die Schonung der physiologischen Standortflora das Ideal. Moderne textiltechnische Lösungen nähern sich sehr deutlich diesem Idealziel an. Im vorliegenden Beitrag werden verschiedene Forschungsprojekte und Forschungsergebnisse vorgestellt, die den Einsatzbereich antimikrobiell ausgestatteter Textilien aufzeigt.

#

Abstract

Textiles worn in close contact to the skin inerfere with the normal skin surface flora. Microbes on the skin surface may interact not only with the skin itself, but with textiles and the textile/skin interaction. Ideal antimicrobial textiles should respect the physiological skin flora and guarantee excellent skin tolerability. Modern textile technical solutions offer product qualities close to this ideal. In the present paper research programmes and research results are presented demonstrating the various fields of application.

#

Einführung

Mikroorganismen sind ein Teil unseres täglichen Lebens. Als Standortflora auf der Haut sind sie Teil des unspezifischen Abwehrsystems. Mikroorganismen besiedeln auch Textilien. Vor allem bei engem Kontakt zur Haut, langen Zeiträumen zwischen Waschvorgängen sowie entsprechendem Mikroklima ist ein schnelles Keimwachstum gegeben.

Die Mikroorganismen und deren Stoffwechselprodukte können

  • Infektionen auslösen,

  • Entzündungen hervorrufen,

  • zu unangenehmen Gerüchen in Wäsche, Sportbekleidung oder Schuhen führen,

  • Textilien zerstören oder in der Funktion beeinträchtigen.

Das Textil ist somit an der Wechselwirkung Haut - Umwelt direkt beteiligt. Bei den Rohstoffen zur Fertigung von Textilien ist in den letzten Jahren ein deutlicher Trend zu mehr Funktionalität erkennbar. Durch Fasern wie X-Static®, Meryl Skinlife®, Diolen Care®, Trevira® Bioaktive u. a. wurde der Markt mit innovativen, antimikrobiell wirkenden Materialien bereichert. Folgende Einsatzbereiche sind derzeit bekannt:

  • technische Textilien,

  • Objektwäsche und Berufsbekleidung,

  • Outdoor-Textilien,

  • Haushaltwäsche,

  • Sport- und Freizeittextilien,

  • Textilien für den Wellness-Sektor und

  • Medizintextilien.

Weit verbreitet ist der Einsatz von Silber als antimikrobiell wirksames Prinzip. Silberfasern oder in die Faser eingeschlossene Silberionen verhindern die Vermehrung von Bakterien, ohne das natürliche Gleichgewicht der Haut zu stören. Geruchsentwicklung, bei der insbesondere Corynebakterien eine Rolle spielen [9], wird vermindert. Der antimikrobielle Schutz von Textilien muss fest im Material verankert und somit permanent (d. h. wasch- und reinigungsfest) sein, hochwirksam gegen Bakterien und Pilze, ungiftig für den Anwender unter Beibehaltung von Tragekomfort und Funktionalität. Für Tag- bzw. Funktionswäsche haben derartige Fasern bereits ein beachtliches Marktvolumen erreicht. Dermatologische Tests bescheinigen eine gute Hautverträglichkeit [2]. Somit empfiehlt sich der Einsatz dieser textilen Produkte nicht nur beispielsweise für den Wellnessbereich. Vielmehr besteht die Zielsetzung darin, textile Stoffe mit antimikrobieller Ausstattung suffizient medizinisch in Prophylaxe und Therapie einzusetzen.

#

Der Einsatz von Silberionen auf wissenschaftlicher Basis

Enge Kooperation von Medizinern und Textiltechnikern erlaubt in zunehmendem Maße die Entwicklung spezieller Gewirke, welche den besonderen Anforderungen im medizinisch-klinischen Einsatz Rechnung tragen. Neben Materialeigenschaften wie beispielsweise Atmungsaktivität, Feuchteableitung, Antistatik, Sterilisier- bzw. Waschbarkeit, Allergenminimierung, Kosteneffektivität und ökologisch vertretbarer Entsorgung spielt die antimikrobielle Wirksamkeit mit Schaffung von Barrierefunktionen für Mikroorganismen eine wesentliche Rolle [1]. In diesem Zusammenhang bietet sich die textile Ausstattung mit Silberionen an.

Silber ist seit Jahrhunderten für seine antiinfektiöse Qualität bekannt und heute therapeutisch in den verschiedensten medizinischen Gebieten etabliert. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts war der Einsatz von Silber und Silberverbindungen zur Bekämpfung bakterieller Infektionen medizinischer Standard [11]. Silber wurde in dünnen Blättchen aufgetragen, um Wunden zu heilen.

Verschiedene Versionen von Silber im atomischen Aufbau sind bekannt. Silber kann als neutrales Atom mit 47 Elektronen und 47 Protonen existieren oder als positiv geladenes Atom mit 46 Elektronen und 47 Protonen. Ein Silberatom ohne elektrische Ladung wird häufig als metallisches Silber oder Ag (0) angegeben und besitzt keine antimikrobiellen Eigenschaften. Diese Fähigkeit wird ausschließlich der ionischen Form Ag (I) oder Ag+ zuerkannt. Das Silberkation ist ein potentes antimikrobiell wirksames Agens mit der Fähigkeit, Bakterien zu schädigen [3].

In-vitro-Studien zeigten antibakterielle Wirksamkeiten sowie die Schaffung antimikrobieller Barrieren für silberbeschichtete Wundverbände bei Kontaktzeiten über mehrere Stunden [11]. Schaller et al. berichteten bei der Verwendung silberhaltiger hydrokolloider Wundverbände über gute antibakterielle Wirksamkeit mit Vermeidung einer Zytotoxizität [12]. Bei zahlreichen Tierversuchen wurde zu Fragen des Silbereinsatzes an offenen Wunden recherchiert [6] [13].

Beschrieben wird ein möglicher Angriffsort der Silberionen auf verschiedenen zellulären und subzellulären Ebenen wie der Zytoplasmamembran, die Beeinflussung von Protein-Interaktionen bzw. Enzymaktivitäten [4] sowie der DNA-Replikation [5]. Zu eventueller Silbertoxizität wurde von verschiedenen Autoren berichtet [6] [7]. Humantoxizität bei lokaler wie interner Anwendung silberhaltiger medizinischer Produkte, so wie diese derzeit in der medizinischen Praxis verwendet werden, können jedoch als außerordentlich gering eingestuft werden [8].

In der modernen Medizin werden silberhaltige Materialien für eine Reihe von therapeutischen Produkten eingesetzt. Dazu gehören beispielsweise Wundauflagen (z. B. Silber-Aktivkohle-Kompressen), spezielle Verbandstoffe (z. B. bei Verbrennungen) oder Katheterbeschichtungen - generell unter dem Aspekt antiinfektiöser Wirksamkeit [8].

Gute therapeutische Erfahrungen für silberbeschichtete Textilien liegen bereits für die Anwendung im Rahmen der Therapie beim atopischen Ekzem vor [2]. Hierbei ist der Ansatz die vermehrte Hautbesiedlung mit Staphylococcus aureus, die als Triggerfaktor der Entzündung über sog. Superantigene wirken kann.

Stoffwechselerkrankungen können mit einem erhöhten Risiko von Hautinfektionen verknüpft sein. So ist bei Patienten mit Diabetes mellitus neben einer optimalen Stoffwechseleinstellung auch eine kontinuierlichen Kontrolle der Infektsituation wünschenswert. Bei sensomotorischer und/oder autonomer Neuropathie sind Betroffene gefährdet, ein diabetisches Fußsyndrom zu entwickeln [10]. Konsequente lokale Druckentlastung, gezielte antiinfektiöse Behandlung [14] sowie zuweilen systemische Antibiose [15] sind erforderlich, um schwerwiegende Folgen wie z. B. Amputationen zu vermeiden. Gerade für Diabetiker könnte das Einbringen von Silberionen in Strümpfe oder Schuhe zur Infektprophylaxe der Füße und damit zur Erhaltung der Mobilität beitragen.

In den letzten Jahren gab es verschiedene Entwicklungen auf dem Gebiet der Fadenhersteller, um synthetische Garne mit Silber zu ummanteln oder Silberionen in Fadenmaterialien einzulagern. Somit können textile Flächen für Medizinprodukte hergestellt werden und in die unterschiedlichsten Finalprodukte einfließen, ganz gleich ob als Gewebe, Gewirke, Gestrick oder Vlies.

Die positiven Eigenschaften von Silber aus textil-technologischer Sicht sind u. a. [3] [8] [10]:

  • Temperaturregulierende Wirkung,

  • hohe Wärmeleitfähigkeit, Umwandlung von Feuchtigkeit (Verdunstung),

  • Antistatik,

  • Geruchsbindung.

Die negativen Eigenschaften sind vergleichsweise gering. Silbersalze können u. U. eine reizende - und adstringierende Wirkung auf das Gewebe ausüben. Bei systemischer Resorption sind Argyrosen und ZNS- sowie Nephrotoxizität [7] möglich. Dies gilt insbesondere für organische Silberanwendungen. Ionisches Silber ist hingegen gut gewebeverträglich.

#

Überblick zu antibakteriell ausgestatteten Textilien

Einen summarischen Überblick gibt Tab. [1].

Tab. 1 Produktspezifikation. Antimikrobielle Textilien (Auswahl)
HerstellerProduktEinsatzSpezifikationPermanenz
Handelsmarken (Auswahl)
OdloEffect„Termic”-SportunterwäscheSilberionen auf winzigen keramischen Trägernpermanent
Tex-A-medPadycare®Bettwäsche, T-Shirts, Legginssilberummantelte Mikrofasern PA 6.6, Silberanteil ca. 20 %150 Wäschen bei 40 °C
Schoedel AGSilverline®Matratzenbezugsstoffsilberummantelte Faserpermanent
Schoedel AGMicroCare®MatratzenbezugsstoffAcetat mit eingelagertem Additiv, das mit Feuchtigkeit aktiven 02 produziert „Sauerstoffdesinfektion”mehrmals waschbar bis 60 °C
Malden MillsPolartec ® Power with Dry X-Staticeingearbeitete silberummantelte Fädenpermanent
Antimikrobielle Fasern (Auswahl)
AcordisAmicor TM
Amicor Plus
Sportbekleidung, Unterwäsche, Socken, med. ProduktePAN, Einsatz nur in Mischungen mit CV od. CO, WO/PES, enthält Triclosan
TWD GmbHDiolen Care®
Timbrelle Care®
Sportbekleidung, Wäsche, Matratzen, med. ProduktePES bzw. PA 6.6 Multifilament mit Silberionenpermanent
LenzingModal® FreshHemden, Socken, Wäsche, BettwarenViskose mit Antibakteriostat wie in Zahnpasta, Kosmetiks> 50 Wäschen
KaneboLivefreshUnterwäsche, Socken, Sportswear, SohlenPA 6.6, meist in Mischung, Zeolithe und Silberionen> 50 Wäschen
MontefibreLeacril® Saniwear
Terital® Saniwear
Sportswear, Bett- und TischwäschePAN, PES, Silberionen
Statex
Noble fibre
SHIELDEX®
X- Static®
Neurodermitis-Bekleidung, Socken, Unterwäschesilberummanteltes PA 6.6permanent
NylstarMeryl® SkinlifeSportswear, Socken, Schuhfutter, Unterwäsche, MedizinPA 6.6 Mikrofaser mit Silberionenpermanent
RhovylRhovyl AS® Hygieneartikel (Inkontinenz, Bandagen)PVC- Hohlfasern, Triclosan
Trevira GmbHTrevira® Bioactivefunkt. Unterwäsche Sportswear, BettwäschePES Multifilament mit fest verankerten, antimikrobiell wirkenden Additivenpermanent
#

Möglichkeiten der textilen Applikation antimikrobieller Wirkstoffe

Die Applikation von Silber kann durch Einschluss der Wirksubstanzen im Spinnprozess oder als Finishing in der Garn- oder Gewebeausrüstung erfolgen. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Möglichkeiten sind aus Tab. [2] ersichtlich.

Tab. 2 Vor- und Nachteile der Applikation von Silber (Quelle: Textil Color AG)
ApplikationVorteileNachteile
Nachbehandlungeinfaches Aufbringen
flexible Kosten
kann bakterizid wirken
nicht permanent
Migration zur Haut möglich (Allergiegefahr)
Umweltbeeinträchtigung
Silberummantelungpermanent
keine Migration
hohe Kosten (bis 10 % Ag)
nicht anfärbbar
metallisches Silber (Verfärbung)
Wirksamkeit nur bei direktem Hautkontakt gegeben
antimikrobielle Garneantimikrobiell
keine Migration
permanent
Multifilamente
keine Umweltbeeinträchtigung
Wirksamkeit nur bei direktem
Hautkontakt und Freisetzung von Silberionen gegeben

Demzufolge wird unterschieden zwischen:

  • Klassischer nachträglicher Ausrüstung der fertigen Textilien mit bioaktiven Substanzen. Der aktive Wirkstoff ist oberflächlich aufgebracht und diffundiert von der Faser in die Umgebung.

  • Verarbeitung von silberummantelten Synthesegarnen auf der Basis Polyamid 6.6 zu textilen Flächen. Der Silberanteil des Fadens liegt normalerweise bei ca. 15 % reinem Silber. Mögliche Mischungen sind
    Baumwolle gekämmt (Mako) + 5 %, 7 % oder 10 % X-Static® bzw. SHIELDEX®
    PES halbmatt + 5 %, 7 % oder 10 % X-Static® bzw. SHIELDEX®
    PES T402 + 5 %, 7 % oder 10 % X-Static® bzw. SHIELDEX®

  • Einsatz modifizierter Synthesegarne auf Basis Polyamid 6.6 oder Polyester. Die aktive Substanz sind Silberionen, wie sie auch in der Medizin oder in der Trinkwasseraufbereitung verwendet werden. Um anhaltende Stabilität der Silberionen zu gewährleisten, werden diese in einer zirkonbasierten Keramik eingeschlossen und während des Spinnprozesses in die Faser eingelagert. So wird eine permanente Wirksamkeit gewährleistet.

#

Antimikrobielle Ausstattung textiler 3D-Strukturen am Beispiel von medizinischen Schuheinlagen

Die im TITV Greiz entwickelten dreidimensionalen Abstandgewirke stellen sehr interessante textiltechnologische Lösungen für medizinische Anwendungsbereiche dar. Sie bieten Problemlösungspotenziale mit ganz spezifischer Funktionalität für das Finalprodukt. Textilphysiologische Untersuchungen weisen günstige Produkteigenschaften wie Druckentlastung, Thermoregulation und Flüssigkeitstransport nach [16].

Bereits jetzt lassen sich typische Einsatzgebiete erkennen, wie z. B. im Rahmen der primären Prävention von Dekubitalulzera im OP, der sekundären Dekubitusprävention bevorzugter Körperpartien bei Rollstuhlfahrern oder beim Einsatz von Abstandgewirke als Bestandteil therapeutischer Hilfsmittel wie z. B. Bandagen oder Orthesen.

Neueste Forschungsarbeiten des TITV Greiz hatten die Entwicklung Transdermaler Therapeutischer Systeme in Form wirkstoffhaltiger Pflaster unter Einbeziehung von Abstandgewirken als Depot für nicht kristalline Wirkstoffe und die Entwicklung von dreidimensional gewirkten Kompressionsbinden mit definierter Elastizität (Kurzzugbinden) für die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie zur Behandlung von Lymphödempatienten zum Inhalt.

Im Rahmen eines ZUTECH-Projektes ( ZUTECH = Zukunftstechnologien für kleine und mittlere Unternehmen) erfolgte unter Beteiligung der Forschungseinrichtungen TITV Greiz, Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen gGmbH Freiberg und Prüf- und Forschungsinstitut für die Schuhherstellung e. V. Pirmasens die Bearbeitung eines gemeinsamen Projektes, welches schwerpunktmäßig die Entwicklung funktioneller Abstandgewirke zur Prävention von Plantarulzera bei Patienten mit diabetischem Fußsyndrom zum Inhalt hat. Dieses Einsatzgebiet erfordert wesentlich andere Konstruktionsparameter. Die 3D-Gewirke sind in Kombination mit bewährten Fußbettungsmaterialien für den orthopädischen Schuh zur Versorgung von Diabetikern, aber auch als fußnahe textile Fläche für den Berufsschuh zu verwenden. Ein nicht zu unterschätzender Zusatznutzen für diese Anwendungen ist die Ausstattung einer Fläche der 3D-Struktur mit antimikrobiell wirkenden Materialien.

#

Problemstellung

Mehr als 4 Millionen bekannte Diabetiker leben heute in Deutschland [17], und die Fallzahlen zeigen eine deutliche Progredienz. Hochrechnungen ergeben dabei eine geschätzte Anzahl von etwa 1,25 Millionen Diabetes-Patienten mit der Möglichkeit von Ulzerationen der unteren Extremität und dem Risiko einer Amputation.

Das diabetische Fußsyndrom ist eine schwere Diabetesspätfolge. Füße und Unterschenkel gehören auf Grund der sensomotorischen und autonomen Neuropathie [10] zu den empfindlichsten Körperteilen des Diabetikers und sind besonders gefährdet. 40 - 70 % aller nicht-traumatischen Amputationen der unteren Extremitäten werden bei Patienten mit Diabetes mellitus durchgeführt [18]. Orthopädietechnisch machen sich in diesen Fällen Prothesenversorgungen oder individuell zugerichtete Orthesen erforderlich.

Absolute Priorität in der Therapie des diabetischen Fußsyndroms besitzt die lokale Druckentlastung vorliegender Gewebeläsionen und damit die befundadaptierte Schuhversorgung. Momentan werden für die Fertigung orthopädischer Maßschuhe für Diabetiker die unterschiedlichsten Materialien verwendet.

Orthopädische Einlagen haben verschiedene Aufgaben:

  • Korrektur, Stützung und Bettung von Fußdeformitäten,

  • Entlastung und Lastumverteilung im Bereich der unteren Extremität als funktioneller Einheit.

Neben Kork, Metall, Leder und Holz werden meist Kunststoffe eingesetzt. Mit ihnen ist es möglich, die Funktion der Einlage individuell anzupassen. Thermoplastische Kunststoffe eignen sich für stützende und korrigierende Einlagen, Weichschäume und Silikone für weichpolsternde Bettungseinlagen bei hochempfindlichen, druckgefährdeten Füßen. Härtere Schaumstoffe werden als Unterbau oder zur Herstellung von stützenden Einlagen verwendet.

Textile Materialien spielen bislang keine wesentliche Rolle, sie werden lediglich als obere Deckschicht (Frotté, Gewebe, Filz) für andere Materialien wie Weichschaum, Kork, Gel u. a. genutzt.

Damit gewinnt die Entwicklung innovativer funktioneller textiler 3D-Strukturen als alternative Lösung oder sinnvolle Ergänzung zu bestimmten Einlagematerialien im Schuhaufbau an Bedeutung. Die Forcierung neuer Produkteigenschaften führt entweder zur Weiterentwicklung einer bestehenden Produktlinie mit verbesserten Eigenschaften oder zu neuen Produkten mit neuem Gebrauchswert.

#

Entwicklungsziel

Ziel der F&E-Arbeiten war die Entwicklung von funktionellen, dreidimensionalen, textilen Strukturen, die durch gebrauchswertorientierte Warenkonstruktion und antimikrobielle Ausstattung spezifische Eigenschaften für den geplanten Einsatz im Schuhbereich aufweisen. Dabei gilt das Augenmerk sowohl der medizinischen Versorgung der Diabetiker wie auch dem Berufsschuhbereich.

Die Zielstellung bestand in:

  • konsequenter Druckentlastung und Weichbettung der Füße zur Vermeidung von Fußläsionen,

  • Schaffung einer dauerhaft druckstabilen, klimatisierenden Zone zur Belüftung des Fußes, auch unter Belastung durch den menschlichen Körper,

  • Gewährleistung einer guten Modellierbarkeit, um Faltenbildung und Druckstellen zu vermeiden,

  • Einsatz funktioneller Materialien oder Beschichtungen mit antimikrobieller Wirkung zur Prävention bei Verletzungen,

  • projektbegleitenden Prüfungen, Fertigung von Prototypen, Anwendungserprobung.

Diese Forderungen konnten durch gezielte Entwicklung und Konstruktion funktioneller dreidimensional gewirkter textiler Strukturen in Verbindung mit bewährten Fußbettungsmaterialien und geeigneten Kaschierverfahren erfüllt werden.

Die Fertigungstechnologie auf Doppelraschelmaschinen ist wie kein anderes textiles Herstellungsverfahren geeignet, durch spezifische Materialkombination und geeignete Gestaltung der abstandshaltenden Zone die Weichbettung der Füße zu gewährleisten und Thermoregulation sowie ggf. Feuchteableitung im Schuh günstig zu beeinflussen. Durch eine ausreichend gute Stabilität der abstandshaltenden Zone, auch unter hoher Druckbelastung durch den stehenden Menschen, kann eine klimatisierende und thermoregulierende Wirkung erreicht werden. Mit der Abrollbewegung des Fußes beim Laufen und dem damit verbundenen Pumpeffekt wird die Luftzirkulation in der Abstandstruktur gefördert (Abb. [1]).

Zoom Image

Abb. 1 Querschnitt durch ein 3D-Abstandgewirke.

Abstandgewirke sind als druckentlastende, atmungsaktive klimatisierende Schicht, ausgestattet mit antimikrobiell wirkenden Substanzen durch das eingesetzte Fadenmaterial oder als funktionelle Beschichtung, ideal geeignet für den Einsatz im Innenschuh. Neben der orthopädischen Schuhversorgung, insbesondere für Diabetes-Patienten, wurden auch Abstandgewirke mit Feuchteleitfunktion für den Berufsschuhbereich entwickelt, eingesetzt und getestet. Dazu gehören Personengruppen mit besonderer Belastung der Füße, wie z. B. die Kellnerinnen und Kellner im Gaststättengewerbe.

#

Produktspezifische Eigenschaften funktioneller Abstandgewirke

Abstandgewirke sind dreidimensional gefertigte Maschenwaren. Sie bestehen aus zwei textilen Außenflächen, welche durch relativ steife „Polfäden” miteinander verbunden sind. Diese gewährleisten gleichzeitig einen definierten Abstand. Der Flächenzwischenraum ist in Dicken zwischen 1,5 mm und 10 mm variabel einstellbar (Abb. [1]). Seine Konstruktion hat wesentlichen Einfluss auf die Funktionalität der 3D-Struktur im Hinblick auf Thermoregulation, Atmungsaktivität, Druckstabilität und -elastizität. Die beiden Außenflächen können völlig unterschiedlich gearbeitet werden. Materialeinsatz und Oberflächengestaltung haben nachhaltigen Einfluss auf die dehnungselastischen Eigenschaften, den bekleidungsphysiologischen Komfort und auf einen gerichteten Feuchtetransport von der Haut weg in die zweite textile Ebene der Struktur.

Abstandgewirke erfüllen in vielerlei Hinsicht die Erwartungen an Textilien für medizinische Einsatzbereiche. Die abstandhaltende Zone bewirkt, dass zwischen den Außenflächen ständig Luft zirkuliert. Dadurch wird Stauwärme vermieden und der Mazeration der Haut entgegen gewirkt. Der Tragekomfort wird optimiert, was dazu führt, dass die Patientencompliance gegenüber der Anwendung von medizinischen und therapeutischen Hilfsmitteln gefördert wird. In Abhängigkeit vom jeweiligen Einsatzgebiet kann Einfluss auf das druckelastische Verhalten der Struktur genommen werden. Dies führt bei Einsatz von Abstandgewirken sowohl in der Dekubitusprophylaxe als auch im Schuhbereich zu einer deutlichen Druckentlastung. Durch diese vielfältigen Möglichkeiten in Konstruktion und Gestaltung können produktspezifische Eigenschaften herausgearbeitet werden, welche die Funktionalität des späteren Finalproduktes entscheidend beeinflussen.

#

Einsatz modifizierter funktioneller Synthesegarne im fußnahen Bereich

Auf der Basis eines abgestimmten Versuchsplanes wurde die Gewirkeentwicklung für die beiden Einsatzgebiete Orthopädischer Schuh (Diabetisches Fußsyndrom) und Berufsschuh durchgeführt.

Es wurden unterschiedliche Materialkombinationen erprobt und deren Einfluss auf die Druckentlastung des Fußes, die mikroklimatischen Verhältnisse im Schuh und die antimikrobielle Wirksamkeit untersucht (Abb. [2]).

#

Materialien

Wesentlichen Einfluss auf die Funktionalität der Abstandgewirke hat die Auswahl der Materialien. Meist werden Synthesegarne wie Polyamid 6.6 oder Polyester verwendet, aber auch zellulosische Garne, wie Baumwolle oder Viskose. Die nachfolgende Übersicht zeigt die wichtigsten Eigenschaften der eingesetzten Materialien (Tab. [3]).

Tab. 3 Eigenschaften einiger synthetischer und cellulosischer Fasergarne im Überblick
FasernFaserartDichte
g/cm³
Reißdehnung (%)
Normklima nass
Spez. elektr. Widerstand Ω cmSchmelztemp. °CWassersorption (Masse-%)Wasserrück-haltevermögen (%)
synthetische Fasern Polyamid 6Filamente1,1420 - 45 105 - 125109-1011 215 - 2203,5 - 4,510 - 15
synthetische Fasern Polyamid 6.6Filamente1,1420 - 40 105 - 125109 - 1011 255 - 2603,5 - 4,510 - 15
synthetische Fasern PolyesterFilamente + Monofile1,36 - 1,4120 - 30 100 - 1051011-1014 250 - 2600,2 - 0,53 - 5
cellulosische Fasern ViskoseFilamente1,5210 - 30 100 - 130gering
(10 6 - 107)
175 - 19012 - 1485 - 120
cellulosische Fasern BaumwolleFasern1,53 - 1,5520 - 50 100 - 120geringab 1807 - 9,5 bei 65 % rel. Luftfeuchte
14 - 18 bei 95 % rel. Luftfeuchte
42 - 53

Synthetische monofile Garne: Zur Abstandshaltung werden überwiegend synthetische Monofilamente, die als Einzelfäden ersponnen werden, eingesetzt. Sie besitzen durch ihren monofilen Charakter eine höhere Steifigkeit als multifile Fäden gleicher Fadenstärke und können somit Druckbelastungen besser standhalten. Die Einsatzspezifik bestimmt, welche Fadenstärke und -dichte benötigt wird.

Monofilgarne sind nicht geeignet, Feuchte aufzunehmen und weiterzuleiten. Damit unterscheiden sie sich grundlegend von den Filamentgarnen.

Synthetische multifile Garne: Bei der Erspinnung von Filamentgarnen im Direktspinnverfahren wird die Spinnmasse durch Düsen gepresst, die unterschiedlich viele Öffnungen haben kann. Auf diese Weise erhält man eine bestimmte Anzahl von feinen Fäden (Filamente), welche zu einem Gesamtfaden vereinigt werden. Dabei bilden sich zwischen den aneinander liegenden Einzelfilamenten Hohlräume aus, in denen durch adhäsive Kräfte Feuchte transportiert wird.

Filamentfäden können Feuchtigkeit aufnehmen und durch Kapillarwirkung weiterleiten. Je mehr Einzelfilamente in einem Faden vorhanden sind, desto besser ist die Feuchte transportierende Wirkung. Sie wird bei den Abstandgewirken genutzt, um Feuchte (z. B. in Form von Schweiß) von der Haut abzuleiten.

Synthetische Multifilamentgarne mit antimikrobieller Ausstattung: Ein wesentlicher Zusatznutzen bei der Herstellung synthetischer Garne ist die Einlagerung von Silberionen und die damit erzielbare antimikrobielle Wirkung. Bei diesen modifizierten Synthesegarnen wird nanokristallines Silber im Spinnprozess in den Faden eingelagert. Dadurch ist eine permanent antiseptische Wirkung gewährleistet.

Die positiv geladenen Silberionen hemmen die Funktion der Bakterienenzyme der Zellproteine. Sie greifen die Strukturproteine der Keime an und stören die Zellteilung. Dies führt zu deren Denaturierung, d. h. zur Abtötung des Keims. Für die antimikrobielle Ausstattung der fußnahen Fläche des Abstandgewirkes wurden neu entwickelte Synthesegarne auf Basis PES (Diolen Care® oder Trevira® bioaktiv) und auf Basis PA 6.6 (Meryl Skinlife®) eingesetzt.

Ziel der Arbeiten war es, bei Fußläsionen jeglicher Art, die bei Diabetikern verheerende Folgen haben können, prophylaktisch einzugreifen und die Ausbreitung und Vermehrung von Bakterien zu hemmen bzw. zu verhindern. Die Abstandgewirke Art. 09960/3 und 12980/5 wurden durch Einsatz antimikrobiell wirkender synthetischer Garne entsprechend modifiziert, wie auch Art. 02991/2 für den Einsatz im Berufsschuhbereich. Neben der antimikrobiellen Wirkung wurde hier auf die Wirksamkeit der Silberionen gegen Mykosen und Geruchsbildung in Form von Fußschweiß gesetzt, was im Berufsschuh u. U. wichtiger ist.

#

Prüfung der antimikrobiellen Wirksamkeit

Auf jeder gesunden Haut leben Bakterien. Man unterscheidet je nach Aufbau der Zellwand grampositive, wie Staphylococcen und verschiedene Corynebakterien, und gramnegative Bakterien, wie Klebsiella pneumoniae oder Escherichia coli [19]. Bei Anwesenheit von Feuchtigkeit und Wärme vermehren sich die Bakterien jedoch rasch durch Zellteilung mit (Aerobier) oder ohne Sauerstoff (Anaerobier). Die Prüfung auf antimikrobielle Wirksamkeit wurde daher gegen grampositive (Staphylococcus aureus) und gramnegative (Klebsiella pneumoniae) Teststämme mit dem Challenge-Test, in Anlehnung an die Testmethode JIS L 1902 : 1998 [20] durchgeführt. Dieser Test erfasst Textilien mit antimikrobieller Beschichtung (Ausrüstung) und Fasern und Textilien mit immobilisiertem Wirkstoff.

Unter den gegebenen Versuchsbedingungen wurde für die untersuchte Abstandgewirkeprobe Art. 12980/A (Ausstattung in einer textilen Fläche mit PES Diolen Care®) gegenüber den eingesetzten Teststämmen Staphylococcus aureus und Klebsiella pneumoniae DSM 789 eine spezifische antimikrobielle Wirkung nachgewiesen.

Für die untersuchte Probe des Abstandgewirkes Art. 09960/3 mit PA 6.6 Meryl Skinlife® wurde im Vergleich zur nicht ausgestatteten Probe gegenüber den eingesetzten Teststämmen Klebsiella pneumoniae DSM 789 und Staphylococcus aureus ATCC 6538 ebenfalls eine spezifische antimikrobielle Wirkung nachgewiesen.

Abb. [3] zeigt beispielhaft die Prüfergebnisse des Abstandgewirkes Art. 09960/3. Am 1. und 2. Säulenpaar (von links) ist das Bezugsnormal 0 Stunden (ohne antimikrobiell ausgestattete Materialien) und die Anzahl koloniebildender Einheiten nach 18 Stunden Inkubationszeit zu erkennen. Für das 3. Säulenpaar (von links) wurde Gewirke mit antimikrobieller Ausstattung eingesetzt und die Anzahl koloniebildender Einheiten ebenfalls nach 18 Stunden bestimmt sowie die spezifische Aktivität ermittelt (rechtes Säulenpaar).

Zoom Image

Abb. 3 Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit von Silberionen nach der Testmethode JIL 1902.

#

Weitere Möglichkeiten der antimikrobiellen Ausstattung von 3D-Strukturen auf textiler Basis

Silberbeschichtete Polyamidfäden: Silberbeschichtete Polyamidfäden der Firma Statex Bremen mit der Bezeichnung SHIELDEX® sind beispielsweise durch den Einsatz in Neurodermitis- Bekleidung der Firma Tex- A-Med Gefrees unter dem Markennamen Padycare® bekannt geworden. Die versilberten Gewirke oder Gestricke können als Flächenware zu Finalprodukten verarbeitet werden. Mikrofasern auf Basis Polyamid 6.6 werden mit einer Silberbeschichtung versehen, die in der Mikrofaseroberfläche fest verankert ist (Abb. [4]).

Zoom Image

Abb. 4 Silberummantelte Polyamid-Mikrofasergarne; Quelle: Tex-A-Med GmbH.

Zoom Image

Abb. 2 Medizinische Schuheinlage mit antimikrobiell ausgestatteter textiler 3D-Struktur.

Einzelne Fäden in Abstandgewirke partiell einzuarbeiten, wäre theoretisch möglich, ist aber relativ teuer, weil aus ökonomischen Gründen für die Zulieferung der hochwertigen Fadenmaterialien separate Ketten mit verringerter Fadenzahl geschärt und verarbeitet werden müssten.

Einsatz von silberbeschichteten Kettengewirken: Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten wurde die Möglichkeit genutzt, ein fertiges Gewirke der Firma Statex mit der Bezeichnung SHIELDEX® auf Abstandgewirke zu kaschieren und im fußnahen Bereich einzusetzen. Damit ist gewährleistet, dass durch die filigrane Struktur des versilberten Gewirkes die positiven Eigenschaften des Abstandgewirkes voll zum Tragen kommen und gleichzeitig das versilberte Gewirke am Fuß seine antimikrobielle Wirkung entfalten kann.

#

Antimikrobielle Ausrüstung von 3D-Gewirken

Es ist ein zunehmender Bedarf an antimikrobiell ausgerüsteten Textilien zu beobachten.

Dabei soll nicht nur die Funktionalität gewährleistet sein, sondern auch der Haut- und Umweltverträglichkeit Rechnung getragen werden. Es resultiert die Aufgabe, die antimikrobielle Ausrüstung möglichst haftfest auf der Textilfaser zu verankern und damit Produkte einzusetzen, die eine Permanentwirkung bieten.

#

Möglichkeiten zur Vermeidung mikrobieller Kontamination

Prinzipiell können drei Richtungen unterschieden werden:

  • Antimikrobielle Ausrüstung, die das Anlagern von Mikroorganismen verhindert (bakteriophobe Ausrüstung),

  • Antimikrobielle Ausrüstung, die das Wachstum der angelagerten Mikroorganismen hemmt (bakteriostatische Ausrüstung),

  • Antimikrobielle Ausrüstung, die zur Abtötung der adherierten Mikroorganismen führt (bakteriozide Ausrüstung).

#

Durchgeführte Untersuchungen

Am Forschungsinstitut für Leder- und Kunststoffbahnen wurden Untersuchungen vorgenommen, 3D-Gewirke nachträglich antibakteriell auszurüsten. Hierfür wurde die am Institut vorhandene Anlagentechnik, wie Applikation mittels Plasmaverfahren bei Atmosphärendruck und das Magnetronsputterverfahren, genutzt. Beide Verfahren gestatten den Auftrag von Nanoschichten auf die Textilfasern, wobei die textilen Eigenschaften weitestgehend erhalten bleiben. Durch Einwirkung eines Plasmas auf die Textilfasern während der Abscheidung werden die Textilfasern funktionalisiert, das heißt es werden radikalische Stellen in der Polymermatrix geschaffen bzw. funktionelle Gruppen wie Hydroxy-, Keto- oder Karboxylgruppen gebildet, die eine haftfestere Verankerung der antibakteriellen Beschichtung ermöglichen.

#

Silberschichten zur Verhinderung des Bakterienbefalls

Silber hemmt die Vermehrung und das Wachstum der Bakterien. Der Vorteil von Silberionen besteht darin, dass diese ausschließlich in der unmittelbaren Umgebung wirken und damit nicht in weiter entfernte Umgebungen gestreut werden müssen [21]. Auf Grund der nanometerdünnen Schichten, die mit dem Verfahren appliziert werden können, ist auch die Wirtschaftlichkeit gegeben.

#

Applikation der Silberschichten mittels Sputterverfahren (Plasmaabscheidung)

Die Beschichtung der 3D-Gewirke mit einer Silberschicht erfolgt in einer Laboranlage. Der Sputterprozess unterscheidet sich gegenüber dem Verdampfungsprozess dadurch, dass das Metall nicht in den gasförmigen Zustand überführt wird, sondern aus dem festen Zustand zerstäubt wird.

Im Falle der Silberbeschichtung stehen sich in der Reaktionskammer ein Target (Silberträger) und das Substrat (3D-Gewirke) auf wenigen Zentimetern Abstand gegenüber. Zwischen den beiden als Elektroden geschalteten Flächen findet eine Plasmaentladung in einer Argonatmosphäre statt. Die durch die Entladung entstandenen Argonionen und Elektronen bewegen sich mit hoher Geschwindigkeit auf das Target zu und schlagen dort auf Grund ihrer hohen kinetischen Energie neutrale Atome oder Atombruchstücke aus der Targetoberfläche heraus. Diese bewegen sich zur Substratoberfläche (Gewirke) und schlagen sich dort nieder. Gegenüber dem thermischen Verdampfen haben die Atome eine 100 bis 1000fach höhere kinetische Energie, wodurch die Schichten haftfester auf der Textiloberfläche verankert werden.

Prüfung der mechanischen Eigenschaften der abgeschiedenen Schichten: Die Silberschichten wurden auf verschiedene Gewirkestrukturen appliziert. Beim Gewirke Art. 12980/5 besteht die zu beschichtende Oberfläche aus 95 % Polyester und 5 % Elastan und beim Art. 02991/2 aus 100 % Polyester. Das Elastan wirkt sich negativ auf das Haftvermögen der Silberbeschichtungen aus. Es besitzt zur Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften eine Silikonpräparation.

Die Silberbeschichtungen wurden auf unbehandeltem 3D-Gewirke und mit Plasma vorbehandelten Oberflächen vorgenommen. Außerdem wurde bei einer Variante die Silberschicht mit einer Schutzschicht auf Basis SiOx versehen. Die Applikation erfolgte mittels Plasmapolymerisation.

Die Prüfung der mechanischen Belastbarkeit der Schichten erfolgte durch Bestimmung des Haftvermögens mittels Klebestreifen auf Basis Acrylatklebstoff (Peeltest) und Bestimmung der Abriebbeständigkeit durch Scheuerprüfung nach Martindale [22] sowie Reibechtheitsprüfung nach Veslic [23].

In Abb. [5] sind die Ergebnisse des Haftvermögens dargestellt. Aus den Diagrammen ist ersichtlich, dass das Haftvermögen der Silberschichten durch die zusätzliche Plasmabehandlung mit Sauerstoff verbessert wird. Eine weitere geringfügige Erhöhung des Haftvermögens wird durch zusätzliche hydrophobe Schutzschichten auf der Silberbeschichtung erreicht.

Zoom Image

Abb. 5 Haftvermögen von Silberschichten auf unterschiedlichen Gewirkeoberflächen
Gewirke 12 980/5
A1 Ohne Vorbehandlung, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
A1a Vorbehandlung O2-Plasma, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
A1b Wie A1a zusätzliche Schutzschicht auf Basis SiOx
Gewirke 02991/2
F1 Ohne Vorbehandlung, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
F1a Vorbehandlung O2-Plasma, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
F1b Wie F1a zusätzliche Schutzschicht auf Basis SiOx.

Weiterhin ist erkennbar, dass keine Plasmabehandlung für ein ausreichendes Haftvermögen erforderlich ist, wenn der Elastananteil im Gewirke fehlt. Da die Abstandgewirke als Sohlenmaterial im Innenschuhbereich eingesetzt werden sollen, ist die Prüfung des Abriebes praxisrelevanter als die Prüfung des Haftvermögens. Bei dieser Prüfung wird die Belastung beim Gehen besser simuliert.

Bei der Veslicprüfung mit Baumwollgewebe als Reibelement wurde sowohl das Reibelement mit Graumaßstab als auch die Reibstrecke am Prüfkörper beurteilt. Die Versuchsergebnisse sind in Abb. [6] dargestellt. Nach 3000 Reibtouren konnten deutliche Silberspuren auf den Reibelementen festgestellt werden. Hier zeigt sich, dass im Gegensatz zum Haftvermögen bei intensiver Reibbeanspruchung der Gewirkeartikel 12980/5 die höhere Belastbarkeit der Silberschicht zeigte. Auf Grund der Abriebproblematik ist jedoch 100 nm dicken Silberschichten der Vorzug gegenüber 15 nm dicken Schichten zu geben.

Zoom Image

Abb. 6 Reibbeanspruchung mit Baumwollläppchen.
Beurteilung des Reibelementes und der 3D-Gewirkeoberfläche mit Graumaßstab
(200 und 3000 Reibtouren).
Beurteilungskriterien:
Note 5: kein Abrieb, keine erkennbare Beeinflussung der Reibstrecke.
Note 1: großer Abrieb, Silberschicht befindet sich nicht mehr auf der Gewirkeoberfläche.

Die Martindale-Prüfung zeigte bis 10 000 Scheuertouren keine signifikante Veränderung der Silberbeschichtung beim Gewirke Art. 12980/2. Dieses Gewirke hat eine sehr homogene und geschlossene Oberfläche. Das Gewirke Art. 02991/2 zeigte nach 10 000 Scheuertouren eine Zerstörung der Maschenstruktur (siehe die REM-Aufnahmen der belasteten Gewirkeoberflächen in Abb. [7]). Mittels EDX (Energiedispersive Röntgenmikroanalyse) wurden die Silberkonzentrationen (Angabe in at %) vor und nach der Reibbeanspruchung an 15 nm und 100 nm dicken Schichten gemessen. Es zeigt sich, dass bei 100 nm dicken Schichten erwartungsgemäß nach der Abriebsprüfung eine höhere Silberkonzentration im Vergleich zu den 15 nm dicken Schichten vorliegt. Die grafische Darstellung der Versuchsergebnisse ist aus Abb. [8] ersichtlich.

Zoom Image

Abb. 7 a 3D-Gewirke 02991/Z, Oberfläche ohne Reibbeanspruchung. b Oberfläche nach 3000 Reibtouren. c 3D-Gewirke12980/5 Oberfläche ohne Reibbeanspruchung. d Oberfläche nach 3000 Reibtouren.

Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image

Abb. 8 Silberkonzentration an der Textiloberfläche nach Reibbeanspruchung.

#

Nachweis der permanenten Wirksamkeit der Schichten

Waschbarkeit: Die Prüfung auf Waschbeständigkeit der Silberschichten erfolgte nach DIN EN 6330.

Durch den Waschprozess wurde die Beschichtung nicht beeinflusst. Die antibakterielle Wirkung wurde sogar verbessert. Das ist vermutlich auf einen Reinigungsprozess der Oberfläche zurückzuführen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass vor Applikation der Silberschichten eine gründliche Vorreinigung der Abstandgewirke erfolgen muss.

Antimikrobielle Wirksamkeit: Die antibakterielle Wirksamkeit wurde am IDUS (Biologische Analytische Umweltlabor GmbH) geprüft. Der Nachweis der Wirkung erfolgte nach zwei verschiedenen Prüfmethoden. Die Prüfmethode AA TCC TM-147 [25] sieht eine Beimpfung mit Staphylococcus aureus und Klebsiella Pneumoniae vor. Nach 24 Stunden erfolgte die Beurteilung auf Bewuchs.

Dies ist eine Schnellmethode zur Bestimmung der bakteriziden Wirkung und der Hemmhofausbildung. Eine Auswertung, inwieweit bei Bewuchs die Bakterienanzahl durch die antibakterielle Ausrüstung auf der Textiloberfläche verringert wird (bakteriostatische Wirkung), ist bei dieser Methode nicht vorgesehen. Sie gibt lediglich eine Aussage darüber, ob die Ausrüstung bakterizid wirkt, d. h. eine Abtötung der Keime erfolgt. Deshalb wurde an ausgewählten Materialproben der Agardiffusionstest [24] vorgenommen. Bei dieser Prüfmethode wird das zu prüfende textile Material auf eine dünne Schicht eines bakterienhaltigen Nährbodens gelegt. Nach 24 Stunden Bebrütung zeigt sich, ob die ausgerüstete Textiloberfläche die Bildung von Bakterienkolonien in der Kontaktzone zwischen Textil und Nährboden verhindern kann.

Ist die Ausrüstung nicht antibakteriell wirksam, entwickelt sich ein kompakter Bakterienrasen. Es erfolgt dann ein Vergleich zwischen ausgerüsteter und nicht ausgerüsteter Oberfläche. Die Proben wurden mit Staphylococcus aureus (grampositiven Bakterien) und Klebsiella pneumoniae (gramnegativen Bakterien) kontaktiert.

Zur Testung kamen zwei verschiedene 3D-Gewirke (Polyesteroberfläche und ein Gemisch aus Polyester und Elastan). Die Materialien wurden mit 15 nm, 35 nm und 100 nm dicken Silberschichten beschichtet. Des Weiteren wurde eine 100 nm Silberschicht zum Schutz mit einer Plasmapolymerschicht auf Basis SiOx versehen. Die Ergebnisse der antibakteriellen Wirksamkeit sind in Tab. [4] zusammengefasst.

Tab. 4 Ergebnisse der antibakteriellen Wirksamkeit
Klebsiella pneumoniaeStaphylococcus aureus
BeschichtungsartHemmhofausbildungWachstum unter GewebeHemmhofausbildungWachstum unter Gewebe
15 nm Ag-Schichtkeinerneinkeinernein
35 nm Ag-Schichtkeinerneinkeinernein
100 nm Ag-Schichtkeinerjakeinernein
100 nm Ag-Schicht mit SiOx-Schutzkeinerjakeinernein

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Silberschichten keine Hemmhöfe ausbilden. Der Bakterienstamm Klebsiella zeigt nur eine Empfindlichkeit gegenüber dünnen Silberschichten. Staphylococcus reagiert empfindlicher gegenüber Silberionen. Hier zeigen alle Beschichtungsvarianten eine bakterizide Wirkung. Mit Hilfe des Agardiffusionstests wurde untersucht, inwieweit durch Reibbeanspruchung und der damit verbundenen Reduzierung der Silberionen an der Oberfläche die antibakterielle Wirksamkeit verringert wird. Die nach Reibbeanspruchung vorhandene Silberkonzentration an der Oberfläche wurde mit EDX-Messungen bestimmt. Weiterhin wurde die biozide Wirksamkeit der unterschiedlichen Silberkonzentrationen bestimmt. Tab. [5] gibt einen Überblick.

Tab. 5 Wirksamkeit der verbleibenden Silberkonzentration nach Reibbeanspruchung
Silberkonzentration an Gewirke-Oberfläche in at% Klebsiella pneumoniae Staphylococcus aureus
12980/5 mit 100 nm Ag-Schicht ohne Reibbeanspruchung34,79kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs fast vollständig unterdrückt
12980/5 mit 100 nm Ag-Schicht nach 200 Reibtouren20,62kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziert
12980/5 mit 100 nm Ag-Schicht nach 3000 Reibtouren7,84kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziert
02991/Z mit 100 nm Ag-Schicht ohne Reibbeanspruchung 7,75 kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziert
02991/Z mit 100 nm Ag-Schicht nach 200 Reibtouren13,9kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziert
02991/2 mit 100 nm Ag-Schicht nach 3000 Reibtouren5,85kein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziertkein Hemmhof, Bewuchs auf 50 % reduziert

Die Ergebnisse zeigen, dass auch nach Reibbeanspruchung die an der Oberfläche vorhandenen Silberionen für eine Verringerung des Bakterienbewuchses ausreichend sind.

#

Abscheidung organischer Wirkstoffe durch Nanobeschichtung mittels Atmosphärendruckplasma und Sprühbeschichtung

#

Produktauswahl

Als antibakterielle Wirkstoffe wurden folgende handelsübliche Produkte appliziert:

1. Afrotin LC Fa. Schill + Seilacher
Bei dem Produkt handelt es sich um eine wässrige Lösung auf Basis von Natriumpyridindinthol.

Gefährdungen: Das Produkt darf nicht in die Kanalisation oder in Gewässer eingeleitet werden.

Reizwirkung und Sensibilisierung bestehen nicht. Gesundheitsschädliche Wirkungen sind nicht bekannt.

2. Afrotin FG Fa. Schill + Seilacher
Das Produkt basiert auf dem Wirkstoff Methyl-2-benzimidazolcarbamat.

Gefährdungen: Das Produkt darf nicht in die Kanalisation oder in Gewässer eingeleitet werden.

Reizwirkung und Sensibilisierung bestehen nicht. Das Produkt ist als mindergiftig eingestuft.

3. Fungitex ROP Fa. Pfersee Chemie
Das Produkt ist eine nichtionogene lösungsmittelhaltige Emulsion von Fettsäureestern einer aromatischen Verbindung und einem Benzimidazolderivat.

Gefährdungen: Reizwirkung und Sensibilisierung bestehen nicht, gesundheitsschädliche Wirkungen sind nicht bekannt.

4. Parmetol DF 18 Fa. Schülke & Mayr
Der Wirkstoff besteht aus einem Gemisch verschieden strukturierter N, S-heterozyklischer Verbindungen, die eine synergistische Wirkung haben.

Gefährdungen: Das Produkt darf nicht in Kanalisation und Gewässer eingeleitet werden, es ist aber biologisch abbaubar. Reizwirkung und Sensibilisierung bestehen nicht.

5. Tinosan NW 200 Fa. Ciba Speciality Chemicals
Das Produkt ist eine wasserverdünnbare Emulsion auf Basis 5-chloro-2-(2,4-dichlorophenoxy)phenol.

Gefährdungen: Das Produkt darf nicht in Kanalisation und Gewässer eingeleitet werden. Reizwirkung besteht nicht und Hautverträglichkeit ist gegeben.

#

Applikation der antibakteriell wirkenden Systeme

Beschreibung der Prozesse: Der Auftrag erfolgte nach zwei verschiedenen Verfahren. Für den Auftrag von Nanoschichten wurde das Atmosphärendruck-Plasmaverfahren genutzt. Für die Ausbildung dickerer Schichten wurde das Sprühverfahren eingesetzt. Das Prinzip des verwendeten Plasmaverfahrens besteht darin, dass in eine Barriereentladung Aerosol zudosiert wird. Durch diese Vorgehensweise wird die hochenergetische mit der chemischen Modifizierung kombiniert. Dazu sind in der Reaktionskammer zwei Elektroden angeordnet. Zwischen diesen beiden Elektroden findet der Entladungsprozess statt. In das Plasma wird das Produkt in Form eines Aerosols zudosiert. Die Zuführung erfolgt über einen Mikrozerstäuber, der Tröpfchengrößen < 2 µm erzeugt. Das Wasser verdunstet und so wird es möglich, Nanometerschichten auf dem Material aufzutragen. Der Transport der Nebeltröpfchen erfolgt durch ein Trägergas. Dazu wird Luft verwendet. Nicht verbrauchtes Aerosol wird durch eine Absaugung entsorgt. Bei dem Verfahren besteht die Möglichkeit, das Aerosol in die Barriereentladung oder unmittelbar dahinter zu dosieren. Durch den Koronaprozess erfolgt ein Energieeintrag in die textile Oberfläche. Zusätzlich entsteht bei dem Entladungsprozess UV-Strahlung. Beides führt dazu, dass die Oberfläche modifiziert wird, indem sich neue funktionelle Gruppen wie Hydroxyl-, Keto- oder Karboxylgruppen bilden. Damit werden die Verankerungsmöglichkeiten für die antibakteriellen Wirkstoffe erhöht. Die Auftragsmengen der mittels Aerosolverfahren abgeschiedenen Schichten lagen zwischen 1 und 3 g/m2. Vor der Applikation mit der Spritzpistole wurden die Textiloberflächen zur Verbesserung des Haftvermögens der antibakteriellen Schicht ebenfalls mit Korona- bzw. Gasphasenfluorierung modifiziert. Beim Sprühauftrag mit der Spritzpistole wurden 10 bis 15 % höhere Mengen appliziert. In Tab. [6] sind Produkte sowie die aufgetragenen Mengen zusammengefasst.

Tab. 6 Applizierte Produktmengen
ProduktAuftragsmenge in g/m2
Tinosan NW 2001,8
3,4
6,3
Afrotin FG2,6
10
Afrotin LC2,6
10
Parmetol DF 181,5
8,9
13
Fungitex ROP3
7,4

Prüfung der antibakteriellen Wirksamkeit: Die Prüfung erfolgt nach AATCC TM-147, bei der die ausgewählten Textiloberflächen mit den Bakterienstämmen Klebsiellea pneumoniae und Staphylococcus aureus beimpft wurden. Nach 24 Stunden wurden die Proben auf Bewuchs beurteilt. Bei Staphylococcus aureus bildeten sich bei allen Ausrüstungsvarianten Hemmhöfe aus, deren Größe von der Auftragsmenge und vom Typ des antibakteriellen Wirkstoffes abhängig ist. Die deutlichste bakterizide Wirkung konnte mit dem Produkt Afrotin LC erreicht werden. Bei diesem Wirkstoff wurden auch beim Bakterienstamm Klebsiella pneumoniae große Hemmhöfe ausgebildet. Weiterhin zeigen die Versuchsergebnisse, dass bereits geringe Auftragsmengen eine bakterizide Wirkung auf den 3D-Gewirken auslösen. Die oben stehende Tab. [7] zeigt die Abhängigkeit der Hemmhöfe von der aufgetragenen Wirkstoffmenge.

Tab. 7 Abhängigkeit der Hemmhofausbildung von der Wirkstoffmenge
ProduktAuftragsmenge in g/m2 Größe der Hemmhöfe in mm
Klebsiella pneumoniaeStaphylococcus aureus
Tinosan NW 2001,3
3,4
6,3
kein Hemmhof
kein Hemmhof
8
10
13
15
Afrotin FG2,6
10
kein Hemmhof
kein Hemmhof
7
9
Afrotin LC2,8
10,3
20
> 30
> 30
> 30
17
18
> 30
Parmetol DF 181,5
8,9
13
kein Hemmhof
kein Hemmhof
kein Hemmhof
5
9
10
Fungitex ROP3
7,4
kein Hemmhof
kein Hemmhof
8
10
#

Zusammenfassung

Die Versuchsergebnisse am Beispiel der 3D-Abstandgewirke zeigen, dass sowohl mit antimikrobiell ausgestatteten Fadenmaterialien auf Polyamid- oder Polyesterbasis, als auch mit dünnen Silberschichten und antibakteriellen Wirkstoffen in niedrigen Applikationsmengen eine antibakterielle Wirkung auf den 3D-Gewirken erreicht werden kann. Bei Applikation von Wirkstoffen scheint die Silberbeschichtung besser geeignet, da hierbei die Bakterien der Hautflora geschont werden. Empfehlenswert sind wegen ihrer permanenten Wirkung und dermatologischen Unbedenklichkeit im direkten Hautkontakt silberummantelte oder mit Silberionen angereicherte Fadenmaterialien (siehe auch Tab. [2]).

Für die Anwendung im medizinischen Schuh zur Versorgung von Diabetes-Patienten ist die antimikrobielle Ausstattung der eingesetzten 3D-Textilien zur Infektprävention bei Verletzungen wichtig, da Wundinfektionen gerade bei dieser Patientengruppe häufig vorkommen und fatale Folgen haben können. Zumeist sind damit lange Therapiezeiten und hohe Behandlungskosten verbunden.

#

Literatur

  • 1 Wollina U, Heide M, Müller-Litz W. Stellen Medizin und Gesundheitswesen neue Anforderungen an die Textilqualität?.  Melliand Textilberichte. 1998;  79 552-555
  • 2 Wulf A, Moll I. Silberbeschichtete Textilien - eine ergänzende Therapie bei dermatologischen Erkrankungen.  Akt Dermatol. 2004;  30 28-29
  • 3 Ovington L G. The truth about silver.  Ostomy/Wound Management. 2004;  50 1-10
  • 4 Williams R, Doherty P, Vince D, Grashoff G, Williams D. The biocompatibility of silver.  Crit Rev Biocompatibility. 1989;  5 221-243
  • 5 Feng Q L, Wu J, Chem G Q, Cui F Z, Kim T N, Kim J Q. A mechanistic study of the antibacterial effect of silver ions on Echerichia coli and Staphylococcus aureus.  J Biomed Mater Res. 2000;  52 662-668
  • 6 Lee A R, Moon H K. Effect of topically applied silver sulfadiazine on fibroblast cell proliferation and biochemical properties of the wound.  Arch Pharm Res. 2003;  26 855-860
  • 7 Lansdown A B. Silver. 2.: Toxicity in mammals and how its products aid wound repair.  J Wound Care. 2002;  11 173-177
  • 8 Silver S. Bacterial silver resistance: molecular biology and uses and misuses of silver compounds.  FEMS Microbiol Res. 2003;  27 341-353
  • 9 Natsch A, Gfeller H, Gyrax P, Schmid J. Isolation of a bacterial enzyme releasing axillary malodour and its use as a screening target for novel deodorant formulations.  Int J Cosmetic Sci. 2005;  27 115-122
  • 10 Haslbeck M, Renner R, Berkau H D. Das diabetische Fußsyndrom. München; Urban & Vogel Medien und Medizin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 2003
  • 11 Holder I A, Durkee P, Supp A P, Boyce S T. Assessment of silver-coated barrier dressing for potential use with skin grafts on excised burns.  Burns. 2003;  29 445-448
  • 12 Schaller M, Laude J, Bodewaldt H, Hamm G, Korting H C. Toxicity and antimicrobial activity of a hydrocolloid dressing containing silver particles in an ex vivo model of cutaneous infection.  Skin Pharmacol Physiol. 2004;  17 31-36
  • 13 Lansdown A B, Sampson B, Laupattarakasem P, Vuttivirojana A. Silver aids healing in the sterile skin wound: experimental studies in the laboratory rat.  Br J Dermatol. 1997;  137 728-735
  • 14 Wollina U. Der diabetische Fuß - eine Übersicht für Dermatologen.  Z Hautkrankh. 1999;  74 265-270
  • 15 Hilton J R, Williams D T, Beuker B, Miller D R, Harding K G. Wound dressings in diabetic foot disease.  Clin Infect Dis. 2002;  39 (Suppl 2) S100-S103
  • 16 Wollina U, Heide M, Swerev M, Billia M, Möhring U. Abstandsgewirke und andere Abstandsgewebe.  Aktuelle Dermatologie. 2004;  30 8-10
  • 17 Tautenhahn J. Diabetische Ulcerationen.  Hartmann Wundforum. 1998;  4 10-17
  • 18 Morbach S, Müller E, Reike H, Risse A, Spraul M. Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle und Prävention des diabetischen Fußsyndroms.  Diabetes und Stoffwechsel. 2004;  13 9-10
  • 19 Burghardt F. Mikrobiologische Diagnostik. Stuttgart, New York; Georg Thieme Verlag 1992: 681
  • 20 Japanese Industrial Standard, JIS 1902 : 1998 .1998 testing method for antibacterial of textiles. 
  • 21 Vohrer U, Trick I. Strategien der antimikrobiellen Ausrüstung von Bekleidungstextilien. Avantex-Symposium, 27. - 29. 11. 2000. 
  • 22 DIN EN ISO 12 947 - 2 : 1998 .Textilien-Bestimmung der Scheuerbeständigkeit von textilen Flächengebilden mit dem Martindale-Verfahren - Teil 2: Bestimmung der Probenzerstörung. 
  • 23 DIN EN ISO 11 640 : 1998 .Leder-Farbechtheitsprüfungen - Bestimmung der Reibechtheit von Färbungen. 
  • 24 DIN EN ISO 20 645 : 2004 .Textile Flächengebilde - Prüfung der antibakteriellen Wirkung - Agarplattendiffusionstest. 
  • 25 AATCC Test - Method 147 - 2004 .Antibacterial Activity Assessment of Textile Materials: Parallel Streak Method. 

Prof. Dr. Uwe Wollina

Hautklinik am Klinikum Dresden-Friedrichstadt · Städtisches Krankenhaus · Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

#

Literatur

  • 1 Wollina U, Heide M, Müller-Litz W. Stellen Medizin und Gesundheitswesen neue Anforderungen an die Textilqualität?.  Melliand Textilberichte. 1998;  79 552-555
  • 2 Wulf A, Moll I. Silberbeschichtete Textilien - eine ergänzende Therapie bei dermatologischen Erkrankungen.  Akt Dermatol. 2004;  30 28-29
  • 3 Ovington L G. The truth about silver.  Ostomy/Wound Management. 2004;  50 1-10
  • 4 Williams R, Doherty P, Vince D, Grashoff G, Williams D. The biocompatibility of silver.  Crit Rev Biocompatibility. 1989;  5 221-243
  • 5 Feng Q L, Wu J, Chem G Q, Cui F Z, Kim T N, Kim J Q. A mechanistic study of the antibacterial effect of silver ions on Echerichia coli and Staphylococcus aureus.  J Biomed Mater Res. 2000;  52 662-668
  • 6 Lee A R, Moon H K. Effect of topically applied silver sulfadiazine on fibroblast cell proliferation and biochemical properties of the wound.  Arch Pharm Res. 2003;  26 855-860
  • 7 Lansdown A B. Silver. 2.: Toxicity in mammals and how its products aid wound repair.  J Wound Care. 2002;  11 173-177
  • 8 Silver S. Bacterial silver resistance: molecular biology and uses and misuses of silver compounds.  FEMS Microbiol Res. 2003;  27 341-353
  • 9 Natsch A, Gfeller H, Gyrax P, Schmid J. Isolation of a bacterial enzyme releasing axillary malodour and its use as a screening target for novel deodorant formulations.  Int J Cosmetic Sci. 2005;  27 115-122
  • 10 Haslbeck M, Renner R, Berkau H D. Das diabetische Fußsyndrom. München; Urban & Vogel Medien und Medizin Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 2003
  • 11 Holder I A, Durkee P, Supp A P, Boyce S T. Assessment of silver-coated barrier dressing for potential use with skin grafts on excised burns.  Burns. 2003;  29 445-448
  • 12 Schaller M, Laude J, Bodewaldt H, Hamm G, Korting H C. Toxicity and antimicrobial activity of a hydrocolloid dressing containing silver particles in an ex vivo model of cutaneous infection.  Skin Pharmacol Physiol. 2004;  17 31-36
  • 13 Lansdown A B, Sampson B, Laupattarakasem P, Vuttivirojana A. Silver aids healing in the sterile skin wound: experimental studies in the laboratory rat.  Br J Dermatol. 1997;  137 728-735
  • 14 Wollina U. Der diabetische Fuß - eine Übersicht für Dermatologen.  Z Hautkrankh. 1999;  74 265-270
  • 15 Hilton J R, Williams D T, Beuker B, Miller D R, Harding K G. Wound dressings in diabetic foot disease.  Clin Infect Dis. 2002;  39 (Suppl 2) S100-S103
  • 16 Wollina U, Heide M, Swerev M, Billia M, Möhring U. Abstandsgewirke und andere Abstandsgewebe.  Aktuelle Dermatologie. 2004;  30 8-10
  • 17 Tautenhahn J. Diabetische Ulcerationen.  Hartmann Wundforum. 1998;  4 10-17
  • 18 Morbach S, Müller E, Reike H, Risse A, Spraul M. Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle und Prävention des diabetischen Fußsyndroms.  Diabetes und Stoffwechsel. 2004;  13 9-10
  • 19 Burghardt F. Mikrobiologische Diagnostik. Stuttgart, New York; Georg Thieme Verlag 1992: 681
  • 20 Japanese Industrial Standard, JIS 1902 : 1998 .1998 testing method for antibacterial of textiles. 
  • 21 Vohrer U, Trick I. Strategien der antimikrobiellen Ausrüstung von Bekleidungstextilien. Avantex-Symposium, 27. - 29. 11. 2000. 
  • 22 DIN EN ISO 12 947 - 2 : 1998 .Textilien-Bestimmung der Scheuerbeständigkeit von textilen Flächengebilden mit dem Martindale-Verfahren - Teil 2: Bestimmung der Probenzerstörung. 
  • 23 DIN EN ISO 11 640 : 1998 .Leder-Farbechtheitsprüfungen - Bestimmung der Reibechtheit von Färbungen. 
  • 24 DIN EN ISO 20 645 : 2004 .Textile Flächengebilde - Prüfung der antibakteriellen Wirkung - Agarplattendiffusionstest. 
  • 25 AATCC Test - Method 147 - 2004 .Antibacterial Activity Assessment of Textile Materials: Parallel Streak Method. 

Prof. Dr. Uwe Wollina

Hautklinik am Klinikum Dresden-Friedrichstadt · Städtisches Krankenhaus · Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden

Friedrichstraße 41 · 01067 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

Zoom Image

Abb. 1 Querschnitt durch ein 3D-Abstandgewirke.

Zoom Image

Abb. 3 Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit von Silberionen nach der Testmethode JIL 1902.

Zoom Image

Abb. 4 Silberummantelte Polyamid-Mikrofasergarne; Quelle: Tex-A-Med GmbH.

Zoom Image

Abb. 2 Medizinische Schuheinlage mit antimikrobiell ausgestatteter textiler 3D-Struktur.

Zoom Image

Abb. 5 Haftvermögen von Silberschichten auf unterschiedlichen Gewirkeoberflächen
Gewirke 12 980/5
A1 Ohne Vorbehandlung, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
A1a Vorbehandlung O2-Plasma, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
A1b Wie A1a zusätzliche Schutzschicht auf Basis SiOx
Gewirke 02991/2
F1 Ohne Vorbehandlung, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
F1a Vorbehandlung O2-Plasma, Schichtstärke der Silberschicht 100 nm
F1b Wie F1a zusätzliche Schutzschicht auf Basis SiOx.

Zoom Image

Abb. 6 Reibbeanspruchung mit Baumwollläppchen.
Beurteilung des Reibelementes und der 3D-Gewirkeoberfläche mit Graumaßstab
(200 und 3000 Reibtouren).
Beurteilungskriterien:
Note 5: kein Abrieb, keine erkennbare Beeinflussung der Reibstrecke.
Note 1: großer Abrieb, Silberschicht befindet sich nicht mehr auf der Gewirkeoberfläche.

Zoom Image

Abb. 7 a 3D-Gewirke 02991/Z, Oberfläche ohne Reibbeanspruchung. b Oberfläche nach 3000 Reibtouren. c 3D-Gewirke12980/5 Oberfläche ohne Reibbeanspruchung. d Oberfläche nach 3000 Reibtouren.

Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image

Abb. 8 Silberkonzentration an der Textiloberfläche nach Reibbeanspruchung.