Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(5): 494-495
DOI: 10.1055/s-2005-919764
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was ist aus Sicht des Unfallchirurgen/Orthopäden gesichert in der Schmerztherapie nach Implantation einer Hüfttotalendoprothese? - Eine systematische Literaturanalyse nach den Kriterien der "evidence based medicine"

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Dr. Christian Simanski

Unfallchirurgische Klinik Köln-Merheim

Lehrstuhl für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universität Witten-Herdecke

Ostmerheimer Str. 200

51109 Köln

eMail: Christian.Simanski@uni-koeln.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. November 2005 (online)

 
Inhaltsübersicht
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Dr. Christian Simanski

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Zunehmende Relevanz medizinischer und ökonomischer Faktoren

Durch den zu erwartenden demographischen Anstieg des Anteils von älteren Patienten mit Koxarthrose oder hüftgelenksnahen Frakturen und der damit verbundenen steigenden Anzahl von Hüft-TEP-Implantationen in den nächsten Jahren, rücken medizinische und ökonomische Faktoren zunehmend in den Vordergrund. Die betagten Patienten weisen oftmals multiple Komorbiditäten auf und haben einen hohen Anspruch an ihre postoperativen Aktivitäten des täglichen Lebens. Diese Entwicklung trifft auf einen Strukturwandel in unserem Gesundheitssystem, in dem Konzepte, wie ambulantes Operieren, integrierte Versorgung und "Fast track"-Chirurgie eingeführt werden. Der Hüft-TEP-Patient wird immer älter und kränker, und soll optimal operiert werden (z.B. mit miniinvasiven OP-Verfahren), kürzer in der Klinik verweilen und noch schneller rehabilitiert werden. In den USA sind "day case"-Prozeduren nach totalem Hüftgelenksersatz bereits Realität, in Skandinavien "Fast-track"-Rehabilitationsprogramme nach Hüftgelenkersatz schon angelaufen.

Bezüglich dieser Entwicklung kommt der postoperativen Schmerztherapie eine besondere Bedeutung zu: Sie muss bei dem älteren Patientengut entsprechend den Vorerkrankungen und den möglichen Arzneimittelinteraktionen exakt und sinnvoll abgestimmt sein. Ist das der Fall, dann zeigt sich nach einer gelungenen Gelenkoperation eine bessere Mobilisation mit einem größeren postoperativen Bewegungsausmaß: Patienten ohne Schmerzen üben besser, haben dementsprechend einen besseren Bewegungsumfang und eine kürzere Rehabilitationszeit.

Diese Literaturanalyse evaluiert die Möglichkeiten, die evidenzbasiert (Level of Evidence I [LoE I]) dem Operateur bzw. dem verantwortlichen Kollegen zur Verfügung stehen, um diese zukünftigen Ziele besser erreichen zu können.

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Literaturanalyse

Die Literaturanalyse wurde nach dem Cochrane-Protokoll® (MEDLINE 1966-06/2005, EmBASE 1988-08/ 2004) durchgeführt. Folgende Suchbegriffe bezogen auf den Schmerz nach Hüfttotalendoprothesen-Implantation wurden angewandt: 'pain', 'postoperative pain', 'anaesthesia', 'analgesia', 'pre-emptive analgesia', 'prophylactic pain treatment' and 'pre-operative treatment'.. Diese wurden mit prozedurenspezifischen Suchbegriffen wie 'hip replacement', 'hip arthroplasty' and 'hip prosthesis' kombiniert. Referenzlisten von den die Einschlusskriterien erfüllenden Studien und Reviews wurden ebenfalls durchsucht. Eingeschlossen wurden Daten von randomisierten, kontrollierten Studien (LoE I) mit Linearskalen-Schmerzmessung (z.B. VAS, VRS etc.) und LoE-I-Studien mit transferierbarer Evidenz von anderen unfallchirurgisch, orthopädischen Prozeduren (z.B.Knie-TEP, Kreuzbandchirurgie).

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Schwache Opioide ohne Effekt

49 randomisierte Studien wurden ein-, 56 Studien ausgeschlossen. Neun Studien erfüllten die Einschlusskriterien, acht davon verglichen die NSAR Ibuprofen, Ketorolac, Dexketoprofen, Diclofenac, Indomethacin oder Piroxicam mit Plazebo, eine Studie verglich einen weiteren Studienarm-Ketorolac präoperativ vs. postoperativ verabreicht. Die noch verbleibende Studie verglich Ketrololac vs. Diclofenac vs. Ketoprofen: In sechs Studien zeigte sich ein signifikanter Effekt für NSAR.

Die verbleibenden zwei plazebo-kontrollierten Studien zeigten keinen signifikanten Benefit von NSAR verabreicht als Bolus am Abend vor dem Eingriff und am OP-Tag abends oder zwei Wochen vor der Operation verabreicht.

Die quantitative Auswertung der Daten ergab eine signifikante Schmerzreduktion in den NSAR-Gruppen von 0-32 Stunden postoperativ. In sieben Studien zeigte sich eine signifikante Reduktion des Morphinverbrauchs.

Eine Studie verglich orale COX-2-Hemmer (Valdecoxib) mit Plazebo und fand signifikant niedrigere Schmerzintensitäten in der COX-2-Hemmer-Gruppe..

Starke Opiode wurden in sieben Studien getestet. Orales Morphin erwies sich schmerzreduzierender, als intramuskulär injiziertes. Die intravenöse PCA (patient controlled analgesia)- Gabe eines Opiods zeigte eine bessere Schmerzreduktion als die subkutan verabreichte.

Schwache Opioide (Tramadol/Codein) ergaben keinen schmerzreduzierenden Effekt verglichen mit der Plazebogabe. Ferner zeigten sich keine Unterschiede bezogen auf den zusätzlichen Analgetikaverbrauch oder den Zeitpunkt der ersten Analgetikaanforderung durch den Patienten.

Paracetamol (2 Studien) zeigte vs. Plazebo einen reduzierten zusätzlichen Analgetikaverbrauch. Eine Studie zeigte weiterhin, dass Paracetamol plus Codein der Plazebogabe überlegen war, bezogen auf die Reduktion der postoperativen Schmerzscores, des zusätzlichen Analgetikabedarfs und auf einer Verlängerung des Zeitpunktes bis zur ersten Analgetikaanforderung.

Der Vergleich operativer Zugänge zeigte beim modifizierten Hardinge-Zugang versus dem transtrochantär-lateralen und bei einer minimalen Inzisionstechnik vs. konventionellen Zugang keine Unterschiede bezüglich der postoperativen Schmerzintensität. Eine Studie zeigte niedrigere VAS-Scores bei einer minimalinvasiven ventralen Zugangsgruppe verglichen mit einer Standardzugangsgruppe nach 3 und 10 Tagen post OP.

Aus Studien mit transferierbarer Evidenz zeigt die intraoperative Diathermie kontrolliert getestet niedrigere Schmerzintensitäten verglichen mit dem konventionellen Skalpell (s. Abb. [1]).

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Abb. 1: Hautinzision mit dem Skalpell.

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Abb. 2: Intraoperative Drainagen.

Bei bekannter Belästigung der Patienten durch Drainagen zeigte eine Metaanalyse mit 2772 Patienten (LoE Ia) bei orthopädischen Eingriffen und eine weitere kontrollierte Studie (LoE Ib) negative Effekte mit erhöhter Infekt- und Reoperationsrate in der Drainagegruppe.

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Schlussfolgerungen

Die verfügbaren NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, Indometacin, Piroxicam, Dexketoprofen, Ketorolac), Paracetamol, orales Valdecoxib und starke Opioide (Stufe 3, Morphin, Diamorphin) sind kontrolliert getestet suffiziente Analgetika zur postoperativen Schmerztherapie nach Hüft-TEP. Die Art des operativen Zuganges und Stufe-2-Analgetika (Tramadol, Codein) haben keinen schmerzreduzierenden Einfluss. Es muss jedoch die weitere Datenanalyse der zur Zeit noch laufenden minimalinvasiven Studien abgewartet werden, um eine endgültige Aussage darüber treffen zu können. Die Datenlage bei den Drainage-Vergleichsstudien ist aufgrund der Heterogenität der Studienendpunkte noch nicht eindeutig, trotzdem sollte auf Redondrainagen, wenn immer es klinisch vertretbar ist, verzichtet werden.

Literatur beim Autor

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Dr. Christian Simanski

Unfallchirurgische Klinik Köln-Merheim

Lehrstuhl für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universität Witten-Herdecke

Ostmerheimer Str. 200

51109 Köln

eMail: Christian.Simanski@uni-koeln.de

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Dr. Christian Simanski

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Abb. 1: Hautinzision mit dem Skalpell.

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Abb. 2: Intraoperative Drainagen.