B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2005; 21(6): 278-279
DOI: 10.1055/s-2005-918174
RECHT

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Erweiterte Umsatzsteuerregelung für Sporttherapeuten

S. Zimmermann-Oster1 , E. Boxberg2
  • 1Steuerberaterin, Prozessbeobachterin, Wachenheim
  • 2Justiziar des DVGS e. V., Hürth
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Publication Date:
02 February 2006 (online)

Bis vor ganz kurzer Zeit war die Frage eines Sporttherapeuten „Muss ich eigentlich meine Rechnungen mit einer Umsatzsteuer versehen?” schwierig zu beantworten. Antwortete ein Steuerberater auf diese Frage, die heilkundlichen Leistungen eines Sporttherapeuten sind umsatzsteuerfrei, so konnte er mit dieser Auskunft das Risiko eingehen, von seinem Klienten in Haftung genommen zu werden, falls ein Finanzamt zu einer gegenteiligen Ansicht kam. Antwortete der Steuerberater hingegen: „Sie müssen auf Ihre Leistungen eine Mehrwertsteuer aufpfropfen”, so konnte dem Steuerberater eine vergleichbare Haftung drohen, wenn ein Finanzamt zur Auffassung gelangte, die sporttherapeutischen Leistungen seien von der Umsatzsteuer befreit. Erst Ende 1999 wurde die Umsatzsteuerproblematik durch zwei Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (vom 29.10.1999 - 2 BvR 1264/90 und vom 10.11.1999 - 2 BvR 1820/92) etwas entwirrt. Mit seinen beiden Beschlüssen stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass mit der Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG „alleine die Entlastung des Sozialversicherungsträgers von der Umsatzsteuer” bezweckt ist. Der § 4 Nr. 14 UStG besagt in der heutigen Fassung: „Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei

14. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker. Steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden.”

Diese Gesetzesstelle lässt jedoch viele Fragen offen: Wie sind die Leistungen zu beurteilen, die von den gesetzlichen Krankenkassen teilweise bezahlt werden, teilweise jedoch vom Patienten selbst honoriert werden müssten? Liegt bei der Entlastung der Sozialversicherungsträger von einer Teilvergütung auch bereits der von § 4 Nr. 14 veranlasste Steuerbefreiungstatbestand vor? Wie ist es andererseits, wenn nur einige Kassen (beispielsweise in Hessen) eine heilkundliche Leistung vergüten, dieselbe Leistung jedoch in einem anderen Bundesland von den Kassen nicht vergütet wird? In diesem Falle liegt ja nur eine teilweise Entlastung der Sozialversicherungsträger vor, und zwar in jenem begünstigten Bundesland. Führt dies nun - da das Umsatzsteuerrecht Bundesrecht ist - insgesamt zur Mehrwertsteuerbefreiung oder nützt die „Hessenregelung” bundesweit überhaupt nichts? Wie ist es, wenn eine von den gesetzlichen Krankenkassen vergütete Leistung von einem freien Mitarbeiter einer Gesundheitseinrichtung erbracht wird und von der Gesundheitseinrichtung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen selbst abgerechnet wird?

Diese Folgeprobleme, die durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch nicht angesprochen und auch durch einige Nachfolgeentscheidungen des BFH nicht gelöst wurden, werden jetzt nach und nach einer Lösung zugeführt. Deshalb gibt es auch allen Grund, immer wieder über die Entwicklung der Umsatzsteuerproblematik zu berichten, weil immer wieder neue Teilgebiete entschieden werden.

Zuletzt beschäftigten wir uns mit der Frage, wie die Leistung eines freien Mitarbeiters umsatzsteuerrechtlich beurteilt wird, wenn die Leistung selbst nicht von ihm, sondern von seinem Auftraggeber, einem ambulanten Rehabilitationszentrum, gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet wird. Der Bundesfinanzhof urteilte in diesem Falle eindeutig: „In diesem Falle sind regelmäßig sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch die Leistungen der Fachkräfte an die Rehabilitationseinrichtung steuerfrei, soweit sie die in dem Versorgungsvertrag genannte Qualifikation haben.” Mit dieser Entscheidung wird ausdrücklich Bezug genommen auf die „6. Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage”.

Diese Richtlinie des Rates der Europäischen Union stammt bereits aus dem Jahre 1977. Sie gelangte jedoch nur zögerlich in das nationale System der Bundesrepublik Deutschland. Dabei ist ihre Aussage verhältnismäßig klar und leicht verständlich: Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von den betreffenden Mitgliedstaaten definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, von der Steuer. Eine Befreiung erfolgt unter den Bedingungen, die sie zur Gewährung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen. Die Richtlinienvorschrift definiert das umsatzsteuerliche Befreiungselement nicht durch die Person des Leistungsempfängers, sondern durch die Person des Leistenden, „der Träger eines ärztlichen bzw. arztähnlichen Berufs sein muss”. In der hier teilweise zitierten Entscheidung des BFH vom 25.11.2004 wurde als Konsequenz festgestellt, dass der Sporttherapeut einen entsprechend qualifizierten Beruf hat, um den Befreiungstatbestand in § 4 Nr. 14 UStG auszulösen.

Eine Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland vom 30.08.2005 wird noch deutlicher: „Die Steuerbefreiung setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dafür die erforderliche Befähigung hat. Unter Heilbehandlung i. S. d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG sind nur solche Tätigkeiten zu verstehen, die zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und - soweit möglich - der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen beim Menschen vorgenommen werden. Von der beruflichen Befähigung ist grundsätzlich dann ohne weiteres auszugehen, wenn der Unternehmer die Voraussetzungen einer für seinen Beruf einschlägigen berufsrechtlichen Regelung erfüllt. Vom Vorliegen des Befähigungsnachweises kann, insbesondere in dem Fall, in dem keine berufsrechtliche Regelung existiert, außerdem dann ausgegangen werden, wenn die Leistungen des Unternehmers in der Regel ihrer Art nach (nicht jedoch unbedingt voll umfänglich) von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.” Gleichzeitig wird mit der Entscheidung der Kreis der umsatzsteuerbefreiten Leistungen neu und sinnvoll definiert. Das Finanzgericht stellt fest, dass es „für die Steuerbefreiung nicht aus(reiche), dass die streitbefangene Leistung bzw. Leistungen dieser Art tatsächlich von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet werden. Entsprechend des o. g. Zweckes der Regelung müssen die Leistungen ihrer Art nach vielmehr entweder in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen worden sein, oder aber es muss sich zumindest um Maßnahmen handeln, die nicht der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind und deren therapeutischer Nutzen nachgewiesen ist, mithin um Heilbehandlungen in einem Sinne, der einer ausufernden Heranziehung des § 4 Nr. 14 UStG entgegensteht.” Dieser Richtlinie folgend hat das Gericht Funktionstrainingseinheiten, die aufgrund der Vereinbarung mit der Deutschen Rheumaliga durchgeführt werden und ausschließlich an rheumakranken Personen angewendet werden, die Rückenschule, die Organgymnastik, die Atemtherapie sowie das isometrische Muskeltraining als solche Leistungen definiert, die bei ihrer Anwendung am kranken Patienten die Mehrwertsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 auslösen.

Korrespondenzadresse

S. Zimmermann-OsterSteuerberaterin, Prozessbeobachterin 

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67157 Wachenheim

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Dr. E. Boxberg
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