Klin Padiatr 2005; 217(S 01): S17-S36
DOI: 10.1055/s-2005-872500
Therapie von Infektionen in der Kinderonkologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Therapie bakterieller Infektionen in der pädiatrischen Onkologie

Bacterial Infections in Pediatric Cancer Patients
A Simon
1   Abt. für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Bonn
,
K Beutel
2   Klinik und Poliklinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie Zentrum für Frauen-, Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
,
G Marklein
3   Institut für Medizinische Mikrobiologie und Immunologie am Universitätsklinikum Bonn
,
G Fleischhack
1   Abt. für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Bonn
› Author Affiliations
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Korrespondenzadressen

Dr. med. Arne Simon
Abt. für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum
Adenauerallee 119
53113 Bonn
Phone: +49/(0)2 28/2 87 32 54   

Publication History

Publication Date:
15 November 2005 (online)

 

Zusammenfassung

Ohne den sachkundigen Einsatz von Antibiotika kann das Ziel einer intensiveren Chemotherapie und letztlich eines verbesserten Langzeitüberlebens in der pädiatrischen Onkologie nicht erreicht werden. Während der Granulozytopenie und auch zwischen den intensiven Chemotherapien können bakterielle Infektionen die Lebensqualität des Patienten beeinträchtigen, das Leben des Patienten akut gefährden und den Ressourcenverbrauch im Rahmen der erforderlichen supportiven Behandlung massiv erhöhen. Der unkritische und nicht standardisierte Umgang mit Antibiotika kann den Patienten unnötigerweise mit Nebenwirkungen belasten und zur Selektion resistenter Bakterienspezies führen. Die vorliegende Arbeit enthält Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Infektionen bei immunsupprimierten Kindern” der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) zur gezielten Therapie mit Antibiotika, insoweit sie für die Behandlung pädiatrisch-onkologischer Patienten von Interesse sind.


Abstract

Increased dose intensity and a better long term survival can not be reached in pediatric oncology without the judicious use of antibiotics. During periods with profound neutropenia and between intensive chemotherapy cycles are bacterial infections capable of disturbing the patients' quality of life; they may cause an acute life threatening situation and lead to a substantial increase in expenditures and consumption of ressources in supportive care. The non-judicious use of antibacterials may face the patient to an increased risk of adverse events and fosters the selection of resistant bacteria. This article provides the recommendations of the Infectious Diseases Working Party of the German Society for Pediatric Infectious Diseases (DGPI) and the German Society for Pediatric Hematology/Oncology (GPOH) for antibacterial therapy in pediatric oncology patients based upon the available literature and the clinical experience of the authors.


Hintergrund

In dieser Übersicht sollen ausgewählte Aspekte der gezielten Therapie mit antibakteriellen Chemotherapeutika (Antibiotika) diskutiert werden, insoweit sie für die Behandlung pädiatrisch-onkologischer Patienten von Interesse sind. Prospektiv randomisierte Studien mit pädiatrisch-onkologischen Patienten zu allen wichtigen Fragestellungen dieser Übersicht sind rar. Präferenzen für bestimmte Antibiotika (Tab. [1]) reflektieren die praktischen Erfahrungen der Autorinnen und Autoren in der Behandlung der febrilen Granulozytopenie (FN) und sind nicht dazu gedacht, etablierte Standards anderer Abteilungen infrage zu stellen. Dieser Beitrag erweitert die Ausführungen des entsprechenden Kapitels im Handbuch der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie [[136]] und die aktuellen Empfehlungen „Parenterale Antibiotika bei Kindern und Jugendlichen” einer Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie [[325]]. Der selbständige und eigenverantwortliche Entscheidungsprozess der behandelnden Onkologinnen und Onkologen soll durch die Bereitstellung zusätzlicher Informationen konstruktiv unterstützt werden.

Da bereits zur empirischen Therapie der FN Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum zum Einsatz kommen, ist eine Umstellung bei positivem Erregernachweis nicht zu empfehlen, wenn der Patient klinisch und mikrobiologisch (mindestens zwei sterile Kontrollen) auf die Primärtherapie anspricht [[366]]. Die Primärtherapie weist jedoch in ihrem Wirkungsspektrum kalkulierte Lücken auf. Dabei handelt es sich um opportunistische Keime, wie z. B. Coagulase-negative Staphylokokken (CoNS), Streptokokken der Viridansgruppe, Listerien oder Enterokokken [[76]] sowie um Atemwegsinfektionen durch „atypische” bakterielle Infektionserreger. Die am häufigsten eingesetzten Betalaktame sind gegen Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen unwirksam [[2]]. Ein erhebliches Problem für die Effizienz die Kosten der gezielten Antibiotikatherapie können Infektionen durch resistente Bakterien sein. Im Folgenden besprochen wird daher auch die Therapie von Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylokokken (v. a. MRSA) [[254], [344]], Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) [[107], [259], [330], [343]] und gramnegative Erreger mit intrinsischer Resistenz gegen Reserveantibiotika (S. maltophilia), chromosomal codierten Cephalosporinasen (Enterobacter spp.) oder Betalaktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum (ESBL) [[189], [381]]. Einige dieser Stämme (Klebsiella spp., Pseudomonas spp., B. cepacia, Acinetobacter spp.) sind zusätzlich resistent gegen Carbapeneme und damit wieder „im präantibiotischen Zeitalter angekommen” [[92], [199], [292], [373].


Klinisch-pharmakologische Überlegungen

Nach dem Zusammenhang zwischen dem Konzentrationsverlauf im Serum (Pharmakokinetik) und der antibakteriellen Wirksamkeit lassen sich drei Gruppen von Antibiotika beschreiben [[85], [86], [87], [190], [232], [294]], die sich zusätzlich durch das Vorhandensein oder Fehlen eines postantibiotischen Effektes (PE) unterscheiden. Als PE wird eine anhaltende antibakterielle Wirksamkeit in vitro beschrieben, bei der die Konzentration im Medium bereits wieder unter der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des Erregers liegt (T > MHK) [[85], [388]].

Bei der ersten Gruppe ist der antibakterielle Effekt vorwiegend vom Spitzenspiegel Cmax abhängig und die zugehörigen Substanzen zeigen einen konzentrationsabhängigen postantibiotischen Effekt. Je höher der Spitzenspiegel Cmax über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) des Erregers liegt, desto ausgeprägter ist die antibakterielle Wirkung. Beschreiben lässt sich dies als Cmax/MHK und als Quotient AUC[1]/MHK. Angestrebt wird eine Cmax/MHK-Ratio von > 8-10 : 1 [[236]]. Leitsubstanzen dieser Gruppe sind die Aminoglykoside. Bei Aminoglykosiden ist es daher bei beeinträchtigter Nierenfunktion sinnvoller, das Dosisintervall zu verlängern, als die Einzeldosis zu reduzieren. Für Fluorchinolone wurde gezeigt, dass eine Cmax/MHK-Ratio von 8-12 oder eine AUC/MHK-Ratio über 100 mit einer erfolgreichen Behandlung korrelierten [[13], [86], [103]].

In der zweiten Gruppe wird der antibakterielle Effekt durch die Zeitspanne bestimmt, in der die Serumkonzentration oberhalb der MHK liegt (T > MHK) bzw. in der die AUC sich oberhalb der MHK befindet (TAUC > MHK). Charakteristisch für diese Gruppe (Leitsubstanz Penicillin) ist, dass die antibakterielle Wirksamkeit durch eine Erhöhung der Dosis nur bis zu einem bestimmten Optimum (z. B. 4 × MHK) gesteigert werden kann (Ceiling-Effekt). Zudem gibt es substanz- und von der Erregerspezies abhängige Unterschiede in Bezug auf die bestmögliche T > MHK [[236], [354]].

Die dritte Gruppe wird exemplarisch durch das Azalid Azithromycin repräsentiert [[351]]. Antibiotika aus dieser Gruppe werden durch Diffusion entlang eines Gradienten (Streptogramine) und durch energieabhängige Transportmechanismen (Makrolide, Azalide) intrazellulär angereichert und wirken auch gegen sensible intrazelluläre Infektionserreger (Mykoplasmen, Chlamydien, Legionellen, Salmonellen, Shigellen, Listerien, Neisseria gonorrhoeae, zum Teil atypische Mykobakterien). Der Plasmaspiegel gibt hier keine Auskunft über den zu erwartenden pharmakodynamischen Effekt. Diese Substanzen werden in lysosomalen Kompartimenten von Abwehrzellen (Granulozyten, Makrophagen) wie in „Trojanischen Pferden” zum Ort der Entzündung transportiert.

Sie zeigen oft einen klinisch relevanten postantibiotischen Effekt und das Ausmaß der Exposition oberhalb der MHK entscheidet für die antibakterielle Wirkung [[85], [125], [211], [218]]. Auf der Grundlage dieser unterschiedlichen Wirkprinzipien kann versucht werden, die Effektivität bestimmter Substanzen durch spezifische Modi der Verabreichung zu optimieren. Viele Standardschemata der Verabreichung sind darauf ausgerichtet, die beschriebenen Bedingungen des Konzentrationsverlaufs (z. B. T > MHK über 50 %) im Serum zu erreichen. Die antibakterielle Wirksamkeit von Betalaktamen (z. B. Piperacillin/Tazobactam, Ceftazidim, Meropenem) kann theoretisch durch eine Dauerinfusion optimiert werden [[26], [258]]. Voraussetzung wäre ein „bettseitig” verfügbares Monitoring, mit dem die Zielkonzentration im steady state an die Gegebenheiten des individuellen Patienten angepasst werden kann. Dieser Aufwand ist unrealistisch für die klinische Routine und relativiert den finanziellen Vorteil einer um etwa ein Drittel geringeren Gesamtdosis. Hinzu kommt, dass weniger die Konzentration im Serum, sondern die Konzentration am Ort der Infektion über den Ausgang derselben entscheidet. So erreicht Vancomycin nur 10-20 % der Serumspiegel im alveolaren Sekret (ELF) der Lunge. Anders ist dies beim Linezolid, wo die Konzentration im ELF - vorbehaltlich der methodisch schwierigen Bestimmung aus der BAL [[114]] - um den Faktor 3 höher ist als im Serum [[190], [192], [194]]. Auch bei den Fluorchinolonen sind zeitweise die Konzentrationen in der pulmonalen Alveolarflüssigkeit höher als im Serum [[103], [104], [207]].

Tab. 1

Liste der im Artikel genannten Antibiotika(klassen) mit Standarddosis (Empfehlungen gelten nicht für junge Säuglinge < 3 Monate)

Substanzklasse

Antibiotikum

Standarddosis

Anzahl der Einzeldosen, Applikationszeit und max. Tagesdosis

Aminoglykoside

Gentamicin

Tobramycin

Netilmicin

Amikacin (i. v.)

5 mg/kg/Tag

5 mg/kg/Tag

7,5 mg/kg/Tag

15 mg/kg/Tag

in einer ED

in einer ED

in einer ED

in einer ED

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

(max. 0,4 g/Tag)

(max. 0,4 g/Tag)

(max. 0,6 g/Tag)

(max. 1,5 g/Tag)

Azalide

Azithromycin (p. o.)

12,5 mg/kg/Tag (5 Tage) oder 20 mg/kg/Tag (3 Tage)

Carbapeneme

Imipenem-Cilastatin

Meropenem (i. v.)

60 mg/kg/Tag

60-120 mg/kg/Tag

in 4 ED

in 3 ED

KI 60 min

KI (5-) 30 min

(max. 4,0 g/Tag)

(max. 6,0 g/Tag)

Cephalosporine

Cefuroxim

Cefuroximaxetil (p. o.)

Cefoxitin

Ceftazidim

Ceftriaxon

Cefixim (p. o.)

Cefpodoximproxetil (p. o.)

Cefepim (i. v.)

150 mg/kg/Tag

40 mg/kg/Tag

150 mg/kg/Tag

150 mg/kg/Tag

100 mg/kg/Tag

8 mg/kg/Tag

12 mg/kg/Tag

150 mg/kg/Tag

in 3 ED

in 2 ED

in 3 ED

in 3 ED

in 1 ED

in 2 ED

in 2 ED

in 2 ED

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

(max. 6,0 g/Tag)

(max. 8,0 g/Tag)

(max. 6,0 g/Tag)

(max. 4,0 g/Tag)

(max. 6,0 g/Tag)

Fluorchinolone1

Ciprofloxacin (i. v.)

Ciprofloxacin (p. o.)

Levofloxacin (i. v./p. o.)1

Moxifloxacin (p. o./i. v.)1

‚20 mg/kg/Tag

‚25-30 mg/kg/Tag

‚20 mg/kg/Tag

(Erwachsene 2 × 500 mg

oder 1 × 750 mg)

Jugendliche/Erwachsene

1 × 400 mg

in 2 ED

in 2 ED

in 2 ED

KI 60 min

KI 60 min

(max. 1,2 g/Tag)

(max. 2,25 g/Tag)

(max. 1,0 g/Tag)

-

Fosfomycin (i. v.)

150 (-300) mg/kg/Tag

(150 mg/kg/Tag = 2 mmol/kg Natrium/Tag; 1 g = 14,5 mmol Na+)

in 3 ED

KI 60 min

(max. 20 g/Tag)

Glykopeptide

Vancomycin (i. v.)

Teicoplanin (i. v.)

40 mg (-60) mg/kg/Tag

10 mg/kg/Tag 2 × q12 h,

dann 1 × tgl.

in 2-3 ED

KI ≥ 60 min

KI 30 min

(max. 3,0 g/Tag)

(max. 0,8 g/Tag)

Ketolide

Telithromycin (> 12 Jahre) (p. o.)

(400-) 800 mg/Tag

in 1 ED

Lincosamine

Clindamycin (i. v./p. o.)

40 mg/kg/Tag

in 3 ED

KI 30 min

(max. 1,8 g/Tag)

Makrolide

Ertyhromycinethylsuccinat (p. o.)

Erythromycinestolat (p. o.)

Clarithromycin (p. o./i. v.)

50 mg/kg/Tag

40 mg/kg/Tag

15 mg/kg/Tag

in 3 ED

in 2 ED

in 2 ED

i. v. (> 12 Jahre) KI ≥ 60 min

(max. 1 g/Tag)

Monobactame

Aztreonam (i. v.)

150 mg/kg/Tag

in 3 ED

KI 30 min

(max. 6,0 g/Tag)

Oxazolidinone [ 1 ]

Linezolid (i. v./p. o.)

20 mg/kg/Tag

in 2 ED

KI 30 min

(max 1,2 g/Tag)

Penicilline

Benzyl-Penicillin G (i. v.)

Penicillin V (p. o.)

Ampicillin (i. v.)

Amoxicillin (p. o.)

Flucloxacillin (i. v./p. o.)

Piperacillin (i. v.)

200-500 000 IE/kg/Tag

1 000 IE Penicillin V = 0,6 mg;

1 g = 1,67 Mio IE

100 000 IE/kg/Tag

200 mg/kg/Tag

‚60 (-90) mg/kg/Tag

100 mg/kg/Tag i. v./ 50 mg/kg/Tag p. o. (3 ED)

240 mg/kg/Tag

in 4 ED

in 3 ED

in 3 ED

in 2 ED

in 3 ED

KI 30 min

KI 30 min

KI 30 min

(max. 24 Mio IE)

(max. 15 g/Tag)

(max. 6,0 g/Tag)

(max. 6,0 g/Tag)

(max. 12 g/Tag)

Penicilline + Betalaktamase-Inhibitor

Ampicillin-Sulbactam (i. v.)

Sultamicillin (p. o.)

Amoxicilllin-Clavulansäure (p. o.)

Piperacillin-Tazobactam (i. v.) (> 12 J.)

150 mg/kg/Tag

60 mg/kg/Tag

60 mg/kg/Tag

wie Piperacillin (Erw. max. 4 × 4 g PIP /0,5 g TAZ = „18 g”)

in 3 ED

in 2 ED

in 2 ED

KI 30 min

(max. 12 g/Tag)

Streptogramine

Quinupristin-Dalfopristin (i. v.)

22,5 mg/kg/Tag in 3 ED als zentralvenöse KI über 60 min

Tetrazykline

Doxycyclin (p. o.) (> 9 Jahre) (p. o.)

4 mg/kg (2 × q12 h), dann 2 mg/kg/Tag (7 Tage)

Jugendl./Erw.: Tag 1 200 mg, dann ab Tag 2 100 mg/Tag (1 ED)

Metronidazol (p. o./i. v.)

30 mg/kg/Tag

in 3 ED

KI 30 min

(max. 4,5 g/Tag)

1 keine Zulassung im Kindesalter Alle Angaben über Dosis und Applikationsform müssen von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten in eigener Verantwortung sorgfältig überprüft und an Gegebenheiten des Patienten angepasst werden. Die Autoren übernehmen keine Gewähr oder Haftung.

Eine Übersicht über die im Liquor cerebrospinalis maximal erreichten Anteile des Serumspiegels von Antibiotika findet sich bei Lutsar u. Mitarb. [[223]]. Zu bedenken ist auch die Proteinbindung von Antibiotika. So liegt die Ceftriaxon-Konzentration im Plasma nach einer Standarddosis weit über der MHK für sensible S. aureus. Ceftriaxon ist aber zu über 90 % an Plasmaproteine gebunden, weshalb die T > MHK gegenüber der Gesamtkonzentration für das freie Ceftriaxon auf 20-30 % des Dosierungsintervalls verkürzt ist [[85]].


Bakterizide Wirkung, Inokulumeffekt

Die Empfehlung, in der Therapie von bakteriellen Infektionen bei neutropenischen Patienten ausschließlich bakterizid wirksame Antibiotika einzusetzen, ist nicht wissenschaftlich belegt. Bakterizidie ist keine klinische Eigenschaft, sondern beschreibt die Wirkung eines Antibiotikums unter definierten Testbedingungen in vitro [[113]]. In Abhängigkeit von der Konzentration des Antibiotikums, der Menge der abzutötenden Erreger (Inokulum) und der Spezies können bestimmte Antibiotika bakterizid oder bakteriostatisch wirken [[262]].

Einige Antibiotika (z. B. Penicilline, nicht jedoch die Aminoglykoside) [[90]] zeigen in vitro einen Inokulumeffekt, womit vereinfacht gesagt die abnehmende Wirksamkeit (verminderte Bakterizidie) bei hohen Erregerkonzentrationen gemeint ist [[88]]. Dies ist ein Argument für den hoch dosierten intravenösen Einsatz von Betalaktamen in den ersten 48-72 Stunden der Therapie, wenn hohe Erregerkonzentrationen am Ort der Infektion zu erwarten sind. Bei sehr hohen Keimzahlen (108–10 CFU/g) in einem umschriebenen Infektionsherd handelt es sich meist um Populationen, deren einer Teil sich schnell vermehrt, deren anderer Teil jedoch einen reduzierten Stoffwechsel und verlängerte Generationszeiten aufweist [[201]]. Die Eradikation „ruhender” Populationen erfordert höhere Antibiotika-Konzentrationen, eine längere Behandlungsdauer und die Kombination von Antibiotika mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen [[86], [236]]. Rasch bakterizid wirkende Antibiotika können zu einer massiven Freisetzung von bakteriellen Antigenen (Herxheimer-Reaktion) und Endotoxinen führen (protrahierte Kreislaufinsuffizienz bei der gramnegativen Sepsis, Entzündungskaskade bei Meningitis) [[328]]. Hingegen unterbrechen Antibiotika, die den Proteinstoffwechsel der Bakterien auf der Ebene der Ribosomen blockieren (z. B. Tetrazykline, Makrolide, Lincosamine, Ketolide) zusätzlich die Synthese von Exotoxinen (wichtig z. B. beim Toxic-Shock-Syndrom, bei der nekrotisierenden Fasziitis und bei systemischen Infektionen durch Clostridien spp.) [[306]].


Synergieeffekte durch Kombinationstherapie, Deeskalationsstrategie

Die Kombination von Antibiotika mit unterschiedlichem Wirkungsmechanismus kann pharmakodynamisch und in Bezug auf die geringere Wahrscheinlichkeit der Selektion resistenter Stämme von Nutzen sein, kontrollierte Studien zum Nutzen einer Kombinationsbehandlung gibt es jedoch nur wenige [[68], [69], [117]]. Sie wird empfohlen

  • bei der Endokarditis [[69], [291]] (IA)

  • bei schwer kranken Patienten (Sepsis, Pneumonie) (IB) und

  • bei gramnegativer Infektion durch Pseudomonas aeruginosa, Klebsiella spp. oder Enterobacter spp. (IA) [[68], [69], [117], [178], [240]].

Bei der Endokarditis bedingt die sequenzielle Behandlung mit Betalaktam- (Penicillin, Ampicillin) und Aminoglykosiden eine erhöhte Durchlässigkeit der Streptokokken-Zellwand für die intrazellulär wirksamen Aminoglykoside, gegen die Streptokokken in vitro meist resistent sind [[90], [201]],[2].

Klinisch etabliert ist die Kombination von Cefuroxim (oder Flucloxacillin oder Glycopeptiden) mit Gentamicin (Netilmicin, Clindamycin, Fosfomycin, Rifampicin, Minocyclin) bei grampositiven Erregern und von Ceftazidim (Ceftriaxon, Cefepim, Piperacillin-Tazobactam) mit einem Aminoglykosid (oder Aztreonam oder einem Fluorchinolon) bei Infektionen durch gramnegative Erreger. Der zusätzliche Nutzen eines Aminoglykosids in Kombination mit einem Breitspektrum-Betalaktam ist kürzlich in einer Metaanalyse zur Therapie der febrilen Granulozytopenie kritisch hinterfragt worden [[274]]. Allerdings haben die meisten Studien mit Ausnahme der von del Favero et al. [[101]] ein für die Monotherapie geeignetes Medikament (Piperacillin-Tazobactam, Ceftazidim, Cefepim, Meropenem, Imipenem/Cilastatin) mit einem „älteren” Betalaktam plus Aminoglykosid verglichen. Besonders wichtig für das Überleben des Patienten ist die angemessene und ausreichend breite Therapie bei schweren Infektionen durch P. aeruginosa [[123], [141], [267], [268], [312], [340]]. Ein maximal breites Therapieregime (z. B. Meropenem plus Amikacin plus Teicoplanin), das bei günstigem Verlauf nach 72 Stunden deeskaliert wird, sollte nur bei der empirischen Therapie von pädiatrisch-onkologischen Patienten mit schwersten Infektionen (septischer Schock, Sepsis mit Multiorganversagen) eingesetzt werden [[158], [159]]. Bei Patienten mit FUO oder klinisch stabiler Pneumonie, die nicht auf eine Beatmung zusteuert [[257]], ist ein so breiter primärer Behandlungsansatz nicht erforderlich.


Wichtige Antibiotika(klassen) für die pädiatrische Onkologie

Penicilline ohne und mit Betalaktamase-Inhibitoren

Auch bei pädiatrisch-onkologischen Patienten ist die Therapie der ersten Wahl für die durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A hervorgerufene Pharyngitis und Angina tonsillaris das Penicillin [[33], [337]]. Bei Infektionen durch Penicillin-resistente, Oxacillin-sensible S. aureus (MSSA) sollten keine Glykopeptide, sondern Cefuroxim oder Flucloxacillin eingesetzt werden (letzteres p. o. nüchtern einnehmen). Aminopenicilline sollten bei pädiatrisch-onkologischen Patienten durch die fixe Kombination mit Sulbactam (intravenös als Ampicillin-Sulbactam, per os als Prodrug: Sultamicillin[3]) oder Clavulansäure (Betalaktamaseinhibitoren, BLI) geschützt werden [[2], [3], [185]]. Beide Präparate können p. o. in zwei Einzeldosen (Tab. [1]) verabreicht werden [[2]]. Der Preis für den Zusatz des Betalaktamase-Inhibitors ist die Zunahme gastrointestinaler Nebenwirkungen (Diarrhö in bis zu 26 %, vermehrter Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin).

Die Diarrhö-Inzidenz scheint bei Gabe zu den Mahlzeiten geringer zu sein [[185]]. Bei den in Deutschland noch seltenen (< 1 %), hochgradig Penicillin-resistenten Pneumokokken (PRSP) [[296], [297], [298]] beruht der Resistenzmechanismus gegen Aminopenicilline nicht auf Betalaktamasen, sondern auf veränderten Penicillin-Bindungsproteinen (Details bei [[27]). Amoxicillin/Clavulansäure kann eine akute, nach Absetzen reversible Hepatitis auslösen (1 : 104-5 Kurse), noch seltener auch ein akutes Leberversagen [[356]]. Auch Azalide, Makrolide, Tetrazykline und Fluorchinolone können hepatotoxisch sein. Da fast alle pädiatrisch-onkologischen Patienten im Rahmen ihrer Chemotherapie auch potenziell hepatotoxische Zytostatika erhalten, müssen die Leberenzyme und das Gesamtbilirubin bei einer Therapie mit diesen Substanzen überwacht werden [[46]].

Durch umfangreiche Erfahrungen in der klinischen Anwendung bewährt und durch kontrollierte Studien [[4], [17], [75], [76], [119], [200], [229]] bei pädiatrischen Patienten abgesichert, ist die Kombination von Piperacillin mit dem Betalaktamase-Inhibitor Tazobactam (Pip-Taz) [[150], [279]]. Insgesamt scheint nach Pip-Taz die Prävalenz von multiresistenten Bakterien, Clostridium-difficile-Infektionen und Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) niedriger zu sein als nach Drittgenerations-Cephalosporinen [[21], [42], [95], [120], [265], [379], [380]]. Piperacillin-Tazobactam ist die Azylureidopenicillin-Betalaktamasehemmer-Kombination der Wahl bei pädiatrisch-onkologischen Patienten mit febriler Granulozytopenie (IA). Die aus Kostengründen mancherorts favorisierte freie Kombination von Piperacillin mit Sulbactam ist nicht durch kontrollierte Studien bei pädiatrisch-onkologischen Patienten abgesichert [[150]]. In der einzigen verfügbaren Studie wurden die Patienten nur aufgrund ihres Lebensalters (< 12 Jahre) dem Piperacillin-Sulbactam zugeordnet, weil es für das Tazobactam noch keine Zulassung gab (heute: > 24 Monate) [[119]]. Sulbactam ist ein Reservetherapeutikum mit intrinsischer Aktivität gegen Acinetobacter spp. [[208], [209]] und weder in vitro, noch in vivo, noch von Seiten der Pharmakokinetik äquivalent zum Tazobactam [[150], [153]]. In onkologischen Fachabteilungen sollte Sulbactam nicht zur empirischen Therapie verwendet werden (Katagorie III, keine kontrollierten Studien). Hochdosierte intravenöse Penicillingaben können die Patienten klinisch irritabel machen und die Krampfschwelle senken [[3], [228]]. Bei Penicillinallergie sind Kreuzallergien gegenüber Cephalosporinen mit 3-5 % seltener als vielerorts angenommen, so dass ggf. unter enger klinischer Überwachung auf ein Cephalosporin umgestellt werden kann [[2]]. Mit Pip-Taz behandelte Patienten können einen falsch-positiven Platelia® Aspergillus-Antigentest zeigen [[5], [369]].

Als unerwünschte Wirkung der Pip-Taz-Behandlung wurden bei Patienten mit zystischer Fibrose (Pip-Taz-Tagesdosis bis 400 mg/kg/Tag) Fieber und Zytopenien beschrieben [[295]]. Das Risiko einer Leukopenie unter Pip-Taz scheint mit der kumulativen Dosis zu korrelieren [[277]].


Cephalosporine

Bei onkologischen Patienten kommen Cephalosporine der Gruppe 2 und 3 und wahrscheinlich in Zukunft auch vermehrt der Gruppe 4 (Cefepim) zur Anwendung. Cefuroxim i. v. (in der Sequenztherapie p. o. gefolgt von Cefuroximaxetil) wird zur Therapie von Weichteilinfektionen durch sensible Erreger eingesetzt (gute Wirksamkeit gegen S. aureus und Haemophilus influenzae, keine Inaktivierung durch Penicillinasen). Beim Cefuroximaxetil [[333]] sollte die vom Hersteller empfohlene Dosis bei Immunsupprimierten auf mindestens 40 mg/kg/Tag erhöht werden (III). Cefuroximaxetil kann zu den Mahlzeiten eingenommen werden [[333]]. Unter den intravenös verabreichten Cephalosporinen der Gruppe 3, die wegen hoher Liquorspiegel auch zur Therapie von ZNS-Infektionen geeignet sind [[223], [328]], werden bei pädiatrisch-onkologischen Patienten vor allem Ceftazidim (Cephalosporin der Wahl bei Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa) [[236]] und Ceftriaxon (lange Halbwertzeit erlaubt Einmalgabe, meist in Kombination mit Amikacin, jedoch auch in Kombination keine optimale Pseudomonas-Wirksamkeit) [[10], [280], [281]] verordnet. Unter einer Monotherapie können Erregermutanten, die chromosomal kodierte Cepohalosporinasen synthetisieren, aus einer heterogenen Bakterienpopulation selektioniert werden. Bei Enterobacter spp. ist dies bei bis zu 19 % der Infektionen zu erwarten [[68], [69], [70], [178]]. Kürzlich wurde dieses Phänomen auch für einen E. aerogenes-Stamm unter einer Monotherapie mit Cefepim beschrieben [[23]]. Wahrscheinlich senkt eine Kombinationstherapie das relative Risiko, das auch unter Pip/Taz erhöht ist [[331], [332]].

Unter den Oralcephalosporinen entsprechen der Gruppe 3 in Hinsicht auf eine Sequenztherapie im Wirkungsspektrum z. B. das Cefixim [[260], [326], [335]] und das Cefpodoxim-Proxetil [[294]]. Neben der eingeschränkten Wirksamkeit im grampositiven Bereich (Staphylokokken) gilt, dass keines der oral applizierbaren Cephalosporine gegen Pseudomonas spp. wirksam ist [[327]]. Hingegen sind für Infektionen durch Haemophilus influenzae die Oralcephalosporine Cefpodoxim und Cefixim [[326]] wirksam und sicher (Betalaktamase-fest) [[85], [87]]. Cefepim, das als Cephalosporin der Gruppe 4 bezeichnet wird [[324], [235], [236]], ist ein im Wirkungsspektrum annähernd mit den Carbapenemen vergleichbares, im Kindesalter ab dem 3. Lebensmonat zugelassenes Reservepräparat, das auch gegen Pseudomonas spp. wirksam ist [[7], [8], [18], [35], [40], [64], [72], [82], [181], [182], [197], [252], [303], [324]]. Die Dauerinfusion von Cefepim bietet keinen Vorteil und ist aus Stabilitätsgründen problematisch [[29], [162], [368]].

Cefepim ist auch zur Therapie von ZNS-Infektionen geeignet. Im CSF von Patienten mit externen Liquordrainagen betrugen die Cefepimspiegel 5-58 % des simultanen Serumspiegels und die AUC 4-34 % der AUC im Plasma [[300]]. Etwa 80 % der Dosis werden unverändert renal eliminiert [[35], [324]], was hohe Wirkspiegel bei Harnwegsinfektionen garantiert [[18]]. Wie bei allen i. v. applizierten Cephalosporinen ist eine Dosisanpassung bei hochgradiger Niereninsuffizienz unbedingt erforderlich, da sonst Krampfanfälle und Bewusstsseinseintrübung bis zum Koma vorkommen [[65]].

Der Zusammenhang zwischen bakterizider Wirkung von Betalaktam-Antibiotika und der Dauer der Exposition > MHK [[85], [236]] hat - nachdem die Stabilität der Lösung über 24 Stunden bewiesen war [[22], [284], [293], [368]] - zu Studien im Bereich der Intensivmedizin und bei zystischer Fibrose geführt, in denen Ceftazidim als kontinuierliche Infusion (DTI) verabreicht wurde [[6], [26], [37], [54], [215], [226], [258], [293], [368]]. Neben Studien bei erwachsenen onkologischen Patienten [[93], [105]] liegt auch eine Arbeit zur Pharmakokinetik der Ceftazidim-DTI bei 15 Kindern und Jugendlichen mit febriler Granulozytopenie vor [[94]]. Nach einer Loading Dose von 65 mg/kg (über 5 min in 5 % Glukose) erhielten die Patienten 200 mg/kg/Tag als DTI, d. h. keine gegenüber der Standarddosis reduzierte Menge. Die im steady state gemessenen Serumspiegel lagen um die 30 mg/L und damit zumindest im Serum im Zielbereich (≥ 5 × MHK). Die Patienten erhielten zusätzlich Amikacin (25 mg/kg/Tag [!] als KI über 30 min) und Vancomycin (50 mg/kg/Tag, ebenfalls als DTI [!]), das klinische Ansprechen war kein primärer Endpunkt der Studie [[94]]. Insgesamt ist diese Form der Verabreichung trotz theoretischer Vorteile [[6]] bei pädiatrisch-onkologischen Patienten nicht ausreichend evaluiert, um allgemein empfohlen zu werden (III) [[226]].


Das „Problem mit den Cephalosporinen”

Für die Cephalosporine sprechen ihre erwiesene Wirksamkeit und ihr hervorragendes Sicherheitsprofil in der akuten Anwendung bei schwer kranken Patienten. Der nicht immer rationale „flächendeckende” Einsatz von Cephalosporinen wird aber inzwischen für problematische Entwicklungen verantwortlich gemacht [[95], [265]]. Zum einen resultiert dies aus der fehlenden oder nur geringen Wirksamkeit gegen grampositive Isolate, v. a. Enterokokken, vergrünende Streptokokken, CoNS (+ MRSE) und bei den Cephalosporinen der Gruppe 3 auch S. aureus (+ MRSA) [[315]]. Hinzu kommt der Selektionsvorteil, den ihr Einsatz für Clostridium difficile (CLD) darstellt [[128], [129]].

Zum Teil ist der oft beschriebene Wandel im Erregerspektrum zugunsten grampositiver Spezies bei den nosokomialen Bakteriämien [[389]] durch die Wirkungslücken der Cephalosporine der Gruppe 3 bedingt. Dies scheint für das Cefepim nicht in gleichem Maße zu gelten [[357]]. Ähnliche Überlegungen gelten jedoch auch für die Fluorchinolone (FCH) [[92], [372]], in Bezug auf C. difficile in abnehmender Häufigkeit für Gatifloxacin, Levofloxacin, Ciprofloxacin [[128]]. Gemeinsame Folge der beschriebenen Wirkungslücken war und ist der vermehrte Einsatz von Vancomycin, wodurch die Cephalosporine (die FCH) indirekt die Selektion von VRE begünstigten [[254]]. Der erhöhte Selektionsdruck hat außerdem eine Zunahme von Infektionen durch gramnegative Erreger zur Folge, die Betalaktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum gegen Cephalosporine der Gruppe 3 und gegen das Monobactam Aztreonam synthetisieren (ESBL-Bildner) [[189], [217], [265], [266], [267], [268], [269], [270], [273], [291], [292]]. Im Agardiffusionstest wird die Fähigkeit zur ESBL-Bildung durch den Zusatz von Clavulansäure erkennbar: in Gegenwart des Betalaktamaseinhibitors vergrößert sich der Hemmhof für Drittgenerations-Cephalosporine um mehr als 5 mm [[140]]. Die ESBL, von denen inzwischen über 150 beschrieben wurden, sind meist plasmidkodiert und können zwischen verschiedenen Stämmen und verschiedenen gramnegativen Spezies ausgetauscht werden. Dies unterstreicht ihr epidemisches Potential [[189], [381]]. Ausbrüche in Behandlungseinheiten mit hohem Selektionsdruck sind beschrieben und werden durch unzureichende Hygienestandards (Händedesinfektion) begünstigt. Das vermehrte Vorkommen von ESBL-Bildnern kann für Patienten und das Behandlungsteam (und den Kostenträger) erhebliche Konsequenzen haben [[291], [292]]. Nach Umstellung der empirischen Therapie auf ein Carabapenem wurde die Abnahme der Prävalenz ESBL-bildendender K. pneumoniae durch eine Zunahme von Carbapenem-resistenten Acinetobacter spp. und Pseudomonas spp. erkauft [[216], [217], [291]].

Die Planung und Durchführung einer angemessenen Antibiotikatherapie in der pädiatrischen Onkologie erfordert unmittelbar verfügbares, aktuelles Wissen (online abrufbar) über die Besiedlung der intensiv vorbehandelten Patienten und die Abteilungsepidemiologie resistenter Bakterienspezies [[163], [232], [286], [342]]. Beim Nachweis multiresistenter Erreger sollte eine offene Zusammenarbeit mit Mikrobiologen, Krankenhaushygienikern und pädiatrischen Infektiologen anstrebt werden [[110], [234]]. Ob der regelmäßige Wechsel des empirischen antibakteriellen Stufenschemas im Sinne einer Zyklisierung (z. B. alle 3-6 Monate) zur Modifikation des Selektionsdrucks einen Einfluss auf die Prävalenz resistenter Bakterienspezies hat, ist für onkologische Patienten nicht untersucht [[42], [45], [166], [233]].


Aminoglykoside

Die bakterizid wirksamen Aminoglykoside zeigen in Kombination mit Betalaktam-Antibiotika einen synergistischen Effekt auf gramnegative Infektionserreger [[90], [236], [312]] und Staphylokokken [[201]]. Sie werden systemisch nur in Kombination mit anderen Antibiotika verordnet. Tobramycin weist die niedrigsten MHK-Werte für P. aeruginosa auf [[66]]. Amikacin wird seltener enzymatisch inaktiviert und ist daher auch gegen einen Teil der Gentamicin- und Tobramycin-resistenten Isolate wirksam, bei denen dieser Resistenzmechanismus eine Rolle spielt [[166]]. Aminoglykoside sind in ihrer antibakteriellen Wirksamkeit vom Spitzenspiegel und in ihrer Nephrotoxizität vom Talspiegel, der Therapiedauer und der Komedikation abhängig [[255], [309], [310]]. Die Aufnahme der Aminoglykoside in das lysosomale Kompartiment der renalen Tubuluszellen folgt einer Sättigungskinetik, so dass bei kurzen Spitzenexpositionen weniger aufgenommen wird als bei lang anhaltender Exposition. Bei Dehydratation ist die Nephrotoxizität der Aminoglykoside erhöht. Für die Ototoxizität sind diese Zusammenhänge nicht so gut belegt. Ototoxizität kann (v. a. beim Gentamicin) auch Vestibulotoxizität (Erbrechen, Schwindel) bedeuten [[90], [130], [131]]. Netilmicin scheint von allen Aminoglykosiden das am wenigsten toxische zu sein [[196]]. Einige gramnegative Erreger drosseln den aktiven Transport der Aminoglykoside durch die Zellwand nach der ersten Exposition, so dass die Empfindlichkeit bis zu 24 Stunden lang reduziert ist (adaptive Resistenz) [[155]]. Aminoglykoside werden vor diesem Hintergrund heute - außer in der Behandlung der Endokarditis lenta [[14], [58], [106], [113], [157], [201]] - in einer Einzeldosis pro Tag über 30 Minuten infundiert [[38], [59], [77], [130], [131], [195]].

Das bei pädiatrisch-onkologischen Patienten am intensivsten untersuchte Aminoglykosid ist Amikacin. Insgesamt sind etwa 500 pädiatrische Patienten mit FN dokumentiert, die mit Amikacin-Einmalgaben behandelt wurden [[195]]. Dabei lag die Inzidenz der Oto- und der Nephrotoxizität unter 1 %. In einer Studie zur febrilen Neutropenie, in der Pip-Taz mit Gentamicin kombiniert wurde - wurde keine klinisch relevante Nephro- oder Ototoxizität beobachtet [[119]]. Einschränkend muss betont werden, dass prospektive und kontrollierte Studien zu oto- und nephrotoxischen Effekten der Antibiotikatherapie bei pädiatrisch-onkologischen Patienten mit wenigen, die Glykopeptide betreffenden Ausnahmen [[339], [346], [383]] nicht vorliegen. Die Verträglichkeit scheint bei Kindern besser zu sein als bei Erwachsenen [[2], [90], [325]]. Die Vorbehandlung und Komedikation pädiatrisch-onkologischer Patienten mit anderen nephrotoxischen Substanzen lässt es jedoch ratsam erscheinen, weniger nephro- und ototoxische Substanzen auszuwählen. Die obligate Kontrolle des Aminoglykosid-Talspiegels erfolgt vor der dritten, bei Patienten mit erhöhtem Kreatinin bereits vor der zweiten Gabe.

Bei schweren systemischen Infektionen kann zur Adjustierung der Dosis eine Kontrolle des Spiegels möglichst kurz (nicht „eine Stunde”) nach der Gabe erwogen werden. Mit der Einmalapplikation werden jedoch praktisch immer ausreichende Spitzenspiegel erreicht [[131]]. Aminoglykoside gelangen nur unzureichend in bronchiale Sekrete, weshalb sie bei der Pneumonie (und besonders bei Patienten mit CF) am oberen Dosislimit dosiert werden müssen [[262]]. Die Liquorgängigkeit ist minimal [[196]]. Bei saurem pH werden sie inaktiviert (z. B. abszedierende Infektionen, Empyeme). Bei Patienten mit ausgeprägter Vincristin-Neuropathie und Intensivpatienten (Beatmung) können die neuromuskulär blockierenden Wirkungen der Aminoglykoside von Nachteil sein.


Monobactame: Aztreonam

Aztreonam hat ein schmales Wirkspektrum ausschließlich im aeroben gramnegativen Bereich und stellt auch bei Patienten mit Penicillin oder Cephalosporinallergie[4] - eine erwägenswerte Alternative zu den Aminoglykosiden dar. Es sollte immer in Kombination eingesetzt werden [[2], [294]].


Carbapeneme

Sowohl für Imipenem/Cilastatin [[205]] als auch Meropenem [[118], [159]] liegen kontrollierte Studien und Anwendungsbeobachtungen in der pädiatrischen Onkologie vor [[41], [246]]. Beide Carbapeneme sind Reservetherapeutika zur Therapie bei schwersten Infektionen, zur empirischen Therapie in Stufe III oder zur gezielten Therapie resistenter Erreger. Meropenem kommt im Kindesalter inzwischen häufiger als Imipenem/Cilastatin zum Einsatz [[118], [287]], weil es weniger nephrotoxisch ist (kein Cilastatin als nephroprotektiver, aber nicht antibakteriell wirksamer Kombinationspartner erforderlich), als langsamer i. v. Bolus oder als Kurzinfusion appliziert werden kann und bei ZNS-Beteiligung (Dosis erhöhen, siehe Tab. [1]) nicht die Krampfschwelle senkt [[39], [41], [222], [246], [247]]. Unter Imipenem/Cilastatin wurden besonders über einer Dosis von 60 mg/kg/Tag bei 3 % der Kurse Krampfereignisse beobachtet [[174]]. Außerdem treten unter Imipenem/Cilastatin häufig Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen als unerwünschte Wirkung auf [[283]]. Für das Meropenem wird eine gesteigerte antibakterielle Wirksamkeit bei einer Verdopplung der Standarddosis und bei verlängerter Expositionsdauer beschrieben [[232]]. Daher wurde vorgeschlagen, Meropenem über 3 h zu infundieren, der Beleg einer besseren klinischen Wirksamkeit steht jedoch aus [[96]].

Eine wichtige Interaktion bei Patienten mit ZNS-Tumoren und sekundärem Krampfleiden ist die rasche und nachhaltige Senkung des Valproat-Spiegels durch einen Meropenem-induzierten beschleunigten hepatischen Metabolismus [[100]].


Glykopeptide

Die bakterizide Wirkung der Glycopeptide Vancomycin (Vanco) und Teicoplanin (Teico) auf grampositive Bakterien [[85], [236], [294]] korreliert mit der der Exposition über MHK (Ziel: protrahierte Phase mit Serumkonzentration ≥10 × MHK), gemessen an der AUC > MHK (AUC/MHK-Ratio > 125) [[59], [169], [214]]. Der Spitzenspiegel ist nicht entscheidend und muss daher nicht bestimmt werden [[57]]. Graninger u. Mitarb. [[135]] empfehlen bei schweren Infektionen durch Staphylokokken, insbesondere bei der septischen zentralvenösen Thrombophlebitis und Endokarditis (oft katheterassoziiert) hohe Talspiegel von 20-30 mg/l für Teico und von 10-20 mg/l für Vanco. Sie berichten von einem Patienten, bei dem eine destruierende MRSA-Endokarditis mit 20 mg Teico pro kg/Tag erfolgreich konservativ behandelt wurde. Harding et al. kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen für die Therapie der schweren S.-aureus-Sepsis [[148]]. Oto- (Kontrollparameter: Audiometrie) und nephrotoxische (Kontrollparameter: Kreatinin im Serum, Kreatininclearance, Cystatin C) Effekte müssen bei diesen Patienten ausgeschlossen werden. Glycopeptide wirken ausschließlich gegen grampositive Bakterien, inklusive: Methicillin-resistente S. epidermidis (MRSE), Methicillin-resistente S. aureus (MRSA) [[344]], Enterokokken (nicht Vancomycin-resistente), Penicillin-resistente S. viridans und Penicillin-resistente Pneumokokken (PRSP), Listerien, das bei katheterassoziierten Infektionen beschriebene Corynebacterium jeikeium [[370], [389]], Corynebacterium urealyticum [[239], [311]], B. cereus [[71], [151], [350]] und andere Anaerobier wie Propionibakterien und Clostridium difficile. Die Abtötungskinetik verläuft bei Glykopeptiden im Vergleich zu Penicillin verlangsamt, was in einem protrahierteren Verlauf der MRSA-Sepsis resultieren kann [[56]]. S.-haemolyticus-Isolate zeigen mitunter eine reduzierte Teico-Sensibilität (MHK > 4 mg/L) oder sind Teico-resistent (MHK > 16 mg/L) [[25], [99], [149], [256]]. Dies unterstreicht die Bedeutung der MHK-Bestimmung bei katheterassoziierten CoNS-Infektionen. Bei primärem Einsatz von Teico statt Vanco fanden wir in den letzten 10 Jahren keine Zunahme der Inzidenz von katheterassoziierten Infektionen durch resistente Isolate. Einige Zentren verwenden primär Teico statt Vanco, weil es nicht oto- und nephrotoxisch ist [[97], [98], [339], [346], [383]], bei normaler Nierenfunktion keine Spiegelkontrollen erfordert [[148], [149]] und auch bei kurzer Infusionsdauer kein Histamin-induziertes „red man”-Syndrom auslöst [[285], [317]].

Außerdem kann es einmal täglich und bei günstigem Verlauf ambulant appliziert werden. Bei CVAD-assoziierten Infektionen sollte die Infusionsdauer auf 4-6 h verlängert werden, um eine ausreichende intraluminale Expositionsdauer zu gewährleisten [[211]]. Alternativ kann zusätzlich zur systemischen Anwendung ein Antibiotika-Heparin-Block zum Einsatz kommen[5]. Die unbereinigten Tagestherapiekosten des Vancos liegen aktuell um den Faktor 5 geringer als die des Teicos. Nach einer aktuellen Studie von Vazquez et al. nivellieren jedoch die oben genannten Vorteile die höheren Apothekenkosten [[364]]. Bei ZNS-Infektion mit Teicoplanin-sensiblen Erregern (z. B. Shuntinfektionen) ist zusätzlich zur systemischen Gabe eine intraventrikuläre Applikation möglich (z. B. über eine externe Drainage mit 15-20 mg jeden 2. Tag über 10 Tage) [[89], [221], [365]].

Mit Ausnahme der Akutbehandlung der schweren Sepsis[6] und von Katheter-assoziierten Weichteilinfektionen sollten Glykopeptide bei zuvor empirisch mit Piperacillin-Tazobactam oder einem Carbapenem behandelten Patienten nur gezielt eingesetzt werden (IA). Dieses Vorgehen wird durch zwei prospektiv kontrollierte randomisierte klinische Studien unterstützt [[75], [108]]. Auch das Vorhandensein eines zentralen Venenkatheters ist allein kein Grund für eine empirische Therapie mit Glykopeptiden [[28]]. Wegen des hohen Anteils von akut lebensbedrohlichen Infektionen (Sepsis, Pneumonie, ARDS) durch vergrünende Streptokokken sind Patienten mit AML, pneumonischen Infiltraten, Fieber und Mukositis auch ohne Blutdruckprobleme eine Ausnahme von dieser Regel und sollten empirisch Teico oder Vanco erhalten [[30], [301], [360]]. Bei steriler Blutkultur sollte bereits nach 72 Stunden ein Absetzen des Glykopeptids erwogen werden (IB). Andernfalls kommt es zu nicht indizierten, mitunter wochenlangen Therapiezyklen und einem unnötig erhöhten Selektionsvorteil für VRE [[31], [36], [102], [156]].


Fosfomycin

Fosfomycin ist chemisch nicht mit anderen Antibiotika vergleichbar und vorwiegend gegen grampositive (Staphylokokken, nicht MRSA, nicht E. faecium), jedoch auch gegen gramnegative Bakterien (z. B. E. coli, Serratia, Proteus, nicht Pseudomonas) wirksam [[82], [294]]. Mit gewissen Einschränkungen (schmaleres Spektrum, hohes Risiko der Resistenzentwicklung bei Monotherapie) stellt es eine Alternative zum Teicoplanin in der empirischen Therapie der FN dar. Vorteile sind die gute Gewebepenetration (auch ZNS) [[168], [282], [338]] und die fehlende Kreuzresistenz. Die In-vitro-Testung ist aufwendig und zeigt eine relativ schlechte Korrelation zur klinischen Wirksamkeit [[83], [336]].

Gastrointestinale Nebenwirkungen stehen im Vordergrund. Mit einer Tagestherapiedosis von 150 mg/kg werden ca. 2 mmol/kg Natrium zugeführt.


Fluorchinolone (Ciprofloxacin. Levofloxacin, Moxifloxacin)

Da bei Jungtieren von Beagles (Hunden) unter einer hoch dosierten Behandlung mit Ciprofloxacin bei starker Belastung Gelenkknorpelschäden beobachtet wurden, gibt es bis heute keine generelle Zulassung für Fluorchinolone (FCH) in der Pädiatrie. Unter FCH wurden bei Kindern und Jugendlichen reversible Arthralgien, jedoch keine Gelenkschäden beobachtet [[2], [325], [327]]. Bei Patienten, die Steroide einnehmen, kann es zu einer Tendinopathie der Achillessehne (im schlimmsten Fall mit Ruptur) kommen [[183]]. FCH, namentlich das Ciprofloxacin, sind in der Pädiatrie bislang nur zur oralen Behandlung bei mit Pseudomonas spp. infizierten Mukoviszidose-Patienten im Alter über 5 Jahre zugelassen. Die FCH sind die einzigen Antibiotika mit klinisch relevanter Wirksamkeit gegen Pseudomonas spp., die p. o. verabreicht werden können. FCH hemmen intrazellulär die Topoisomerase II und IV (auch als DNA-Gyrasen bezeichnet, „Gyrasehemmer”) bakterieller Infektionserreger und sind besonders wirksam gegen Enterobakterien (auch Salmonellen, Shigellen, Klebsiellen), bakterielle Erreger von Atemwegsinfektionen (inklusive der atypischen), nicht jedoch gegen Anaerobier, Streptokokken der Viridansgruppe [[16]], Enterokokken und S. maltophilia. Auch VRE, MRSE und MRSA sind meist FCH-resistent. Verschiedene Arbeitsgruppen haben Ciprofloxacin seit Mitte der 90er-Jahre bei pädiatrischen Patienten mit FN eingesetzt [[16], [121], [249], [250], [251], [260], [261]]. In der aktuellen SPOG 2003 FN/Umbrella Network_2004.3-Studie zur oralen ambulanten Therapie von pädiatrisch-onkologischen Patienten mit FN und niedrigem Komplikationsrisiko wird Ciprofloxacin mit Amoxicillin kombiniert [[9], [10], [11], [12]].

Die gute Wirksamkeit insbesondere von Moxifloxacin [[180]], Levofloxacin [[115], [160]] und dem inzwischen in Europa vom Markt genommenen Gatifloxacin[7] gegen die Erreger von Atemwegsinfektionen [[219]] und der akuten Otitis media (inklusive Penicillin-resistente Pneumokokken) haben eine kontrovers geführte Diskussion um den breiteren Einsatz von FCH bei Kindern und Jugendlichen ausgelöst [[126], [127], [230], [321], [322]]. Eine Evidenz-basierte Differenzialtherapie mit Chinolonen kann sich zur Zeit im Kindesalter aufgrund fehlender Studien nur auf Ciprofloxacin und das besser bioverfügbare Levofloxacin [[67]] stützen. Bei Jugendlichen können gegebenenfalls die Erwachsenendosierungen von Moxifloxacin verwendet werden [[180]].

Bei Osteomyelitiden und Cholangitiden, die durch FCH-sensible gramnegative Erreger (E. coli, Salmonella spp.) hervorgerufen werden, sind Fluorchinolone eine Alternative in der ambulanten Phase der Sequenzialtherapie (initial immer i. v.-Behandlung). Ciprofloxacin soll nicht mit Milchprodukten, aluminium- oder magnesiumhaltigen Antazida oder Sucralfat zusammen eingenommen werden (reduzierte Absorption) [[263]]. Patienten unter FCH können durch einen Chelateffekt erniedrigte Magnesiumspiegel aufweisen. Neurotoxische Effekte (bis zum Krampfanfall) sind beschrieben und wahrscheinlicher, wenn nichtsteroidale Antiphlogistika parallel verabreicht werden. Der Einsatz von FCH erhöht den Selektionsdruck auf MRSA [[371], [372]], S. viridans [[225]] und FCH-resistente P. aeruginosa [[270], [271]]. Subinhibitorische Konzentrationen von FCH führen zu einer gesteigerten Bildung von Fibronektin-bindenden extrazellulären Glykoproteinen bei MRSA und begünstigen so die Anheftung des Erregers an Fremdmaterialien [[34]]. Der primäre Einsatz oraler Reserveantibiotika muss im Einzelfall wegen der deutlich niedrigeren Wirkspiegel und dem Problem der Compliance bei pädiatrisch-onkologischen Patienten sorgfältig abgewogen werden. Jugendliche Patienten und manche Eltern könnten beim nächsten Infekt zum oralen Antibiotikum greifen, ohne sich bei den behandelnden Onkologen vorzustellen [[12], [250]].


Makrolide, Azalide, Ketolide, Lincosamine

Makrolide (hier Erythromycinethylsuccinat und -estolat, Clarithromycin) werden als „nur” bakteriostatische Antibiotika angesehen, sind jedoch in klinisch erreichbaren Konzentrationen bakterizid gegen sensible S. pyogenes und gegen Pneumokokken []. Hingegen ist die Wirksamkeit gegen Haemophilus influenzae nicht ausreichend (höhere MHK). Die orale Bioverfügbarkeit von Clarithromycin ist mit 55 % etwas höher, insbesondere bei Einnahme zu den Mahlzeiten [[391]]. In der pädiatrischen Onkologie werden Makrolide vor allem gegen atypische Pneumonien und gegen fieberhafte Bronchitiden eingesetzt [[139], [140]]. Erythromycin und Clarithromycin erhöhen u. a. den Spiegel von Theophyllin, Ciclosporin und Benzodiazepinen (Midazolam, Carbamazepin), die Kombination mit Terfenandin und Astemizol kann kardiotoxische Effekte auslösen [[140], [391]]. Abbauprodukte des mit 3 × 2 mg/kg/Tag niedrig dosierten Erythromycins wirken über Motilinrezeptoren prokinetisch im oberen Gastrointestinaltrakt. Daher kann Erythromycin in der Therapie der Vincristin-induzierten Magenentleerungsstörung von Nutzen sein [[227]] und persönliche Mitteilung Dr. S. Buderus, 04/2004]. Die beschleunigte Magenentleerung und die Elimination des Digoxin-metabolisierenden Bakteriums Eubacterium lentum bedingen die erhöhte Bioverfügbarkeit von Digoxin unter einer Erythromycintherapie [[264]].

Das Azalid Azithromycin zeigt bei verstärkter Säurestabilität eine Bioverfügbarkeit von 37 %, eine höhere Wirksamkeit gegenüber H. influenzae (MHK 0,5-2 mg/L) und eine besonders intensive intrazelluläre Anreicherung auch in Granulozyten und (Alveolar-) Makrophagen [[351], [391]]. Einige Arbeitsgruppen schlagen hoch dosierte Kurzzeittherapien (Tab. [1]) mit Azithromycin zur Therapie der akuten Otitis media und bei Atemwegsinfektionen vor [[132]]. In der pädiatrischen Onkologie muss dieses Vorgehen noch evaluiert werden. Bei Patienten mit ausgeprägter Neutropenie entfällt wahrscheinlich der „trojan horse”-Effekt, da keine Abwehrzellen als Vehikel zum Entzündungsherd zur Verfügung stehen. Die extrem lange Halbwertzeit mit wochenlang nachweisbaren subinhibitorischen Konzentrationen erhöht nach Azithromycin-Gabe das Risiko der Besiedlung mit Makrolid-resistenten Pneumokokken [[175], [245]]. Ein praktischer Vorteil gegenüber Makroliden ist die fehlende Interaktion des Azithromycins mit anderen, über das Cytochrom P450 3A metabolisierten Pharmaka [[316]]. Es kann somit auch zur Therapie der Ciclosporin-induzierten Gingivahyperplasie nach Transplantation eingesetzt werden [[74]].

Das Ketolid Telithromycin ist chemisch vom Erythromycin abgeleitet, gehört daher auch zu den Makrolid-Lincosamin-StreptomycinB-Antibiotika (MLSB), unterscheidet sich jedoch im Wirkmechanismus von den Makroliden. Es bindet an zwei verschiedene Stellen des bakteriellen Ribosoms und dies mit einer 8-10-fach höheren Affinität als Erythromycin [[20]]. Telithromycin ist neben atypischen bakteriellen Pneumonieerregern [[142], [143], [144], [145], [146]] und H. influenzae auch wirksam gegen Makrolid- und Clindamycin-sensible S.-aureus-Stämme sowie gegen Erythromycin-, Penicillin-, Clindamycin- und Cefotaxim-resistente Pneumokokken [[385]].

Das Lincosamin Clindamycin ist eine besonders gegen Staphylokokken und gegen bestimmte Anaerobier wirksame Substanz mit guter Gewebepenetration (Ausnahme: Liquor). Vergleichsweise hohe Konzentrationen (40-50 % des Serumspiegels) werden im Knochen erreicht [[236]]. Clindamycin reduziert bei S. aureus zudem die Ausbildung einer extrazellulären Biofilmmatrix und interferiert mit Fibronektin, das für die Anbindung des Erregers an Fremdkörper essenziell ist [[262]]. Klassische Indikationen für Clindamycin sind Weichteilinfektionen, die Osteomyelitis und bestimmte (Aspirations-)Pneumonien, bei denen grampositive Anaerobier eine Rolle spielen. Wahrscheinlich ist es bei Toxin-vermittelten Erkrankungen als Kombinationspartner für Betalaktame von Vorteil, weil es durch Hemmung der Proteinbiosynthese die Exotoxinbildung blockiert [[306]]. Clindamycin wird hepatisch eliminiert, weshalb die Dosis bei Leberinsuffizienz und Cholestase angepasst werden muss.


Streptogramine: Quinupristin-Dalfopristin

Quinupristin-Dalfopristin (QD) ist eine ausschließlich parenteral verfügbare Kombination aus zwei synergistisch wirksamen Streptograminen. Durch die Blockierung der Proteinbiosynthese auf der Ebene der Ribosomen wirkt QD gegen grampositive Bakterien (inklusive MRSA und MRSE) bakterizid [[125], [137], [138]]. Loeffler et al. analysierten retrospektiv den Verlauf von 131 Infektionen (80 % Vancomycin-resistente E. faecium) bei 125 pädiatrischen Patienten im Emergency-Use-Programm [[220]]. Klinisch erfolgreich waren 69 % der Behandlungen, mikrobiologisch erfolgreich (Erregereradikation) 78 %. An unerwünschten Wirkungen wurden bei Erwachsenen vor allem Myalgien und Arthralgien in 36-50 % beobachtet [[176], [289]] und zwar besonders bei Patienten mit erhöhten Leberwerten und bei Patienten, die Mycophenolat oder Ciclosporin zur Immunsuppression erhielten [[62]]. Bei Kindern sind diese Nebenwirkungen auch nach Lebertransplantation selten [[176], [367]]. Wegen der hohen Phlebitisrate bei periphervenöser Applikation ist zur Therapie mit QD ein zentraler Venenkatheter erforderlich. Inzwischen sind auch QD-resistente VRE-Isolate beschrieben [[375]]. Oft handelt sich dabei um erm-positive Mutanten, an deren strukturell modifizierten Ribosomen Makrolide, Lincosamine und Streptogramine nicht binden können [[218]].


Oxazolidinone: Linezolid

Linezolid aus der neuen Klasse der Oxazolidinone hemmt die ribosomale Proteinbiosynthese grampositiver Erreger [[278]]. Es kann sowohl i. v. als auch p. o. verabreicht werden (Bioverfügbarkeit nahe 100 %) [[19], [184]]. Linezolid ist gegen Vancomycin-resistente E. faecium und gegen Vancomycin-resistente E. faecalis bakteriostatisch wirksam. Gegen Streptokokken (inklusive Pneumokokken) wirkt es in vitro bakterizid [[262]]. Bei Linezolid ist die antimikrobielle Wirksamkeit oberhalb der MHK nicht konzentrationsabhängig, sondern korreliert am besten mit der AUC > MHK. [[1], [85], [169], [170], [171], [172]]. Es gibt Hinweise für eine bakterizide Wirkung auf S. aureus, wenn die Konzentration kontinuierlich oberhalb der MHK gehalten wird [[85]]. Bei Standarddosierung liegt bei Erwachsenen für Erreger mit einer MHK < 4 mg/L die AUC für 50-80 % der Expositionsdauer über der MHK. Nach den bislang vorliegenden Daten scheint die Linezolid-Clearance bei Kindern unter 12 Jahren beschleunigt zu sein [[169]], so dass eine Dosis von 2 (-3) × 10 mg/kg KG pro Tag empfohlen wird [[179]]. Die Möglichkeit der oralen Gabe von Linezolid (Tabletten, Granulat) in zwei bis drei Einzeldosen pro Tag eröffnet die Option einer ambulanten Fortsetzung der initial i. v. applizierten Therapie [[218]]. Linezolid ist das einzige gegen MRSA und Vancomycin-resistente Enterokokken wirksame Antibiotikum, das per os verabreicht werden kann [[172], [237], [278]].

Linezolid wird in der alveolaren Flüssigkeit angereichert, was für seinen Einsatz bei Pneumonien durch (Methicillin-resistente) grampositive Erreger spricht [[190], [191], [193], [194]]. Einzelfallberichte sprechen für eine Wirksamkeit von Linezolid bei E. faecium-Meningitis [[287]]. Auch gegen Norcardia spp. und bestimmte atypische Mykobakterien ist Linezolid wirksam [[248], [304]]. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen in pädiatrischen Studien sind Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und Kopfschmerzen [[170], [171], [172], [224]]. Hämatotoxische Nebenwirkungen (Anämie, Thrombopenie) sind offensichtlich bei Kindern seltener als bei Erwachsenen [[238]]. Linezolid hemmt die Monoaminooxidase und interagiert daher möglicherweise mit adrenergen und serotinergen Substanzen [[224]]. Eine klinisch bedeutsame unerwünschte Wirkung des Linezolids, deren Bedeutung für die Pädiatrie noch nicht abschließend beurteilt werden kann, ist die seltene (bis zum 12. April 2005 jedoch bereits 10 Publikationen) periphere Neuropathie bei prolongierter Anwendung (> 28 Tage), die sich in Einzelfällen auch als Neuropathie des Nervus opticus manifestiert [[43], [81], [122], [202], [203], [235], [299], [390]]. Neben regelmäßiger neurologischer Untersuchung ist ein augenärztliches Monitoring daher unter Linezolid unbedingt zu empfehlen. Im Unterschied zu den hämatologischen unerwünschten Wirkungen, die wahrscheinlich durch die Gabe von Vitamin B6 aufgehoben werden können, ist diese Intervention bei der Linezolid-induzierten Neuropathie unwirksam [[349]].


Tetrazykline: Doxycyclin

Tetrazykline sind Alternativpräparate zur Behandlung von Infektionen durch in vitro sensible bakterielle Erreger (auch intrazelluläre, auch Borrelien, Rickettsien, Bartonella henselae, Burkholderia spp. und B. anthracis) bei Kindern im Alter über 9 Jahre [[49], [302]]. Doxycyclin ist wegen seiner besseren Bioverfügbarkeit und langen Halbwertzeit (18-22 h) das Präparat der Wahl. Es stellt eine Alternative in der Behandlung ambulant erworbener Atemwegsinfektionen durch Pneumokokken, H. influenzae und Moraxella catarrhalis dar, zu der es allerdings bei Kindern und Jugendlichen keine kontrollierten klinischen Studien gibt [[91], [167]].


Rifampicin

Rifampicin (RIF) ist ein potenzieller Kombinationspartner bei schweren Infektionen mit grampositiven Erregern [[124], [244], [345]], insbesondere wenn eine lange per os verabreichte Therapie erforderlich ist. Eine Monotherapie mit RIF führt rasch zur Resistenzentwicklung. RIF ist einer der potentesten Induktoren hepatischer Zytochrom-P450-Enzymsysteme, so dass vor Beginn einer Therapie sorgfältig auf mögliche, potenziell lebensbedrohliche Interaktionen geachtet werden muss [[294]].



Therapie ausgewählter Infektionen

Infektionen durch Methicillin-resistente S. aureus (MRSA)

Von erheblicher Bedeutung für den Erfolg der Therapie von MRSA-Infektionen sind die chirurgische Sanierung aller erreichbaren Infektionsherde und die rasche Entfernung infizierter Fremdmaterialien. MRSA sind resistent gegen alle Betalaktam-Antibiotika. „Arbeitspferde” gegen MRSA sind daher die Glykopeptide [[184], [253]]. Die Entdeckung von zwei Vanco-resistenten S.-aureus-Isolaten (VRSA) im Jahre 2002 [[53], [376]] und eines dritten Isolates im April 2004 [[84]] hat auch bei MRSA-Infektionen das Augenmerk auf mögliche Alternativen gelenkt. Die bislang isolierten VRSA exprimieren neben dem mecA-Gen (MRSA) auch das VanA-Gen der Vancomycin-resistenten Enterokokken [[53]]. Eine inzwischen gut abgesicherte Alternative ist Linezolid [[112], [170], [194], [278], [384]], außerdem stehen noch Quinupristin-Dalfopristin [[1], [125]] und das (noch nicht zugelassene) Lipopeptid Daptomycin [[1], [56], [60]] als i. v. Präparate zur Verfügung.

Kaplan et al. [[170], [171], [172]]analysierten den Einsatz von Linezolid bei MRSA-Infektionen in verschiedenen pädiatrischen Phase-III-Studien. Von 15 Patienten mit Weichteilinfektion wurden 92 % klinisch und mikrobiologisch geheilt. Bei 20 pädiatrischen Patienten, die wegen einer MRSA-Pneumonie stationär behandelt wurden, führte Linezolid bei 94 % zur klinischen Heilung und bei 88 % zur mikrobiologischen Eradikation. Besonders bei MRSA-Pneumonie ist Linezolid wirksamer als Vanco [[194]]. Andere Antibiotika wie Clindamycin, Fosfomycin, Cotrimoxazol, Rifampicin oder Moxifloxacin sollten erst nach Vorliegen eines Antibiogramms zum Einsatz kommen. Die Inhalation von Vanco führt nach den vorliegenden Einzelfallberichten nicht zur Elimination von S. aureus aus den Atemwegen [[344]].


Infektionen durch Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)

Bezüglich der chirurgischen Sanierung von Infektionsherden, der Entfernung von „Devices” und der krankenhaushygienischen Eindämmung [[254], [343]] gelten ähnliche Überlegungen wie bei MRSA. Harnwegsinfektionen durch VRE können nach Antibiogramm mit Nitrofurantoin oder Fosfomycin behandelt werden [[176]]. Fluorchinolone, wie z. B. das Levofloxacin, sind selten eine Alternative (nur bei in vitro nachgewiesener Wirksamkeit). Da nur etwa 20 % des Quinupristin-Dalfopristin (QD) renal eliminiert werden, ist es bei Harnwegsinfektionen durch VR-E. faecium nicht Mittel der Wahl. Beim Linezolid sind 35 % renale Elimination als unveränderte Substanz etwas günstiger [[352]].

Harnwegskatheter sollten entfernt oder gewechselt werden. Gray et al. berichten über 8 Kinder (17 Monate bis 15 Jahre) mit Infektion durch VR-E. faecium Bakteriämien, zwei Peritonitiden), von denen 7 mit Quinupristin-Dalfopristin (QD) erfolgreich behandelt wurden. Ein Patient verstarb an einem Rezidiv der Infektion nach Absetzen des QD [[137], [138]]. Von 19 pädiatrischen Patienten nach Lebertransplantation mit Infektion durch Vancomycin-resistente E. faecium wurden 74 % durch QD geheilt [[367]]. Raad et al. behandelten 56 erwachsene onkologische Patienten mit häufig katheter-assoziierter Infektion durch VR-E.-faeciummit QD plus Minocyclin [[289]], und waren in 68 % erfolgreich. VRE mit VanB-Phänotyp sind in vitro Teicoplanin-sensibel. Trotzdem sollten diese Patienten kein Teicoplanin erhalten, weil die VRE im Verlauf ebenfalls Teicoplanin-resistent werden können [[177]]. Die gastrointestinale Besiedlung mit VRE kann durch die orale Behandlung mit Ramoplanin, einem nicht resorbierbaren Glykolipodepsipeptid, über die Phase der Neutropenie und Mukositis hinweg supprimiert werden [[111], [242], [358], [382]]. Bisher ist Ramoplanin nur in den U.S.A. in experimentellen Protokollen für erwachsene Patienten verfügbar.


Infektionen durch α-hämolysierende Streptokokken der Viridans Gruppe

Für die Therapie der durch α-hämolysierende (vergrünende) Streptokokken verursachten Bakteriämie, Sepsis und Pneumonie ist die Abteilungsepidemiologie (der Anteil der Penicillin- und Ceftazidim-resistenten Isolate) entscheidend, weil Patienten ggf. einen Überlebensvorteil haben, wenn sie frühzeitig mit einem Glykopeptid behandelt werden [[47], [48]]. Ansonsten ist Ceftazidim plus Gentamicin (oder Fosfomycin oder Clindamycin) sicher ausreichend [[360]].


Infektionen durch Pseudomonas aeruginosa, Burkholderia cepacia, Stenotrophomonas maltophilia

Piperacillin-Tazobactam [[123]] oder Ceftazidim in Kombination mit Tobramycin (oder Aztreonam oder Ciprofloxacin) sind 1. Wahl bei Pseudomonas-Infektionen bei immunsupprimierten Patienten [[50], [52], [374]]. Zusätzlich zur supportiven Therapie der Sepsis (siehe die Beiträge von Bindl und Nicolai in diesem Band) müssen tief reichende Ecthymata chirurgisch saniert und infizierte Katheter entfernt werden. Meropenem und ggf. Cefepim [[8]] plus Amikacin (oder Aztreonam oder Ciprofloxacin) sind Optionen bei Ceftazidim-Tobramycin-resistenten P.-aeruginosa- oder B.-cepacia-Isolaten [[73], [78], [217], [275], [276]].

Vor dem Hintergrund kontrollierter Studien zum inhalativen Einsatz von Tobramycin bei Patienten mit zystischer Fibrose wird der Einsatz von inhalativem Tobramycin (hochkonzentriertes, konservierungsmittelfreies Präparat, 2 × 300 mg) bei schweren Pneumonien (auch Beatmungspneumonien) durch Tobramycin-sensible Pseudomonas spp. mit Spiegelkontrollen im Serum empfohlen (IB) [[66], [187]]. S. maltophilia ist resistent gegen Carbapeneme. Infektionen durch S. maltophilia sind bei neutropenischen Patienten vom klinischen Schweregrad vergleichbar mit P. aeruginosa-Infektionen. Bei Ceftazidim-Amikacin-resistenten Stämmen werden Pip-Taz und Cotrimoxazol als zusätzliche Behandlungsoptionen genannt [[241], [319], [320]].


Therapie von Infektionen durch ESBL-bildende Bakterien

Cephalosporine der Gruppe 3 sollten gegen ESBL-Bildner nicht eingesetzt werden, auch wenn einzelne Substanzen in vitro wirksam sind [[189], [267], [270], [273], [353], [381]]. Mittel der ersten Wahl sind Carbapeneme, bei Harnwegsinfektionen und nachgewiesener Sensibilität auch Fluorchinolone. Cefepim ist keine ernst zu nehmende Alternative, da die meisten ESBL-Isolate auch Cefepim-resistent sind [[51], [267]]. Piperacillin-Tazobactam (Pip-Taz) zeigt zwar oft in vitro eine gute Wirksamkeit (insbesondere gegen ESBL-bildende Klebsiella pneumoniae), es wird jedoch nicht empfohlen, da bei ESBL-Bildnern eine ausreichende klinische Wirksamkeit nicht gesichert ist. Eine empirisch begonnene, klinisch und mikrobiologisch erfolgreiche Therapie mit Pip-Taz kann fortgesetzt werden. Die in vitro gut wirksamen Cephamycine [[189]] werden durch Cefoxitin vertreten, das jedoch nur in der perioperativen Prophylaxe und in der Therapie von Anaerobier-Infektionen Verwendung findet (zu schmales Wirkungsspektrum). Paterson et al. begrenzten einen ESBL-Ausbruch unter anderem durch die orale Verabreichung von Norfloxacin (400 mg alle 12 h für 5 Tage) an ESBL-Carrier [[272]]. Colistin ist eine in der intravenösen Anwendung recht toxische Reserveoption und zwar systemisch bei Bakteriämie [[79], [173], [213], [214], [231]], inhalativ bei Pneumonie [[141], [154], [213], [308], [334]] und intraventrikulär bei Meningitis [[363]].


Therapie von Infektionen durch Acinetobacter spp.

Neben den positiven Erfahrungen mit Carbapenemen [[361]] wird vor allem über eine gute klinische Wirksamkeit von Ampicillin-Sulbactam berichtet [[208], [209], [210], [347], [362]]. Wie bei anderen multiresistenten gramnegativen Erregern wurde auch bei A. baumannii-Bakteriämien und Meningitiden (nicht bei Pneumonie) in Einzelfällen intravenöses Colistin mit Erfolg eingesetzt [[164], [165]].


Infektionen durch Alcaligenes (Achromobacter) xylosoxidans

A. xylosoxidans ist ein nicht fermentativer gramnegativer Feuchtkeim, der katheter-assoziierte Bakteriämien und Pneumonien bei Immunsupprimierten und bei Patienten mit Vorerkrankungen der Lunge verursachen kann [[152], [188], [355]]. Piperacillin-Tazobactam in Kombination mit Aztreonam oder Tobramycin (letzteres ggf. auch zusätzlich inhalativ) sind meist wirksam, weitere Optionen sind Carbapeneme und Fluorchinolone. Auch Colistin-Inhalationen können (insbesondere bei CF-Patienten und Tobramycin-resistentem Erreger) von Nutzen sein [[334]].



Therapie ausgewählter, klinisch dokumentierter Infektionen

Pneumonie

Bei schweren Pneumonien werden Kombinationstherapien empfohlen: Piperacillin/Tazobactam + ein Aminoglykosid (oder ein Fluorchinolon); Cefepim oder Ceftazidim + ein Aminoglykosid (oder Fluorochinolon) [[257]] oder Meropenem[8]. Der empirische Einsatz von Teico oder Vanco wird hier nicht empfohlen (Evidenzgrad III für die Pädiatrie). Ausnahme sind Patienten mit AML, pneumonischen Infiltraten, Fieber und Mukositis [[206]]. Die zusätzliche Gabe eines Makrolids oder von Azithromycin ist bei Verdacht auf atypische Pneumonie und im Schulkindalter zu empfehlen, solange der Patient nicht bereits ein Chinolon erhält [[143], [144], [145]]. Atemwegsinfektionen durch Mykoplasmen [[307]], Chlamydia pneumoniae [[142]] und Legionella pneumophila [[109], [186], [305], [359]] werden mit Clarithromycin (auch als Infusionslösung verfügbar) oder Azithromycin, in besonders schweren Fällen zusätzlich mit Ciprofloxacin behandelt. Auch Telithromycin (keine pädiatrischen Daten) und Doxycyclin stellen (> 12 bzw. > 9 Jahre) eine Option dar. Clarithromycin kann bei schwer kranken Patienten auch als Suspension über eine Sonde gegeben werden [[116]], blockiert jedoch leicht die Sonde. Clarithromycin und Erythromycin sind auch als i. v. Präparationen verfügbar [[325]].


Typhlitis, intraabdominelle Infektionen

Intrabdominelle Infektionen, häufig im Bereich des ileozökalen Übergangs bei chemotherapieinduzierten Mukositis, erfordern eine breite Therapie, die auch gegen grampositive Kokken (Streptokokken der Viridansgruppe, Enterokokken) und gegen Anaerobier wirksam ist [[348]]. Infrage kommen bei Immunsupprimierten Pip-Taz plus Metronidazol oder Clindamycin [[3], [4], [229]] und Carbapeneme [[44], [287]], in besonders schweren Fällen in Kombination mit einem Glykopeptid. Eine Enterokolitis durch Clostridium difficile sollte ausgeschlossen werden.


Therapie von Clostridium difficile-assoziierten Erkrankungen

Die Clostridium difficile(CD)-assoziierte Diarrhö und die CD-assoziierte Enterokolitis sind meist nosokomial erworbene Komplikationen (10-15 % aller nosokomialen Infektionen) [[129], [341], [377]]. Die klinische und sonographische Abgrenzung von einer neutropenischen Enterokolitis ist schwierig [[133], [134]], der endoskopische Nachweis von Pseudomembranen beim thrombozytopenischen und neutropenischen Patienten zu riskant [[329]]. Wichtig ist die Kontaktisolierung der symptomatischen, toxin-positiven Patienten [[147], [378]]. Die Therapie der symptomatischen Patienten erfolgt mit Metronidazol (30 mg/kg/Tag in drei ED - bis zu 3 × 500 mg - p. o. oder i. v.), in schweren Fällen zusätzlich mit Vancomycin (40 mg/kg/Tag in 4 ED bis zu 4 × 125 mg, ausschließlich p. o., ggf. auch lokal über Instillationen) [[377]]. Der primäre Einsatz von Vancomycin zur „Dekontamination” von Ausscheidern wird wegen der fehlenden Wirksamkeit und dem Risiko der VRE-Selektion nicht empfohlen [[129], [343]]. Probiotika sollten bei Patienten mit hochgradiger Immunsuppression nur zurückhaltend eingesetzt werden. Fungämien durch Saccharomyces boulardii [[32], [63], [212]] und Bakteriämien durch Lactobacillus spp. [[55], [61], [80], [161], [198], [318], [323], [386]] sind wiederholt beschrieben worden.


Therapie anogenitaler Infektionen

Bei pädiatrisch-onkologischen Kindern ist die perianale Region unter Einbeziehung der inguinalen, glutäalen oder Oberschenkelregionen (Ulzerationen, Cellulitis, Abszesse) Infektionsfokus und Eintrittspforte für gramnegative Darmkeime und P. aeruginosa [[15], [204]]. Anogenitale Infektionen können auch durch S. pyogenes, S. aureus [[24], [243]] oder Enterokokken bedingt sein. Eine Erregerisolierung ist daher unbedingt anzustreben. Piperacillin-Tazobactam plus Amikacin sind i. d. R. die Antibiotika der Wahl. Ceftazidim ist wegen der Enterokokkenlücke zumindest als Monotherapie ungeeignet.



Therapiedauer

Wegen des Risikos von Rezidiven und septischen Komplikationen sollte bei pädiatrisch-onkologischen Patienten die antibakterielle Behandlung bei nachgewiesener bakterieller Infektion das klinische Ansprechen um mindestens 7 Tage überdauern (IB). Die Therapiedauer sollte bei komplizierten Infektionen (Pneumonie, Weichteilinfektion, Pyelonephritis) und bei Patienten mit hochgradiger Granulozytopenie mindestens 10 Tage, bei Nachweis von S. aureus mindestens 21 Tage [[288], [290]] betragen. Bei Osteomyelitis erfolgt die intravenöse Behandlung über mindestens 21 Tage, und länger, wenn eine weitere Chemotherapie mit erneuter Granulozytopenie geplant ist. Die Granulozytenzahl, CRP und BSG können in dieser Population nur bedingt als Verlaufsparameter dienen. Bei infizierter Thrombose und bei Endokarditis beträgt die stationäre Therapiedauer 4-6 Wochen [[201]], wobei zumindest in den ersten zwei Wochen eine synergistische Kombination bakterizider Antibiotika zur Anwendung kommen sollte. Nicht nur die Verabreichung der Chemotherapie und die Stammzelltransplantation, sondern auch das supportive Management infektiöser Komplikationen sollte in pädiatrisch-onkologischen Behandlungszentren konzentriert werden.



1 Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve, beschreibt das Maß der Exposition im Serum/Plasma.


2 Cave: pharmakologisch inaktivieren sich Aminoglykoside und einige Betalaktam-Antibiotika und sollten daher nicht gleichzeitig infundiert werden.


3 Ampicillin- und Sulbactam-Doppelester, erhöhte Bioverfügbarkeit (80-85 %) (Adam 2002).


4 Ausnahme: Allergie gegen Ceftazidim


5 Einzelheiten siehe Artikel von Beutel et al. in diesem Band


6 Flüssigkeitssubstitution von ≥ 40 ml/kg in der ersten Stunde oder Katecholamintherapie nötig.


7 In Kombination mit oralen Antidiabetika wurden Hypoglykämien beobachtet.


8 Über die Diagnostik und Therapie einer ggf. vorhandenen Pilzinfektion informiert der Beitrag von A. Groll.



Korrespondenzadressen

Dr. med. Arne Simon
Abt. für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum
Adenauerallee 119
53113 Bonn
Phone: +49/(0)2 28/2 87 32 54