Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37(4): 189-190
DOI: 10.1055/s-2005-918022
Praxis
Das Interview
Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Sportliche Aktivität bei Krebserkrankungen

Studien haben belegt, dass ein Ausdauer- und Krafttraining zu einer deutlichen Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit zu einer Verbesserung des Wohlbefindens führt.Unser Gesprächspartner: Fernando C. Dimeo
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Dezember 2005 (online)

Geboren in Buenos Aires, Argentinien. 41 Jahre, aktiver Marathonläufer (Bestzeit 2:19 Stunden). Leiter des Bereichs Sportmedizin der Charité in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen über das Thema „Sport und Krebs”

DZO:

Kann die Frage derzeitig eindeutig beantwortet werden, ob durch körperliche Aktivität das Krebsrisiko gesenkt wird?

Dr. Dimeo:

Es gibt zahlreiche Studien, die auf eine Senkung des Risikos von Kolonkarzinom und von Mammakarzinom bei postmenopausalen Frauen durch körperliche Aktivität hinweisen. Die Datenlage ist bei anderen Entitäten (Prostata-, Ovarial- und Hodenkarzinom) weniger klar und teilweise widersprüchlich, sodass man nicht von einem global gesenkten Krebsrisiko durch körperliche Aktivität reden kann.

DZO:

Gibt es Studien, die Aussagen zur Krebsinzidenz bei Leistungssportlern machen können?

Dr. Dimeo:

Nein, diese Untersuchungen sind bisher nicht gemacht worden. Eine solche Studie würde auch mit hoher Wahrscheinlichkeit keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, denn Leistungssportler stellen weniger als 1 Prozent der Bevölkerung dar und befinden sich in einem Alter, bei der Tumorerkrankungen selten sind. Die meisten epidemiologischen Studien untersuchen deswegen nicht die Effekte von Sport und intensiven Belastungen, sondern von körperlicher Aktivität insgesamt, zum Beispiel bei der täglichen Arbeit oder in der Freizeit, auf das Krebsrisiko.

DZO:

Welchen Einfluss hat körperliche Aktivität auf bereits an Krebs Erkrankte? Lässt sich dadurch die Rezidivrate minimieren?

Dr. Dimeo:

Erst dieses Jahr wurden die Ergebnisse zweier Beobachtungsstudien [[1], [2]] bekannt gemacht, die bei körperlich aktiven Patienten eine Reduktion des Rezidivrisikos von Kolon- bzw. von Mammakarzinom gezeigt haben. Die potenzielle Bedeutung dieser Befunde ist offensichtlich. Aber zuerst müssen wir abwarten, ob diese Befunde sich bei anderen Studien bzw. im Rahmen von prospektiven Untersuchungen reproduzieren lassen. Aber mindestens genauso wichtig ist die Auswirkung der körperlichen Aktivität auf die Lebensqualität. Zahlreiche Studien haben belegt, dass ein Ausdauer- und Krafttraining zu einer deutlichen Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit zu einer Verbesserung des Wohlbefindens führt. Dieses trifft bei Patienten sowohl während als auch nach Abschluss der Therapie zu.

DZO:

Worauf sollte bei körperlichem Training z.B. im Rahmen einer Rehabilitation besonders geachtet werden?

Dr. Dimeo:

Genauso wie beim Training von Gesunden sollten die Patienten gefordert, aber nicht überfordert werden. Grundsätzlich gilt, dass alle Patienten Sport treiben sollten, solange keine Kontraindikation vorliegt.

DZO:

Wann ist körperliche Aktivität bei Tumorpatienten kontraindiziert?

Dr. Dimeo:

Körperliche Belastungen sind untersagt bei allen akuten Erkrankungen oder neu aufgetretenen Beschwerden wie z.B. Fieber, Erbrechen oder Schmerz. Manchmal werden die Kollegen mit dem Patienten konfrontiert und sind nicht sicher, ob sie Sport erlauben sollten oder nicht. In diesem Fall können Sie sich überlegen, ob man selber in dieser Situation (bei Fieber, Übelkeit oder Schmerzen) Sport treiben würde. Die Thrombopenie stellt eine relative Kontraindikationen dar: bei Werten unter 50 000/ml sind Kraftbelastungen, bei Werten unter 20 000/ml alle körperlichen Belastungen untersagt. Wenn die Patienten auf die hygienischen Maßnahmen achten, ist die Neutropenie keine Kontraindikation für Sport. Um das Risiko einer vermehrten Kardio- oder Nephrotoxizität zu reduzieren, sollen die Patienten an den Tagen nicht trainieren, wenn sie eine Chemotherapie erhalten. Auch Patienten, die über das Mediastinum bzw. in kardialen Bereich bestrahlt werden, sollten das Training bis zum Ende der Behandlung pausieren.

DZO:

Welche Bedeutung hat regelmäßige körperliche Aktivität bei der Behandlung des Fatigue-Syndroms? Welche Sportarten sind hier besonders zu empfehlen?

Dr. Dimeo:

Das Fatigue-Syndrom besteht aus körperlichen und mentalen Beschwerden. Die ausgeprägte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit lässt sich bei der Mehrheit der Patienten durch ein regelmäßiges Trainingsprogramm erfolgreich bekämpfen. Dieses Training sollte sowohl die Ausdauer wie auch die Kraft fördern. Dafür sind Ausdauersportarten wie Walken oder Jogging, Radfahrern und Rudern sehr geeignet.

DZO:

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?

Dr. Dimeo:

Nicht zu viel, aber genug und von Allem ein wenig.

DZO:

Herr Dr. Dimeo, vielen Dank für das Gespräch.

Literatur

  • 01 Holmes MD, Chen WY, Feskanich D, Kroenke CH, Colditz GA. Physical activity and survival after breast cancer diagnosis.  JAMA. 2005;  293 2479-2486
  • 02 Meyerhardt JA, Heseltine D, Niedzwiecki D. et al . The impact of physical activity on patients with stage III colon cancer: Findings from Intergroup trial CALGB 89803.  J Clin Oncol. (Meeting Abstracts)  2005;  23 3534

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Fernando C. Dimeo

Charité Campus Benjamin Franklin

Hindenburgdamm 30

12200 Berlin

URL: http://www.charite.de/sportmedizin