Zusammenfassung
Zusammenfassung
Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Feinstaub (Partikel - PM10) schwere Gesundheitsschäden und ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs verursacht. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO) wurde im Jahr 2000 durch Partikel die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer (EU25) im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate verkürzt. Die WHO, die EU-Kommission sowie der National Research Council und die US-amerikanische Umweltschutzbehörde EPA stellen die Wirkung von Partikeln auf die menschliche Gesundheit als eines der gegenwärtig vorrangigen umwelthygienischen Schwerpunktthemen heraus.
In der 22. BImSchV sind Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (PM10) insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt, die ab dem 1.1.2005 eingehalten werden müssen. Im Vergleich mit diesen Werten ist die aktuelle Belastung der Umgebungsluft mit PM10 in Deutschland deutlich zu hoch. Nach § 45 Abs. 1 BImSchG müssen die zuständigen Behörden die zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte erforderlichen Maßnahmen ergreifen.
Zu den zu ergreifenden Maßnahmen gehören insbesondere Luftreinhalte- und Aktionspläne. Auch der Verkehr muss entsprechend seinem Verursacheranteil in den Maßnahmenkatalog einbezogen werden. In vielen betroffenen Regionen enthält der Luftreinhalteplan bzw. der Aktionsplan aufgrund der dominierenden Rolle der Verkehrsemissionen in den Gebieten mit Grenzwertüberschreitung schwerpunktmäßig verkehrslenkende Maßnahmen [1]. Verkehrsbeschränkungen, wie die Sperrung von einzelnen Straßen für den gesamten Kfz-Verkehr oder Teilmengen (nicht schadstoffarme Autos, Autos ohne Partikelfilter oder LKW ohne Partikelfilter) kommen insbesondere in den Fällen infrage, in denen verkehrsplanerische Maßnahmen allein nicht zielführend sind. Solche Maßnahmen sind durch die zuständigen Straßenverkehrsbehörden umzusetzen. Sie sind in diesen Fällen zulässig und geboten.
Diesel-Pkw und -Lkw müssen umfassend und so schnell wie möglich mit Partikelfiltern ausgerüstet werden. Neue Diesel-Fahrzeuge sollten nicht ohne einen geeigneten Partikelfilter gekauft werden. Im Bereich der Industrieanlagen und Kraftwerke wird durch eine Verschärfung der TA Luft und der Großfeuerungsanlagenverordnung (13. BImSchV) eine deutliche Reduzierung von Feinstaub und den Vorläufersubstanzen erreicht werden.
Durch die Gesetzgebung werden z. B. im Falle von PM10 vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 in der EU u. a. folgende gesundheitliche Positiveffekte erreicht:
-
Reduzierung des Lebenszeitverlustes (Sterblichkeit - Langzeiteinwirkung) durch PM10-Belastung um 1,1 Mio. Jahre (von ca. 3 Mio. Jahren),
-
Reduzierung der Kindersterblichkeit von 600 auf 300 Fälle,
-
Reduzierung der chronischen Bronchitis von 136 000 auf 98 000 Fälle und
-
Reduzierung der Krankenhauseinweisungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 32 000 auf 20 000 Fälle.
Insgesamt werden danach die Krankheitseffekte durch Feinstaub um rund ein Drittel bis zur Hälfte gesenkt. Für Deutschland ergeben sich ungefähr gleiche proportionale Verhältnisse. Diese Positiveffekte können nur erreicht werden, wenn die bestehenden gesetzlichen Vorgaben auch eingehalten werden.
Luftbelastung
Luftbelastung
In den letzten Jahren wurde die Wissensbasis und Datenlage zur Entstehung und Zusammensetzung von kleinen und kleinsten Schwebstaubpartikeln (Feinstaub) stetig verbessert.
Definitionen
In der englischsprachigen Literatur wird der Begriff „Particulate Matter - PM” verwendet. Im Folgenden werden die Schwebstaubpartikel (Feinstaub) mit Partikel oder PM bezeichnet.
Eine gute Übersicht hat der VDI [2] erarbeitet, nach der die Partikel in erster Linie über ihre Größe eingeteilt werden (siehe hierzu auch Wichmann [3]):
Als Schwebstaub bezeichnet man feste oder flüssige Schwebstoffe (Aerosole), die in Gasen suspendiert sind. Hierunter fallen folgende Fraktionen:
-
PM10 (Feinstaub) [4] umfasst alle Partikel bis zu einen aerodynamischen Durchmesser von 10 µm
-
PM2.5 umfasst alle Partikel bis zu einen Durchmesser von 2,5 µm
-
UFP (ultrafeine Partikel) umfassen Teilchen mit einem Durchmesser von bis zu 0,1 µm.
Die Ultrafeinen Partikel (UFP) sind eine Teilmenge von PM2,5, diese sind eine Teilmenge von PM10, und diese wieder eine Teilmenge des gesamten Schwebstaubs (TSP - total suspended particulates - bis 30 µm). Die UFP tragen wenig zur Gesamtmasse bei, dafür ist aber ihre Anzahl bedeutend. Sie werden deshalb nicht in Masse-, sondern in Anzahl-Konzentration angegeben. In deutschen Städten liegt die UFP-Belastung im Durchschnitt bei 10 Milliarden Partikeln/m3 oder 10 000 Partikeln pro Kubikzentimeter Luft.
Der Masse-Anteil von PM10 an TSP beträgt in der Regel etwa 60 bis 90 %, der von PM2,5 an PM10 etwa bei 50 bis 80 %, woraus sich für PM2,5 ein Anteil von ca. 30 bis 75 % am TSP ergibt. [5]
Partikel sind Teilchen unterschiedlicher Größe und chemischer Zusammensetzung, die entweder unmittelbar in die Luft emittiert werden (Primäre Partikel) oder aus Vorläufersubstanzen in einer chemischen Reaktion in der Luft entstehen (Sekundäre Partikel). Vorläufersubstanzen sind z. B. Schwefeldioxid, Stickstoffoxide, Ammoniak, flüchtige organische Verbindungen (NMVOC = non methane volatile organic compounds = flüchtige organische Verbindungen mit Ausnahme von Methan). Sekundäre Partikel sind in der Regel sehr klein (UFP). Über die Entstehungsmechanismen von sekundären Partikeln aus den genannten Vorläufersubstanzen siehe UBA-Jahresbericht 2001 und UBA-Hintergrundpapier 2005. [6]
[7]
Primäre Partikel können aus natürlichen und anthropogenen Quellen stammen
Wie aus Tab. [1] ersichtlich werden kleine bis sehr kleine Partikel (UFP) in erster Linie aus Verbrennungsvorgängen freigesetzt.
Tab. 1 Natürliche und anthropogene Quellen, Größe der Partikel [8]
Quelle | Größe der Partikel in µm |
natürliche Quellen
| Bodenerosion Sandstürme Vulkane maritimes Aerosol Waldbrände biogene Stäube (Pollen, Schimmelpilze, Milbenexkremente) | 1 bis 150 1 bis 150 0,005 bis 150 1 bis 20 0,005 bis 30 2 bis 50 |
anthropogene Quellen
| stationäre Verbrennung (Heizung, Energieerzeugung) mobile Verbrennung (Verkehr) Verhüttung industrielle Prozesse (Metallverarbeitung) Schüttgutumschlag Zigarettenrauch | 0,005 bis 2,5 0,005 bis 2,5 0,1 bis 30 0,005 bis 2,5 10 bis 150 0,02 bis 10 |
Partikel sind nicht statisch, sondern sie unterliegen fortlaufend Umwandlungen. Ultrafeine Partikel können u. a. aufgrund ihrer hohen Eigenbeweglichkeit miteinander koagulieren. Hierdurch kommt es zur Bildung von größeren Teilchen. Ultrafeine Partikel werden darüber hinaus in Gegenwart von feinen und groben Partikeln adsorbiert (scavenging effect). Insgesamt hat die Reduktion größerer Partikel durch die Luftreinhaltemaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte dazu geführt, dass der früher sehr effektive „scavenging effect” heute einen geringeren Einfluss hat. Dadurch ist die Konzentration ultrafeiner Partikel in der Umwelt relativ gesehen angestiegen, obwohl heute größenordnungsmäßig die Anzahl der emittierten ultrafeinen Partikel nicht größer ist.
Emissionen
Im globalen Maßstab überwiegen bei der Emission von primären Partikeln die natürlichen Quellen (Vulkanausbrüche, Wald- und Steppenbrände, Sandstürme). Hiervon zu unterscheiden sind die Emissionen, die vom Menschen verursacht werden (anthropogene Quellen). Die Emissionen von primären Partikeln (PM10) und der Vorläufersubstanzen der sekundären Partikel aus anthropogenen Quellen in der EU und in Deutschland werden in Abb. [1] illustriert.
Abb. 1 EU15-Beiträge der Sektoren zu PM10 und Vorläufersubstanzen [9].
Soweit man die gesamten PM10-Emissionen in der EU oder eines einzelnen Landes betrachtet, dominieren, anders als z. B. in einer stark befahrenen Straße mit Grenzwertüberschreitung, die Emissionen aus Industrie und Gewerbe [10]. In Deutschland betrugen die Emissionen an PM10 (primäre Emissionen) im Jahr 2002 durch Industrieprozesse 56,7 kt und durch Verkehr 34,8 kt, vgl. Tab. [2]. Auch die Landwirtschaft trägt nicht unerheblich zu den PM-Emissionen bei. So liegt der Beitrag der Landwirtschaft zu den europäischen Primäremissionen von PM10 zurzeit bei ca. 9 %, wobei die Tierhaltung den größten Anteil ausmacht [7].
Tab. 2 Staubemissionen in Deutschland 2000 und 2002 - Anteil der PM10-Emissionen am Gesamtstaub [7]
Quellgruppe | Gesamtstaub | PM10
| > PM10
|
| Emissionen | Anteil am Gesamtstaub | Emissionen | Anteil Quellgruppen | Emissionen |
| 2000 | 2002 | 2000 | 2002 | 2000 | 2002 | 2000 | 2002 | 2000 | 2002 |
| (in kt) | (in kt) | (in %) | (in %) | (in kt) | (in kt) | (in %) | (in %) | (in kt) | (in kt) |
| 227 | 209 | 65,7 | 64,4 | 148,8 | 134,6 | 100 | 100 | 77,8 | 74,4 |
Deutschland gesamt
|
verbrennungsbedingte Emissionen einschließlich Verkehr
| 80 | 70 | 98,3 | 98,1 | 78,2 | 69,1 | 52,6 | 51,3 | 1,4 | 1,4 |
davon: Verkehr*
| 43 | 35 | 100 | 100 | 43 | 34,8 | 28,9 | 25,9 | 0 | 0 |
sonstige Emissionen
| 147 | 139 | 48 | 47,3 | 70,6 | 65,5 | 47,4 | 48,7 | 76,4 | 73 |
davon Industrieprozesse
| 103 | 95 | 60 | 60 | 61,8 | 56,7 | 41,5 | 42,1 | 41,2 | 37,8 |
davon Schüttgutumschlag
| 44 | 44 | 20 | 20 | 8,8 | 8,8 | 5,9 | 6,5 | 35,2 | 35,2 |
*ohne folgende nicht verbrennungsbedingte Emissionen: Reifenabrieb (geschätzte Emission 70 kt/a, davon PM10-Fraktion knapp 10 %, Emission von der Straßenoberfläche (erheblicher PM10-Anteil) und der Bremsabrieb (5,5 - 8,5 kt/a, im Wesentlichen PM10).
|
Ein besonderes Problem stellt der Einsatz von Holz in Kleinfeuerungsanlagen (Hausbrand) dar. Nach einer internen Ermittlung im Umweltbundesamt haben solche Holzfeuerungen mit schätzungsweise 80 % den größten Anteil an den staubförmigen Emissionen aus Kleinfeuerungsanlagen. Deutschlandweit betrachtet erreichen die Emissionen von Feinstaub aus Holzfeuerungen die Größenordnung der Emissionen aus dem Straßenverkehr. Die Zahl der Anlagen wird voraussichtlich wegen der Bedeutung von Holzbrennstoffen als alternative Brennstoffe zunehmen.
Bei den Vorläufersubstanzen, die zur Bildung von sekundären Partikeln beitragen, zeigt sich ein völlig anderes Bild. Bei SO2 dominieren die Emissionen der Kraftwerke, bei NOx hat der Verkehrssektor den größten Anteil. Die Ammoniak-Emissionen (NH3) stammen dagegen beinahe ausschließlich aus der Landwirtschaft, sie trägt in Deutschland mit 567 kt zu den Emissionen bei [11]. Bei den NMVOC dominieren der Verkehr und der Lösemittelverbrauch in Gewerbe und Haushalt, z. B. durch Einsatz lösemittelhaltiger Farben und Lacke (siehe Abb. [1]).
Immissionen
Für die Immissionskonzentrationen in den Industrienationen spielen die Emissionen aus anthropogenen Quellen gegenüber den Emissionen aus natürlichen Quellen wegen ihrer gesundheitlichen Auswirkungen und ihrer vergleichsweise längeren Verweildauer in der Atmosphäre und insbesondere wegen ihrer Nähe zu den bewohnten Gebieten eine wichtigere Rolle [12].
Die Emissionsmengen in Abb. [1] und Tab. [2] stellen die Gesamtemissionen für die EU bzw. für Deutschland dar. Aus diesen Emissionsmengen kann aber nicht unmittelbar auf die Immissionsbelastung der Menschen vor Ort (Konzentration in der Luft) geschlossen werden. Eine hohe Immissionsbelastung tritt insbesondere dort auf, wo eine große Zahl von Emittenten konzentriert ist und lokal Partikel freigesetzt werden. Dies ist teilweise in der Nähe von Industrieanlagen und in besonderem Maße an stark befahrenen Straßen der Fall. Die Hot Spots in den Straßen tragen deshalb zu den Grenzwertüberschreitungen mit PM in einem viel stärkeren Maße bei, als es nach den Emissionsdaten für die EU bzw. für Gesamtdeutschland zu vermuten wäre. Für die Frage der Grenzwertüberschreitungen (Immissionswerte) sind die obigen Emissionsdaten von untergeordneter Bedeutung, entscheidend sind die Immissionsdaten an den Hot Spots.
Die öffentliche Kontroverse in den Medien zum Thema Feinstaub hat es nicht geleistet, den Unterschied zwischen Emission und Immission verständlich zu machen. Im Folgenden wird daher die Bedeutung der einzelnen Quellgruppen für die Immissionssituation näher analysiert.
Verkehrsbedingte Immissionen
Der Verkehrsbereich steht wegen seines hohen Beitrags zur Immissionsbelastung - insbesondere an Hot Spots - im Mittelpunkt der Maßnahmendiskussion [13]. Der Beitrag der Verkehrsemissionen an der Feinstaubbelastung variiert in Deutschland sehr stark. In aktuellen Untersuchungen schwanken beispielsweise die lokalen Verkehrsbeiträge an hoch belasteten Straßen zwischen etwa 10 % und 60 %, für städtische Hintergrundstationen ergaben sich Beiträge von 20 bis 35 % aus dem Verkehr [14]
[15]
[16]
.
Die Berliner Umweltbehörden haben in aufwändigen Analysen die Zusammensetzung und Herkunft der durchschnittlichen Feinstaubbelastung in hoch belasteten Straßen Berlins ermitteln lassen (Abb. [2]). Danach gilt:
-
Zu rund einem Viertel trägt der lokale Straßenverkehr zur Belastung bei. Die direkten Abgasemissionen sind dabei für ca. die Hälfte dieses lokalen Beitrags verantwortlich. Die zweite Hälfte wird durch Abrieb von Bremsmaterial und Reifen sowie durch Aufwirbelung verursacht.
-
Das zweite Viertel stammt aus dem „städtischen Hintergrund”, mehrheitlich aus dem Verkehrsbereich, aber auch aus Industrie und Haushalten.
-
Die verbleibende knappe Hälfte wird Emissionen im „regionalen und überregionalen Hintergrund” - zum großen Teil sekundäre Partikel - zugerechnet. Auch hier ist der Verkehr beteiligt.
Der Straßenverkehr ist auch nach der Berliner Analyse somit für rund die Hälfte der Feinstaubimmissionen verantwortlich.
Abb. 2 Quellgruppen straßennaher Feinstaubkonzentrationen am Beispiel Berlin [17].
Das Berliner Beispiel zeigt damit die prinzipiellen Quellen der Immissionsbelastung. Jeder einzelne Standort in Deutschland zeigt aber seine Eigenheiten, die durch die Stärke, die Ausprägung und die Entfernung der einzelnen Quellen, aber auch durch die Bebauung und Meteorologie geprägt sind. So hat der Anteil der Nutzfahrzeuge (inkl. Busse) sowie die Flottenzusammensetzung (Alter, Abgasminderung) einen großen Einfluss auf die Quellenanteile.
Immissionen durch industrielle Prozesse
In den hochindustrialisierten Gebieten können vor allem durch folgende Industriezweige hohe lokale Immissionsbelastungen mit Feinstaub hervorgerufen werden (Beispiel NRW):
-
Braunkohletagebau
-
Kokereien
-
Teerverarbeitung
-
Sinteranlage
-
Stahlwerke
-
Edelstahlwerke
-
Zinkhütten
-
Hafengebiete
-
Schüttgutumschlag.
Ein großes Problem stellt das Heranwachsen der Wohnbebauung an die Industrieanlagen dar. Dadurch kann die Immissionsbelastung am Wohnort, die bei größerem Abstand deutlich unter dem Grenzwert liegen würde, in den Bereich des Grenzwerts angehoben werden.
Aufgrund der zahlreichen Minderungsmaßnahmen bei Industrieanlagen in den letzten Jahren ist aber schon heute bundesweit die Anzahl der industriellen Hot Spots deutlich geringer als die der verkehrlichen Hot Spots [18].
Durch Hausbrand und sonstige Quellen bedingte Immissionen
Von den Wärmeerzeugungsanlagen der Privathaushalte werden sowohl primäre PM (Gesamtstaub, Ruß) als auch Vorläufersubstanzen (SO2, NOx) für sekundäre PM emittiert. Die oben beschriebene bereits heute vorhandene hohe Emission findet lokal in den Ballungszentren statt und erreicht die Menschen weniger verdünnt, als dies beispielsweise bei Quellen mit hohen Schornsteinen (Industrie und Kraftwerken) der Fall ist. Zwar findet die Emission nicht ganz so nah am Menschen statt, wie die Emissionen des Verkehrs. Aber die steigende Tendenz zur Nutzung von Holz als Festbrennstoff kann diese Entwicklung wieder umkehren. Daher spielt der Hausbrand in einigen Ballungszentren unter Immissionsgesichtspunkten nach wie vor eine wichtige Rolle, auch wenn die Belastung durch Brennstoffumstellung auf insbesondere Gas in den 80- und 90-Jahren deutlich gesenkt wurde.
Die Landwirtschaft kann lokal und regional für die Immission mit Partikeln prägend sein. Diese Situation tritt insbesondere in Gebieten mit hoher Dichte an Massentierhaltung ein.
Anteil des Ferntransports an der PM10-Belastung
Zur PM-Belastung tragen neben den lokalen und städtischen Quellen auch überregionale Quellen bei. Ein erheblicher Anteil der PM-Belastung in Mitteleuropa wird durch Ferntransport verursacht, wobei in der Regel sekundär (aus den Vorläufergasen SO2, NO2, NH3, NMVOC) gebildete Feinstäube die dominierende Rolle spielen. Ferntransporte treten in Verbindung mit ungünstigen meteorologischen Bedingungen - manchmal sogar episodenartig - auf (s. u.).
Diese grenzüberschreitenden Immissionen sind durch Maßnahmen der Behörden vor Ort nicht zu beeinflussen. In den Ratsverhandlungen über die Richtlinie einigten sich die Mitgliedsstaaten deshalb auf eine zulässige Überschreitungshäufigkeit von 35 Tagen (siehe Tab. [5]). Dadurch werden solche Ereignisse kompensiert.
Einfluss der Meteorologie
Für die Höhe der kurzzeitigen Feinstaubbelastung spielt an allen Standorten neben den bisher genannten Quellen die meteorologische Situation eine entscheidende Rolle. Hohe kurzzeitige Konzentrationen treten überwiegend in winterlichen Episoden mit geringer Mischungsschichthöhe (Inversionswetterlagen) und dadurch stark eingeschränktem vertikalen Luftaustausch auf. Durch Wind und Niederschläge kann die Feinstaubkonzentration - auch großräumig und innerhalb sehr kurzer Zeit - schnell wieder absinken.
Beispielhaft für den Einfluss der meteorologischen Bedingungen wird der Verlauf der Feinstaubkonzentrationen im Februar 2005 an verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz und Hessen dargestellt. Die in Abb. [3] dargestellten Konzentrationsverläufe repräsentieren sowohl Standorte in der Nähe von verkehrsreichen Straßen, im städtischen Hintergrund als auch in wenig besiedelten ländlichen Gebieten. Trotz Entfernungen von teilweise über 100 km zeigen alle Stationen ein sehr ähnliches Profil des Konzentrationsverlaufs. Während der Episoden mit stabilen Wetterlagen und geringen Windgeschwindigkeiten (3.-9.2.) zeigt sich ein kontinuierlicher Aufbau der Feinstaubbelastung an den einzelnen Orten. Niederschläge (10.-13.2.) führen zu einer schnellen, starken Abnahme der Konzentrationen.
Abb. 3 Feinstaubkonzentrationen in Hessen und Rheinland-Pfalz im Februar 2005 [19].
Ferneinträge, die ebenfalls zu einer starken Erhöhung der Feinstaubbelastung führen können, spielen bei Inversionswetterlagen wegen der geringen Windgeschwindigkeiten meist eine geringere Rolle. Es wird angenommen, dass die Höhe der Feinstaubbelastung und eine mögliche Überschreitung des Tagesgrenzwerts in diesem Fall hauptsächlich von den lokalen Emissionen bestimmt wird. Auch bei kurzzeitigen Belastungssituationen liegen die Werte an verkehrsdominierten Standorten (siehe Abb. [3] - Ludwigshafen-Heinigstr.) deutlich höher als im städtischen oder gar ländlichen Hintergrund. Eine Reduktion der Emissionen des Verkehrs führt damit - neben der Verringerung der Jahresmittelwerte - auch zu einer Reduktion der Kurzzeitbelastungen.
Gesundheitliche Auswirkungen von Partikeln
Gesundheitliche Auswirkungen von Partikeln
Die Frage, inwieweit PM eine gesundheitliche Schädigung verursachen können bzw. aus Vorsorgegründen von Bedeutung sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Neben der Konzentration der PM in der Luft spielen die chemische Zusammensetzung, die Beladung der Oberfläche der PM mit wirksamen chemischen Substanzen und vor allem die Größe der Partikel eine Rolle.
Abhängigkeit der Wirksamkeit von der Partikelgröße
Je gröber die Partikel, desto weiter oben werden sie im Atemtrakt abgefangen. Partikel über 10 µm können kaum den Kehlkopf passieren, von den kleineren Partikeln („thorakale Fraktion”) können fast ausschließlich diejenigen, die kleiner als etwa 2 bis 3 µm sind, bis in den Alveolenbereich vordringen. [5] Die Depositionswahrscheinlichkeit in den Atemwegen hängt ebenfalls von der Partikelgröße ab. In einem Größenbereich um 0,5 µm ist aus physikalischen Gründen die Depositionswahrscheinlichkeit am geringsten.
Vorausgesetzt, dass Partikel nur dort eine Wirkung entfalten, wo in nennenswertem Umfang eine lokale Deposition stattfindet, so scheiden Partikel über 10 µm dafür (außer im Nasen-Rachenraum) weitgehend aus. Für Wirkungen, die im Tracheobronchialbereich ausgelöst werden (z. B. Husten), kommen primär Partikel in der Größe bis etwa 4 µm als die „wirksame” Fraktion infrage, für Veränderungen im Alveolarbereich hauptsächlich Partikel kleiner als 2,5 µm. [5]. UFP können nicht nur tief in die Atemwege eindringen, sondern auch in die Blutbahn übertreten.
Bei un- oder schwerlöslichen Partikeln stellt die Oberfläche der Partikel (Träger für toxische Substanzen) die Schnittstelle zu Zellen, Geweben und Lungenflüssigkeiten dar. Da die Oberfläche der großen Zahl ultrafeiner Partikel bei gleicher Massenkonzentration viel größer ist als diejenige der relativ wenigen feinen Partikel, ist die Wahrscheinlichkeit, dass unlösliche ultrafeine Partikel adverse Gesundheitseffekte hervorrufen können, größer als für unlösliche feine Partikel.
Aufgrund der Korngrößenverteilung ist zu erwarten, dass geogener Staub (natürliche Quellen) unter gesundheitlichen Gesichtspunkten weniger problematisch ist als anthropogener Staub. Die wenigen vorhandenen Untersuchungen zu diesem Thema scheinen diese Annahme zu bestätigen [20].
Dieselmotorabgase und Dieselruß - Tierversuche
Bereits 1954/55 wurde die tumorbildende Wirkung von Dieselmotorabgasen auf Mäusehaut beschrieben.
Das Interesse an Dieselmotorabgasen stieg noch mehr, als Ende der 70er-Jahre Tests eine starke Mutagenität der Abgase ergaben. Der Verdacht auf eine krebserzeugende Wirkung von Dieselmotorabgasen wurde dann in den 80er-Jahren in mehreren unabhängig voneinander durchgeführten Versuchen bestätigt: Dieselmotorabgas aus verschiedenen Motoren erzeugte beispielsweise bei Ratten Lungentumoren [21].
Das Erstaunen über die kanzerogene Wirkung der Dieselmotorabgase war deshalb so groß, weil belastbare Messungen zeigten, dass die im Dieselmotorabgas enthaltene Menge an PAH viel zu gering war, um Lungentumoren in der Ratte zu induzieren [22]. Es mussten also andere Teilchen ursächlich für die cancerogene Wirkung des Dieselmotorabgases sein. In weiteren Versuchen zeigte sich, dass auch Rußpartikel, die nahezu keine organischen Bestandteile angelagert hatten, nach inhalativer Aufnahme Lungentumore bei Ratten erzeugten. Die Wirkung der Partikel schien mit der Größe der Partikel und der spezifischen Partikeloberfläche zu korrelieren [23]
Epidemiologische Studien zu PM in der Außenluft
In den letzten Jahren wurde eine große Anzahl von Studien zur Wirkung von Partikeln auf die menschliche Gesundheit durchgeführt [2]
[24]
[25]. Ohne im Einzelnen auf die jeweiligen Untersuchungen einzugehen, kann zusammenfassend festgestellt werden: Große Kohortenstudien ergaben eindeutige Assoziationen zwischen verschiedenen Gesundheitsfaktoren (Gesamtmortalität, Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, bei Lungenkrebs zeichnet sich ebenfalls ein Zusammenhang ab) und PM10 und PM2,5, wobei die Assoziation mit den feinen Partikeln stärker war als mit den gröberen Partikeln. Zeitreihenuntersuchungen zeigten ebenfalls signifikante Assoziationen zwischen der Partikelexposition einerseits und der Mortalität und der Morbidität der Bevölkerung andererseits.
Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse einer Meta-Studie der WHO (2004) zu Zeitreihenuntersuchungen:
Tab. 3 Meta-Analyse Europäischer Zeitreihenstudien zu PM10 und Gesundheit: Schätzung der Effektstärke (basierend auf dem relativen Risiko und dem 95 %-Konfidenzintervall C.I.) bei einer Erhöhung der PM10-Konzentration um 10 µg/m³ (Quelle: WHO 2004) [26]. NS = nicht signifikant
gesundheitliche Auswirkungen | geschätzte Erhöhung des Risikos in % pro 10 µg/m3 PM10 (95 % C.I.) | Anzahl der Studien verfügbar für Meta-Analyse |
Mortalität insgesamt
| 0.6 % (0,4 - 0,8 %) | 33 |
Mortalität bei Atemwegserkrankung
| 1.3 % (0,5 - 2,0 %) | 18 |
Mortalität bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
| 0.9 % (0,5 - 1,3 %) | 17 |
Krankenhauseinweisung wegen Atemwegserkrankung, Alter 65+
| 0.7 % (0,2 - 1,3 %) | 8 |
Husten, Kinder von 5 - 15 Jahren mit chronischen Symptomen
| 0.0 % (- 1,3 - 1,1 %) (NS)
| 34 |
Einnahme von Medikamenten, Kinder von 5 - 15 Jahren mit chronischen Symptomen
| 0,5 % (- 1,9 - 2,9 %) (NS) | 31 |
Epidemiologische Studien zeigen einen Anstieg der Mortalität und der Morbidität insbesondere bei alten Menschen und bei Personen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Abb. [4] stellt dar, dass das Sterblichkeitsrisiko in Abhängigkeit einer Zunahme der Konzentration von 10 µg/m3 PM10 unabhängig von der Höhe der Basisbelastung ist. Das RR (relatives Risiko) bei einem Konzentrationsanstieg von 10 µg/m3 PM10 ist ungefähr an allen Orten der Welt im Mittel ungefähr gleich, auch bei Orten mit sehr niedriger Grundbelastung.
Abb. 4 Zeitreihenstudien - Zusammenhang zwischen Sterblichkeit und PM [27].
Das offensichtliche Nichtvorhandensein einer Wirkungsschwelle wird damit erklärt, dass es in einer großen Population immer auch einige Individuen gibt, die auch auf sehr niedrige PM-Konzentrationen reagieren.
Interventionsstudien zeigen weiter, dass eine Reduktion der PM-Konzentrationen einen positiven Effekt auf die menschliche Gesundheit hat [2]. Zwei Beispiele sollen hier dargestellt werden [28]:
-
Während der olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta wurde der Einfluss von Verkehrsbeschränkungen auf kindliches Asthma untersucht. Der Rückgang war teilweise signifikant. Die Verbesserung der Luftqualität betraf neben PM10 auch Ozon, Stickstoffdioxid und Kohlenmonoxid.
-
In der Children's Health Study in Südkalifornien wurde der Einfluss einer veränderten Luftschadstoffbelastung auf die longitudinale Zunahme der Lungenfunktion untersucht [29]. Bei Kindern, die aus dem Studiengebiet weggezogen waren, wurden im Follow up Lungenfunktionstests durchgeführt und mit früheren Lungenfunktionstests aus der Zeit verglichen, als die Kinder im Studiengebiet wohnten. Der Umzug in eine Gemeinde mit niedrigerer PM10-Konzentration war mit einem Anstieg der Wachstumsrate der Lungenfunktion assoziiert, und das Wegziehen in eine Gemeinde mit höherer PM10-Konzentration war mit einem reduzierten Wachstum assoziiert. Entsprechende Zusammenhänge mit Konzentrationen von O3 und NO2 waren schwächer.
Das Bundesumweltministerium hat auf Basis der vorhandenen epidemiologischen Erkenntnisse eine Abschätzung durchführen lassen, welche positiven gesundheitlichen Auswirkungen durch den großflächigen Einsatz von Partikelfiltern für Diesel-PKW zu erwarten sind [3]. Nach diesem Bericht ergibt sich unter konservativen Annahmen theoretisch ein Minderungspotenzial durch Partikelfilter in Dieselfahrzeugen von 3 µg/m3 PM2,5. Die mittlere Immissionskonzentration in Deutschland würde dabei von 15 auf 12 µg/m3 PM2,5 fallen. Die Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: Die rechnerische Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung wird durch Diesel-Ruß-Abgase um 1 bis 3 Monate reduziert.
Toxikologische Untersuchungen [2]
[24]
In den letzten 10 Jahren wurde eine große Zahl von toxikologischen in vivo und in vitro Untersuchungen publiziert. Eine ausführliche Übersicht findet sich in [30]. In Anbetracht der unbestreitbaren Evidenz der epidemiologischen Untersuchungen (s. o.) wurden toxikologische Untersuchungen hauptsächlich mit folgenden Zielrichtungen durchgeführt:
-
die medizinische Plausibilität der epidemiologischen Ergebnisse zu belegen,
-
die für die gesundheitlichen Wirkungen verantwortlichen Staubkomponenten zu ermitteln,
-
den Wirkungsmechanismus und eine Dosis-Wirkungs-Beziehung für die verantwortlichen Staubkomponenten zu analysieren.
Die toxikologischen Studien ergaben u. a. folgende Ergebnisse:
-
Die chemische Zusammensetzung der Partikel scheint die Toxizität zu beeinflussen (organische Bestandteile, Metalle).
-
Stäube aus bestimmten Quellen (z. B. Ölflugasche mit unterschiedlichen Gehalten an Übergangsmetallen) sind toxischer als andere.
-
Bisher gibt es keine Klarheit, in welchem Maße Metallverbindungen für die gesundheitlichen Auswirkungen von Partikeln verantwortlich sind.
-
Zahlreiche Studien belegen die systemische (kardiovaskuläre) Toxizität von Partikeln.
-
UFP zeigen im Tierversuch teilweise eine größere Wirkung als feine Partikel.
Das Schädigungspotenzial von UFP auf Zellen (siehe kardiovaskuläre Symptome) wird durch eine neue Untersuchung des Instituts für umweltmedizinische Forschung (IUF) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf weiter aufgeklärt [31]. Die Forschergruppe wies erstmals nach, dass sehr kleine Partikel (Durchmesser von 5 - 100 nm = 0,005 - 0,1 µm) im Gegensatz zu größeren Partikeln in den Zellkern vordringen können und die nukleare Architektur und Funktion verändern. Neben strukturellen Veränderungen wie Eiweißablagerungen blockieren diese sehr kleinen Partikel (UFP) wichtige Funktionen des Zellkerns wie die Replikation und Transskription der DNS. Ab einer Größe von 200 nm (0,2 µm) hatten diese Partikel keine Effekte auf Struktur und Funktion des Zellkerns.
Wahrscheinlichstes Schädigungsmodell [5]
Ein Erklärungsmodell [32] geht davon aus, dass vorwiegend ultrafeine Partikel, die im Alveolarbereich Kontakt mit den Pneumozyten haben, dort zur Bildung freier Radikale beitragen, die entzündliche Veränderungen auslösen. Dieses entzündliche Geschehen beeinflusst einerseits Atemwegserkrankungen und führt andererseits zu einer Freisetzung von Mediatoren aus Leukozyten und Makrophagen, die einen Anstieg der Blutkoagulabilität und dadurch der Plasmaviskosität bewirken. Sowohl die Atemwegsbeeinträchtigung selbst als auch die erhöhte Plasmaviskosität führen zu einer erhöhten Herz-Kreislauf-Belastung, woraus sich eine erhöhte Mortalität ergeben kann. Erhöhungen der Plasmaviskosität im Zusammenhang mit erhöhten Partikelkonzentrationen konnten in Smogepisoden [33] nachgewiesen werden. Ob Erhöhungen der Herzfrequenz, die ebenfalls in epidemiologischen Untersuchungen [34] demonstriert werden konnten, über eine erhöhte Plasmaviskosität oder eine Beeinflussung des vegetativen Nervensystems zustande kommen, ist noch unklar. Für letzteres könnte sprechen, dass auch eine Einschränkung der Herzfrequenz-Variabilität beobachtet wurde [35]
[36].
Eine Veröffentlichung des GSF-Forschungszentrum in Neuherberg zeigt drei mögliche Wege auf, wie ultrafeine Partikel, die von den Fresszellen wegen ihrer geringen Größe (kleiner als 100 nm) nur schlecht erkannt werden, den Organismus schädigen, vgl. Abb. [5] [37].
Abb. 5 Schädigungsmodell mit drei möglichen Wegen.
Danach können ultrafeine Partikel den Körper auf drei Wegen schädigen:
-
Zum einen beeinflussen sie das vegetative Nervensystem über Rezeptoren (links).
-
Sie können aber auch direkt durch die dünnen Membranen der Lungenbläschen in die Blutbahn eindringen und von hier aus zu jedem Organ gelangen (Mitte).
-
Als dritte Möglichkeit können UFP über Mediatoren das Lungengewebe entzünden und so Herz und Gefäße beeinträchtigen (rechts). Mögliche Folgen sind Herzrhythmusstörungen, Ischämie, endotheliale Dysfunktion, Thrombose und Arteriosklerose.
Die gesundheitspolitische Herausforderung
Die weltweit durchgeführten Studien zeigen, dass die Reduzierung der Partikelbelastung des Menschen die wichtigste lufthygienische Herausforderung unserer Zeit ist [38]. Nach Aussagen der WHO (2004) bewirkt die gegenwärtige PM-Konzentration eine Verkürzung der durchschnittlichen Lebenserwartung von 8,6 Monaten in der EU25 und von 10,2 Monaten in Deutschland u. a. durch Herz-Lungen-Krankheiten und durch Lungenkrebs.
Tab. [4] zeigt die geschätzte Wirkung der EU-Gesetzgebung auf Gesundheitsschäden durch PM10.
Tab. 4 Geschätzte Veränderungen bei durch PM hervorgerufenen Gesundheitsschäden zwischen 2000 und 2020 durch Implementierung der EU-Gesetzgebung in der EU25 und in Deutschland (Quelle: CAFE 2005) [39]
gesundheitlicher Endpunkt | Einheiten (in 1000) | 2000 | 2020 - aktuelle Gesetzgebung | Differenz 2000 - 2020 |
EU25
|
Mortalität bei Langzeitbelastung
| verlorene Lebensjahre | 3001 | 1900 | 1101 |
Mortalität bei Langzeitbelastung
| Anzahl frühzeitiger Todesfälle | 288 | 208 | 80 |
Kindersterblichkeit
| Fälle | 0,6 | 0,3 | 0,3 |
chronische Bronchitis
| Fälle | 136 | 98 | 37 |
Krankenhauseinweisung wegen Atemwegserkrankung
| Fälle | 51 | 33 | 19 |
Krankenhauseinweisung wegen Herzerkrankung
| Fälle | 32 | 20 | 12 |
Tage mit eingeschränkter Aktivität
| Tage | 288 292 | 170 956 | 117 336 |
Einnahme von Atemwegsmedikamenten (Kinder)
| Tage | 3510 | 1549 | 1961 |
Einnahme von Atemwegsmedikamenten (Erwachsene)
| Tage | 22 990 | 16 055 | 6935 |
Symptome der unteren Atemwege (Kinder)
| Tage | 160 349 | 68 819 | 91 529 |
Symptome der unteren Atemwege bei Erwachsenen mit chronischer Erkrankung
| Tage | 236 498 | 159 723 | 76 773 |
Deutschland
|
Mortalität bei Langzeitbelastung
| verlorene Lebensjahre | 657 | 413 | 244 |
Mortalität bei Langzeitbelastung
| Anzahl frühzeitiger Todesfälle | 65 | 48 | 17 |
Kindersterblichkeit
| Fälle | 0,09 | 0,05 | 0,04 |
chronische Bronchitis
| Fälle | 31 | 21 | 10 |
Krankenhauseinweisung wegen Atemwegserkrankung
| Fälle | 11 | 7 | 4 |
Krankenhauseinweisung wegen Herzerkrankung
| Fälle | 7 | 4 | 3 |
Tage mit eingeschränkter Aktivität
| Tage | 63 832 | 36 216 | 27 616 |
Einnahme von Atemwegsmedikamenten (Kinder)
| Tage | 781 | 324 | 457 |
Einnahme von Atemwegsmedikamenten (Erwachsene)
| Tage | 5166 | 3522 | 1645 |
Symptome der unteren Atemwege (Kinder)
| Tage | 32 291 | 13 406 | 18 884 |
Symptome der unteren Atemwege bei Erwachs. mit chron. Erkrankung.
| Tage | 52 636 | 34 993 | 17 644 |
Tab. [4] zeigt, dass die bestehenden Rechtsnormen (EU und Deutschland - s. u.) in der Lage sind, PM-Emissionen, die Immissionskonzentrationen und die damit in Zusammenhang stehenden Gesundheitseffekte deutlich zu senken. Voraussetzung ist allerdings, dass die festgesetzten Grenzwerte eingehalten werden.
Im Einzelnen werden in der EU durch die Anwendung der Rechtsnormen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 die Krankheitseffekte durch PM um rund ein Drittel bis zur Hälfte gesenkt, z. B.:
-
Reduzierung des Lebenszeitverlustes (Sterblichkeit - Langzeiteinwirkung) durch PM10-Belastung um 1,1 Mio. Jahre (von ca. 3 Mio. Jahren),
-
Reduzierung der Kindersterblichkeit von 600 auf 300 Fälle,
-
Reduzierung der chronischen Bronchitis von 136 000 auf 98 000 Fälle und
-
Reduzierung der Krankenhauseinweisungen wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 32 000 auf 20 000 Fälle.
Für Deutschland ergeben sich ungefähr gleiche proportionale Verhältnisse.
Das rechtliche Instrumentarium
Das rechtliche Instrumentarium
In der EU basiert das System der Luftreinhaltungsgesetzgebung in erster Linie auf der EU-Richtlinie über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität und den hierzu erlassenen Tochterrichtlinien sowie der NEC-Richtlinie [40]. Das neue Luftqualitätsrecht der EU [41] wurde umgesetzt durch die 7. Novelle des BImSchG und die 22. und 33. BImSchV.
Die 7. Novelle des BImSchG hat im Wesentlichen folgende Neuerungen eingeführt:
-
§ 45 BImSchG: die allgemeine Pflicht der Behörden, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Immissionswerte sicherzustellen.
-
§ 47 BImSchG: Pflicht zur Aufstellung von Luftreinhalteplänen, wenn die Grenzwerte der 22. BImSchV (einschließlich der dort festgesetzten Toleranzmargen) überschritten werden bzw. von Aktionsplänen bei Gefahr der Überschreitung bzw. eingetretener Überschreitung bereits geltender Grenzwerte. Die Maßnahmen richten sich entsprechend dem Verursacheranteil unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Verursacher.
-
§ 40 BImSchG: Pflicht der Straßenverkehrsbehörde zur Durchführung von Verkehrsbeschränkungen oder -verboten, soweit diese im Luftreinhalte- oder Aktionsplan aufgeführt sind.
Die 22. BImSchV enthält vier wesentliche Regelungselemente:
-
Immissionsgrenzwerte für SO2, NO2, NOx, PM10, Blei, Benzol und CO sowie Alarmschwellen für SO2 und NO2; Schutzziele sind die menschliche Gesundheit und die Ökosysteme; im Falle von SO2 und NOx dient sie auch dem Schutz von Ökosystemen und der Vegetation .
-
detaillierte Vorgaben für die allen Mitgliedstaaten auferlegte so genannte Beurteilung der Luftqualität;
-
eine Konkretisierung der Luftreinhalteplanung für Gebiete und Ballungsräume mit erheblichen Luftverunreinigungen sowie
-
Publikationspflichten gegenüber der EU-Kommission und Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit.
Ziel der 22. BImSchV ist die Vermeidung, Verhütung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt.
Für PM10 ist wichtig, dass sich aus epidemiologischen Studien kein Wirkungsschwellenwert ableiten lässt, unterhalb dessen gesundheitliche Auswirkungen nicht mehr festzustellen sind [9]
[42]. Deshalb müssen für PM10 besonders strenge Maßstäbe an die Einhaltung der Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit gelegt werden (Mindestanforderungen). Ein Aufweichen dieser Grenzwerte, wie dies teilweise politisch gefordert wird, da man sich Problemen bei der Umsetzung der 22. BImSchV ausgesetzt sieht, ist unter dieser Prämisse nicht akzeptabel.
In der 22. BImSchV werden folgende Grenzwerte für PM10, die ab dem Jahr 2005 gelten, festgelegt [43]:
Tab. 5 PM10-Grenzwerte der 22. BImSchV [44]
Stoff | Art des Grenzwertes | Grenzwert | erlaubte Überschreitungen | Zeitpunkt der Einhaltung |
PM10
| 24-Stundenmittel | 50 µg/m3
| 35 Tage/Jahr | 1.1.2005 |
| Jahresmittel | 40 µg/m3
| - | 2005 |
Weiterhin sind Immissionsgrenzwerte für SO2 und NO2 in der 22. BImSchV festgelegt, deren Schutzziel die Vermeidung, Verhütung oder Verringerung schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt ist. Die Einhaltung dieser Grenzwerte trägt auch zur Verminderung der sekundären Feinstaubbildung bei.
Tab. 6 SO2-und NO2-Grenzwerte der 22. BImSchV
Stoff | Art des Grenzwertes | Grenzwert | erlaubte Überschreitungen | Zeitpunkt |
SO2
| 1-Stundenmittel | 350 µg/m3
| 24 Stunden/Jahr | 1.1.2005 |
| 1-Tagesmittel | 125 µg/m3
| 3 Tage/Jahr | 1.1.2005 |
NO2
| 1-Stundenmittel | 200 µg/m3
| 18 Stunden/Jahr | 1.1.2010 |
| Jahresmittel | 40 µg/m3
| | 2010 |
Die beiden übrigen Vorläufersubstanzen NH3 und NMVOC sind neben SO2 und NOx in der 33. BImSchV geregelt (Umsetzung der NEC-Richtlinie). Diese Verordnung regelt die Emissionsminderung über nationale Höchstmengen.
Tab. 7 Emissionen in D und Emissionshöchstmengen für D in der 33. BImSchV und im UN-ECE-Protokoll
Emissionen und Emissionshöchstmengen | SO2 (kt) | NOx (kt) | NH3 (kt) | NMVOC (kt) |
Emissionshöchstmengen der 33. BImSchV 2010
| 520 | 1051 | 550 | 995 |
Emissionshöchstmengen des UN-ECE-Protokolls 2010
| 550 | 1081 | 550 | 995 |
Emissionen in Deutschland im Jahre 2000
[11]
| 634 | 1634 | 602 | 1697 |
Handlungsmöglichkeiten zur Reduzierung der Feinstaubbelastung
Handlungsmöglichkeiten zur Reduzierung der Feinstaubbelastung
Die erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen, die durch Feinstaub hervorgerufen werden (s. o.), verlangen, die Immissionsbelastung mit Partikeln so weit wie möglich zu senken. Die Immissionsgrenzwerte müssen in jedem Fall eingehalten werden. Hierzu sind Minderungsmaßnahmen in allen Quellgruppen und auf allen Ebenen parallel durchzuführen. Diese Maßnahmen, die sich gegenseitig beeinflussen und ergänzen, beziehen sich sowohl auf die Reduzierung von primären Partikeln als auch der Vorläufersubstanzen von sekundären Partikeln (SO2, NOx, NH3, NMVOC) und sollten auf
wirken. Als Akteure sind somit angesprochen: UN-ECE, EU, Bund, Land, Kommune, Industrie und Bürger.
Auf UN-ECE und EU-Ebene sind weitere internationale Vereinbarungen und Regelungen (NEC) anzustreben, die die Hintergrundbelastung durch eine Reduktion der Ferntransportlasten europaweit senken. Der Bund initiiert gegenwärtig solche Aktivitäten.
Die EU ist gefordert, über die geschaffenen Regelungen zur Luftqualität hinaus, für Dieselfahrzeuge verschärfte Grenzwerte festzulegen, damit der Partikelfilter für alle Fahrzeuge verbindlich wird. Dies würde neben einer Entlastung an Hot Spots zu einer Reduktion der Emissionen im städtischen und regionalen Hintergrund führen. Hierzu liegt zwischenzeitlich ein Vorschlag für Pkws vor, der für Partikel einen befriedigenden Grenzwert enthält und der zügig beschlossen werden soll.
Der Bund hat, wie oben dargestellt, in den letzten Jahren die erforderlichen rechtlichen Instrumente für alle Quellbereiche geschaffen, um die Partikelbelastung deutlich senken zu können. Im Quellbereich Industrie und Gewerbe bieten die novellierte TA Luft und verschiedene andere Rechtsverordnungen den zuständigen Vollzugsstellen ausreichende Handlungsmöglichkeiten [45],die Hintergrundbelastung zu senken.
Der Vollzug der Gesetze und Verordnungen liegt in unserem föderalen System im Aufgabenbereich der Länder. Diese müssen die geeigneten Maßnahmen ergreifen. Die Maßnahmen an den einzelnen Quellen senken nicht nur die Immissionsbelastung im unmittelbaren Umfeld der Quelle, sondern tragen damit insgesamt auch zur Senkung der regionalen Hintergrundbelastung bei, die ebenfalls zur Grenzwertüberschreitung beiträgt.
Sind Grenzwertüberschreitungen bereits eingetreten, müssen in erster Linie kurzfristig wirkende Aktionspläne aufgestellt werden, in denen unter Abwägung der örtlichen Verhältnisse die geeigneten Maßnahmen aufzuführen sind, mit denen die Luftbelastung kurzfristig unter den Grenzwert abgesenkt werden kann.
Die meisten Überschreitungen der Grenzwerte treten in der Nähe von stark befahrenen Straßen auf. Neben dem vollständigen Fahrverbot (z. B. für Dieselfahrzeuge ohne Filter) sind auch weniger einschneidende Handlungsmöglichkeiten denkbar, die natürlich in geringerem Umfang zu Immissionsminderungen führen. Sind die Grenzwerte nur mit Fahrverboten (z. B. für Diesel-Kfz ohne Partikelfilter) zu erreichen, so sind diese zu erlassen. Eine solche Maßnahme ist auch verhältnismäßig, da es nahezu für alle Diesel-Pkw und Lkw Nachrüstungsmöglichkeiten gibt. Die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit steht nicht zur Abwägung. Den Fahrzeughaltern muss allerdings ausreichend Zeit gegeben werden, um die Nachrüstmöglichkeiten nutzen zu können.
Im Vergleich mit den kurzfristig wirkenden Maßnahmen sind mittelfristig wirkende Handlungsmöglichkeiten vorzuziehen, weil sie weniger drastische Eingriffe zur Folge haben und zu nachhaltigeren Ergebnissen führen. Daher haben die EU und der Bund die geltenden Immissionsgrenzwerte, die die Handlungsnotwendigkeiten auslösen, mit sehr langen Vorlaufzeiten ausgestaltet.
Die mittelfristig wirkenden Maßnahmen sind in der Regel komplexer Natur. Sie tragen Überschriften wie:
Diese Handlungsmöglichkeiten dienen nicht nur der Luftqualität sondern der gesamten Lebensqualität in unseren Städten. Die Elemente dieses Handlungsfeldes sind sehr kompetent und prägnant durch die EU-Kommission in der „Thematischen Strategie für städtische Umwelt” abgehandelt [46].
Will man das Feinstaubproblem grundsätzlich und umfassend bekämpfen, müssen die langfristigen Maßnahmen alle Quellgruppen umfassen, um insbesondere die Hintergrundbelastung deutlich senken zu können. Mit einer geringeren Hintergrundbelastung wird gleichzeitig auch die Gefahr von Grenzwertüberschreitungen an den lokalen Hot Spots verringert. Die Reduzierung der lokalen Immissionsbelastung an den Hot Spots senkt aber gleichzeitig auch die Hintergrundbelastung. Die Maßnahmen bedingen sich also gegenseitig. Auf keine kann mit Hinweis auf andere mögliche Maßnahmen verzichtet werden [10]
[12].