Der Klinikarzt 2005; 34(8/09): 255-261
DOI: 10.1055/s-2005-918911
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Behandlungsmöglichkeiten in der Verbrennungschirurgie - Narbenbehandlung und Sekundärrekonstruktion

Treatment Options in Burn Surgery - Treatment of Scars and Secondary ReconstructionE. Gazyakan1 , H. v. Gregory1 , K. Philipp1 , M. Öhlbauer1 , G. Germann1
  • 1Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie - Schwerbrandverletztenzentrum, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen, Klinik für Plastische und Handchirurgie der Universität Heidelberg (Chefarzt: Prof. Dr. G. Germann)
Further Information
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Anschrift für die Verfasser

Dr. Emre Gazyakan

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen

Plastische- und Handchirurgie der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann Str. 13

67071 Ludwigshafen

Publication History

Publication Date:
05 October 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die konservative Narbentherapie und die Sekundärrekonstruktion von Verbrennungsnarben haben einen festen Stellenwert bei der Behandlung von Schwerbrandverletzten. Nach der Primärversorgung sollten zunächst konservative Therapieoptionen bei der Narbenbehandlung ausgeschöpft werden. Chirurgische Korrekturen können meist nach Abschluss der Narbenreifung vorgenommen werden. Extrem entstellende und vor allem funktionseinschränkende Narben sollten jedoch frühzeitiger behandelt werden. Aufgrund der verschiedenen Rekonstruktionsmöglichkeiten muss der plastische Chirurg ein individuelles Konzept für jeden Patienten erarbeiten. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei die Behandlung Schwerbrandverletzter in modernen Brandverletztenzentren, die eine Kontinuität der Behandlung mit einer dauerhaften interdisziplinären Betreuung gewährleisten und das gesamte Spektrum der plastischen Chirurgie anbieten.

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Summary

Reconstruction following severe burn trauma is still a major challenge for plastic surgery. The treatment of scars and contractures is in the focus after primary reconstruction of the severely burned patients. The physical disfigurement of the patients leads to increased psychological strain regardless of the degree of the scars and contractures. For this reason the plastic surgeon needs to work out treatment plans for aftercare. A variety of different non-operative treatment options are available. However some scars lead to functional limitations or unstable scars and therefore require secondary reconstruction. In consideration of functional, esthetical and feasible aspects the plastic surgeon needs to offer the patient an individual reconstructive concept.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung der intensivmedizinischen und verbrennungschirurgischen Behandlung konnte in den letzten Jahrzehnten die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Lebensqualität Schwerbrandverletzter verbessern [16]. Sowohl Fortschritte in der initialen Schockbehandlung, der Flüssigkeitstherapie als auch die gezielte Antibiotikatherapie trugen wesentlich dazu bei. Innovationen, die auf einem besseren Verständnis der Pathophysiologie im Bereich der Ernährungstherapie, der Wundheilung und des Wundmanagements beruhen, haben zusammen mit der Früh- und Sofortnekrektomie mit sofortigem Wundverschluss dazu geführt, die Inzidenz von Wundinfektionen, Sepsis und Letalität zu reduzieren [19] [35]. Auf die Phase der Primärversorgung folgt in der Regel die Wiederherstellung und Beseitigung ausgedehnter, funktionell beeinträchtigender und kosmetisch störender Narben. Um eine funktionelle und ästhetische Verbesserung zu erzielen, müssen alle konservativen und operativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft werden.

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Pathophysiologie der Wundheilung

Die Wundheilung ist ein physiologischer Vorgang, bei der verschiedene Prozesse, wie Phagozytose, Chemotaxis, Kollagensynthese und die Synthese von weiteren Matrixkomponenten teilweise parallel stattfinden. In der Regel wird die Wundheilung in drei Phasen unterteilt:

  • die exsudative Phase (Tag eins bis drei),

  • die Proliferationsphase (Tag vier bis zwölf) und

  • die Reparationsphase (ab Tag zwölf) [7].

Die exsudative Phase beginnt unmittelbar nach dem Trauma, das unter anderem durch eine mikrovaskuläre Verletzung gekennzeichnet ist. Während der initialen Hämostase kommt es zur Aggregation von Thrombozyten, die Wachstumsfaktoren, wie beispielsweise PDGF („platelet-derived growth factor”), IGF-1 („insulin-like growth factor-1”), EGF („epidermal growth factor”) und TGF-β („transforming growth factor beta”) freisetzen [36]. Diese Mediatoren initiieren die Wundheilungskaskade, indem sie unter anderem Makrophagen und PNMLs („polymorphonuclear leucocytes”) aktivieren, die für die Infektabwehr und die Beseitigung von Detritus verantwortlich sind. Die Freisetzung von weiteren Wachstumsfaktoren - wie TGF-α („transforming growth factor alpha”), HB-EGF („heparin-binding epidermal growth factor”) und bFGF („basic fibroblast growth factor”) - aus den Makrophagen und PNMLs stimuliert die physiologische Entzündungsreaktion und aktiviert Fibroblasten, Endothelzellen und Keratinozyten [37]. Am Ende der exsudativen Phase kleidet eine vorläufige Fibrin/Fibronektin-Matrix die Wunde aus.

In der Proliferationsphase erfolgt der Ersatz und die Defektauffüllung mit Granulationsgewebe. Die bereits aktivierten Fibroblasten produzieren zuerst die Matrixproteine Fibronektin und Hyaluron, später dann Kollagen und Proteoglykane, die Bestandteile der Extrazellulärmatrix sind. Gerade die Bildung von Kollagen spielt eine wesentliche Rolle in der Proliferationsphase und bildet das Fundament der Extrazellulärmatrix. Die Angiogenese wird durch die oben erwähnten Wachstumsfaktoren initiiert [39]. Die Bildung und Aussprossung von Kapillaren erfolgt in allen Phasen der Wundheilung. Innerhalb kurzer Zeit ist das Granulationsgewebe über ein Kapillarnetzwerk gut durchblutet.

Der Auf- und Abbau von Kollagen und die Anpassung der Extrazellulärmatrix kennzeichnet die Reparationsphase. Spezifische Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) induzieren die Degradation von Kollagen. Im weiteren Verlauf nimmt die Aktivität der Matrix-Metalloproteinasen ab und die Aktivität von TIMPs („tissue inhibitors of metalloproteinases”) zu. Hierbei spielt TGF-β als Mediator eine wichtige Rolle. Letztendlich kommt es zur Organisation und Schrumpfung der Wunde. Die Schrumpfung entsteht dabei durch die Interaktion zwischen den Fibroblasten und der Extrazellulärmatrix, die durch Wachstumsfaktoren (TGF-β, PDGF und FGF) beeinflusst werden kann [13].

Im Verlauf der Proliferations- und Reparationsphase kommt es zusätzlich zu einer erhöhten mitotischen Teilung und Migration von Epidermiszellen vom Wundrand her. Auch diese so genannte Epithelialisation wird durch Wachstumsfaktoren (EGF und bFGF) beeinflusst. Das Endergebnis der Wundheilungsprozesse ist eine azelluläre, avaskuläre, fibröse Narbe. Verläuft die Wundheilung exzessiv, bilden sich hypertrophe Narben und Keloide. Ursache hierfür ist der Verlust von Kontrollmechanismen, die das Gleichgewicht zwischen Wundheilung und Regeneration regulieren [Tab. 1] [36].

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Konservative Narbentherapie

Die Wiederherstellung der äußeren Körperhülle nach tieferen Verbrennungen ist nach wie vor eine große Herausforderung für die plastische Chirurgie, unterschieden wird hierbei zwischen Primär- und Sekundärrekonstruktion. In der primären Versorgungsphase folgt auf die zügige Entfernung der toxischen Nekrosen (tangentiale und epifasziale Nekrektomie) der schnellstmögliche Verschluss der Wunden durch ein Spalthauttransplantat [12]. Bei bradytrophem Gewebe, wie zum Beispiel bei exponierten Knochen oder Sehnen, ist eine einfache Spalthauttransplantation meist nicht möglich. In diesen Fällen sind regionale oder mikrochirurgische Lappenplastiken zur Defektdeckung indiziert [4].

Bereits zu Beginn der Behandlung müssen plastisch chirurgische Korrekturen berücksichtigt werden, die gegebenenfalls nach Abschluss der Narbenreifung - in der Regel zwölf bis 24 Monate nach dem Trauma - vorgenommen werden [5]. Falls keine erheblichen funktionellen oder ästhetischen Beeinträchtigungen vorliegen, sollten Sekundärrekonstruktionen frühestens zwölf Monate nach der Brandverletzung erfolgen. In der Zwischenzeit sollte eine intensive konservative Therapie zur Narbenbehandlung durchgeführt werden. Durch Anwendung verschiedener Therapieoptionen ist es möglich, sowohl sich entwickelnde als auch bereits bestehende Narben und Keloide positiv zu beeinflussen.

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Lokale Kompressionsbehandlung

Gerade bei flächigen Verbrennungsnarben ist die lokale Kompressionsbehandlung ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie. Sie unterstützt die Ausbildung funktionell und ästhetisch akzeptabler Verbrennungsnarben und reduziert die Notwendigkeit späterer rekonstruktiver Eingriffe. Mit der Kompressionstherapie können bei etwa 85 % der Patienten mit hyperthrophen Narben und Keloiden gute und zufrieden stellende Ergebnisse erreicht werden [2] [18].

Der genaue Wirkmechanismus ist bis dato allerdings nicht eindeutig geklärt. Ausschlaggebend ist der kontinuierlich einwirkende Druck, der intraläsionale Blutgefäße verengt und rarefiziert [33]. Der Gewebemetabolismus wird aufgrund der lokalen Ischämie und Hypoxie reduziert, und es kommt sowohl zu einer Verminderung der Fibroblastenproliferation als auch der Kollagensynthese [20]. Durch die Hypoxie werden außerdem lysosomale Residuen frei [20].

Über einen Zeitraum von mehreren Monaten muss der Schwerbrandverletzte - möglichst 24 Stunden täglich - individuell angepasste Kompressionskleider, wie zum Beispiel Westen, Hosen und Handschuhe, tragen [Abb. 1]. Der Druck durch die Kompression sollte dabei 15-40 mmHG betragen [18]. Ein Problem in der Kompressionsbehandlung sind Narben in ungünstiger Lokalisation, wie etwa im Bereich des Sternums und der supradeltoidalen Region. Diese sind für eine geeignete Kompressionsbehandlung nur schwer zugänglich. Meist erfolgt hier eine Kombinationstherapie mit speziellen Pelotten. Bei Verbrennungen der Hände werden neue Entwicklungen eingesetzt, wie zum Beispiel Silikonkompressionshandschuhe [22].

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Silikongel-Folienauflage

Silikon verbessert in Form einer einfachen Silikongel-Folienauflage die Oberflächeneigenschaften bei der Behandlung von hyperthrophen Narben und Keloiden. Die Folienauflagen werden dabei mit und ohne Kompression verwendet. Eine postoperative Abdeckung mit einer Silikongel-Folienauflage eignet sich auch als prophylaktische Maßnahme, um die Ausbildung von hyperthrophen Narben und Keloiden zu vermeiden [3].

Die Vorteile dieser Form der Narbenbehandlung liegen in der einfachen Handhabung und der raschen Besserung der klinischen Symptomatik. Pathophysiologisch kommt es durch die Hydration der Haut und die Erhöhung der Hauttemperatur zu einer Reduktion der Kollagensynthese und der Fibroblastenproliferationsrate [24] [38]. Damit die Narben flacher und weicher werden, muss eine konsequente Behandlung bis zu ein Jahr lang durchgeführt werden.

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Kortisonapplikation

In der konservativen Narbentherapie hat die Kortisontherapie einen festen Platz, sie eignet sich besonders für die Behandlung hypertropher Narben und Keloide. Die Applikation von Steroiden kann dazu beitragen, die Kollagensynthese um bis zu 60 % zu reduzieren [30]. Zusätzlich wird der Kollagenabbau durch Hemmung des Kollagenaseinhibitors α-Globulin gesteigert [36]. Die Reduktion der Glykosaminoglykan- und Hyaluronsäure-Synthese wird ebenfalls von Steroiden induziert. Dies führt zur Abnahme der Extrazellulärmatrix und damit letztendlich zur Schrumpfung der Narbe.

Kortison wird hierbei in einer Dosierung von 2,5 mg/ml im Gesicht und bis zu 40 mg/ml am restlichen Körper mehrmals monatlich in die Narbe injiziert. Zur Auswahl stehen intraläsionale, subläsionale oder subepidermale Injektionen, wobei die Injektionstherapie als Monotherapie oder in Kombination mit der Kompressionstherapie und/oder Exzision mit postoperativer Radiatio erfolgen kann [38]. Die topische Applikation von Steroiden erzielt bei der konservativen Narbenbehandlung keine Wirkung. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Atrophien, Hypopigmentierung und Teleangiektasien um die Injektionsstellen. Hirshowitz et al. [17] erzielten bei 58 Patienten mit Keloiden eine Heilungsrate von 70,6 % und konnten bei weiteren 13,7 % der Patienten eine Verbesserung und bei lediglich 15,5 % ein Wiederauftreten zeigen.

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Lasertherapie

Auch Laserstrahlung kann zur Therapie von Keloiden genutzt werden. In der Lasertherapie kommen gepulste Laserstrahlen (Kohlendioxid-, Nd-Yag-Laser) zum Einsatz. Mit ihrer Hilfe lassen sich sowohl Schmerzen als auch Juckreiz bei hypertrophen Narben lindern [1]. Die Pigmentveränderungen können ebenfalls günstig beeinflusst werden, wobei die alleinige Anwendung häufig nicht viel Erfolg verspricht. Bessere Aussichten auf einen positiven Einfluss auf die Pigmentstörungen hat die Kombination des Nd-Yag-Lasers mit der Kortisonapplikation oder der Silikongel-Folienauflage.

Die Lasertherapie bewirkt eine selektive Photodermolyse der ernährenden Narbengefäße mit Bildung eines intravaskulären Koagels. Die sich daraus entwickelnde sterile Vaskulitis führt zu einer Gefäßobliteration mit Gefäßruptur und Rückgang der Narbe [15]. Außerdem induzieren die Laserstrahlen eine Schrumpfung des Kollagens, sowie eine Inhibition der Kollagensynthese.

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Radiotherapie

Der Einsatz der Radiotherapie in der konservativen Narbenbehandlung wird heutzutage wegen der multiplen Nebenwirkungen und Risiken wie Radiodermatitis, Radioulzera, Gewebeatrophie und Wachstumsstörungen kritisch gesehen. Die potenzielle Induktion von malignen Neoplasien im bestrahlten Areal konnte allerdings in langen Beobachtungszeiträumen nicht bestätigt werden [21].

Die Erfolge der Radiotherapie liegen vor allem in der postoperativen Bestrahlung. Einige Autoren berichten über eine effektive Therapie mit Röntgenweichteilbestrahlung in der initialen, postoperativen Phase nach chirurgischer Korrektur von Keloiden [27]. Die Bestrahlung zerstört Fibroblasten, die nicht mehr ersetzt werden. Werden mindestens 1,5 Gy verabreicht, soll hierdurch ein Gleichgewicht aus Kollagensynthese und -abbau erreicht werden.

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Neuer Therapieansatz: Verapamil

Die intraläsionale Injektion des Kalziumkanalblockers Verapamil scheint sich als neuer Ansatz in der Therapie hypertropher Narben und Keloide zu etablieren. Laut Lee et al. [23] reduziert Verapamil den Einbau von Prolin in die extrazelluläre Kollagenmatrix um nahezu 50-60 %. Kalziumantagonisten scheinen Aktinfilamente zu depolymerisieren und dabei die Struktur der Fibroblasten so zu verändern, dass daraus eine Abnahme der Prokollagenase resultiert [10]. Die Aktivität der Kollagenase in der Extrazellulärmatrix wird herabgesetzt und so die Synthese und Sekretion des Kollagens und Fibronektins gesenkt. Das Narbenwachstum wird gehemmt.

Derzeit ist nur die intraläsionale Injektion des Kalziumkanalblockers eine praktikable Methode, da erst ein Hundertfaches der Verapamilkonzentration im Serum den gleichen Effekt auslöst. In neuen Studien wurde Verapamil direkt nach der Keloidexzision in die Wundränder injiziert. In Kombination mit weiteren Therapien (Silikongel-Folienauflage) heilten die Wunden in 54 % der Fälle ab [9].

Im Rahmen der konservativen Narbentherapie tragen bei stabilen Narbenverhältnissen regelmäßige Massagen dazu bei, Narben weicher zu machen und Schmerzen zu lindern. Zur Vermeidung von Kontrakturen erfolgt bereits nach dem initialen Verbrennungstrauma eine intensive ergo- und physiotherapeutische Behandlung, die nach der operativen Versorgung über Monate fortgeführt wird.

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Plastisch-chirurgische Sekundärrekonstruktionen

Trotz sorgfältiger Primärversorgung und Ausschöpfung der Möglichkeiten der konservativen Narbenbehandlung lässt sich die Entwicklung von hypertrophen Narben, Keloiden oder narbigen Kontrakturen nach Abschluss der Narbenreifung nicht immer vermeiden. Die Betroffenen empfinden diese oft als unästhetisch, außerdem gehen die Narben mit einer funktionellen Beeinträchtigung einher oder halten den gewöhnlichen Belastungen nicht stand und bedürfen somit weiterer operativer Eingriffe im Sinne der Sekundärrekonstruktion. Bereits zu Beginn der Behandlung muss berücksichtigt werden, dass plastisch chirurgische Korrekturen optimalerweise erst nach Abschluss der Narbenreifung, etwa zwölf bis 24 Monate nach dem Trauma, durchgeführt werden sollten. Bei extrem entstellenden und funktionseinschränkenden Narben sollte jedoch eine frühzeitige operative Korrektur vorgenommen werden.

Um eine erfolgreiche Sekundärrekonstruktion zu gewährleisten, muss der plastische Chirurg die zugrunde liegenden Fehlstellungen und Narben definieren, um anschließend ein individuelles Behandlungskonzept zu entwickeln. Mögliche Probleme und ihre Konsequenzen sind somit von Beginn an bekannt und können über die gesamte Behandlungsdauer hinweg berücksichtigt werden. Grundlegende Prinzipien der plastischen Chirurgie, wie zum Beispiel die Schnittführung entlang der „relaxed skin tension lines” (RSTL), die Beachtung der ästhetischen Einheiten, die Auswahl der möglichen Spenderareale sowie die Berücksichtigung des Patientenprofils und der funktionellen Gesichtspunkte müssen ebenfalls in die Therapie einfließen.

Auch der Grundsatz des eskalierenden Deckungsverfahrens („rekonstruktive Leiter”) muss in das individuelle Behandlungskonzept eingehen: Prinzipiell wird die einfachste Lösung zum Verschluss eines Defektes eingesetzt, die für den Patienten das beste Ergebnis ermöglicht [Abb. 2] [12]. Dies kann durchaus auch eine mikrochirurgische Lappenplastik sein, wenn diese besser geeignet ist und die einfache Lösung nicht das optimale Ergebnis verspricht. Um ein funktionell und ästhetisch gutes Ergebnis zu erzielen, ist ein hohes Maß an Erfahrung auf allen Gebieten der plastischen Chirurgie bei der Entwicklung und Durchführung der Behandlungspläne erforderlich.

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Instabile Narben

Die Indikation zur Sekundärrekonstruktion besteht häufig bei instabilen Narben. Hierbei handelt es sich um Narben an druck- und zugbelasteten Stellen wie beispielsweise den Achseln und der Achillessehne, die der gewöhnlichen Belastung nicht standhalten, sich chronisch entzünden und ulzerös verändern können.

Eine vollständige Narbenreifung bleibt in der Regel aus. Chronisch entzündete, instabile Narben gelten zudem als fakultative Präkanzerosen. Daher ist eine frühzeitige operative Korrektur anzustreben. Hierzu werden die instabilen Narben vollständig exzidiert. Bei entsprechendem Transplantatgrund kann der Wundverschluss durch ein Vollhauttransplantat erfolgen, da dieses eine stabile und belastbare Oberfläche besitzt und eine geringe Schrumpfungstendenz aufweist.

Bei freiliegenden Sehnen und knöchernen Strukturen erfolgt der Verschluss bevorzugt durch lokale Lappenplastiken. Ist der Defekt für lokale Lappenplastiken jedoch nicht geeignet oder ist das umgebende Gewebe durch die Verbrennung mitgeschädigt, muss eine andere Therapieform gewählt werden. In diesem Fall besteht die Indikation zur freien mikrovaskulären Lappenplastik. Die Korrektur instabiler Narben kann dabei durch fasziale, adipokutane oder muskuläre Lappen erfolgen. Im Bereich der Hand darf die freie Lappenplastik die Funktionalität und Beweglichkeit nicht einschränken. Aus diesem Grund verwendet man hier fasziale Lappen, wie zum Beispiel den Serratusfaszienlappen oder den temporoparietalen Faszienlappen [Abb. 3a-f]. Auch adipokutane Lappen (Skapula-/Paraskapularlappen oder Radialislappen) eignen sich zur Sekundärrekonstruktion.

Am Unterarm erfordern Defekte häufig eine Deckung mit adipokutanen oder muskulären Lappen, wie dem Grazilis-Lappen und dem Latissimus-dorsi-Lappen. Am Fuß nutzt man in der Belastungszone stabile muskuläre Lappenplastiken, dünne Faszien- oder adipokutane Lappenplastiken eignen sich eher in der Nichtbelastungszone. Im Bereich des Unterschenkels werden häufig muskuläre oder kombinierte Lappenplastiken durchgeführt.

Bei mechanisch stark beanspruchten Arealen, wie zum Beispiel bei der Polsterung von instabilen Amputationsstümpfen, sind freie muskuläre Lappenplastiken das Verfahren der Wahl, da diese eine stabile Deckung ermöglichen. Baumeister et al. [4] zeigten, dass sich Amputationsstümpfe mit einer - meist muskulären - freien Lappenplastik und Spalthauttransplantaten ausreichend decken lassen und damit längere, mit stabilen Weichteilen bedeckte Stümpfe entstehen, die letztendlich eine suffiziente Prothesenanpassung ermöglichen [34].

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Funktionell beeinträchtigende Narben

Eine wichtige Aufgabe der Sekundärrekonstruktion ist die Verbesserung von Funktion und Beweglichkeit funktionell beeinträchtigender Narben. Vor allem die Beweglichkeit der oberen Extremität (Schulter und Ellenbogen) ist wichtig [Abb. 4a-b] [4]. In der Regel werden die Narben exzidiert und die entstehenden Defekte mit Vollhaut, lokalen Verschiebelappen, seltener mit gestielten oder freien Lappenplastiken gedeckt. Besteht die Indikation zur Lappenplastik, bieten adipo- oder fasziokutane Lappenplastiken aufgrund ihrer Elastizität eine gute Option zur Auflösung narbiger Kontrakturen. Im Bereich der Axilla hat sich der gestielte Skapula- oder Paraskapularlappen [29], im Bereich des Ellenbogens der laterale Oberarmlappen oder der adipofasziale Unterarmlappen [11] bewährt.

Im Bereich der Finger stehen neben der Schwimmhautbildung in den Zwischenfingerfalten funktionell beeinträchtigende Kontrakturen im Vordergrund. Zur Auflösung eignen sich dabei am besten lokale Verschiebelappen und Vollhauttransplantate. Außerdem sind häufig Adhäsionen der Sehnen und Kapselschrumpfungen zu sehen, die zusätzliche Teno- und Arthrolysen erfordern.

Eine der häufigsten Narbenbildungen nach Verbrennungen im Gesicht ist das Ektropium. Fehlt der Lidschluss, führt dies zu einer chronischen Reizung der Konjunktiven, einer erhöhten Infektanfälligkeit der Kornea und störendem Tränen. Daher sollte das Ektropium rasch behoben werden. Lokoregionäre gestielte Lappenplastiken aus der Glabella, der Stirnhaut, der Nasolabialfalte oder der Wangenregion bieten sich zur operativen Behandlung an [26]. Eine weitere Möglichkeit zur Korrektur des Ektropiums bietet die Vollhauttransplantation. Hierbei wird das Transplantat bevorzugt von retroaurikulär entnommen.

Mikrostomien entstehen häufig nach drittgradigen Verbrennungen. Die Mundöffnung ist aufgrund der Narben limitiert und kann neben einer verminderten Nahrungsaufnahme zu einer erhöhten oralen Infektanfälligkeit führen. Bei der Behandlung der Mikrostomie hat sich die beidseitige Mundwinkelerweiterungsplastik nach Converse mit Narbeneinkerbung und Eversion von enoraler Schleimhaut zum Lippenrotersatz bewährt [8].

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Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbildes

Eine weitere Indikation zur Sekundärrekonstruktion ist die Verbesserung des ästhetischen Erscheinungsbildes. Dabei ist auch hier zu beachten, dass eine frühzeitige Korrektur vor Abschluss der Narbenreifung zu einer Verschlechterung der Narbe führen kann. Der plastische Chirurg sollte daher die Narbenreifung berücksichtigen und die konservativen Therapieoptionen zur Verbesserung der Narbe ausschöpfen.

Nur extrem entstellende Narben sollten frühzeitig angegangen werden. Gerade bei Keloiden kann eine präoperative Therapie mit einer Kortisoninjektion das endgültige postoperative Resultat deutlich verbessern. Kleinere Narbenareale werden in der Regel exzidiert und direkt geschlossen. Bei größeren Defekten erfolgt die Deckung durch lokale Verschiebelappen oder Vollhauttransplantate, wie zum Beispiel bei der Korrektur von sternomentalen Kontrakturen durch eine Vollhauttransplantation. Adipokutane, fasziokutane und muskulokutane Lappen bieten eine Alternative zur Auflösung sternomentaler Kontrakturen [25] [28] [31].

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Einsatz von Gewebeexpandern

Der Einsatz von Gewebeexpandern hat das Anwendungsspektrum der einzelnen Therapieoptionen erweitert [6]. Durch das Auffüllen der Expander entsteht ein Zugewinn an gesunder Haut, deren Farbe und Textur zur Umgebung passt. Haardefekte am Skalp oder andere größere Defekte lassen sich mit einem präexpandierten lokalen Verschiebelappen gut decken. Außerdem ermöglicht die Gewebeexpansion die Vergrößerung der Hautinsel vor der infrage kommenden freien Lappenplastik [14].

Die Nachteile dieser Methode sind das mehrzeitige Verfahren, die temporäre Entstellung der äußeren Körperhülle (z.B. Gewebeexpansion im Gesichts- bzw. Halsbereich) und das erhöhte Infektionsrisiko.

Im Bereich der weiblichen Brust führen schwere Verbrennungen häufig zum Verlust der Mammae. In diesem Fall gelingen Rekonstruktionen mit gestielten oder freien Lappenplastiken, wie mit dem gestielten Latissimus-dorsi-Lappen, dem freien TRAM-Lappen („transverse rectus abdominis muscle”) [Abb. 5a-c], dem DIEP-Lappen („deep inferior epigastric perforator”), dem S-GAP Lappen („superior gluteal artery perforator”) und dem SIEA-Lappen („superficial inferior epigastric artery”).

Die Verwendung körperfremder synthetischer Materialien kann im Rahmen der Sekundärrekonstruktion indiziert sein, wenn nur wenige Spenderareale zur Verfügung stehen und eine Expansion nicht möglich ist. Allerdings lassen sich damit verbrannte Hautareale nicht vollständig ersetzen [32]. Die Anwendung der Dermisäquivalente führt lediglich zur Bildung einer Neodermis, die anschließend mit Spalthaut übertransplantiert wird [32].

Die Risiken einer solchen Anwendung sind eine erhöhte Infektanfälligkeit, Hämatombildung und Transplantatverluste.

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Abb. 1 Maßgefertigter Kompressionshandschuh zur Vermeidung hypertropher Narben

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Abb. 2 Therapieeskalation, d.h. der Schwierigkeitsgrad und der technische Aufwand der Rekonstruktion nehmen nach oben hin zu

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Abb. 3 Narbige Kontrakturen der linken Hand nach Verbrennung durch eine Gasexplosion, Ansicht von dorsal (a), narbige Kontrakturen der linken Hand nach Verbrennung durch eine Gasexplosion, Ansicht von palmar (b), freier Serratusfaszienlappen von links zur Defektdeckung des linken Handrückens nach Narbenexzision (c), Zustand nach Narbenexzision des linken Handrückens, Ansicht auf den freien Serratusfaszienlappen vor der endgültigen Defektdeckung (d), Faustschluss der linken Hand bei Zustand nach Defektdeckung mittels freier Serratusfaszienlappenplastik (e), Ansicht auf den linken Handrücken bei Zustand nach Defektdeckung mittels freier Serratusfaszienlappenplastik (f)

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Abb. 4 Narbenkontraktur im Bereich der linken Achselregion (a), Zustand nach Kontrakturauflösung mittels Z-Plastiken (b)

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Abb. 5 Patientin mit Zustand nach schwersten Verbrennungen des gesamten Thorax und Verlust beider Mammae (a), Befund nach beidseitiger TRAM-Lappenplastik zur Rekonstruktion der Mammae (b), endgültiger Zustand nach Rekonstruktion des Mammillen-Areola-Komplexes mittels Vollhaut-Transplantaten (c)

Tab. 1 Pathophysiologische Faktoren bei der Entstehung von hypertrophen Narben und Keloiden

hypertrophe Narbe

Keloide

erhöht

erniedrigt

erhöht

erniedrigt

Kollagensynthes

Kollagenaseaktivitä

Bildung Kollagen Typ II

irreguläre Kollagenfibrille

unreife Kollagen-Cross-Link

TGF-β

Kollagenaseinhibitore

TNF-β, IL-1

Kapillarnetzdicht

Mesenchymalzelldicht

Kollagensynthes

Bildung Kollagen Typ I

irreguläre Kollagenfibrille

Kollagenaseaktivitä

unausgereifte Kollagen-Cross-Link

TNF-α, INF-β, IL-6

Myofibroblaste

INF-γ, TNF-β, INF-α

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Literatur

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Anschrift für die Verfasser

Dr. Emre Gazyakan

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen

Plastische- und Handchirurgie der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann Str. 13

67071 Ludwigshafen

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Anschrift für die Verfasser

Dr. Emre Gazyakan

Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen

Plastische- und Handchirurgie der Universität Heidelberg

Ludwig-Guttmann Str. 13

67071 Ludwigshafen

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Abb. 1 Maßgefertigter Kompressionshandschuh zur Vermeidung hypertropher Narben

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Abb. 2 Therapieeskalation, d.h. der Schwierigkeitsgrad und der technische Aufwand der Rekonstruktion nehmen nach oben hin zu

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Abb. 3 Narbige Kontrakturen der linken Hand nach Verbrennung durch eine Gasexplosion, Ansicht von dorsal (a), narbige Kontrakturen der linken Hand nach Verbrennung durch eine Gasexplosion, Ansicht von palmar (b), freier Serratusfaszienlappen von links zur Defektdeckung des linken Handrückens nach Narbenexzision (c), Zustand nach Narbenexzision des linken Handrückens, Ansicht auf den freien Serratusfaszienlappen vor der endgültigen Defektdeckung (d), Faustschluss der linken Hand bei Zustand nach Defektdeckung mittels freier Serratusfaszienlappenplastik (e), Ansicht auf den linken Handrücken bei Zustand nach Defektdeckung mittels freier Serratusfaszienlappenplastik (f)

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Abb. 4 Narbenkontraktur im Bereich der linken Achselregion (a), Zustand nach Kontrakturauflösung mittels Z-Plastiken (b)

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Abb. 5 Patientin mit Zustand nach schwersten Verbrennungen des gesamten Thorax und Verlust beider Mammae (a), Befund nach beidseitiger TRAM-Lappenplastik zur Rekonstruktion der Mammae (b), endgültiger Zustand nach Rekonstruktion des Mammillen-Areola-Komplexes mittels Vollhaut-Transplantaten (c)