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DOI: 10.1055/s-2005-919137
Arbeitsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen (ohne Erkrankungen durch anorganische Stäube). Teil 1
Working Place Related Obstructive Airway Diseases. Part 1
Prof. Dr. med. Xaver Baur
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Hamburg
Seewartenstraße 10
20459 Hamburg
Email: baur@uke.uni-hamburg.de
Publication History
Publication Date:
15 March 2006 (online)
- 1. Zusammenfassung
- 2. Definitionen
- 3. Epidemiologie und Berufskrankheitenstatistiken
- 4. Spezielle Diagnostik (Abb. 3)
- Literatur
1. Zusammenfassung
Neuere epidemiologische und klinische Untersuchungen belegen, dass etwa 15 % aller Asthma- und COPD-Erkrankungen ganz oder großteils auf die Einwirkung beruflicher Noxen zurückzuführen sind. Pathophysiologisch und im Berufskrankheitenrecht sind dabei allergische von chemisch-irritativ und toxisch bedingten Krankheitsbildern zu unterscheiden. Prädisponierende Faktoren sind die Höhe und Dauer der Belastung, zum Teil auch Rauchen, Atopie und andere genetische Komponenten. Als Auslöser stehen im Vordergrund: Mehlstaub, Nahrungs- und Futtermittel, Friseurarbeitsstoffe, Isocyanate, Schweiß- und Schneidrauche, Lackdämpfe, Latex, Labor- und Nutztiere.
Die Prognose ist überwiegend schlecht; dies betrifft insbesondere solche Fälle, in denen trotz Beschwerden die Exposition fortbestand. Eine besondere Bedeutung nehmen die Primär- und Sekundär-Prävention ein, d. h. Elimination oder wenigstens Reduktion gefährdender Belastungen, persönliche und organisatorische Schutzmaßnahmen, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen von Risikogruppen und -personen sowie die Gefährdungsanalyse des einzelnen Arbeitsplatzes.
#2. Definitionen
Berufsasthma, besser „arbeitsbedingtes Asthma bronchiale”, wird durch inhalative Belastungen (bestimmte Allergene, Irritanzien) am Arbeitsplatz verursacht und nicht durch Auslöser außerhalb des Arbeitsplatzes. Abgesehen von dem Expositionsbezug unterscheidet es sich nicht von sonstigen Asthmaerkrankungen. Seine Charakteristika bestehen also auch in einer variablen Atemstromlimitierung, spezifischer und meist auch unspezifischer bronchialer Überempfindlichkeit, der eine chronische Inflammation der Atemwege zu Grunde liegt.
Die Definitionen der in diesem Zusammenhang wesentlichen Berufskrankheitennummern sind in Tab. [1] wiedergegeben. Zu beachten ist, dass das deutsche Berufskrankheitenrecht den Begriff Berufsasthma nicht kennt. Stattdessen wird der breitere funktionelle Terminus „obstruktive Atemwegserkrankungen” verwendet. Dieser inkludiert auch die arbeitsbedingte COPD. Dies ist sinnvoll, da eine Reihe von arbeitsbedingten inhalativen Noxen ein Asthmaleiden und/oder eine COPD hervorrufen kann. Außerdem sind Zwischenformen und Übergänge nicht selten. Dies gilt sowohl für allergische (BK-Nr. 4301, welche die allergische Rhinitis einschließt) als auch chemisch irritative und toxische Pathomechanismen (BK-Nr. 4302; überwiegend auch BK-Nr. 1315) (Tab. [1]).
BK-Nr. 4301 | durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauftreten der Krankheit ursächlich waren oder sein können. |
BK-Nr. 4302 | durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. |
BK-Nr. 1315 | Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederauftreten der Krankheit ursächlich waren oder sein können. |
BK-Nr. 4111 | chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten untertage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren [(mg/m³) x Jahre] |
Im deutschen Berufskrankheitenrecht wird der Begriff „Obstruktive Atemwegserkrankungen” verwendet. Dabei werden allergische von chemisch irritativen und toxischen Formen unterschieden. |
Das durch die einmalige oder wiederholte Exposition gegenüber hohen Konzentrationen initiativer Noxen unmittelbar (innerhalb 24 Std.) ausgelöste und mit einer bronchialen Hyperreagibilität einhergehende Asthma wird in der englisch-sprachigen Literatur auch als Reactive Airways Dysfunction Syndrome (RADS) bezeichnet (Synonym: irritant asthma).
Unter die vorgenannten Berufskrankheits-Definitionen fallen auch arbeitsbedingt richtungsgebende Verschlimmerungen von vorbestehenden oder parallel auftretenden, anderweitig verursachten obstruktiven Atemwegserkrankungen. Hier bereitet die versicherungsrechtlich geforderte graduelle Abgrenzung im Einzelfall nicht selten erhebliche Schwierigkeiten (s. Abschnitt „Berufskrankheitenverfahren”).
Darunter fallen auch richtungsgebende Verschlimmerungen vorbestehender obstruktiver Atemwegserkrankungen. |
Im Folgenden wird nicht auf die COPD infolge Einwirkung anorganischer Stäube eingegangen, wie sie beispielsweise im Steinkohlenbergbau unter der BK-Nr. 4111 unfallversicherungsrechtlich zu berücksichtigen ist oder durch sonstige anorganische Stäube verursacht wird. Obwohl medizinisch plausibel und durch klinische Erfahrungen vielfach belegt, werden bisher letztere COPD-Fälle (z. B. im ehemaligen Uranbergbau und in der Gesteinsbearbeitung) im Berufskrankheitenrecht paradoxerweise nicht berücksichtigt, wenn nicht gleichzeitig eine Silikose vorliegt.
#3. Epidemiologie und Berufskrankheitenstatistiken
Ca. 15 % der Asthma- und COPD-Erkrankungen sind arbeitsbedingt [1]. Johnson u. Mitarb. [2] fanden ein attributales Risiko bzgl. des Asthma-Beginns in Hochrisiko-Berufen wie Bäcker, Friseur, Krankenpfleger, Chemie-, Gummi-, Plastikarbeiter sogar von 18 %.
Auf alle Altersbereiche bezogen, wird die jährliche Inzidenz von arbeitsbedingtem Asthma in Industrie-Ländern auf 13 - 174 pro 1 Million Personen geschätzt. Die entsprechenden Berufskrankheitenzahlen für Deutschland liegen mit 51 pro 1 Million Beschäftigten im Mittelfeld [3]. Absolut gesehen dominieren allergisch bedingte Atemwegserkrankungen; sie sind etwa gleich häufig wie benigne Asbest-bedingte Pleura- und Lungenerkrankungen (BK 4103).
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass in der internationalen Literatur z. T. - abweichend von den Begriffen in unserer Rechtsetzung und in der deutschsprachigen Arbeitsmedizin - zwischen arbeitsbedingtem Asthma (Berufsasthma) und arbeitsbedingter COPD unterschieden wird. Auch wird die allergische Rhinitis, die typischerweise einem Asthmaleiden, u. a. durch Mehl, Latex, Säureanhydride vorausgeht, nur in wenigen Ländern als Berufskrankheit angeführt und anerkannt. Insofern sind Statistiken aus verschiedenen Ländern und von verschiedenen Autoren nur eingeschränkt vergleichbar.
Tab. [2] fasst wichtige Auslöser, betroffene Berufsgruppen und Tätigkeitsbereiche zusammen.
Auch die allergische Rhinitis zählt zu den obstruktiven Atemwegserkrankungen. |
Auslöser | Exposition, Beruf (Tätigkeitsbereich) |
Pflanzliche Stoffe Mehl (v. a. Weizen, Roggen) Soja Getreidestaub Latex Rizinusbohne Blumen Gewürze Tee Holzstaub (rote Zeder, weiße Zeder, Teak, Limba, Mahagoni, Ramin, Gaboon, Afrikanisches Zebraholz, Libanonzeder, Cocabolla, Mukali, Pau, Marfim, Iroko, Macore, Walnussbaum, Abachi, Capreuva, Pinie, Kiefer, Tanne, Fichte, Kirsche, Eiche, Buche, Birke, Esche) Henna Grüner Kaffee Baumwolle |
Bäcker, Müller Hafenarbeiter Getreidesiloarbeiter, Landwirte Gesundheitsdienst Pflanzenölherstellung, Landwirte Gärtner, Blumenverkäufer Gewürzherstellung Teeherstellung und -abpackung Tischler, Sägewerkarbeiter, Parkettleger, Möbelindustrie Friseure Kaffeespediteure Textilarbeiter |
Tier-Allergene Labortiere (Ratten, Mäuse, Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen) Nerz Rind Rotwild Ziervögel Nutztierprodukte (Casein, Eiweiß, Lactalbumin) Krabben, Shrimps, Fisch Vorratsmilben (Tyrophagus longior, putrescentiae, Glycyphagus destructor, Glycyphagus domesticus, Acarus siro, Acarus farris, Lepidoglyphus destructor) Insekten, Insektenlarven (Motte, Fruchtfliege, Chironomiden, Biene) Wildseide (Serizin) |
Tierpfleger Tierfarm Landwirte, Tierärzte Tierzucht, Zoo, Jäger Zoo, Zoohandlung Nahrungsmittelherstellung Fischverarbeitung, -zubereitung Landwirte, Getreidesiloarbeiter Insektenzucht, Forschungslabors, Zierfischhaltung Seidenherstellung, -verarbeitung, Friseure |
Pilze (Aspergilli, Neurospora, Chrysonilia sitophila) | Wertstoffsortierung, Sägewerkarbeiter, Waldarbeiter |
Enzyme alpha-Amylase (Aspergillus oryzae) Xylanase (Aspergillus niger) Phytase (Aspergillus niger) Pancreatin (Trypsin) Bromelin (Ananas comosus) Papain (Carica papaya) Pepsin Hemicellulase (Asp. niger) Waschmittelenzyme (Proteasen, Amylasen, Zellulasen) Lysozym aus Ei |
Bäcker Bäcker Landwirte, Geflügelhaltung pharmazeutische Industrie, Krankenpflege Krankenpflege Großküche pharmazeutische Industrie pharmazeutische Industrie, Bäcker Textilindustrie Waschmittelherstellung, Bäcker pharmazeutische Industrie |
Isocyanate Toluylendiisocyanat (TDI), auch präpolymeres Diphenylmethandiisocyanat (MDI), Poly-MDI und Pyrolyseprodukte Naphthylendiisocyanat (NDI) Isophorondiisocyanat (IPDI) Poly-Hexamethylendiisocyanat (HDI) verschiedene Isocyanate |
Herstellung von Polyurethanschaumstoff Herstellung von Polyurethanschaumstoff, Kernmacherei/Gießerei (Cold box-Verfahren) Elastomerenproduktion Spritzlackierer Spritzlackierer Auto-, Wohnungsbrände (Feuerwehr), Erhitzen/Schweißen PUR-beschichteter Metalle, von Barkelit und Phenol-Formaldehyd-Harnstoff-beschichteter Mineralwolle |
Säureanhydride Phthalsäureanhydrid Trimellitsäureanhydrid Tetrachlorphthalsäureanhydrid Pyromellitsäuredianhydrid Methyltetrahydrophthalsäureanhydrid Hexahydrophthalsäureanhydrid Himic-Anhydrid Maleinsäureanhydrid Dioctylphthalate |
Plastik-, Kunstharzherstellung Epoxidharz-Plastikproduktion Epoxyharz-, Plastikherstellung Epoxyklebstoff-Anwendung Beschichtungen, Elektroindustrie Chemiearbeiter, Elektroindustrie Herstellung von Antiflammmitteln Polyesterharzherstellung PVC-Herstellung |
Amine Ethylendiamin Hexamethyltetramin Aliphatische Polyamine Triethylentetramin Monoäthanolamin 2-Dimethylaminoäthanol Aminoethyläthanolamin 3-Dimethylamino-propylamin Piperazin, Piperazindihydrochlorid N-Methylmorpholin Paraphenylendiamin Benzalkonium |
Schelllack-Händler, Fotolaboranten Lackherstellung Chemiebetriebe Flugzeugfilter Kosmetiksalon Spritzlackierer Löten, Kunststoffschweißen Ski-Herstellung Chemiearbeiter, Pharma-Industrie Chemiebetriebe Färbereien, Friseurbetriebe Reinigungskräfte |
Löt-Flussmittel Kolophonium Zinkchlorid- + Ammoniumchlorid-Flussmittel Alkylarylpolyetheralkohol+Polypropylenglykol |
Elektro-/Elektronikindustrie Metall-Löten Fertigen von Elektronikteilen |
Metalle Platinsalze Nickel Cobalt Zink (Rauch, Dampf) Wolframkarbid Chrom, Chromate, Chromsulfat |
Platinscheidereien Metallbeschichtungen Hartmetallherstellung, Diamantenschleifer Löter, Schmied Schleifer Maler, Plattierer |
Farben reaktive Textilfarben Levafix brilliant yellow E 36 Henna schwarz Basic Blue 99 Lanasol yellow 4 G Karminrot Zibachrom brilliant Scarlet 32 Trimaren brilliant blue K-Bl |
Färberei weit verbreitete Farbe Verkauf von pflanzlichen Produkten, Friseur Friseur Färberei Farbherstellung Textilindustrie Textilindustrie |
Biozide Glutaraldehyd Chloramin T |
Desinfektion von Endoskopen etc. Herstellung, Brauerei, Reinigung |
weitere Chemikalien Persulfate (Phenol-)Formaldehyd-Harnstoff-Harz Ethylenoxid Methylmethacrylat und Cyanacrylat Diacrylate Formaldehyd Fluoride |
Friseure (Blondierung), chem. Industrie Kunstharzherstellung, - Erhitzen Sterilisation im Krankenhaus Klebstoffanw., Zahntechniker, Orthopäd. Autoreparaturwerkstatt Krankenhaus- , Reinigungspersonal Aluminiumherstellung |
Medikamente Penicilline, Ampicillin Cephalosporin Psyllium Senna Tetracyclin |
pharmazeutische Industrie pharmazeutische Industrie Laxanzienherstellung, Pflegepersonal Laxanzienherstellung, Pflegepersonal pharmazeutische Industrie |
3.1 Berufe im Einzelnen
In einer Analyse der Daten des finnischen Registers arbeitsbedingter Erkrankungen war die jährliche Inzidenz am höchsten für Bäcker, Maler und Lackierer, Schweißer, Bodenverleger, Tierärzte sowie Beschäftigte in der Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, Kunststoffherstellung, Tierhaltung und in Fleischereien [4].
Nach den Daten des European Community Respiratory Health Surveys (ECRHS) in 12 europäischen Industriestaaten ist das berufsbezogene Risiko einer bronchialen Hyperreagibilität mit asthmatischen Symptomen am höchsten für Landwirte, Maler, Kunststoffarbeiter, Reinigungskräfte und Spritzlackierer [5]. Die Konsistenz der Ergebnisse im Vergleich zwischen den Ländern war am besten für Landwirte und Reinigungskräfte. Prävalenzen von 25 % und höher wurden für Beschäftigte in der Enzymproduktion und in Platinscheidereien beschrieben, von 5 bis 20 % im Bäckergewerbe (Mehl und Enzyme), im Gesundheitssektor (Latex), unter Lackierern (Isocyanate) und Labor-Tierpflegern (Tierepithelien, -urin) [6].
Häufig betroffene Berufe sind: Landwirte, Maler, Kunststoffarbeiter, Reinigungskräfte, Spritzlackierer. |
3.2 Auslösende Agenzien
Die Auswertung der anerkannten Entschädigungsfälle in verschiedenen Ländern zeigt großteils konsistente Ergebnisse hinsichtlich putativ auslösender Agenzien, nämlich Mehl-, Getreide-, Holz- und andere pflanzlichen Stäube, Labortiere und Insekten, Isocyanate, Lötflussmittel, Antibiotika, proteolytische Enzyme, Platinsalze und Säureanhydride [7]. In Deutschland steht Mehlstaub ganz im Vordergrund [8]. Die Abb. [1] und Abb. [2] geben unter Bezug auf die ursächlichen Noxen die aktuellen Berufskrankheitszahlen wieder, konkret die bestätigten allergischen und chemisch irritativ oder toxisch bedingten Atemwegserkrankungen. Hinzu kommen 49 Fälle mit Isocyanat-induzierter Berufskrankheit.


Abb. 1 Fälle mit bestätigtem Verdacht auf BK-Nr. 4301 n = 776 [9].


Abb. 2 Fälle mit bestätigtem Verdacht auf BK-Nr. 4302 n = 215 [9].
Sowohl ursächliche Allergene (meist hochmolekulare Proteine) als auch Irritanzien (überwiegend niedermolekulare Chemikalien mit einem Molekulargewicht < 5000 Dalton) weisen eine Konzentrations-Wirkungs-Beziehung auf, d. h. je höher die Belastung, desto höher ist das Risiko der Entstehung einer obstruktiven Atemwegserkrankung [6].
#4. Spezielle Diagnostik (Abb. [3])
#4.1 Anamnese
Arbeitsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen weisen typischerweise einen Bezug der Beschwerden und der Lungenfunktionseinschränkungen zu der Arbeit auf. Eine genaue Erhebung der klinischen und der Berufsanamnese spielt deshalb eine herausragende Rolle. Berichtet ein Patient über rezidivierende akute Luftnotzustände in einem Arbeitsbereich, in dem eine hohe Krankheitsprävalenz und -inzidenz (z. B. in einer Bäckerei) bekannt sind, so ist ein arbeitsbedingtes Asthma sehr wahrscheinlich. Die Kenntnis des breiten und sich ständig erweiternden Spektrums berufstypischer Auslöser von Atemwegserkrankungen ist unabdingbar (s. auch Tab. [2]). Insofern darf sich die Anamnese und die weitergehende Diagnostik nicht auf die bekannten sensibilisierend und/oder irritativ wirkenden Arbeitsstoffe beschränken. Zum Beispiel sind beim Bäckerschnupfen und -asthma heute nicht nur Mehle, sondern auch zugesetzte Enzyme (vor allem α-Amylase und Xylanase aus Aspergilli) wichtige Krankheitsverursacher (Abb. [3]).


Abb. 3 Diagnostisches Stufenschema bei Verdacht auf arbeitsbedingtes Asthma bronchiale.
*Es gibt Ausnahmen, z. B. beim Isocyanat-bedingten Asthma, so dass hier die dargestellte weitergehende Diagnostik indiziert sein kann.
Meist ergeben sich anamnestische Hinweise auf eine konkrete Krankheitsauslösung, v. a. durch
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den Orts- oder Tätigkeitsbezug, d. h. Abhängigkeit vom Aufenthalt an einem bestimmten Arbeitsplatz oder dem direkten Kontakt mit einem Werkstoff, Haarfärbemittel, Labor- oder Nutztier;
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den zeitlichen Verlauf der Atembeschwerden (Beginn der Krankheit nach Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit; akute Auslösung von Atembeschwerden während der Arbeitsschicht, Abklingen nach Feierabend, Beschwerdefreiheit an arbeitsfreien Tagen).
Zu beachten ist jedoch, dass die arbeitsbedingte COPD, z. B. bei Schweißern und Bergleuten, keine akute arbeitsbezogene Symptomatik aufweist, sondern Folge einer kumulativen Schädigung des Respirationstrakts (entsprechend der COPD des chronischen Rauchers) ist.
Die arbeitsbedingte COPD entwickelt sich langsam und ist Folge kumulativer Effekte. |
Es empfiehlt sich, einen evaluierten Anamnese-Fragebogen zu verwenden und über das gesamte Arbeitsleben die inhalativen Schadstoffbelastungen sowie dadurch ggf. ausgelöste Krankheitssymptome zu erfassen [10]. Von möglicherweise ursächlichen Arbeitsstoffen sollten die Sicherheitsdatenblätter im Betrieb oder von der Unfallversicherung angefordert und diesbezügliche Gesundheitsrisiken ermittelt werden. Bestehen hinsichtlich der stattgehabten Belastung Unsicherheiten - dies ist eher die Regel -, sind der Betriebsarzt und/oder der Sicherheitsbeauftragte im Betrieb zu befragen.
Ein Anamnese-Fragebogen ist hilfreich. |
4.2 Klinische Basisuntersuchungen
Patienten mit arbeitsbedingtem Asthma zeigen im frühen Stadium typischerweise ohne akute Belastung keine Auffälligkeiten im körperlichen Status und in der Lungenfunktion.
Der spezifische bronchiale Hyperreagibilitätstest gehört zur Basisuntersuchung. |
Die Sensitivität des Methacholintests ist für arbeitsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen hoch, aber nicht 100 %, d. h., es gibt nur wenige Erkrankte ohne bronchiale Hyperreagibilität [3]. Die Spezifität dieses Tests ist jedoch niedrig, da viele Personen mit bronchialer Hyperreagibilität kein Asthmaleiden und keine COPD haben.
#4.3 Karenz- und Reexpositionsversuch
Oft lässt sich die klinische Bedeutung eines bestimmten Arbeitsstoffes für das vorliegende Krankheitsbild schon durch einfache Karenzmaßnahmen wahrscheinlich machen. Beschwerdefreiheit während des Wochenendes, des Urlaubs, bei Arbeitsunfähigkeit oder während einer Kur spricht für eine ursächliche Noxe im beruflichen Bereich.
Der Karenz- und Reexpositionsversuch ist eine wichtige diagnostische Maßnahme. |
In unklaren Fällen sollte nach Meidung der verdächtigen Noxen und eingetretener Beschwerdebesserung oder -freiheit eine kontrollierte Reexposition am Arbeitsplatz vorgenommen werden. Die Objektivierung der hierdurch bedingten Veränderungen erfolgt durch ärztliche Verlaufsuntersuchungen einschließlich Lungenfunktionsprüfung oder Eigenmessungen mittels Peak-Expiratory Flow (PEF)-Meter (s. Beispiel in Abb. [4]) bzw. Minispirometer. Voraussetzung für Letztere ist eine ausführliche Instruktion, regelmäßige Betreuung und eine gute Mitarbeit des Patienten.


Abb. 4 PEF-Verlauf während Arbeitstagen (graue Säulen) und arbeitsfreien Wochenenden bei Messung alle zwei Stunden während des Wachzustandes [11] a) Tägliche PEF-Variabilität, b) - mittlerer täglicher PEF-Wert, maximaler bzw. minimaler täglicher PEF-Wert.
4.4 Allergologische Diagnostik
<!?twb=.2w>Da der überwiegende Teil arbeitsbedingter Atemwegserkrankungen allergischer Genese ist, nimmt die Allergiediagnostik eine wichtige Position ein. Oft lassen sich erst auf dieser Basis gezielte und effiziente präventive und therapeutische Maßnahmen einleiten.
Es empfiehlt sich, alle Patienten mit V. a. arbeitsbedingte obstruktive Atemwegserkrankung einer Haut-Pricktestung mit ubiquitären und am Arbeitsplatz vorkommenden Allergenen zu unterziehen.
Man muss unterscheiden zwischen Sensibilisierung (objektiviert durch Hauttestreaktion oder Antikörpernachweis) und allergischer Krankheit (allergisches Asthma, Rhinitis, Konjunktivitis, Urtikaria, Kontaktekzem, exogen allergische Alveolitis). Für die Diagnose einer Allergie müssen sowohl Sensibilisierung als auch Krankheit objektiviert sein. Eine allergische obstruktive Atemwegserkrankung ist durch eine Atemwegsobstruktion und/oder eine klinisch manifeste bronchiale Hyperreagibilität sowie eine zu Grunde liegende Soforttypsensibilisierung gekennzeichnet. Der Sensibilisierungsnachweis erfolgt am einfachsten durch einen Haut-Pricktest; Alternativen stellen der aufwendigere Intrakutantest und die teuren Bestimmungen Allergen-spezifischer IgE-Antikörper dar. Letzteres, den Patienten nicht belastende Verfahren sollte eher zur Überprüfung fraglicher Sensibilisierungen oder bei Nichtdurchführbarkeit der Haut-Pricktestung (z. B. wegen Therapie mit Antihistaminika oder schwerem Hautekzems) eingesetzt werden. Auf dem Markt befinden sich verschiedene serologische Nachweisverfahren, wobei sich das sensitive, gut standardisierte, mit Festphasen-gebundenen Allergenen arbeitende CAP-System durchgesetzt hat. Allerdings stehen hierzu - ebenso wie für die Hauttestung - bisher viele Berufsallergene nicht zur Verfügung.
Auch der Pricktest mit Umwelt- und Berufsallergenen gehört zur Basisuntersuchung. |
Allergenquantifizierung am Arbeitsplatz: Neue immunologische Labortests, basierend auf monoklonalen Antikörpern gegen Leitantigene, eignen sich zur Quantifizierung von Allergenen in Staub- und Raumluftproben. Beispiele stellen die Bestimmungen von Allergenen des Latex oder des Weizenmehls dar.
#4.5 Spezifische Provokationsteste
Spezifische Provokationstests dienen der Objektivierung bzw. dem Ausschluss der aktuellen Relevanz einer Sensibilisierung. Sie bilden den Goldstandard der Diagnostik des arbeitsbedingten Asthmas.
Der spezifische Provokationstest ist der diagnostische Goldstandard. |
Die Indikationen spezifischer Provokationstests zeigt Tab. [3].
1. unsichere Diagnose (Diskrepanzen oder unsichere Aussagen in Anamnese, Hauttest, CAP) vor Einleitung weitreichender Therapiemaßnahmen wie Wohnungs-, Arbeitsplatzwechsel oder Hyposensibilisierung |
2. gutachterliche Stellungnahme |
3. Verdacht auf bronchiale Sensibilisierung gegen neue oder bisher unbekannte Allergene |
4. Verdacht auf isolierte verzögerte Bronchialobstruktion |
5. fragliche asthmatische Reaktion auf peroral oder i. v. zugeführte Substanzen |
6 Verdacht auf inhalativ ausgelöste nichtrespiratorische Reaktionen |
Zur Diagnostik der arbeitsbedingten allergischen Rhinitis und des arbeitsbedingten Asthma bronchiale eignen sich:
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inhalative Provokationstests mit Allergenextrakten
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arbeitsplatzbezogene inhalative Expositionstests mit Stäuben, tröpfchenförmigen Aerosolen und gasförmigen Arbeitsstoffen (z. B. Isocyanaten; s. Abb. [5]) [12].


Abb. 5 Arbeitsplatzbezogene inhalative Provokationstestung mit dem Isocyanat MDI: Duale asthmatische Reaktion nach 15 min Exposition gegenüber einer MDI-Konzentration von 3 parts per billion [Milliarde].
Antiallergische, antiinflammatorische und symptomatisch wirksame Pharmaka müssen entsprechend ihrer Wirkdauer vor der Untersuchung abgesetzt werden.
Diese Form der Diagnostik ist aufwändig und mit dem Risiko überschießender Reaktionen behaftet. Sie sollte daher nur durchgeführt werden, wenn das Ergebnis für Prävention, Therapie und/oder Entschädigung (z. B. einer Berufskrankheit) von wesentlicher Bedeutung ist und keine Kontraindikationen vorliegen (s. u.).
Die technische Ausrüstung und geschultes Personal müssen für Notfälle (kardiopulmonale Reanimation) vorhanden sein. Die qualitätsgesichert erfassten Lungenfunktionswerte werden im Verlauf dargestellt und bzgl. der Erfüllung der Positivkriterien überprüft (s. u.).
Die technische Ausrüstung und geschultes Personal müssen für Notfälle vorhanden sein. |
Auf folgende Besonderheiten ist hinzuweisen:
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Das Fehlen einer Bronchialobstruktion unter Ruhebedingungen und einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität schließen ein arbeitsbedingtes Asthma bronchiale nicht völlig aus; deshalb sollten bei entsprechend starken Hinweisen grundsätzlich die weiteren diagnostischen Schritte initiiert werden (Abb. [3]).
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Spirometrie- bzw. PEF-Monitoring während und ohne Arbeitsschichten sind bei V.a. arbeitsbedingtes Asthma wegen der dabei erfassten realen Bedingungen vorzuziehen (Abb. [4]). Voraussetzung ist, dass die entsprechende Fachkompetenz vor Ort vorhanden ist. Ansonsten erfolgt bei gegebener Indikation als nächster Schritt der arbeitsbezogene inhalative Expositionstest.
-
Bestehen arbeitsplatzbezogene Asthmasymptome trotz negativer Testergebnisse, sollten die Untersuchungen nach 1 - 6 Monaten wiederholt werden, da die Möglichkeit des Vorstadiums eines Asthmas besteht.
Die Durchführung spezifischer Provokationstests, einschließlich des arbeitsplatzbezogenen inhalativen Expositionstests, erfolgt unter besonderer Beachtung der einzuhaltenden Sicherheitsmaßnahmen:
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Die Kontraindikationen müssen berücksichtigt werden (s. Tab. [4]).
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Das Personal, das den Test durchführt, muss entsprechend ausgebildet und erfahren sein.
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Da eine unbeabsichtigte Überdosierung der Asthma auslösenden Substanz bei spezifischen Provokationstests nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, ist im Untersuchungsraum eine regelmäßig überprüfte Ausrüstung zur kardiopulmonalen Wiederbelebung bereit zu halten.
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Während der Untersuchung muss jederzeit ein sachkundiger und in Erste-Hilfe-Maßnahmen geschulter Arzt verfügbar sein.
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Die übliche Notfallmedikation, insbesondere Sauerstoff, inhalier- und injizierbare Bronchospasmolytika, injizierbare Antihistaminika und Kortikosteroide sowie Adrenalin müssen verfügbar sein.
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Die Inhalation soll in einer geschlossenen, zwangsentlüfteten Inhalationskabine bei Aerosolapplikation mit Ausatemfilter stattfinden, damit eine Kontamination der Umgebung und eine Exposition des Personals vermieden werden.
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Von Beginn der Untersuchung an muss im Untersuchungsraum ein inhalierbares, kurzwirksames Bronchospasmolytikum zur sofortigen Anwendung bereit stehen.
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Initial sollte ein Plazebotest mittels einer geeigneten Kontrollsubstanz (z. B. vor Provokation mit pulverförmigen Allergenen mittels Tapiokamehl bzw. vor der Provokation mit einer Allergenlösung mit dem diesbezüglichen Verdünnungsmittel) durchgeführt werden. Wenn schon das Plazebo pathologische Lungenfunktionswerte auslöst, spricht dies für eine unspezifische Reaktion; die Testung ist dann abzubrechen.
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Die Anfangsdosis des Allergens bzw. Arbeitsstoffs muss unter Berücksichtigung der üblichen Belastung, der bronchialen Reagibilität und des Sensibilisierungsgrades (Hauttest und/oder IgE-Antikörperkonzentrationen) so niedrig gewählt werden, dass noch keine Reaktion zu erwarten ist (Orientierung: ein Zehntel der Pricktest-Schwellenkonzentration; Steigerung der Dosis jeweils um einen Faktor von etwa 3).
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Das Zeitintervall zwischen den Dosissteigerungen des applizierten Allergens bzw. Arbeitsstoffs muss so gewählt werden, dass vor der Verabreichung der jeweils nächsten Dosis eine mögliche Sofortreaktion ihr Maximum erreicht hat. Dies bedeutet, dass zwischen einzelnen Applikationen ein Mindestabstand von 15 min einzuhalten ist.
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Vor jeder Dosissteigerung muss eine Lungenfunktionsprüfung bzw. Rhinomanometrie erfolgen.
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Ist die Reaktion 15 min nach Inhalationsende nahe dem „Positivkriterium”, sollte die Exposition mit der zuletzt gegebenen Dosis wiederholt werden.
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Während der Untersuchung und bis 2 Stunden nach der inhalativen Expositionstestung ist der Patient im Labor vom Untersuchungspersonal unmittelbar zu überwachen. Bis zur Spätmessung (in unkomplizierten Fällen 6, ansonsten 24 Stunden) nach der letzten Inhalation muss er unter Beobachtung bleiben.
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Vom Testbeginn an ist der Peak-Expiratory-Flow für 5 Stunden (in unkomplizierten Fällen; ansonsten 24 Stunden, ausgenommen während des Schlafs) stündlich zu bestimmen. Während dieser Zeit muss der Patient Zugang zu einem kurz wirkenden inhalierbaren β2-Sympathomimetikum haben. Er muss instruiert sein, wie er sich bei Atembeschwerden zu verhalten hat und wie er ggf. einen Arzt erreichen kann. Bei Verschlechterung des PEF um mehr als 20 % in Bezug auf den Ausgangswert soll dieses Medikament inhaliert und der Erfolg nach 10 min dokumentiert werden. Sollte sich keine Besserung einstellen, ist ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
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Zur Erfassung einer verzögerten Reaktion soll 6 (ggf. bis 24) Stunden nach der letzten Allergen-/Arbeitsstoffinhalation eine Nachuntersuchung mit Lungenfunktionsprüfung erfolgen.
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An einem Untersuchungstag soll wegen der Möglichkeit einer verzögerten Reaktion nur ein Arbeitsstoff getestet werden.
Kontraindikationen müssen berücksichtigt werden. |
Während und bis zwei Stunden nach der Provokation muss der Patient überwacht werden und mindestens bis zu sechs Stunden unter Beobachtung bleiben. |
1. relevante Einschränkungen der Lungenfunktion |
2. sonstige schwer wiegende Krankheiten |
3. Schwangerschaft |
4. sehr hohes Risiko, z. B. Status asthmaticus, Larynxödem oder Schockreaktion nach früherer Allergeneinwirkung |
5. fehlende Einrichtung oder Möglichkeit zur Notfallversorgung |
4.6 Grenzen des spezifischen Provokationstests mit Arbeitssstoffen
Meist wird der spezifische Provokationstest unter Ruhebedingungen durchgeführt, während am Arbeitsplatz üblicherweise körperlich belastende Tätigkeiten erfolgen, die mit einer Erhöhung des Atemminutenvolumens und damit der inhalativen Schadstoffaufnahme einhergehen. Um dies zu berücksichtigen, können während der Exposition körperliche Belastungen, z. B. mit 25 Watt auf dem Fahrradergometer, vorgenommen werden (Abb. [6]).


Abb. 6 Ergometrische Belastung zur Simulierung der Arbeitsbedingungen mit Steigerung des Atemminutenvolumens im Isocyanat-Expositionsraum. Im Vordergrund rechts oben Isocyanat-Monitor MDA 7500, rechts unten Geräte zur Generierung definierter Luftkonzentrationen.
Der kontrollierte Expositiontest am Arbeitsplatz unter ärztlicher Kontrolle ist der Idealfall wegen der dabei realen Umgebungsbedingungen, jedoch ist dies aus praktischen, finanziellen, arbeitstechnischen und juristischen Gründen nur selten durchführbar. Ein weiterer Vorteil eines solchen Expositionstests ist das Erfassen der Reaktion auf das Arbeitsplatz-charakteristische Schadstoffgemisch mit seinen synergistisch wirkenden Komponenten. Auch hier sollte ein Arzt anwesend sein. Es muss sichergestellt sein, dass der Patient innerhalb einer Stunde die Klinik erreichen kann.
Detaillierte repetitive Expositionstestungen mit Arbeitsstoffen zeigen, dass in einigen Fällen erst die wiederholte inhalative Belastung eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und/oder eine spezifische bronchialobstruktive Reaktion auszulösen vermag [13] [14]. Solche kumulativen Effekte sollten vom Betriebsarzt durch engmaschige Verlaufsbeobachtungen verfolgt werden. Die Berücksichtigungen der Auswirkungen der realen Arbeitsplatzsituation (Dauer und Höhe der Exposition) ermöglicht somit eine sehr sensitive (Früh-) Diagnostik.
An zahlreichen Arbeitsplätzen treten Überschreitungen der Arbeitsplatzgrenzwerte von chemisch-irritativ toxischen Schadstoffen auf, die als vorwiegend krankheitsauslösend anzusehen sind. Folglich muss in spezifischen Provokationstests - einschließlich dem arbeitsbezogenen inhalativen Expositionstests, in dem man die Bedingungen am Arbeitsplatz bis zum Arbeitsplatzgrenzwert nur für kurze Zeit im Labor simuliert - mit falsch-negativen Tests gerechnet werden. Unter derartigen Bedingungen schließt das negative Ergebnis eines mit einer Konzentration bis zum Arbeitsplatzgrenzwert durchgeführten arbeitsplatzbezogenen inhalativen Expositionstests das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht aus.
Falsch positive Provokationsergebnisse können durch im Vergleich zum Arbeitsplatz zu hohe Konzentrationen von irritativ wirkenden Berufssubstanzen ausgelöst werden. Solche Belastungen sind auch aus ethischen und juristischen Erwägungen abzulehnen. Der Expositionstest sollte stets standardisiert unter genau definierten, reellen und gut dokumentierten Bedingungen durchgeführt werden.
# 1 Welche Aussage zur Epidemiologie arbeitsbedingter obstruktiver Atemwegserkrankung ist richtig?
Ihr Anteil an allen Asthma- und COPD- Erkrankungen beträgt ca.
A 30 %
B 15 %
C 5 %
D 2 %
E < 1 %
#2 Im deutschen Berufskrankheitenrecht werden arbeitsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen unter verschiedenen Berufskrankheiten-Nummern berücksichtigt. Bei welcher Berufskrankheit wird eine Bronchialobstruktion in der Regel nicht entschädigt?
A BK 4103 Asbestose und Asbest-assoziierte Pleuraplaques
B BK 4111 chronische obstruktive Bronchitis/Emphysem der Steinkohlenbergleute
C BK 4101 Silikose
D BK 4103 allergisch-bedingte obstruktive Atemwegserkrankung
E BK 1315 Isocyanat-bedingte Erkrankung
# 3 Welche Antwort ist richtig?
Das Reactive Airways Dysfunction Syndrome (RADS)
A ist die häufigste Form arbeitsbedingter obstruktiver Atemwegserkrankungen
B ist stets auf eine Exposition gegenüber hohen Allergenkonzentrationen zurückzuführen
C ist stets durch eine Exposition gegenüber untergrenzwertigen Irritanzien-Konzentrationen zurückzuführen
D kann sowohl durch hohe Allergenkonzentrationen als auch durch Irritanzien ausgelöst werden
E wird durch eine einmalige oder wiederholte Exposition gegenüber hohen Iriritanzien-Konzentrationen ausgelöst
# 4 Welche Antwort ist richtig?
Das Isocyanatasthma
A wird der BK-Nr. 4301 zugeordnet, falls Isocyanat-spezifische IgE-Antikörper nachweisbar sind
B wird der BK-Nr. 4302 zugeordnet, da in der Mehrzahl der Fälle pathogenetisch irritative Effekte bedeutsam sind
C wird stets der BK-Nr. 1315 zugeordnet
D wird nur bei Nachweis von spezifischen Antikörpern als Berufskrankheit anerkannt
E geht stets mit einer bronchialen Hyperreagibilität einher
#5 Welche inhalativen Belastungen stehen in der Deutschland nicht als Auslöser arbeitsbedingter obstruktiver Atemwegserkrankungen im Vordergrund?
A Kühlschmierstoffe
B Schweiß- und Schneid-Rauche
C Mehl
D Nahrungs- und Futtermittelstäube
E Friseurarbeitsstoffe
#6 Welche der folgenden Berufskrankheiten des Respirationssystems dominiert in Deutschland zahlenmäßig?
A BK 4106 Aluminose
B BK 4301 obstruktive Atemwegserkrankung durch allergisierende Stoffe
C BK 4302 obstruktive Atemwegserkrankung durch chemisch irritative oder toxisch-wirkende Stoffe
D BK 4201 exogen allergische Alveolitis
E BK 1315 Erkrankungen durch Isocyanate
# 7 Welche Antwort ist richtig?
Die Rhinitis (Rhinopathie) ist in folgende Berufskrankheit eingeschlossen
A BK 1110 (Berylliose)
B BK 4302 (chemisch-irritative oder toxisch bedingte obstruktive Atemwegserkrankung)
C BK 4301 (allergisch bedingte obstruktive Atemwegserkrankung)
D BK 4106 (Aluminose)
E BK 4111 (chronische obstruktive Bronchitis/Emphysem der Steinkohlenbergleute)
#8 Welche Aussage ist bzgl. der Diagnostik eines arbeitsbedingten Asthmas richtig?
A Ein Monitoring während der Arbeitsschicht mittels PEF ist praktisch immer diagnostisch weiterführend
B Ein arbeitsbedingtes Asthma kann auch ohne unspezifische bronchiale Hyperreagibilität bestehen
C Eine normale Lungenfunktion unter Ruhebedingung schließt ein arbeitsbedingtes Asthma bronchiale aus
D Der Nachweis einer Bronchialobstruktion unter Ruhebedingung oder einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität ist Voraussetzung einer Anerkennung der BK-Nr. 4302 und BK-Nr. 4301
E Der Goldstandard in der Diagnostik des arbeitsbedingten Asthmas ist der Methacholin-Provokationstest
#9 Von einer arbeitsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung ist folgender Beruf nicht überhäufig betroffen
A Maler
B Friseur
C Schweißer
D Spritzlackierer
E Ingenieur
#10 Welche Aussagen sind falsch?
Ein durch Latexallergene hervorgerufenes Asthma bronchiale
A wird auch bei Fortsetzung der krankheitsursächlichen Tätigkeit als Berufskrankheit anerkannt, wenn die Krankheit beruflich erworben wurde
B zählt zu den allergischen Atemwegserkrankungen entsprechend BK-Nr. 4301
C geht häufig mit einer allergischen Rhinitis einher
D kann als Berufskrankheit anerkannt werden, wenn sie beruflich erworben wurde und durch Arbeitsplatzsanierung (Austausch von Latexhandschuhen durch synthetische Handschuhe) die ursächliche Exposition beseitigt wurde
E wird als Berufskrankheit anerkannt, wenn durch das positive Ergebnis eines Arbeitsplatzsimulationstests die haftungsausfüllende Kausalität bewiesen wird
#Literatur
- 1 American Thoracic Society (ATS) . American Thoracic Society Statement: Occupational contribution to the burden of airway disease. Am J Respir Crit Care Med. 2003; 167 787-797
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Prof. Dr. med. Xaver Baur
Ordinariat und Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Hamburg
Seewartenstraße 10
20459 Hamburg
Email: baur@uke.uni-hamburg.de