Der „Siegeszug” von Ecstasy - das vor allem in der Techno- und Housemusic-Szene als „Spaß-und-gute-Laune-Droge” konsumiert wird - begann in den USA und verbreitete sich dann über Großbritannien in ganz Europa. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes war in den vergangenen Jahren in Deutschland eine deutliche Zunahme beschlagnahmter Ecstasy-Konsumeinheiten zu verzeichnen ([Abb. 1]; [2]). Der typische Konsument gilt als offensiv, selbstbewusst und intelligent. Er erfüllt seine Aufgaben im Alltag tadellos und ist unauffällig. Das Rauscherlebnis am Wochenende nutzt er dazu, sich abzureagieren.
Die Droge wird meist einige Stunden vor einer Party in der Regel als Tablette konsumiert, um die Latenzzeit von ein bis zwei Stunden bis zum Eintritt der Wirkung zu überbrücken. Seltener ist die Verwendung als Zäpfchen bzw. der intravenöse Konsum von Amphetamin. „Nachgeworfen” wird dann je nach „Bedarf”. Aufgrund der aufputschenden Wirkung kommt es gegen Ende der Veranstaltung häufig zu einem unangenehmen Überschuss an Energie. Um diesen dann unerwünschten Effekt von Ecstasy zu antagonisieren, wird anschließend auf so genannten „Chill-Out-Parties” häufig auf Cannabinoide zurückgegriffen.
Kasuistik
Mit seit mehreren Tagen bestehenden Oberbauchbeschwerden, Juckreiz und einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes wurde ein 30-jähriger Mann stationär aufgenommen. Er berichtete außerdem über eine Stuhlentfärbung und eine dunkle Färbung seines Urins. Aufgrund des Juckreizes hatte der Hausarzt ein Antihistaminikum (Fenistil®) verordnet. Die übrige Medikamentenanamnese war leer. Ernsthafte Vorerkrankungen ließen sich ebenso wenig eruieren wie Auslandsreisen oder Umgebungsinfektionen.
Der Patient gab einen gelegentlichen Konsum von Bier an. Erst auf gezieltes, wiederholtes Nachfragen ließ sich die einmalige Einnahme einer Viertel Tablette Ecstasy im Rahmen einer Tanzveranstaltung zirka drei Wochen vor der stationären Aufnahme eruieren. Ob die Dosisangabe korrekt ist, muss offen gelassen werden.
Körperlicher Untersuchungsbefund
Bei Aufnahme fand sich ein 30-jähriger, afebriler, schlanker Patient (172 cm, 72 kg) in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Auffällig waren ein Konjunktival- und Hautikterus. Leber und Milz waren palpatorisch nicht vergrößert.
Klinisch-chemische Untersuchungen
Erhöht waren die folgenden Werte: Gesamtbilirubin 8,3 mg/dl (< 1 mg/dl), direktes Bilirubin 4,7 mg/dl, Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT) 85 U/l (< 41 U/l), Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) 153 U/l (< 38 U/l), Gamma-Glutamyl-Transpeptidase (g-GT) 70 U/l (12-64 U/l), alkalische Phosphatase 248 U/l (70-175 U/l), Laktatdehydrogenase (LDH) 256 U/l (135-225 U/l) sowie die Gallensäuren 110,0 μmol/l (4,9-6,3 μmol/l).
Im Normbereich befanden sich: Glutamatdehydrogenase (GLDH), Immunglobuline, Eiweiß-Elektrophorese, Leuko-, Erythro- und Thrombozyten, Albumin, Coeruloplasmin und Ferritin.
Negativ waren Antikörper gegen die Hepatitis-Viren A, B und C sowie gegen das Zytomegalievirus (CMV), das Epstein-Barr-Virus (EBV), das Herpes-Simplex-Virus und gegen HIV („human immunodeficiency virus”). Auch die Hepatitis-C-Virus- und die Hepatitis-D-Virus-PCR war negativ. Der TPHA-Test (Treponoma-palladium-Hämagglutinationstest) war ebenfalls negativ, ebenso wie diverse Antikörper (ANA, AMA, ANCA, LKM, SMA und SLA). Die Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin lag im Normbereich.
Ergänzende Untersuchungen
Sonografisch fand sich ein unauffälliger Oberbauchorganbefund. Eine Leberbiopsie ergab das histologische Bild einer akuten, läppchenzentralen Cholestase mit spärlichen Parenchymnekrosen ohne weiteren wegweisenden Befund.
Therapie und Verlauf
Nach Ausschluss einer infektiösen Hepatitis, einer Autoimmunerkrankung, eines Morbus Wilson, einer Hämochromatose sowie einer vaskulären oder biliären Ursache wurde aufgrund der Drogenanamnese die Diagnose einer toxischen Hepatitis nach Einnahme von Ecstasy (MDMA, 3,4-Methylendioxy-N-methamphetamin) gestellt. Unter einer symptomatischen Therapie mit körperlicher Schonung gab der Patient eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens an. Er klagte jedoch über einen anhaltenden Juckreiz. Weitere dermatologische Ursachen des Pruritus konnten ausgeschlossen werden.
Unter einem Therapieversuch mit Ursodeoxycholsäure (3 x/d 1 Ursofalk® 250 mg Kapsel) gab der Patient eine Besserung seiner Beschwerden an. Die erhöhten Transaminasen und Cholestaseparameter zeigten eine langsame Rückbildungstendenz. Nach telefonischer Rücksprache mit der Hausärztin waren auch über zwei Monate nach der stationären Behandlung noch nicht alle Werte normalisiert [Abb. 2].
Diskussion
In der Literatur sind mehrere Fälle einer Schädigung des Leberparenchyms aufgrund eines Konsums von Ecstasy beschrieben [1]
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[6]
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[9]
[11]. Das klinische Bild reicht dabei von einer aviralen protrahierten Hepatitis bis hin zu einem fulminanten Leberversagen mit Transplantationspflichtigkeit [4]
[5]
[11]. Ungefähr ein Viertel der beschriebenen Patienten verstarb an den Folgen der Leberschädigung, weitere 25 % wurden lebertransplantiert.
Die Mechanismen dieser Schädigungen sind noch nicht vollständig geklärt [7]. Bekannt ist, dass die hepatotoxische Wirkung von Ecstasy dosisunabhängig ist und mit einer Latenz von Tagen bis Wochen auftreten kann, wie auch der hier beschriebene Fall zeigt. Als mögliche Pathomechanismen gelten allergische Reaktionen - entweder auf die Droge selbst oder auch gegen die verwendeten Trägersubstanzen. Beigemischt werden beispielsweise Mannit, Sorbit, Stärke, Laktulose oder weitere Arzneistoffe wie Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Chloramphenicol oder Koffein, um nur einige zu nennen. Außerdem erscheint eine Leberzellschädigung als Folge einer induzierten Hyperthermie oder als Folge der Verstoffwechslung der Substanz durch das Cytochrom-P450-System möglich [7].
Die Tabletten haben in der Regel bestimmte Prägungen, so genannte Markenzeichen, die es dem Konsumenten vereinfachen sollen, seine „Marke” wieder zu erkennen. Inzwischen ist jedoch - ähnlich wie in der legalen Wirtschaft - eine risikoreiche Markenpiraterie in Gang gekommen. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass sich die Chargen eines „Herstellers” in ihrer Zusammensetzung zum Teil deutlich unterscheiden können. Im Internet gibt es auf einschlägigen Seiten so genannte „Blacklists” mit „bösen Pillen” die sich durch ein erhöhtes Gefährdungspotenzial auszeichnen.
Da der hier beschriebene Patient den regelmäßigen Konsum dieser Droge verneinte und die letzte gelegentliche Exposition nach seinen Angaben vor Jahren stattgefunden hatte, könnte in diesem Fall tatsächlich ein allergisches Geschehen von Bedeutung sein. Ein Fieberschub oder eine Vermehrung der Eosinophilen im Blut und im Leberbiopsat als Hinweis auf eine allergische Komponente fanden sind jedoch nicht.
Über die Leberschädigung hinaus werden in der Literatur in erster Linie kardiovaskuläre, zerebrale und thermische Schädigungen in Zusammenhang mit einem Ecstasykonsum genannt [3]. In dieser Beziehung jedoch zeigte der von uns behandelte Patient keine Symptome.
Schlussfolgerung
Die durch Ecstasy induzierte Leberzellschädigung ist heutzutage besonders bei jüngeren Patienten eine wichtige Differenzialdiagnose bei der Abklärung akuter Hepatitiden. Daher sollte bei diesen Patienten gezielt nach der Einnahme solcher Substanzen gefragt werden. Aufgrund der Gefahr eines fulminanten Verlaufes mit akutem Leberversagen sollten engmaschige klinische und laborchemische Kontrollen erfolgen.