psychoneuro 2005; 31(9): 409-410
DOI: 10.1055/s-2005-917972
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bipolare Störungen und Epilepsien - Neue Therapieoptionen mit Valproinsäure - Mikroperlen

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Publication Date:
06 October 2005 (online)

 
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Bipolare Störungen und Epilepsien weisen nicht nur in der klinischen Symptomatik (anfallsweiser bzw. episodenhafter Verlauf, affektive Veränderungen) Gemeinsamkeiten auf, sondern möglicherweise auch - zumindest teilweise - hinsichtlich beteiligter neurophysiologischer Prozesse, wie beispielsweise dem so genannten Kindling ([10]). Aus der Epilepsieforschung ist bekannt, dass Nervenzellen durch elektrische Stimulation, die noch nicht krampfauslösend ist, im Laufe der Erkrankung sensitiver reagieren. Ähnliches gilt auch für bipolare Störungen. Werden diese nicht adäquat behandelt, werden die Muster im zentralen Nervensystem sozusagen verstärkt, bis schließlich bipolare Episoden fast ohne erkennbare Auslöser auftreten. Für beide Erkrankungen gibt es außerdem Hinweise, dass die Prognose umso schlechter ist, je mehr Episoden aufgetreten sind.

Pharmaka, die diesem Kindling-Phänomen etwa durch Normalisierung von transmembranösen Ionenströmen entgegenwirken, können durchaus Wirksamkeit bei beiden Erkrankungen erkennen lassen. Hierzu zählen die Antiepileptika Carbamazepin, Valproat und Lamotrigin sowie eventuell auch einige neuere Antiepileptika wie Oxcarbazepin oder Levetiracetam. Wie Dr. Heinz Grunze, München, auf einer Pressekonferenz im Juli vorstellte, besteht bei der Therapie bipolarer Störungen gegenwärtig neben Carbamazepin die größte Erfahrung mit Valproat.

Die Effizienz von Valproat in der Akuttherapie der Manie konnte in zahlreichen kontrollierten Studien seit Beginn der 90er-Jahre verifiziert werden (z.B. [1], [4], [7], [8]). Auch einen Vergleich zu neuen Atypika wie Olanzapin hält Valproat stand ([11]). Bezüglich der Langzeittherapie ergeben sich laut Grunze für Valproat sowohl im Vergleich zu Plazebo und Lithium ([2], [5]) als auch im Vergleich zu Olanzapin ([10]) bei bipolaren Patienten genügend Hinweise für eine gute Wirksamkeit bei gleichzeitiger hoher Verträglichkeit.

Die neu zugelassenen Mikroperlen Ergenyl® Chronosphere® entsprechen den Forderungen der European Agency for the Evaluation of Medicinal Products (EMEA) von 1999, die eine fortlaufende Verbesserung retardierter Präparate vorschreiben.

Während Valproat in vielen Ländern bereits eine seit vielen Jahren etablierte Standardtherapie bipolarer Störungen darstellt, ist es aufgrund der zitierten Studienergebnisse nur konsequent, dass nunmehr auch in Deutschland für Ergenyl® Chronosphere® die formale arzneimittelrechtliche Zulassung für die Indikation "bipolare Störungen" erfolgte. Auch ohne haftungsrechtliche Bedenken oder Bedenken zur Erstattungsfähigkeit steht nach Grunze dem behandelnden Arzt dadurch eine weitere sehr wirksame, gut verträgliche und darüber hinaus kostengünstige Alternative in der Behandlung bipolarer Störungen zur Verfügung.

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Ergenyl® Chronosphere® bei juvenilen- und Altersepilepsien

Valproinsäure ist ein breit wirksames Antiepileptikum, das keine strukturelle Ähnlichkeit mit anderen antikonvulsiven Wirkstoffen zeigt. Als Wirkmechanismen von Valproinsäure wird eine Verstärkung der GABAergen Inhibition angenommen. Die Wirkung exzitatorischer Neurotransmitter wie Glutamat wird abgeschwächt und die repetitive Entladung der Ionenkanäle der neuronalen Membran (Kalzium- und Natriumkanäle) verringert. Die Erregbarkeit der Neuronen wird so gedämpft und die Häufigkeit epileptischer Anfälle verringert.

Dr. Günter Krämer, Zürich, betonte, dass Valproinsäure trotz Zulassung von zehn Antiepileptika seit den 90er-Jahren nach wie vor ein Antiepileptikum der ersten Wahl und in Deutschland der am zweithäufigsten verordnete Wirkstoff ist.

Dies gilt bislang in erster Linie für den Einsatz in der Therapie von kindlichen und juvenilen Epilepsien, während das Potenzial einer Therapie von Altersepilepsien noch nicht voll ausgeschöpft wurde.

Dabei hat Valproinsäure im höheren Lebensalter entscheidende Vorteile gegenüber den sehr häufig eingesetzten Vergleichssubstanzen wie Carbamazepin oder Phenytoin: gut kombinierbar, da keine Leberenzyminduktion und gute Verträglichkeit. Darüber hinaus spielen die meisten der bei jungen Patienten potenziell störenden Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Haarausfall oder das Risiko einer teratogenen Schädigung in dieser Altersgruppe keine besondere Rolle mehr.

Kürzlich wurden die Akzeptanz sowie Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ergenyl® Chronosphere® in einer großen nicht-verblindeten französischen Studie bei 301 Kindern und Jugendlichen dokumentiert ([6]). Es zeigte sich, dass die Akzeptanz als deutlich besser angegeben wurde, was natürlich auch der Compliance zu Gute kommt. Dies dürfte auch den um fast 10% erhöhten Anteil anfallsfreier Patienten erklären (Abb. [1]).

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Obwohl entsprechende Untersuchungen für das höhere Lebensalter noch ausstehen, kann man davon ausgehen, so Krämer, dass die entsprechenden Vorteile von Ergenyl® Chronosphere® in diesem Lebensabschnitt ebenso relevant sein werden.

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Vorteile der Ergenyl®-Chronosphere®-Formulierung

Mit der Einführung von Ergenyl® Chronosphere® bietet Sanofi-Aventis eine neue innovative Darreichungsform des führenden Antiepileptikums Valproat. Diese moderne Retardformulierung besteht aus geschmacksneutralen Mikroperlen, die man mit halbfesten Nahrungsmitteln wie Joghurt oder Marmelade oder zusammen mit oder in Flüssigkeiten einnehmen kann. Hierdurch wird die Anwendung für alle Patienten leichter, insbesondere aber auch Kinder und ältere Patienten mit Schluckbeschwerden profitieren von dieser Formulierung. Die Compliance kann so weiter verbessert werden.

Beim Herstellungsverfahren zur Produktion von Ergenyl® Chronosphere® setzt man eine neue innovative Technologie ein, das so genannte Prilling (Sprühkühlung); dabei werden Mikroperlen mit völlig gleicher Form und gleichmäßiger Oberfläche produziert.

Pharmakologisch ist Ergenyl® Chronosphere® mit der bereits etablierten Retardtablette Ergenyl® chrono vergleichbar ([3]). Mit den mehr als 2000 Mikroperlen pro Gramm Endprodukt führt Ergenyl® Chronosphere® aber zu einer Vergrößerung der Oberfläche, die mit den Darmschleimhäuten in Kontakt kommt; dies reduziert erheblich die Arzneimittelkonzentration pro Oberflächeneinheit. Die Plasmakonzentrationen von Valproat verbleiben hierbei sowohl bei einmal als auch bei zweimal täglicher Gabe im Bereich der therapeutischen Wirksamkeit.

Auch die Verpackung von Ergenyl® Chronosphere® ist innovativ. Die winzigen Mikroperlen sind in Sachets mit fünf Dosierungen - 100 mg, 250 mg, 500 mg, 750 mg und 1000 mg Valproat - abgepackt; jede Dosierung ist dabei mit einer anderen Farbe gekennzeichnet, was einer sicheren und eindeutigen Einnahme zu Gute kommt. Sachets sind praktisch anzuwenden und können problemlos in der Tasche oder im Geldbeutel mitgenommen werden.

Dr. Michael Kubischik, Sanofi-Aventis, unterstrich, dass die Abfüllung der Sachets ideal für Produkte ist, die Bestandteile mit einem niedrigen Schmelzpunkt enthalten, wie z.B. die Mikroperlen-Hilfsstoffe, da beim Versiegelungsprozess jeder Kontakt mit dem Produkt vermieden wird. Mit einem Aluminiumkomplex-Film werden die Mikroperlen vor Feuchtigkeit geschützt.

Rudolf Jumpertz

Quelle: Fachpressegespräch Forum Neurologie "Bipolare Störungen und Epilepsien: neue Therapieoptionen" am 9. Juli 2005 in Bühl/Baden-Baden, veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

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Literatur

  • 1 Bowden CL. Brugger AM. Swann AC. Calabrese JR. Janicak PG. Petty F. et al. Efficacy of divalproex vs lithium and placebo in the treatment of mania. The Depakote Mania Study Group.   JAMA. 1994;  271 (12) 918-924
  • 1 Bowden CL. Calabrese JR. McElroy SL. Gyulai L. Wassef A. Petty F. et al. A randomized, placebo-controlled 12-month trial of divalproex and lithium in treatment of outpatients with bipolar I disorder. Divalproex Maintenance Study Group.  Arch Gen Psychiatry . 2000;  57 481-489
  • 1 Dulac O. Alvarez JC. Bioequivalence of a new sustained-release formulation of sodium valproate, valproate modified-release granules, compared with existing sustained-release formulations after once- or twice-daily administration.  Pharmacotherapy. 2008;  25 (1) 35-41
  • 1 Freeman TW. Clothier JL. Pazzaglia P. Lesem MD. Swann AC. A double-blind comparison of valproate and lithium in the treatment of acute mania.  Am J Psychiatry. 1992;  149 (1) 108-111
  • 1 Hirschfeld R. Weisler RH. Keck PE. Cost-effectiveness evaluation of divalproex versus lithium in the treatment of bipolar disorder.  152nd APA Annual meeting abstracts, NR 686. 1999; 
  • 1 Motte J. AME-Study.  Poster präsentiert auf dem 26th International Epilepsy Congress 28. August - 1. September 2005 in Paris.
  • 1 Müller-Oerlinghausen B. Retzow A. Henn F. Giedke H. Walden J. Valproate as an adjunct to neuroleptic medication for the treatment of acute episodes of mania. A prospective, randomized, double- blind, placebo-controlled multicenter study.  J Clin Psychopharmacol. 2000;  20 195-203
  • 1 Pope HG. McElroy SL. Keck PE. Hudson JI. Valproate in the treatment of acute mania. A placebo-controlled study.  Arch Gen Psychiatry. 1991;  48 (1) 62-68
  • 1 Tohen M. Ketter TA. Zarate CA. Suppes T. Frye M. Altshuler L. et al. Olanzapine versus divalproex sodium for the treatment of acute mania and maintenance of remission: a 47-week study.  Am J Psychiatry. 2003;  160 (7) 1263-1271
  • 1 Weiss SR. Post RM. Kindling: separate vs. shared mechanisms in affective disorders and epilepsy.  Neuropsychobiology. 1998;  38 (3) 167-180
  • 1 Zajecka JM. Weisler R. Sachs G. Swann AC. Wozniak P. Sommerville KW. A comparison of the efficacy, safety, and tolerability of divalproex sodium and olanzapine in the treatment of bipolar disorder.  J Clin Psychiatry. 2002;  63 (12) 1148-1155
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Literatur

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