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DOI: 10.1055/s-2005-919762
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Elektronisch instrumentierte ("intelligente") Implantate für die Osteosynthese
Maximilian Faschingbauer
Klaus Seide
Dietmar Wolter
Christian Jürgens
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Bergedorfer Straße 10
D-21033 Hamburg
Email: m.faschingbauer@buk-hamburg.de
Nils Weinrich
Jörg Müller
Technische Universität Hamburg-Harburg
Arbeitsbereich Mikrosystemtechnik
Hamburg-Harburg
Publication History
Publication Date:
14 November 2005 (online)
- Belastungsmessung eines Implantats
- Die telemetrische Messeinheit
- Tierversuch
- Klinische Anwendung mit positivem Ergebnis
- Telemetrie in der Osteosynthese - das Zukunftsmodell?
Belastungsmessung eines Implantats
Die Verlaufskontrolle der Frakturheilung erfolgt routinemäßig durch Röntgenaufnahmen. Die Beurteilung der radiologischen knöchernen Durchbauung und die daraus folgende Steigerung der Belastung der Fraktur ist stark von der Erfahrung des behandelnden Chirurgen abhängig. In schwierig zu beurteilenden Fällen mit Problemen in der Frakturheilung lässt sich durch nativ-radiologische Untersuchungen keine entscheidende Aussage tätigen, weshalb dann Zusatzuntersuchungen - wie CT oder Schichtaufnahmen - mit zum Teil erhöhter Strahlenbelastung nötig sind.
Es wurden deshalb Osteosynthesesysteme entwickelt, welche Last, Biegungen oder Dehnungen messen können. Diese Systeme wurden bereits erfolgreich eingesetzt. Dies geschah vorwiegend bei Fixateur-externe-Systemen. Mit internen Systemen liegen bisher wenig Erfahrungen vor.
Durch das Aufbringen einer modernen Mikroelektronik auf eine Platte ist es möglich, mittels RFID (Radiofrequenz-Identifikation)-Technologie telemetrisch die Belastung des Implantats zu messen. Aufgrund der kleinen Dimensionierung eines einfachen und relativ kostengünstigen Sensorsystems kann dieser in interne Plattensysteme integriert werden.
#Die telemetrische Messeinheit
Es wurde eine miniaturisierte telemetrische Messeinheit entwickelt, auf handelsübliche winkelstabile Fixateur- interne-Systeme appliziert und biokompatibel verkapselt (Abb. [1]). Diese Transponder werden "passiv" durch ein Lesegerät mit Energie versorgt (induktive Kopplung), so dass eine Batterie nicht erforderlich ist. Als Sensoren dienen Dehnungsmessstreifen. Für die klinische Anwendung wurde eine extrakorporale portable Leseeinheit entwickelt, welche telemetrisch die Daten des Miniaturtransponders aufnehmen kann.
Die Daten können von dieser Einheit in ein Computermesssytem übertragen werden, mit welchem gleichzeitig äußere Lasten und ein simultan durchgeführtes Elektromyogramm registriert werden können. Zunächst wurden in Versuchen an Kunststoffmodellen verschiedener Fraktursituationen die in vivo zu erwartenden Messwerte simuliert und die Funktionalität des Gesamtsystems nachgewiesen.
Es erfolgte dann die Prüfung des Systems im Tierversuch. Instrumentierte winkelstabile Fixateur-interne- Systeme (TIFIX®)in der Dimensionierung für den menschlichen Unterschenkel wurden bei sechs Schafen an der Tibia montiert und eine quere Osteotomie durchgeführt. Nach zwölf Wochen Implantationsdauer wurde histologisch die Verträglichkeit nachgewiesen. Parallel dazu erfolgte das Monitoring der knöchernen Durchbauung durch regelmäßige Messungen der Implantatbelastung unter standardisierten äußeren Lasten sowie Röntgenaufnahmen nach 3, 6 und 12 Wochen. Zusätzlich wurde eine spezielle Leseeinheit mit Bluetooth-Schnittstelle entwickelt, welche als "Rücksacksystem" (Abb. [2]) kontinuierliche Messungen über Funkverbindung bei frei laufendem Tier ermöglichen. Danach erfolgten die ersten klinischen Anwendungen an bisher zwei Patienten.
#Tierversuch
Die Tierversuche zeigten, dass der Frakturheilungsverlauf mit dem System kontrolliert und quantifiziert werden kann. Dazu wurde eine relative Steifigkeit als Verhältnis der auf die Extremität aufgebrachten Kraft und der im Implantat gemessenen Biegelast bestimmt. Aufgrund der Verschiebung des Kraftflusses von der Platte auf den zunehmend steiferen Knochen, nimmt diese relative Steifigkeit im Verlauf der regulären Knochenheilung zu. Es zeigte sich darüber hinaus ein biomechanisch interessanter Einfluss muskulärer Regelprozesse, so fand sich z.B. bereits vor dem Beginn einer Laufbewegung eine Anspannung, welche nach dem Stillstand nach einigen Sekunden langsam abklang.
Im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung durchgeführte Vergleiche zwischen Gewebe am Plattenende (entspricht herkömmlichem Implantat) und Plattenmitte (mit verkapseltem Sensorsystem) zeigten sich keine Unterschiede der Zellreaktion oder andere Auffälligkeiten.
#Klinische Anwendung mit positivem Ergebnis
Die klinische Anwendung erfolgte bei zwei Patienten mit mehrfach voroperierten Pseudarthrosen am distalen Oberschenkel, um einerseits mögliche Ursachen der Heilungsprobleme zu erkennen, und andererseits das Risiko einer weiteren Fehlheilung durch optimierte Laststeuerung zu minimieren. In einem Fall war mit einem distalen Femurnagel, im anderen mit LCDC-Platten vorbehandelt worden. Es erfolgte die Versorgung mit einem instrumentierten Oberschenkel-TIFIX® (multidirektional winkelstabiles Implantat auf Grundlage einer Wellenplatte, Abb. [3]). Zusätzlich wurde eine Spongiosaplastik durchgeführt. Ergebnisse der laufenden Behandlungen zeigten, dass die telemetrisch ermittelten Plattenbelastungen gut mit den auf die Extremität applizierten zyklischen Lasten korrelierten (Abb. [4]). Die auf die äußeren Lasten bezogene Plattenbelastung verringerte sich dabei im Verlauf der Frakturheilung.
Besonders interessante Ergebnisse fanden sich unter willkürlicher Muskelanspannung sowie bei kontinuierlicher Aufzeichnung der telemetrisch gemessenen Plattenlast während krankengymnastischer Übungen (Abb. [5]). Um eine Vergleichbarkeit der durchgeführten Messungen zu erzielen, wurden die Messwerte auf diejenige Last standardisiert (= 100%), welche sich bei axialer Last unter 10 kg zeigte. Diese Last war dem Patienten durch den Operateur als Teilbelastung erlaubt. Bei maximaler Anspannung der Oberschenkelmuskulatur wurden Werte bis 500% registriert. Das Anheben des Beines in Rückenlage ergab bis zu 240%. Kurzfristige Spitzen (bis 150%) zeigten sich beim Ablegen des Beines am Schluss einer durch die Physiotherapeutin geführten Bewegung. Übungen mit einer Torsionskomponente ergaben ebenfalls hohe Plattenbelastungen bis 320%. Gab man dem Patienten die Anweisung, das Bein mit voller Muskelanspannung im Oberschenkel zu stabilisieren und dann die Ferse zunehmend zu belasten (bis maximal 30 kg), so führte die Muskelanspannung zunächst zu einer Implantatbelastung, welche dann beim Belasten der Ferse in ihrem Wert nahezu konstant blieb. Hier ist ein Regelkreis zu postulieren, welcher die zusätzlich auftretende Belastung durch Entspannung der Muskulatur zu kompensieren trachtet.
#Telemetrie in der Osteosynthese - das Zukunftsmodell?
Die Anwendung moderner Mikroelektronik auf Implantaten ist ein Schritt in eine neue Ära der Frakturnachbehandlung.
Durch kabellose, unblutige Messung der Last, welche auf ein internes Fixateursystem einwirkt, kann ein Rückschluss auf den Verlauf der knöchernen Frakturheilung gezogen werden. Ein weiterentwickeltes kleines portables Lesegerät wird komfortabel ein kontinuierliches Monitoring der Belastung in vivo ermöglichen. Erste Ergebnisse zeigen eine Korrelation zwischen der knöchernen Heilung und dem Verlauf der empfangenen Signale. Bei krankengymnastischen Übungen bzw. Belastung der betroffenen Extremität können sofort Spitzenbelastungen des Implantates aufgezeigt werden. Ziel ist eine telemetrisch kontrollierte Nachbehandlung von Frakturen mit optimaler Ausnutzung der Belastungsmöglichkeit der Extremität, ohne eine Überlastung des Implantates zu provozieren. Zudem wird durch dieses System eine frühzeitige Erkennung von Problemen in der Frakturheilung ermöglicht werden, so dass entsprechend gegengesteuert werden kann. Nach Überzeugung der Autoren werden "intelligente" Implantate für die Osteosynthese in der Zukunft routinemäßige Werkzeuge des Unfallchirurgen/Orthopäden sein.
Literatur beim Autor
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Maximilian Faschingbauer
Klaus Seide
Dietmar Wolter
Christian Jürgens
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Bergedorfer Straße 10
D-21033 Hamburg
Email: m.faschingbauer@buk-hamburg.de
Nils Weinrich
Jörg Müller
Technische Universität Hamburg-Harburg
Arbeitsbereich Mikrosystemtechnik
Hamburg-Harburg
Maximilian Faschingbauer
Klaus Seide
Dietmar Wolter
Christian Jürgens
Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Bergedorfer Straße 10
D-21033 Hamburg
Email: m.faschingbauer@buk-hamburg.de
Nils Weinrich
Jörg Müller
Technische Universität Hamburg-Harburg
Arbeitsbereich Mikrosystemtechnik
Hamburg-Harburg