Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(4): 386-387
DOI: 10.1055/s-2005-915947
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arthroskopische Tuberoplastik bei irreparabler Rotatorenmanschettenruptur

Further Information

Publication History

Publication Date:
26 August 2005 (online)

 
Table of Contents
Zoom Image

Dr. Rico Listringhaus

Zur Behandlung der nicht rekonstruierbaren Rotatorenmanschettenruptur sind bisher viele Behandlungsmöglichkeiten beschrieben worden. Neben der konservativen Therapie sind diverse operative Verfahren in offener oder arthroskopischer Form entwickelt worden. Hierzu zählen Debridements, Verlagerungsoperationen von M. latissimus dorsi, M. pectoralis major, M. deltoideus, der Bizepssehne, sowie das Einnähen von synthetischen Patches. In der letzten Zeit wird zunehmend auch eine endoprothetische Versorgung insbesondere mit inversen Prothesen in Betracht gezogen.

Diese Operationsverfahren sind zum Teil komplexe und stark traumatisierende Eingriffe mit aufwändigem postoperativem Prozedere. Viele Patienten, welche eine solche Schädigung der Rotatorenmanschette aufweisen, lehnen aufgrund des Alters, des Operationsrisikos aufgrund der Größe des Eingriffs und der aufwändigen Nachbehandlung solch invasive Eingriffe ab.

Falls also eine direkte Rekonstruktion der Rotatorenmanschette nicht möglich ist, kann ein Debridement mit einem dekomprimierenden Eingriff die einzig sinnvolle operative Option, im Sinne des kleinstmöglichen Eingriffs, sein. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass viele dieser Patienten keine hohen funktionellen Ansprüche an das Schultergelenk stellen und eine gewünschte Schmerzreduktion im Vordergrund steht. Es existieren einige Veröffentlichungen, die über gute Resultate nach subakromialer Dekompression beim irreparablen Rotatorenmanschettendefekt berichten (Rockwood 1995).

In letzter Zeit wurden Bedenken hinsichtlich der langfristigen Stabilität des Humeruskopfes geäußert, da von einigen Autoren die Beobachtung gemacht wurde, dass es nach einer subakromialen Dekompression bei einem großen Rotatorenmanschettendefekt zu einer kranialen Migration des Humeruskopfes kommen kann (Flatow 1996, Lazarus 1996). Ursächlich ist das Fehlen der Depressoren des Humeruskopfes anzunehmen, was schlussendlich in einer antero-superioren Instabilität münden kann. Daher wurde zuletzt der Erhaltung des korakoakromialen Bogens zur Vermeidung einer weiteren kranialen Migration des Humeruskopfes deutlich mehr Bedeutung beigemessen, da einige Studien den Nachweis erbringen, dass ein intakter korakoakromialer Bogen diese Instabilität verhindern kann.

Auf der anderen Seite haben viele erfahrene Operateure die Beobachtung gemacht, dass bei einer alten retrahierten Rotatorenmanschettenruptur oft Osteophyten im Footprintareal der ehemaligen Supraspinatusinsertion entstehen. Da es erforderlich ist, eine ausreichende Dekompression des subakromialen Raumes für eine gute Schmerzreduktion zu erreichen, besteht eventuell die Möglichkeit, dieses Ziel über die Resektion dieser Osteophyten vom Humeruskopf zu erreichen. Fenlin et al. haben als erste 2002 über dieses Konzept berichtet, indem sie über einen offenen Zugang diese Tuberoplastik durchführen. Scheibel et al. haben 2004 Resultate über ein arthroskopisches Vorgehen im Sinne einer inversen subakromialen Dekompression publiziert, wobei sie auch das Problem des vorderen Schulterschmerzes, welcher von der langen Bizepssehne verursacht werden kann, berücksichtigt haben.

Das Ziel unserer prospektiven Untersuchung war, unsere Erfahrungen mit einem arthroskopischen Debridement, Tuberoplastik und gegebenenfalls Bizepssehnentenotomie bei entsprechender Sehnenpathologie bei älteren Patienten mit niedrigen funktionellen Ansprüchen bei einer großen, irreparablen Rotatorenmanschettenruptur zu evaluieren.

#

Ältere Patienten nach erfolgloser konservativer Behandlung

Insgesamt wurden 37 Patienten in beschriebener Weise operativ behandelt, wobei 32 vollständig ausgewertet werden konnten.

Es erfolgte eine standardisierte Nachuntersuchung nach 6, 12 und 24 Monaten postoperativ unter Einschluss einer sonographischen Untersuchung. Eine radiologische Untersuchung, ap-, outletview- und transaxial, führten wir präoperativ, unmittelbar postoperativ und 24 Monate postoperativ durch. Die Ergebnisse wurden mittels alterskorrigiertem Constant Score ausgewertet.

Es wurden 11 Frauen und 21 Männer vollständig nachuntersucht. Sie waren zwischen 61-86 Jahre alt. Das Durchschnittsalter betrug 71 Jahre. In 22 Fällen war der dominante Arm betroffen. Anamnestisch gaben 10 Patienten ein kleineres Trauma zu Beschwerdebeginn an. In keinem Fall war die betroffene Schulter voroperiert. Der Zeitraum zwischen dem ersten Auftreten von Symptomen und erfolglosem konservativen Therapieversuch und der operativen Intervention betrug durchschnittlich 8 Monate (3-24 Monate).

Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich bei allen Patienten ein positives Impingement und ein positiver Jobe-Test. Bei 18 Patienten war das drop-arm-sign positiv.

Radiologisch lag in allen Fällen maximal eine Arthrose Stadium 1 des Glenohumeralgelenkes nach Samilson und Prieto vor. Bei allen Patienten zeigte sich eine ACG-Arthrose. Sonographisch zeigte sich in allen Fällen zumindest ein Totaldefekt Stadium 1 nach Ellmann.

#

Das Operationsverfahren

Es erfolgte in allen Fällen eine arthroskopische Operation der Schulter. Nach Anlage des dorsalen und des lateralen Zuganges wurde zunächst eine Bursektomie, nachfolgend ein Debridement des Rotatorenmanschettenansatzes und ein Abtragen des Osteophyten am Humeruskopf durchgeführt. Im Anschluss wurden kaudale Osteophyten des Akromioklavikulargelenkes entfernt, ohne die Integrität des korakoakromialen Bogens mit dem Lig. coracoacromiale zu verletzen.

Zoom Image

Abb. 1: Tuberoplastik intraoperativ.

Intraoperativ zeigte sich in allen Fällen eine Supraspinatussehnenruptur. Zehnmal war eine Infraspinatusruptur zu erkennen. Bei 26 Patienten war das Intervall betroffen und dreizehnmal ein Subscapularispartialdefekt erkennbar. Drei Subscapulariskomplettrupturen waren in dem Patientenkollektiv vorhanden. In vierzehn Fällen zeigte sich eine Instabilität/ Luxation bzw. ein Defekt der langen Bizepssehne, welcher jeweils mit einer Tenotomie behandelt wurde. In acht Fällen war die Bizepssehne bereits rupturiert. Postoperativ wurde bei allen Patienten eine sofortige freie aktive Mobilisierung der Schulter ohne Limitierungen unter physiotherapeutischer Anleitung begonnen. Begleitend erfolgte eine passive Mobilisierung in einer Motorschiene.

Zoom Image

Abb. 2: Luxation der langen Bizepssehne.

#

Postoperativ weniger Schmerzen und mehr Kraft

Operationsbedingte Komplikationen traten nicht auf. Im alterskorrelierten Constant Score ist eine Verbesserung von präoperativ 64% auf 89% nach sechs Monaten postoperativ zu erkennen. Insgesamt zeigte sich bei 28 Patienten ein exzellentes bzw. gutes postoperatives Ergebnis. Bei drei Schultern konnte ein zufrieden stellendes und bei zwei nur ein schlechtes Resultat festgehalten werden, wobei bei allen diesen fünf Patienten die Bizepssehne jeweils belassen wurde, da sie zum Operationszeitpunkt nicht den Kriterien für eine Tenotomie entsprach. Diese Patienten klagten zum letzten Nachuntersuchungszeitpunkt vorrangig über einen ventralen Schulterschmerz.

Der Schmerzscore des Constant Score verbesserte sich von 7,2 auf 13,4 nach 24 Monaten postoperativ, wobei alle Patienten eine Besserung der Schmerzsituation beschrieben. Der Score in der Kategorie Aktivitäten des täglichen Lebens wurde ein Anstieg von 11,1 präoperativ auf 34,3 nach 24 Monten erreicht. Im ROM-Score zeigte sich eine Besserung von 27,2 auf 34,3 nach 24 Monaten. Der Kraftscore stieg leicht von 2,8 auf 4,3. Radiologisch zeigte sich ein präoperativ mittlerer akromiohumeraler Abstand von 5,5 mm (2-7mm). 24 Monate postoperativ hatte sich dieser auf durchschnittlich 4,6 mm (2-7mm) geändert.

#

Verhinderung des Impingements bei leichtgradigem Höhertreten des Humeruskopfes

Zur Behandlung der nicht rekonstruierbaren Rotatorenmanschettenruptur sind diverse operative Verfahren beschrieben worden. Für ältere Patienten mit niedrigeren funktionellen Ansprüchen kann die Durchführung eines kleinstmöglichen Eingriffes sinnvoll sein, um eine Verbesserung der Schmerzsituation zu erreichen. Mittels Akromioplastik, Resektion des Lig. coracoacromiale und Glättung der Rotatorenmanschette bei irreparabler Ruptur von Supra- und Infraspinatussehne konnten Rockwood et al. eine 83% Zufriedenheit der Patienten nach 6,5 Jahren erreichen. Allerdings kann es infolge dessen zu einer Instabilität des Humeruskopfes nach kranial kommen. So berichtete Wiley über vier Patienten mit Luxation des Humeruskopfes nach kranial nach Durchtrennung des Lig. coracoacromiale und Dekompression.

Bei der Tuberoplastik wird ein Impingement unter dem intakten korakoakromialen Bogen verhindert, sodass es nur zu einem leichtgradigen Höhertreten des Humeruskopfes kommt, wie unsere Untersuchung zeigt. Unklar ist, ob dieses auch bei längerfristiger Beobachtung durch diese Methode vermieden werden kann.

Die Rolle der langen Bizepssehne ist allerdings noch nicht eindeutig definiert. Zum einen ist die kaudalisierende Komponente auf den Humeruskopf zu berücksichtigen, zum anderen scheint eine Schmerz verursachende Komponente bei zunehmender Degeneration der langen Bizepssehne möglich. Insgesamt zeigt sich in unserer Patientengruppe ein wesentlicher Anstieg des alterskorrelierten Constant Score nach 24 Monaten, insbesondere die in diesem Kollektiv relevanten Parameter Schmerz und Aktivitäten des täglichen Lebens zeigen einen deutliche Verbesserung. Zusammenfassend lässt sich die Methode der Tuberoplastik als ein risikoarmes Verfahren zur Behandlung der irreparablen Rotatorenmanschettenruptur beschreiben, bei welchen mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand eine Besserung der Situation des Patienten zu erreichen ist.

Literatur beim Verfasser

Dr. Rico Listringhaus, Dr. R. Heikenfeld, Prof. Dr. Georgios Godolias, Klinik für Orthopädie am Lehrstuhl für Radiologie und Mikrotherapie Universität Witten/Herdecke, St. Anna Hospital Herne

 
Zoom Image

Dr. Rico Listringhaus

Zoom Image

Abb. 1: Tuberoplastik intraoperativ.

Zoom Image

Abb. 2: Luxation der langen Bizepssehne.