(Urteile des SG Dortmund vom 22.09.2003 - S 8 KR 184/02, des SG München vom 23.05.2003
- S 44 KR 525/01 und des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.02.2005 - L 8/14 KR
186/04)
Einleitung
Einleitung
Die mit sog. "offenen Kernspintomographen" erbrachten Untersuchungsleistungen in der
Kernspintomographie sind aufgrund mehrerer sozialgerichtlicher Entscheidungen nicht
Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung. Patienten, die sich diese Leistung selbst
beschaffen, können daher keine Kostenübernahme von ihrer Krankenkasse hierfür verlangen.
Die genannten Urteile reihen sich in eine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts zur Übernahme der Kosten neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
durch die Krankenkassen ein (vgl. BSG NZS 2003, S. 206 ff.). Lehnt die Krankenkasse
im Vorfeld die Erstattung einer bestimmten Leistung ab, bleibt dem Versicherten, sofern
er die Behandlung dennoch durchführen lässt, lediglich die Kostenerstattung nach §
13 III SGB V. Diese kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die selbst beschaffte
Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von der gesetzlichen Krankenkasse
als Sachleistung zu erbringen ist (BSGE 81, 54; BSG Beschluss vom 13.01.2003, Az.:
B 1 KR 9/02 B).
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen nach § 135 Abs. 1 SGB V in der
vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn
der Gemeinsame Bundesausschuss - GBA - in seinen Richtlinien nach § 92 I 2 Nr. 5 SGB
V (sog. BUB-Richtlinien) positive Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen
und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat und wenn anschließend
der Bewertungsausschuss eine Aufnahme dieser Leistung in den EBM nach § 87 SGB V beschließt.
"Neu" ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistung stets dann,
wenn der EBM noch nicht über eine entsprechende Abrechnungsziffer für diese Leistung
verfügt. Liegt eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (noch) nicht vor,
ist die Kostenerstattung nach ständiger Rechtsprechung abzulehnen, es sei denn, der
Gemeinsame Bundesausschuss - GBA - hat über die Anerkennung einer Methode trotz Feststellung
ihrer Wirksamkeit ohne sachlichen Grund nicht oder nicht zeitgerecht entschieden -
sog. Systemversagen - (BSGE 81, 54).
Sachverhalte
Sachverhalte
1. In dem der Entscheidung des SG Dortmund zugrunde liegenden Fall befand sich die Klägerin
seit März 2001 wegen Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule in Behandlung eines
Universitätsklinikums. Dieses überwies die Klägerin am 27.09.2001 zu einem Facharzt
für Radiologie zwecks Durchführung einer offenen MRT bei Halswirbelsäulenbeschwerden.
Die Klägerin beantragte daraufhin die Kostenübernahme bei der Beklagten, die ihrerseits
den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) um Erstellung eines Gutachtens bat.
Im Gutachten vom 26.11.2001 führte der MDK u.a. aus, dass aus den bisher durchgeführten
Untersuchungen kein hinreichender Anhalt für diese Zusatzuntersuchung zu ersehen,
des Weiteren festzustellen sei, dass aus dem zu erwartenden Befund keinerlei Konsequenz
für therapeutische Maßnahmen folge und schließlich der Aussagewert geschlossener MRT-Untersuchungen
dem der offenen MRT deutlich überlegen sei. Die beantragte Therapie komme allenfalls
in Ausnahmefällen nicht medikamentös behandelbarer Klaustrophobie in den Bereich der
Kostenerstattung. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.12.2001 den Antrag
der Klägerin auf Kostenübernahme ab.
Die Klägerin, die die beantragte Maßnahme bereits am 19. und 20.11.2001 (also vor
Erhalt des Ablehnungsbescheids) gegen Zahlung von 1.833,22 € hatte durchführen lassen,
wandte sich gegen den Ablehnungsbescheid mit Widerspruch. Nach Aussage der behandelnden
Ärzte sei eine Untersuchung auf eine ligamentäre Verletzung nur in einem offenen Kernspintomographen
in Funktionsstellung der Kopfgelenke möglich, die Darstellung im herkömmlichen MRT
sei insoweit nicht aussagekräftig.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, da es sich bei der offenen MRT um eine noch
nicht allgemein anerkannte Untersuchungsmethode handle und eine Entscheidung des Gemeinsamen
Bundesausschusses nicht vorliege. Ferner entsprächen die verfügbaren Geräte nach Auffassung
des MDK, der Deutschen Röntgengesellschaft und des Berufsverbandes Deutscher Radiologen
nicht der gemäß § 135 I Nr. 2 SGB ergangenen Kernspintomographie-Vereinbarung.
Die Klägerin begehrte nunmehr unter Aufhebung des Widerspruchbescheids die Kostenerstattung.
Ergänzend trug sie vor, die ganze weitere Therapie sei von der Funktionsdiagnostik
abhängig gewesen; es habe die reale Gefahr einer Querschnittslähmung bestanden.
2. Im Fall des SG München beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine diagnostische
Untersuchung in einem offenen Kernspintomographen. Zur Begründung führte sie aus,
sie leide an Klaustrophobie. Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da es
sich bei der begehrten Untersuchung um eine Leistung außerhalb des Systems handle
und es auch keine fundierten wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine mit dem herkömmlichen
Kernspintomographen vergleichbare Wirksamkeit gebe. Im Folgenden ließ die Klägerin
die Untersuchung durchführen und legte gegen den ablehnenden Bescheid unter Vorlage
eines nervenärtzlichen Attests über ihre Klaustrophobie Widerspruch ein, den die Beklagte
zurückwies. Mit der Klage verfolgte sie die Aufhebung des Widerspruchbescheids sowie
die Kostenerstattung der Untersuchungskosten in Höhe von 568,52 € durch die Beklagte.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
Sowohl das SG Dortmund als auch das SG München haben die zulässigen Klagen abgewiesen,
weil die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - § 13
III SGB V - nicht vorlagen. Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe nur zu
erstatten, soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig
erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
1. Eine Kostenerstattung wegen einer zu Unrecht abgelehnten Leistung kam in dem Fall
des SG Dortmund nicht in Betracht, da die Klägerin den durch § 13 SGB V vorgeschriebenen
Beschaffungsweg schon nicht eingehalten hatte. Zwar hatte die Beklagte die Leistung
abgelehnt; die Ablehnung erfolgte aber erst nach Durchführung der offenen Kernspintomographie.
Es fehlte daher bereits am notwendigen Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung und selbst
beschaffter Leistung.
Auch lag keine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 III SGB V vor. Diese setzt
regelmäßig das Vorliegen eines Notfalls im Sinne des § 76 I 2 SGB V voraus, wofür
jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
Ergänzend wies das Gericht darauf hin, eine Kostenerstattung wäre zudem daran gescheitert,
dass die offene Kernspintomographie nicht gemäß § 135 SGB V zu Lasten der gesetzlichen
Krankenversicherung erbracht werden könne. Gemäß § 135 I SGB V seien neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden nur erstattungsfähig, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und
Krankenkassen (nunmehr der Gemeinsame Bundesausschuss - GBA) auf Antrag in Richtlinien
nach § 92 I Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen
und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit
und Wirtschaftlichkeit. Eine solche Empfehlung lag indes nicht vor. Auch habe das
Gericht keinerlei Anzeichen für das Vorliegen eines Systemmangels erkennen können:
weder habe die Funktionsdiagnostik zu der streitentscheidenden Zeit im November 2001
in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden noch sei sie von
einer erheblichen Zahl von Ärzten bereits angewandt worden.
2. Das SG München verneinte, ausgehend von § 13 III SGB V, zunächst eine unaufschiebbare
Leistung, da für eine dringende Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin mit einem erheblichen
Risiko für den Gesundheitszustand keine Anhaltspunkte bestanden hätten. Auch seien
keine Hinweise auf ein Systemversagen gegeben.
Schließlich scheiterte der Anspruch der Klägerin nach Ansicht des Gerichts daran,
dass die Untersuchung mit dem offenen Kernspintomographen keine Leistung der gesetzlichen
Krankenversicherung sei und die Beklagte die Kostenübernahme daher zu Recht abgelehnt
habe. Bei der in Rede stehenden Untersuchung handele es sich um eine Untersuchungsmethode,
deren Erstattungsfähigkeit nicht von Fall zu Fall durch die Krankenkassen oder die
Gerichte, sondern für die gesamte ambulante Versorgung einheitlich durch den Bundesausschuss
der Ärzte und Krankenkassen (jetzt Gemeinsamer Bundesausschuss - GBA) als sachkundiges
Gremium entschieden werde, um so eine an objektiven Maßstäben orientierte und gleichmäßige
Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Mangels einer entsprechenden Empfehlung
des Gremiums durfte die Beklagte die geltend gemachten Kosten nicht erstatten. Eine
Überprüfung im Einzelfall müsse angesichts der gesetzlichen Regelung ausscheiden.
Würdigung
Würdigung
Die Urteile sind zwar im Ergebnis zutreffend, weil sie zu dem Ergebnis gelangen, dass
Untersuchungsleistungen mit einem offenen Kernspintomographen in der GKV nicht vergütet
werden können. Der Grund hierfür liegt jedoch primär darin, dass diese Geräte nicht
die nach der Anlage 1 der Kernspintomographie-Vereinbarung bestehenden Vorgaben an
die apparative Mindestausstattung erfüllen. Dagegen bestehen Zweifel, dass es sich
bei der offenen Kernspintomographie um eine "neue" Untersuchungsmethode handelt, über
die der Bundesausschuss noch gemäss § 135 Abs. 1 SGB V in den BUB-Richtlinien zu entscheiden
hat. Andernfalls wäre die nun erfolgte Anerkennung der sog. MRT-Angiographie durch
den Bewertungssausschuss als Kassenleistung kaum nachvollziehbar. Für MRT-Angiographien
ist nach der anfänglich geführten Diskussion um deren Eigenschaft als vertragsärztliche
Leistung im EBM nun ein eigener Abschnitt (34.4.7) aufgenommen worden ohne, dass es
einer Entscheidung des Bundesausschusses in den BUB-Richtlinien bedurft hätte, da
es sich bei der MRT-Angiographie nicht um eine "neue" Untersuchungsmethode im Sinne
des § 135 Abs. 1 SGB V handelt. Das BSG hat bereits an anderer Stelle entschieden,
dass der Bundesausschuss nur dann über ein diagnostisches oder therapeutisches Verfahren
sein Votum abgegeben muss, wenn diese Leistung nicht bereits Teil des EBM ist bzw.
mit den im EBM abgebildeten Leistungen nicht vergleichbar ist. Andererseits hat das
BSG bis heute keine klare Abgrenzung dahingehend vorgenommen, unter welchen Voraussetzungen
innovativen Formen einer bereits im EBM enthaltenen Leistung, wie hier die Kernspintomographie,
als "neue" Leistungen anzusehen sind, so dass es vor deren Aufnahme in den EBM einer
Entscheidung des GBA bedarf.