Aktuelle Dermatologie 2006; 32(1/02): 27-29
DOI: 10.1055/s-2005-921157
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Cyclodextrine zur Funktionalisierung von Textilien - In-vitro-Untersuchungen zur Hautverträglichkeit am Zellkulturmodell

Textile Finishing with Cyclodextrins - In Vitro Studies on the Skin Tolerability of Cyclodextrins Using a Cell Culture ModelU.  Schönfelder1 , C.  Hipler1 , P.  Elsner1 , U.-C.  Hipler1
  • 1Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Ute Schönfelder

Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie · Friedrich-Schiller-Universität Jena

Erfurter Straße 35 · 07743 Jena

Email: ute.schoenfelder@med.uni-jena.de

Publication History

Publication Date:
14 February 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Anwendungen cyclodextrin-veredelter Textilien im dermatologischen oder kosmetischen Bereich machen eine Abklärung der Hautverträglichkeit der verwendeten Cyclodextrine notwendig. In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss von unsubstituierten Cyclodextrinen und Cyclodextrin-Derivaten auf das Proliferationsverhalten epidermaler Zellen (HaCaT-Keratinozyten) untersucht. Während α- und γ-Cyclodextrine und ihre Derivate auch in hoher Konzentration (1 % w/v) gut von den Zellen toleriert werden, wirken β- und Methyl-β-Cyclodextrine dosisabhängig stark zytotoxisch. Diese Eigenschaften sollten beim In-vivo-Einsatz von Cyclodextrinen im dermatologischen Bereich unbedingt berücksichtigt werden.

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Abstract

Applications of textiles finished with cyclodextrins for dermatological or cosmetic purposes require an assessment on the skin tolerability of the fixed cyclodextrins. In the present work, the influence of natural and chemically modified cyclodextrins on the proliferation behavior of a human epidermal cell line (HaCaT keratinocytes) was investigated. It was shown, that α- and γ-cyclodextrin were well tolerated by the cells even at high concentrations (1 % w/v). However, β- and methyl-β-cyclodextrin induce cytotoxic effects in a dose-dependent manner. For in vivo applications of β- and methyl-β-cyclodextrins these findings should be taken into consideration.

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Einleitung

Cyclodextrine sind zyklische Oligosaccharide, die über α-(1,4)-glykosidische Bindungen verknüpft sind. Cyclodextrine bilden stabile Ringe mit einem hydrophoben Inneren, was die Bildung von Einschlusskomplexen mit einer großen Anzahl an chemischen Substanzen ermöglicht. Diese Einschlusskomplexe sind durch hydrophobe Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert. Cyclodextrin-Einschlusskomplexe finden in zunehmendem Maße Anwendung im medizinischen und pharmakologischen Bereich.

So werden Cyclodextrine derzeit zur Verbesserung von Stabilität und Löslichkeit von Wirkstoffen für orale [1], intranasale [2], okulare [3] und intravenöse [4] Anwendungen sowie als transdermale Transportsysteme (TTS) [5] [6] genutzt. Zudem kommen cyclodextrin-veredelte Textilien auf den Markt [7] [8], die entweder auf eine Aufnahme von Substanzen aus dem Schweiß oder eine langsame Abgabe der eingeschlossenen Substanzen an die Hautoberfläche abzielen.

Anwendungen im dermatologischen oder kosmetischen Bereich machen eine Abklärung der Hautverträglichkeit der verwendeten Cyclodextrine notwendig. Zu diesem Zweck wurde der Einfluss gelöster Cyclodextrine und chemisch modifizierter Derivate auf das Proliferationsverhalten epidermaler Zellen (HaCaT-Keratinozyten) untersucht. Dazu kamen verschiedene In-vitro-Testverfahren zum Einsatz.

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Material und Methoden

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Zellkultivierung

HaCaT- (Human adult low Calcium high Temperature) Keratinozyten (Prof. Dr. N. E. Fusenig, DKFZ, Heidelberg) wurden in Dulbecco’s modified Eagle’s Medium (DMEM, PromoCell) supplementiert mit 10 % FCS (Biochrome) und 1 % antibiotisch-antimykotischer Lösung (GibcoBRL) bei 37 °C und 5 % CO2 kultiviert. Für Experimente wurden die Zellen mit Trypsin/EDTA suspendiert und in 96-well-Mikrotiterplatten gesät (20 000 - 40 000 Zellen/cm2) und in der Regel 48 h vorinkubiert.

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Bestimmung des intrazellulären ATP-Gehaltes

Die Messung des intrazellulären ATP-Gehaltes (ATPLite, Perkin Elmer) beruht auf dem D-Luciferin/Luciferase-System des Glühwürmchens (Photinus pyralis). Dazu werden die Zellen nach der Inkubation mit Cyclodextrinen lysiert und ATP zur Umsetzung von D-Luciferin zu Oxyluciferin genutzt. Bei dieser Reaktion werden Lichtquanten frei. Die Intensität der Lichtentwicklung ist direkt proportional zur vorhandenen ATP-Konzentration. Zur Messung des Lumineszenz-Signals wurde der Plattenreader LUMIstar der Firma BMG Labtech genutzt [9].

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Fluoreszenz-Mikroskopie

SYTO-13 und Ethidiumhomodimer-2 (Molecular Probes) sind Fluoreszenzfarbstoffe, die an Nukleinsäuren in den Zellen binden, wobei ihre Fluoreszenzintensität verstärkt wird. SYTO-13 ist ein grün fluoreszierender Farbstoff, der passiv durch die Zellmembranen diffundiert und alle Zellen färbt. Das rot fluoreszierende EthD-2 ist nicht membranpermeabel und kann nur in Zellen gelangen, deren Membranintegrität gestört ist. Dies ist bei Zellen mit nekrotischen Schäden der Fall. Auf Grund der höheren Affinität von EthD-2 zu DNA verdrängt dieser Farbstoff das gebundene SYTO-13, weshalb tote Zellen rot bzw. orange fluoreszieren.

HaCaT-Keratinozyten wurden auf Deckgläschen 48 h kultiviert. Anschließend wurde das Medium entfernt und durch Medium (Negativ-Kontrolle) bzw. je 1mL 1 %ige Cyclodextrin-Lösung ersetzt. Anschließend wurden die Zellen für 24 h bei 37 °C/5 % CO2 bebrütet und mit beiden Farbstoffen gefärbt. Die Fluoreszenz-Anregung am Mikroskop (Olympus) erfolgte bei 470 - 490 nm. Die Emission wurde oberhalb 500 nm gemessen.

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Ergebnisse

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Proliferation von HaCaT-Keratinozyten unter dem Einfluss von Cyclodextrinen

Die natürlichen Cyclodextrine beeinflussen das Wachstum der HaCaT-Zellen in unterschiedlicher Weise. Während es unter der Einwirkung von α- und γ-Cyclodextrin nur zu geringfügigen Änderungen des Wachstumsverhaltens bezogen auf Kontrollzellen kommt, führt die Inkubation mit β-Cyclodextrin zu deutlich antiproliferativen Erscheinungen. So nimmt der intrazelluläre ATP-Gehalt mit zunehmender Inkubationsdauer signifikant ab, was ein Indiz für einen gestörten Metabolismus der Zellen ist (Abb. [1 a]). Die beobachtete Wirkung ist konzentrationsabhängig.

Ein ähnliches Ergebnis ergibt die Inkubation der HaCaT-Keratinozyten mit methylierten Cyclodextrin-Derivaten (Abb. [1 b]). Im Falle der methylierten Abkömmlinge des α- und γ-Cyclodextrins ist keine signifikante Abnahme der untersuchten Proliferationsparameter gegenüber der Kontrolle feststellbar. Anders das methylierte β-Cyclodextrin. Die Inkubation mit dieser Substanz hemmt das Zellwachstum signifikant.

Hydroxy-Propyl-Derivate aller drei Cyclodextrine üben nur einen geringen Effekt auf das Proliferationsverhalten der Zellen aus (Abb. [1 c]). Im Falle dieser Modifizierung wird auch das β-Cyclodextrin gut von den Keratinozyten toleriert.

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Abb. 1 Bestimmung des intrazellulären ATP-Gehaltes in HaCaT-Keratinozyten unter dem Einfluss von Cyclodextrinen und Cyclodextrin-Derivaten mittels Lumineszenz Assay (ATP-Lite, Perkin Elmer) nach 24 h. Blaue Balken - Cyclodextrinkonzentration 0,5 % (w/v), graue Balken - Cyclodextrinkonzentration 1,0 % (w/v).

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Zelltod unter dem Einfluss von Cyclodextrinen

Die beobachtete antiproliferative Wirkung von β-Cyclodextrin und Methyl-β-Cyclodextrin geht einher mit dem Verlust der Integrität der Zellmembranen. Dies lässt sich fluoreszenz-mikroskopisch nachweisen. Die Lebend-Tot-Färbung der HaCaT-Zellen nach 24-stündiger Inkubation mit 1 %iger Cyclodextrin-Lösung zeigt für α- und γ-Cyclodextrin, Methyl-α- und Methyl-γ-Cyclodextrin sowie sämtliche Hydroxy-Propyl-Cyclodextrine ausschließlich lebende Zellen (grüne Fluoreszenz) (Abb. [2]).

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Abb. 2 Lebend-Tot-Färbung mit SYTO-13/EthD-2 von HaCaT-Keratinozyten nach 24-stündiger Inkubation mit Cyclodextrinen und Cyclodextrin-Derivaten (1,0 % w/v).

Die Einwirkung von β-Cyclodextrin und Methyl-β-Cyclodextrin führt jedoch zu einem dramatischen Verlust an intakten Zellen. Dies zeigt sich zum einen in einem stark ausgedünnten Zellrasen und zum anderen überwiegt die Anzahl der toten Keratinozyten (rote Fluoreszenz) deutlich.

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Zusammenfassung und Ausblick

Cyclodextrine und ihre chemisch modifizierten Abkömmlinge unterscheiden sich hinsichtlich ihres Einflusses auf HaCaT-Keratinozyten deutlich voneinander. So werden α- und γ-Cyclodextrin und ihre modifizierten Derivate auch in hoher Konzentration (1 % w/v) gut von den Zellen toleriert. Hingegen weisen β- und Methyl-β-Cyclodextrin eine starke zytotoxische Wirkung auf. Diese Wirkung ist dosisabhängig. Während 0,5 %ige Lösungen nur einen geringen antiproliferativen Effekt hervorrufen (vergl. ATP), führt die Inkubation mit 1 % β- und Methyl-β-Cyclodextrin nach 24 h zum Zelltod. Durch die Einführung einer Hydroxy-Propyl-Gruppe am β-Cyclodextrin kann der zytotoxische Effekt jedoch aufgehoben werden. Diese Eigenschaften sollten beim In-vivo-Einsatz von Cyclodextrinen im dermatologischen Bereich unbedingt berücksichtigt werden.

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Literatur

  • 1 Lenaerts A J, Gruppo V, Marietta K S, Johnson C M, Driscoll D K, Tompkins N M, Rose J D, Reynolds R C, Orme I M. Preclinical testing of the nitroimidazopyran PA-824 for activity against Mycobacterium tuberculosis in a series of in vitro and in vivo models.  Antimicrob Agents Chemother. 2005;  49 2294-2301
  • 2 Gu F G, Cui F D, Gao Y L. Preparation of prostaglandin E1-hydroxypropyl-beta-cyclodextrin complex and its nasal delivery in rats.  Int J Pharm. 2005;  290 101-108
  • 3 Sigurdsson H H, Stefansson E, Gudmundsdottir E, Eysteinsson T, Thorsteinsdottir M, Loftsson T. Cyclodextrin formulation of dorzolamide and its distribution in the eye after topical administration.  J Control Rel. 2005;  102 255-262
  • 4 Willems L, van der Geest R, de Beule K. Itraconazole oral solution and intravenous formulations: a review of pharmacokinetics and pharmacodynamic.  J Clin Pharm Ther. 2001;  26 159-169
  • 5 Davaran S, Rashidi M R, Khandaghi R, Hashemi M. Development of a novel prolonged-release nicotine transdermal patch.  Pharm Res. 2005;  51 233-237
  • 6 Ceschel G, Maffei P, Lombardi Borgia S, Bergamente V, Calabrese V, Ronchi C. Solubility and transdermal permeation properties of a dehydroepiandrosterone (DHEA) cyclodextrin complex from hydrophilic and lipophilic vehicles.  Drug Deliv. 2005;  12 275-280
  • 7 Buschmann H-J, Denter U, Knittel D, Schollmeyer E. The use of cyclodextrins in textile processes - an overview.  J Text Inst. 1998;  89 554-561
  • 8 Tonelli A E. The potential for improving medical textiles with cyclodextrin inclusion compounds.  Journal of Textile and Apparel, Technology and Management. 2003;  3 1-12
  • 9 Hipler U-C, Knöll B, Wollina U. The use of an ATP Bioluminescence assay to quantify HaCaT cell cytotoxicity. In: Roda A, Pazzagli M, Kricka LJ, Staney PE Bioluminescence and Chemiluminescence. West Sussex GB; J. Wiley 1999: 169-172

Ute Schönfelder

Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie · Friedrich-Schiller-Universität Jena

Erfurter Straße 35 · 07743 Jena

Email: ute.schoenfelder@med.uni-jena.de

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Literatur

  • 1 Lenaerts A J, Gruppo V, Marietta K S, Johnson C M, Driscoll D K, Tompkins N M, Rose J D, Reynolds R C, Orme I M. Preclinical testing of the nitroimidazopyran PA-824 for activity against Mycobacterium tuberculosis in a series of in vitro and in vivo models.  Antimicrob Agents Chemother. 2005;  49 2294-2301
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Ute Schönfelder

Klinik für Dermatologie und dermatologische Allergologie · Friedrich-Schiller-Universität Jena

Erfurter Straße 35 · 07743 Jena

Email: ute.schoenfelder@med.uni-jena.de

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Abb. 1 Bestimmung des intrazellulären ATP-Gehaltes in HaCaT-Keratinozyten unter dem Einfluss von Cyclodextrinen und Cyclodextrin-Derivaten mittels Lumineszenz Assay (ATP-Lite, Perkin Elmer) nach 24 h. Blaue Balken - Cyclodextrinkonzentration 0,5 % (w/v), graue Balken - Cyclodextrinkonzentration 1,0 % (w/v).

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Abb. 2 Lebend-Tot-Färbung mit SYTO-13/EthD-2 von HaCaT-Keratinozyten nach 24-stündiger Inkubation mit Cyclodextrinen und Cyclodextrin-Derivaten (1,0 % w/v).