Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(3): 271-274
DOI: 10.1055/s-2005-871814
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Integrierte Versorgung - aktuelle Situation

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Dr. Daniel Frank

Orthopädische Abteilung,

Remigius Krankenhaus Opladen

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Publication Date:
24 June 2005 (online)

 
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Dr. Daniel Frank

Eingeführt wurde die Integrierte Versorgung (IV) über den § 140 a ff bereits im Gesundheitsreformgesetz im Jahr 2000. Durch fehlende Anreize wurde von den Vertragspartnern die Umsetzung der Vorgaben allerdings nicht vollzogen. Mit der Verabschiedung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) hat der Gesetzgeber dem Paragraphen 140 a ff. SGB V eine besondere Dynamik gegeben. Der Abzug von 1% des Budgets der Kassenärztlichen Vereinigungen und 1% des Budgets der Krankenhäuser erweckte auf beiden Seiten eine Begehrlichkeit, sich zum einen die einbehaltenen Beträge zurückzuholen (Kassenärzte, Krankenhäuser), zum anderen die Abzüge beim Leistungserbringer vorzunehmen (Krankenkassen).

Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen können die Krankenkassen den Abzug erst vornehmen, wenn IV-Verträge vorliegen und verwirklicht werden. Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrages ist ein Leistungsangebot, welches sektorenübergreifend angelegt ist. Verschiedene Leistungsanbieter können sich über einen Vertragsinhalt verständigen und diesen einer gesetzlichen Krankenkasse als Angebot vorlegen. Als Anbieter kommen die niedergelassen Ärzte, die Krankenhäuser, ambulante sowie stationäre Rehabilitationseinrichtungen sowie im orthopädisch/unfallchirurgischen Bereich Sanitätshäuser und Orthopädieschuhmachermeister in Betracht. Laut Gesetz müssen mindestens zwei Institutionen als Vertragspartner gegenüber einer Kasse auftreten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind als Vertragspartner nicht einbezogen. Leistungsinhalte und Indikationen werden zwischen Anbieter und Kasse ausgehandelt.

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Vor- und Nachteile der Integrierten Versorgung

Die Vorteile der Integrierten Versorgung erschienen sowohl den Kassen als auch den Leistungsanbietern zunächst nicht so evident, sodass nach Einführung des § 140 ff zunächst keine Vertragsabschlüsse zustande kamen. Nach Einführung der 1%-Kürzung in den Budgets wurden vor allem von den großen Kassen den Kliniken Verträge vorgelegt, welche die Indikationen sowie Leistungsbestandteile der Integrierten Versorgung aus Sicht des Kostenträgers darlegten. Mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit wurde den Patienten aber auch den bis dato zögerlichen potenziellen Vertragspartnern signalisiert, welche Vorteile die Teilnahme und der Abschluss eines IV-Vertrages mit sich bringen.

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Der Patient im IV-System

Die meisten Patienten werden von der IV profitieren, wenn sie sich als Patient in das Programm einschreiben. Die Vertragsklauseln beinhalten eine Vielzahl unterschiedlicher Punkte, welche die Leistungserbringer gegenüber dem Vertragspartner und dem Patienten zu erfüllen haben. Im ambulanten orthopädischen Bereich ist z.B. die Techniker Krankenkasse mit einem IV- Vertrag eingestiegen, der den Patienten einen bevorzugten Behandlungstermin, eine kurze Wartezeit, eine schnelle Überweisung zur weiterführenden Diagnostik und Therapie sichern soll. Der stationäre TEP-Patient wird in fast allen IV-Verträgen innerhalb einiger Wochen in einer Klinik aufgenommen, erhält Facharztstandard auf Oberarzt- oder Chefarztebene beim operativen Eingriff, teilweise werden höherwertige Implantate eingesetzt und eine Unterbringung im Krankenhaus gewährt, die einem Privatpatienten gleichkommt. Viele Patienten werden von Zuzahlungen befreit (Bonusregelung).

Die Probleme liegen in der Auswahl der Patienten, welche vertraglich in der Regel durch den Leistungserbringer erfolgt. Ist eine Gewährleistung Vertragsbestandteil, wird das Raster für den potenziellen IV-Patienten eng. Aus- und Einschlusskriterien versperren dem Kassenpatienten den Weg in den auch für ihn lukrativen IV-Vertrag. Immerhin haben es die meisten Kostenträger verstanden, die Akzeptanz ihrer Kunden durch geldwerte Vorteile wie Erlass oder Rückzahlung der Eigenanteile an der Behandlung zu erhöhen. Die Zuzahlungen waren vor Jahren auf Druck der Versicherungen durch die Politik ins Gesetz geschrieben worden. Sie hatten letztendlich auch einen "steuernden" Effekt, indem die Patienten über die Selbstbeteiligung an den entstehenden Kosten partizipieren sollten. Ähnlich ist das Ansinnen bei Praxisgebühr. Die Erstattung dieser Kosten durch die Kassen bzw. indirekt durch die Leistungserbringer konterkariert diese Absicht.

Die von vielen gesetzlichen Kassen und der Politik oft angeprangerte 2-Klassen-Medizin wird nun von den gesetzlichen Krankenversicherungen selber vollzogen. So ist es nicht abwegig, dass der nicht IV-Patient derselben Kasse weiterhin den üblichen, wohlgemerkt im internationalen Vergleich hohen Standard der Regelversorgung erhält. Der IV-Patient wird zum Privatpatienten hinaufgestuft, mit den vermeintlich, kostenfreien Beigaben wie Chef- oder Oberarztbehandlung, 2-Bett-Unterbringung, freier TV-Empfang, Kaffee und Kuchen am Nachmittag sowie Befreiung von der Zuzahlung und Garantie auf die durchgeführte Operation. Unverständnis erntet das von den Kassen beworbene IV-Modell bei den Kunden, die gleiche Leistung für gleiches Geld einfordern. Einige Kassen haben den Unmut der Versicherten bereits erfahren oder in weiser Voraussicht erkannt, dass dieses Prinzip nicht zur Regel werden kann.

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Der Kassenarzt im IV-System

Es gibt eine Vielzahl von IV-Verträgen, welche die Kassenärzte einbeziehen. Die meisten Verträge bezüglich Endoprothesen-Operationen sehen eine Beteiligung der niedergelassenen Ärzte vor. Die Wirklichkeit ist allerdings anders. Da ambulante und stationäre Rehabilitationseinrichtungen fast ausnahmslos einbezogen sind, ist der sektorübergreifende Aspekt der IV bereits erfüllt. Eine zwingende Notwendigkeit für die Kliniken, welche überwiegend als Ansprechpartner und spätere Vertragspartner für die Kassen auftreten, die niedergelassenen Ärzte zu beteiligen, besteht nicht. Es erscheint zwar sinnvoll im guten Einvernehmen mit den Zuweisern auch im IV-Bereich eine enge Kooperation zu pflegen, aber solange der Kapazitätsengpass "orthopädische Klinik" vorhanden ist, fehlt der Druck sich hier kooperativer zu zeigen. Von Seiten der niedergelassenen Ärzte wäre eine Änderung ihrer bisherigen Behandlungsstandards hin zu einem gemeinsam konsentierten Standard notwendig. Ungeklärt ist die Frage der Kontrolle einer potenziellen Doppelabrechnung erbrachter Leistungen im prä- oder postoperativen Zeitraum. Sicherlich kann die Teilnahme an der Integrierten Versorgung dem Kassenarzt neue Möglichkeiten eröffnen, Erlöse zu generieren, die sich außerhalb der gedeckelten KV-Budgets ergeben. Die Honorierung erbrachter Leistungen kann sich zwischen EBM 2000 plus und GOÄ bewegen. Von Seiten der Kostenträger ist eine Einbindung der Kassenärzte zwar gern gesehen, aber unter Kostenaspekten unerheblich. Die Honorierung der einbezogenen niedergelassenen Ärzte erfolgt aus der Gesamtsumme der im Vertrag vereinbarten Vergütung und ist somit im Innenverhältnis zwischen Klinik und Kassenarzt zu klären. Kosteneinsparungen im KV-Budget, welche für die Krankenkassen spürbar wären, werden sich nicht einstellen.

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Die Kliniken im IV-System

Vielen Vertragsentwürfen konnte man zu Recht unterstellen, dass sie keine neuen Aspekte der Versorgung enthielten. Alter Wein in neuen Schläuchen, "Integrierte Versorgung light" oder "Umlabeln" bekannter Behandlungsabläufe waren berechtigte Einwände gegen den Abschluss solcher Vorschläge unter dem Etikett der Integrierten Versorgung. Die meisten IV-Verträge in Orthopädie und Unfallchirurgie betreffen die Endoprothetik. Zunächst handelt es sich um Komplexverträge einer Fallpauschale, wie sie in der Vergangenheit bereits möglich waren und im geringen Umfang bereits umgesetzt wurden. Attraktivität erhalten die IV-Verträge besonders in den Kliniken, wo eine hohe Nachfrage nach Endoprothesen dem geringeren Angebot, welches durch die Pflegesatzverhandlungen budgetiert ist, gegenübersteht. Der versorgte Fall, welcher die vereinbarte Fallzahl übersteigt, wird mit einer Honorierung von 35% der derzeit gültigen DRG vergütet. Die Integrierte Versorgung ermöglicht es den Kliniken, eine günstigere Erlössituation der überzähligen Fälle zu erreichen.

Analog zum niedergelassenen Bereich besteht die Möglichkeit bei sinkenden realen Budgets Liquidität zu generieren, was viele Verwaltungsleiter der Kliniken veranlasst, auf die Mediziner einzuwirken, IV-Modelle gegenüber den Kostenträgern mitzutragen. Der durch die diversen Erfolgsmeldungen hinsichtlich abgeschlossener IV-Verträge ausgelöste Druck beschleunigt das Ansinnen, ebenfalls IV-Verträge abzuschließen. Zwei Aspekte sind ausschlaggebend. Zum einen die Kürzung des Budgets um 1% durch die Kostenträger, des Weiteren die im immer härter umkämpften Gesundheitsmarkt zunehmend wichtigere eigene Positionierung des Krankenhauses. Die Kostenträger wirken gezielt durch ihre Pressearbeit darauf hin, dass ein Gefühl des "Dabeiseins" oder des "Ausgeschlossenseins" entsteht, indem sie mitteilen, dass nur eine begrenzte Zahl an Verträgen abgeschlossen wird und somit nur eine überschaubare Zahl an Kliniken in den vermeintlichen Vorteil der IV kommt.

Die langfristige Strategie der Integrierten Versorgung wir derzeit noch nicht im vollen Umfang erkannt. Vom Gesetzgeber, der Politik und den Kostenträgern wird vordergründig die Qualität als ein wesentliches Argument für die Integrierte Versorgung ins Feld geführt. Dem muss man entgegenhalten, dass eine Steigerung der Qualität nicht der IV bedurft hätte. Einerseits ist es um die Qualität nicht so schlecht bestellt, wie viele, vor allem Berater aus dem Umkreis der Entscheidungsträger, es immer wieder behaupten. Sicherlich kann die Qualität immer weiter verbessert werden. Wir kennen all die kontinuierlichen Bemühungen zur Steigerung der Qualität in der Industrie. Man kann aber nicht behaupten, dass in der Medizin Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität in der Vergangenheit unterblieben sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Ansicht des AOK Bundesverbandes, der eine Steigerung der Versorgungseffizienz, was immer das heißen soll, und der Qualität bei höchstens gleichen Kosten sieht oder gleiche Qualität zu niedrigeren Kosten. Beides bedeutet höhere Produktionskosten beim Leistungserbringer.

Die Zielrichtung ist eine andere. Der Gesetzgeber will auch den Gesundheitsmarkt deregulieren, d.h. dem freien Markt mehr Chancen geben und die Leistungsanbieter und Kostenträger in einen Wettbewerb treten lassen. Es ist erklärtes Ziel der Politik, den Kollektivzwang in Bereichen der medizinischen Versorgung aufzuheben, ohne die soziale Fürsorge des Staates für seine Mitbürger zu vernachlässigen. Die Orthopädie und insbesondere die Endoprothetik eignen sich hervorragend für einen freien Wettbewerb. Die Kliniken bewerben sich auf eine Ausschreibung der Kostenträger für eine festzulegende Anzahl von Endoprothesenversorgungen einschließlich Vorsorge, Nachsorge und Rehabilitation, quasi "all inclusive". Wer sich als Anbieter im IV-System heute gut positioniert kann morgen zu den Gewinnern zählen.

Den meisten Kliniken fehlt der Weitblick und das betriebswirtschaftliche Know-how zur Umsetzung neuer Strukturen. Zu sehr kämpfen sie mit der Gegenwart und dem ständigen Engpass an liquiden Mitteln. Die Nachteile eines fragwürdigen IV-Vertrages werden nicht erkannt oder wissentlich negiert. Wer heute den IV-Patienten in einen privatärztlichen Status hinsichtlich ärztlicher Versorgung und Unterbringung anhebt, kann sich morgen nicht darüber wundern, wenn der PKV Verband Zimmerzuschläge, die eine nicht unerhebliche kalkulatorische Größe in den Budgets darstellen, wegfallen. Der PKV Verband hat mit der Deutschen Krankenhaus Gesellschaft (DKG) in mühevollen Verhandlungen Standards für seine Versicherten festgelegt, die sich deutlich vom GKV Patienten abheben. Die Krankenhäuser müssen eine Checkliste erfüllen, um die verschiedenen Stufen der zuzahlungsfähigen Kriterien zu erfüllen. Vertragsbestandteile in den IV-Verträge verwischen die klare Grenzziehung zwischen GKV und PKV Patient.

Die Leistungserbringung von zusätzlichen IV-Fällen neben den Budget-Fällen erfordert Ressourcen bei Personal und OP-Kapazität. Dieses muss bereitgestellt werden. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass man dem ärztlichen Bereich per Deklaration von oben weitere, organisatorisch sehr aufwändige Aufgaben auferlegen kann, ohne die Bedingungen an der Basis verbessern zu müssen. Der Überblick über eine Vielzahl von IV-Verträgen lässt erkennen, zu welchen Bedingungen Kliniken willens sind, IV-Verträge abzuschließen. Hausbesuche bei potenziellen Patienten, Chefarztstandard, Hotelkomfort, Übernahme von Zuzahlungen und kostenfreie Nachsorge, Gewährleistungen auf primäre Versorgungen aber auch Zweiteingriffe sowie die Übernahme der Kosten einer nachbehandelnden Klinik ist nur ein inkomplette Auflistung von Maßnahmen, die vertraglich vereinbart wurden.

Weiterentwickelte Vertragsformen sind hinsichtlich der sehr einseitigen Vertragsgestaltung der früheren Versionen aufgebrochen worden. So ist es mittlerweile möglich, Verträge ohne Gewährleistung zu DRG-Erlösen zu vereinbaren. Allerdings sind häufig Zugeständnisse hinsichtlich des Behandlungsumfangs, z.B. vor- und nachstationäre Behandlung hinzunehmen, was letztendlich einer Rabattierung gleichkommt. Vorsicht ist geboten, wenn die Mehrleistung im IV-Bereich mit Mindererlösen im Budgetbereich kompensiert werden soll. Mindestmengen für IV-Fälle sind abzulehnen, da sie letztendlich zu erheblichen Erlösminderungen führen können. Ob eine Rehaklinik direkter Vertragspartner des Kostenträgers ist oder die Klinik die Reha-Einrichtung quasi als Subunternehmen mit in den Vertrag nimmt, sollte hinsichtlich der Leistungserbringer genau geprüft werden. Erste Erfahrungen der Kliniken, die früh einen IV-Vertrag abgeschlossen haben, zeigten auf, dass die Gesamtzahl der behandelten IV- und Budgetpatienten zunächst gleich blieb. Hierdurch wiederum Gold gegen Eisen getauscht wurde, da die Erlöse im IV- Bereich unter dem DRG-Betrag lag. Häufig unberücksichtig ist die Wirkung auf den Case Mix Index, CMI. Je nach Steuerung der Patienten in die IV- oder DRG-Gruppe können sich Änderungen im Gesamtbudget der Abteilung und Klinik ergeben.

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Gewährleistung

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft - DKG - hat sich erst spät mit der Problematik der Gewährleistung in den Integrationsverträgen beschäftigt. In einer Sitzung am 17. November 2004 hat der Fachausschuss "Recht und Verträge" Empfehlungen für die Mitglieder, also die Krankenhäuser verabschiedet. Es wird festgehalten, dass es keine Verpflichtung in den §§140 ff. gibt, die eine Gewährleistung beinhalten. Absatz 3 des § 140 des SGB V sieht lediglich vor, dass die Vertragspartner die Erfüllung der Leistungsansprüche der Versicherten gewähren müssen und dass sie die betriebswirtschaftlichen und medizinischen Voraussetzung für die vereinbarte Versorgung erfüllen. Ziel des Gesetzgebers ist es, dass die Vertragspartner das Versorgungsniveau für die vereinbarten Fälle im IV-Vertrag zumindest auf dem medizinischen Standard der Regelversorgung zu erbringen haben. Es soll also ausgeschlossen werden, dass Patienten die aus dem Topf der Integrierten Versorgung bezahlt werden, qualitativ minderwertige Leistungen erhalten. Der Leistungserbringer haftet nicht für Sachmängel im Sinne der Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Der Fachausschuss stellt unter anderem richtigerweise fest, dass der Arzt die Heilung nicht allein und ausschließlich bewirkt, sondern dass Faktoren mitwirken, wie zum Beispiel das Verhalten der Patienten. Die DKG sieht ebenfalls die Gefahr, dass wenn Krankenhäuser in größerem Umfang dazu übergehen, eine Garantie für ihre Leistung anzubieten, die Heilung als eine vom Arzt oder dem Krankenhaus geschuldeter Erfolg verstanden werden könnte.

Die Folgen einer solchen, nicht gesetzlich festgelegten Regelung, kämen einem Paradigmenwechsel in der Medizin gleich. Gewährleistungen hinsichtlich einer Leistungserbringung würde nicht mehr vor stationär zu erbringenden Therapien Halt machen, sondern würden auch den ambulanten Bereich in all seinen Facetten einschließen. Der Lumbago Patient sollte in x Tagen beschwerdefrei sein, bei fehlendem Erfolg wäre eine kostenfreie "Nachbesserung" zu erbringen. Wie sähe es mit Folgeleistungen hinsichtlich Verdienstausfall oder entgangenem Urlaub aus?

In einigen, vorliegenden Verträgen wird ein Haftungsausschluss für den Leistungserbringer festgelegt. Das Betreiben von Risikosportarten mit einer Endoprothese stellt ein Ausschlusskriterium dar. Allerdings hat der Leistungserbringer darzulegen, dass der Sport zum Versagen des Implantates geführt hat. Es tritt also die Beweislastumkehr für den Nachweis einer haftungsausschließenden Fremdeinwirkung ein, die von den Kliniken nur schwer zu erbringen seien wird. Diese Art der Beweislastumkehr geht zudem noch deutlich über die bisherigen Ansätze der Beweiserleichterung bei der Behandlungsfehlerhaftung hinaus (KGNW 315/2004).

Viele Verträge, überwiegend die, welche mit der Barmer Ersatzkasse abgeschlossen wurden, sehen einen Zeitraum hinsichtlich der Erbringung einer Gewährleistung bei Hüft- oder Knieendoprothesen vor. Dabei wurde eine Zeitvorgabe von zehn Jahren festgelegt. Die Gründe, warum gerade dieser Zeitraum gewählt wurde, sind nicht erkennbar. Gesetzliche Vorgaben hinsichtlich einer Gewährleistung umfassen in der Regel 2 oder 3 Jahre. Medizinischer Sachverstand kann nicht die Grundlage für die Festlegung eines Gewährleistungszeitraums von zehn Jahren gewesen sein. Kriterien für die Erbringung von Gewährleistungen orientieren sich u.a. an der Datenlage des BQS (Bundesstelle für Qualitätssicherung). Diese Daten sind jedoch hinsichtlich ihrer Validität für mittel- und langfristige Beobachtungen äußerst fragwürdig. Die Datenlage für Standzeiten von Endoprothesen in Deutschland ist nicht ausreichend, um die Haltbarkeit einer Endoprothese soweit festzulegen, dass sich hieraus versicherungsmathematisch eine Kalkulation für eine Garantieleistung ermitteln ließe. Dies ist aber betriebswirtschaftlich notwendig, um Rücklagen bilden zu können, damit zukünftige Revisionsfälle im Rahmen der IV finanziell abgefedert sind. Bilanzrechtliche Bestimmungen würden ebenfalls eine genaue Analyse der zu erwartenden Kosten erfordern, da ansonsten die Finanzbehörden Zweifel an der Höhe der Rückstellungen anmelden würden.

Die Problematik der Kostenanalyse liegt bei den meisten Krankenhäusern in einer fehlenden Kostenstellenanalyse und mangelhaften Kostenstellenzuordnung. Große Klinikverbünde mögen hier den kleineren Häusern voraus sein, die häufig nur überschlägig die Kosten für die Nutzung der Operationssäle, der Intensivstation oder des Personals kennen.

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IV als indikationsübergreifende Versorgung

Die derzeitig ausgehandelten und praktizierten Verträge kann man sicherlich als Version 1.0 einer zukünftigen Entwicklung ansehen. Im Gesetz wird ausdrücklich von einer sektorübergreifenden, medizinischen Versorgung gesprochen. Früh abgeschlossene Verträge sind teilweise bereits wieder gekündigt worden, u.a. wegen der vereinbarten Gewährleistung. Von einigen wurden diese Verträge als "Quick and Dirty" beschrieben. Die zunächst abgeschlossenen Verträge hatten zunächst den reinen Charakter eines "Preisvertrages". Sicherlich haben die Vertragspartner auf beiden Seiten die Unzulänglichkeiten der Vertragsgestaltung erkannt. Alle Verträge haben Laufzeiten und Kündigungsfristen, sodass man davon ausgehen kann, dass die derzeitigen Vertragsinhalte im Lauf der Zeit einem nicht unerheblichen Wandel unterliegen werden. Ein wesentlicher Nachteil für die Leistungserbringer war in der Vergangenheit die Unkenntnis über bereits abgeschlossene Verträge und deren Inhalte. Vertraulichkeitsschutzklauseln haben die Kostenträger hier in einen Informationsvorteil versetzt, der es ihnen gestattete auszuloten, wo die Schmerzgrenze für die Kliniken hinsichtlich der Leistungsbeschreibungen liegt. Von der DKG und den länderbezogenen Krankenhausgesellschaften konnte keine Unterstützung beim Abschluss der Verträge erwartet werden. Diese Situation wird sich zukünftig ändern. Mit Erfahrungsaustausch auf Verwaltungsebene und unter den Medizinern werden Vertragsverhandlungen in der Zukunft mehr auf gleicher Augenhöhe erfolgen.

Interessante Modelle der IV werden bereits in Bünde und im Nürnberger Raum vollzogen. Hier haben sich die überwiegende Zahl der niedergelassenen Ärzte in eine Integrierte Versorgung eingebracht und zusammen mit Kliniken, Physiotherapeuten und Sanitätshäusern Versorgungsmodelle entwickelt, die über die begrenzte Versorgung mit Endoprothesen hinaus weitere Indikationen beinhalten. Das Knappschaftsmodell "prosper-Gesund im Verbund" kann zweifelsfrei als eine zukunftsweisende Variante der IV verstanden werden. Diese regionalen Verbünde von Knappschaftsärzten und Knappschaftskrankenhäusern haben eine effizientere Versorgung sowie Kostenreduktion dem Kostenträger beweisen können. Beispielhaft ist die Aufteilung der eingesparten Kosten bei der Bundesknappschaft, sowohl die Patienten als auch die beteiligten Netzärzte können mit Rückvergütungen rechnen, letztere natürlich extrabudgetär.

Die höchste Stufe der Integrierten Versorgung wird die indikationsübergreifende Vollversorgung unterschiedlicher Fachbereiche in der Medizin darstellen. Was aus der Integrierten Versorgung bereits heute hergeleitet werden kann, ist die Tatsache, dass der Alleinversorgungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung, quasi das Monopol im ambulanten Bereich, erstmalig durchbrochen wurde.

Viele Verträge sehen eine schnellere Behandlung bei kurzen Wartezeiten vor. Solange die BfA als Kostenträger der Rehabilitation der Erwerbstätigen nicht Vertragspartner bei IV-Verträgen ist, werden die Kassen keine Vorteile hinsichtlich der Krankenkosten, z.B. Lohnfortzahlung, erfahren. Dennoch steht schon heute fest, dass die IV vor allem für die Kostenträger Einsparungen bei der Versorgung ihrer Kunden bedeutet. Kein Vertrag sieht eine uneingeschränkte Übernahme der Erlöse in Höhe der DRG-Vergütung vor. Im Rahmen zukünftiger Verhandlungen werden vor allem die großen Kassen ihre Macht und ihren Marktanteil nutzen, um die Preise zu diktieren. Schon heute ist erkennbar, dass Vertragsabschlüsse nur ab gewissen Geldvolumina sinnvoll sind. Kleinere Krankenkassen und Krankenhäuser sind als Vertragspartner uninteressant. Die BKKs im Kölner Raum haben bei Abschlüssen für IV-Verträge eine strategische Allianz geschlossen. Es ist nicht bekannt, ob Kliniken, die keinen gemeinsamen Träger haben, sich zu ähnlichen Allianzen zusammengeschlossen haben. Allerdings gehen andere Kassen separate Wege. Die TK sieht in Einzelverträgen ihre Zukunft. Vorteile sollen spezifische Produkte und individuelle Preisgestaltungen sein. Die TK sieht in 5 Jahren 20% ihres Volumens in durch IV-Verträge vereinbarten Leistungen. Nicht geklärt ist die Finanzierung der IV nach 2006, wenn die 1%-Kürzung in den Budgets wegfallen soll. Es ist aber vorstellbar, dass die IV zur Regelversorgung in medizinischen Bereichen wird, die auf Grund ihrer Struktur planbar und vorhersehbar sind. Eine gewisse Risikobereitschaft seitens der Leistungserbringer und der Kostenträger ist Voraussetzung für ein mittelfristig erfolgreiches Modell.

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Dr. Daniel Frank

Orthopädische Abteilung,

Remigius Krankenhaus Opladen

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