Im Gegensatz zum Myokardinfarkt ist die Pathogenese des Schlaganfalls sehr heterogen,
und ein bedeutender Anteil der ischämischen Schlaganfälle hat eine kardiale Ursache.
Dabei handelt es sich um die kardioembolischen Schlaganfälle, deren Ursache entweder
in morphologischen Strukturveränderungen des Herzens begründet ist [Tab. 1] oder auf Rhythmusstörungen beruhen. Aufgrund der Vielzahl der möglichen Ursachen
sollen hier lediglich das Vorhofflimmern als häufigste Herzrhythmusstörung und rhythmogene
Ursache kardiogener Thrombembolien sowie das offene Foramen ovale angesprochen werden.
Vorhofflimmern: Ursache und Wirkung
Vorhofflimmern: Ursache und Wirkung
Die häufigste Ursache des Vorhofflimmerns (VHF) ist die arterielle Hypertonie mit
linksventrikulärer Hypertrophie und verzögertem Einfluss des Blutes über die Mitralklappe
und dadurch bedingter atrialer Dilatation. Andere häufige Ursachen sind u.a. die Mitralklappeninsuffizienz
und die Hyperthyreose. In Deutschland leiden etwa 0,5 % der erwachsenen Bevölkerung
an VHF mit deutlicher altersabhängiger Steigerung der Prävalenz auf bis zu 10 % bei
den über 80-Jährigen. Die hämodynamischen Folgen des VHF bestehen in dem Verlust der
Vorhofkontraktion, die zu ca. 20 % zum Herzzeitvolumen beiträgt, einer verschlechterten
Belastungsadaptation und der Neigung zu tachykarden oder bradykarden Phasen, die zu
eingeschränkter Belastbarkeit, Auslösung kardialer Ischämien und Synkopen führen können.
Neben den Problemen mit Herzrhythmus und -frequenz besteht die Gefahr der Thrombenbildung
im mechanisch inaktiven linken Vorhof während anhaltender paroxysmaler (Dauer < 7
Tage) oder persistierender Vorhofflimmerphasen (Dauer > 7 Tage; nicht selbst limitierend).
Klinische Prädiktoren eines hohen systemischen Thrombembolierisikos und damit auch
Schlaganfallrisikos sind zunehmendes Alter, vorheriger Schlaganfall, Diabetes mellitus,
arterielle Hypertonie, vorheriger Myokardinfarkt und Vorliegen einer Herzinsuffizienz.
Bei Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem VHF, welches noch nicht in permanentes
VHF übergegangen ist, kann eine medikamentöse oder elektrische Kardioversion versucht
werden. Damit versucht man die hämodynamische Koordination zwischen Vorhof und Ventrikel
wiederherzustellen, um die Patienten vor Tachy-Bradykardieepisoden zu schützen und
eine bessere Belastungsadaptation zu gewährleisten. Nachdem man früher davon ausging,
dass diese Patienten nach einer Vorbehandlungsphase von vier Wochen mittels Antikoagulation,
einer erfolgreichen Kardioversion und einer Antikoagulationsbehandlung für vier bis
sechs Wochen nach der Kardioversion ausreichend vor thrombembolischen Ereignissen
geschützt sind, konnte mittlerweile durch Studien belegt werden, dass auch bei diesen
Patienten eine dauerhafte Antikoagulation erforderlich ist.
Medikamentöse Schlaganfallprophylaxe
Medikamentöse Schlaganfallprophylaxe
Die Effekte einer Antikoagulationsbehandlung im Vergleich zur Plazebobehandlung oder
Acetylsalicylsäure auf die Schlaganfall- und systemische Thrombembolierate sind in
zahlreichen klinischen Studien bei Patienten mit sogenanntem „non-valvular atrial
fibrillation” untersucht worden. Dabei handelt es sich um Patienten, bei denen echokardiografisch
eine klinisch signifikante Herzklappenerkrankung rheumatischer oder degenerativer
Genese ausgeschlossen worden war. Die Metaanalysen der verschiedenen Studien zeigen
dabei eine ca. 67 %ige Risikoreduktion für das Auftreten von Schlaganfällen und systemischen
Thrombembolien bei einer Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (fast immer wurde Warfarin
untersucht) mit einer INR zwischen 2-3 [Abb. 1]. Untersuchungen mit höheren INR-Werten haben deutlich erhöhte Blutungskomplikationsraten,
insbesondere zerebrale Einblutungen gezeigt. Sehr niedrig dosierte Antikoagulation
(2 mg Warfarin/Tag, INR 1,0-1,2) zusammen mit ASS hat eine deutlich schlechtere klinische
Effektivität als die dosisadaptierte Antikoagulation mit einer INR von 2-3 ergeben.
Aufgrund der geringen therapeutischen Breite der Vitamin-K-Antagonisten sowie der
schwierigen Pharmakodynamik mit verzögertem Wirkungseintritt und Wirkungsende werden
seit vielen Jahren alternative Therapiemöglichkeiten untersucht. Die alleinige Gabe
von Acetylsalicylsäure hat sich dabei als nur gering effektiv erwiesen, in Metaanalysen
konnte für Dosierungen ≥ 300 mg/d eine Reduktion der Rate an Schlaganfällen und systemischen
Thrombembolien um ca. 20 % nachgewiesen werden, d.h. nur jedes fünfte Ereignis konnte
effektiv verhindert werden, und bei vier von fünf Patienten trat der Schlaganfall
trotz Prophylaxe auf. Im Rahmen einer großen wissenschaftlichen Studie (ACTIVE-Studie)
wird derzeit bei 14000 Patienten mit permanentem oder paroxysmalem Vorhofflimmern
untersucht, ob die kombinierte Gabe zweier Thrombozyteninhibitoren (Acetylsalicylsäure
und Clopidogrel) ähnlich effektiv wie die dosisadaptierte Antikoagulation ist. Ebenfalls
im Rahmen wissenschaftlicher Studien werden derzeit neue Antikoagulantien nämlich
direkte Thrombinantagonisten und Faktor-Xa-Antagonisten untersucht, die aufgrund ihres
Wirkungsmechanismus eine effektive Inhibition der Thrombusbildung bei geringerer Nebenwirkungsrate
und akzeptabler therapeutischer Breite erwarten lassen. Für die am weitesten entwickelte
Substanz mit innovativen Wirkungsmechanismus, Ximelagatran, konnte bereits im Rahmen
zweier Studien bei über 7000 Patienten eine äquieffektive Verhinderung thrombembolischer
Ereignisse bei geringerer Blutungsrate nachgewiesen werden. Derzeit beurteilen die
Zulassungsbehörden die Substanz für die Langzeittherapie, wobei asymptomatische Leberwerterhöhungen
bei einigen Patienten Anlass zur Sorge geben.
Aufgrund der schwierigen Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten und der erhöhten
Gefahr schwerer Blutungskomplikationen werden nur ungefähr die Hälfte der Patienten
mit einer prinzipiellen Indikation für eine Antikoagulation wirklich mit oralen Antikoagulantien
behandelt. Dies gilt vor allem für ältere Patienten, bei denen neben Complianceproblemen
bei der Medikamenteneinnahme und regelmäßigen INR-Kontrollen auch erhöhte Blutungsrisiken
aufgrund von Gangunsicherheit und Stürzen befürchtet werden. Bei der Indikationsstellung
zur oralen Antikoagulationsbehandlung sollte dabei vor allem das wahrscheinliche Schlaganfallrisiko
in Betracht gezogen und gegen das individuelle Blutungsrisiko abgewogen werden. Bei
der Berechnung des Schlaganfallrisikos helfen die Daten der Framingham-Studie, die
zum sogenannten Framingham-Risk-Score geführt haben [Abb. 2].
Das symptomatische Foramen ovale Epidemiologie
Das symptomatische Foramen ovale Epidemiologie
Ein offenes Foramen ovale (PFO) ist mit einer Prävalenz um 30 % ein relativ häufiger
Befund bei einer gesunden Normalpopulation wie in Autopsiestudien nachgewiesen werden
konnte. Bei jüngeren Patienten (< 55 J) mit einem Hirninfarkt unklarer Ursache liegt
die Inzidenz bei Vorliegen eines PFO bei bis zu 50 %. Das Risiko, bei Vorliegen eines
offenen Foramen einen Schlaganfall zu bekommen, scheint von der Größe des Defekts
abzuhängen [4] und ist bei zusätzlichem Vorliegen eines Vorhofseptumaneurysmas (VSA) noch einmal
deutlich erhöht. In einer Metaanalyse [10] aus Fall-Kontroll-Studien ergab sich für das Auftreten eines Schlaganfalls bei Vorliegen
eines PFO eine Odds Ratio (OR) von 1,83, für die Kombination aus PFO und VSA eine
OR von 5,2. Langzeituntersuchungen zur Identifikation des primären Risikos, insbesondere
bei Vorliegen eines isolierten PFOs, fehlen derzeit, dennoch berechnen Kraywinkel
et al. [6], dass jeder dritte Schlaganfall in der Altersgruppe der unter 55-Jährigen auf ein
PFO zurückzuführen sein dürfte.
Entstehung
Das persistierende Foramen ovale ist eine kulissenartige Öffnung die zwischen dem
linksatrialen Septum primum und dem rechtsatrialen Septum secundum im Bereich der
Fossa ovalis nach unvollständiger Fusion der beiden Septen besteht. Im fetalen Kreislauf
liegt hier ein physiologischer Blutfluss vom rechten zum linken Vorhof mit oxygeniertem
Blut aus der Plazenta vor. Mit Unterbrechung des plazentaren Kreislaufes bei der Geburt
kommt es über eine linksatriale Druckerhöhung in aller Regel zu einem raschen Verschluss
dieser Öffnung. Septum primum und secundum verwachsen miteinander. Geschieht dies
unvollständig, liegt ein persistierendes Foramen ovale (PFO) vor [Abb. 3].
Pathomechanismus
Der vorwiegend favorisierte kausale Zusammenhang zwischen einem PFO und dem Auftreten
eines thrombembolischen Schlaganfalls ist die paradoxe Embolie. Am häufigsten scheint
eine vor dem Ereignis aufgetretene tiefe Beinvenenthrombose zu einer Lungenembolie
mit konsekutiver pulmonalarterieller Druckerhöhung zu führen; in der Folge kommt es
bei Vorliegen eines PFO zumindest passager zu einem Rechts-Links-Shunt, der einen
Transfer von Thromben durch das Vorhofseptum und im weiteren eine periphere Embolisation
begünstigt. Tatsächlich finden sich bei über 20 % dieser Patienten Thromben im Bein-Beckenbereich.
Desweiteren erscheint eine erhöhte lokale Thrombogenität bei Vorliegen eines PFO insbesondere
in Assoziation mit einem VSA möglich: in seltenen Fällen konnte ein so entstandener
Thrombus bei der Passage im Sinne einer paradoxen Embolie durch das Vorhofseptum dargestellt
werden [5]. Ein weiterer postulierter Pathomechanismus steht im Zusammenhang mit der Tatsache,
dass insbesondere bei Vorliegen der Kombination von PFO und VSA eine erhöhte Inzidenz
von Vorhofarrhythmien besteht, die beispielsweise durch eine erhöhtes atriales „streching”
bei einem Valsalva-Manöver induziert werden können [2].
Diagnosestellung
Die Methode der Wahl zur Identifikation eines PFO ist die Durchführung einer transösophagealen
Echokardiografie (8), wobei gelegentlich auch die Darstellung durch eine transthorakale
Untersuchung gelingt. Zur Identifikation eines Rechts-Links-Shunts über das PFO wird
typischerweise Echokontrastmedium über eine periphere Vene injiziert. Der Patient
führt simultan dazu ein Vasalva-Manöver durch. Bei Vorliegen eines PFO kommt es zu
einem Übertritt von „Bläschen” in den linken Vorhof. Dabei kann die Quantität des
Übertritts als Maß für die Größe des PFOs gelten. In aktuellen Publikationen wird
zunehmend die Rolle der transkraniellen Doppleruntersuchung (ebenfalls mit Injektion
von Kontrastmedium unter Valsalva-Manöver) in Diagnostik und Verlaufskontrolle bei
PFO hervorgehoben.
Therapie
Evidenzbasierte Strategien zur Sekundärprophylaxe bei Patienten mit Schlaganfall und
einem PFO gibt es nicht. Dennoch besteht heute bei Vorliegen eines VSA in Kombination
mit einem PFO bei nachgewiesener oder vermuteter paradoxer Embolie eine Indikation
zum PFO-Verschluss, wobei der kathetherinterventionelle Verschluss mit einem Schirmchen
die Operation am offenen Herzen mit dem Nahtverschluss des Defekts abgelöst hat [9]. Die perkutan interventionelle Platzierung eines Schirmchens ist heute ein relativ
kurz dauernder Eingriff mit einer periinterventionellen Komplikationsrate von um 1
%. Das weltweit am häufigsten verwendete System ist der selbstzentrierende AMPLATZER-Doppelschirm
[Abb. 4], der aus Nitinoldraht und einer Dacron-Gewebeeinlage besteht, es kommen jedoch auch
andere Systeme zur Anwendung, wobei der primäre Verschluss praktisch immer gelingt.
Bei den follow-up-Untersuchungen nach Okkluderplatzierung werden noch häufiger geringe
Restshunts nachgewiesen, wobei diese im Zeitverlauf abnehmen. Die Wahrscheinlichkeit
eines erneuten thrombembolischen Ereignisses wird nach Verschluss zwischen 1,7 und
4 % pro Jahr angegeben [7]. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [3] ist auch bei Schlaganfallrezidiv unter Phenprocoumon und bei Vorliegen einer Kontraindikation
zur Antikoagulation ein Schirmchenverschluss zu empfehlen. Patienten mit einem isolierten
PFO sollten zur Rezidivprophylaxe Acetylsalicylsäure erhalten, bei einem darunter
auftretenden Rezidiv sollte eine Behandlung mit Phenprocoumon erfolgen. Derzeit laufen
drei multizentrische, randomisierte Studien, die Ergebnisse zum Vergleich von medikamentöser
und interventioneller Therapie bei diesen Patienten liefern sollen (RESPECT/USA; Closure/USA
und PC-Trial/Europa). Die Verbesserung und Fortentwicklung der Verschlusssysteme sowie
der Einsatz neuer Medikamente (z.B. Thrombinantagonisten) werden Einfluss auf zukünftige
Therapiestrategien haben.
Abb. 1 Metaanalyse kontrollierter randomisierter und Plazebo-kontrollierter Studien zur
Wirksamkeit einer Dosis-adaptierten oralen Antikoagulation bei Patienten mit nicht-valvulären
Vorhofflimmern
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Tab. 1 Morphologische Ursachen kardioembolischer Schlaganfälle
-
Akut oder chronisch veränderte Aorten- oder Mitralklappen nach Endokarditis oder degenerativ
bedingte Kalzifizierungen
-
Myxome oder Fibroelastome des Herzens oder an den Tumoren entstandene Thromben
-
Parietalthromben im Bereich von myokardialen Infarktzonen aufgrund entzündlich veränderten
Endokards oder ventrikulärer Akinesiezonen oder Aneurysmata
-
Offenes Foramen ovale und/oder hypermobile Vorhofsepten
-
Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekte
|