Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Schwerpunktheft unter dem Titel „Textilien -
neue Entwicklungschancen für die Dermatologie” gestaltet. Auch dieses neue Heft soll
dazu beitragen, die therapeutischen und präventiven Chancen durch Textilien in noch
stärkerem Maße für die Dermatologen publik zu machen und die Wahrnehmungen für solche
neuen Materialien zu sensibilisieren. Hat sich doch gerade in den letzten Jahren eine
deutliche und spürbare Entwicklung in Richtung funktioneller Textilien, sog. „Smart
Textiles”, vollzogen.
Schon im Namen „Funktionelle Textilien” ist verankert, dass es sich um Textilien mit
einer zusätzlichen Funktion handelt. Die Anwendungsbeispiele reichen von Unterwäsche,
in die Cardio-Online-Systeme integriert sind, bis zur Verankerung von pharmazeutischen
Wirkstoffen im textilen Flächengebilde. Diese Stoffe werden im Textil deponiert und
während der Lebensdauer des Textils an den Patienten dosiert abgegeben. Es gibt Textilien
mit einem permanenten UV-Schutz. Man kann „umschaltbare” Oberflächen erzeugen, die
je nach vorhandenen Bedingungen hydrophil oder hydrophob reagieren. Zu den so genannten
Kommunikationstextilien gehören Etiketten, die auf Anforderung beim Transport einen
Impuls geben. In Feuerwehranzügen wird über ein GPS-System Blutdruck und Körpertemperatur
überwacht, und es besteht dadurch die Möglichkeit, den Feuerwehrmann bei Überbelastung
aus der Gefahrenzone zu entfernen. Darüber hinaus gibt es Entwicklungen, die noch
nicht ausgereift sind, vielleicht auch völlig abwegig erscheinen. Als Beispiele dafür
kann man Bekleidung mit integriertem Heizungssystem, Wohlfühlbekleidung mit integrierten
Massagesystemen und Bekleidung zum Schutz gegen elektrische und magnetische Einflüsse
nennen. Die Zukunft wird zeigen, welche Entwicklungen zur technischen Perfektion und
damit zur Nutzung gelangen.
Den Dermatologen sollten dabei sicherlich vor allem die biofunktionellen Textilien
interessieren, die jetzt schon neue Möglichkeiten bei der Therapie und Prävention
bieten können.
Körpernah getragene Textilien stehen in enger Wechselwirkung zur Flora der Haut. Mikroben
auf der Haut können sowohl die Haut als auch die Textilien und schließlich die Interaktion
von Haut und Textilien beeinflussen. In dem Beitrag von Heide und Wollina wird ein
hervorragender Überblick zu verschiedenen Forschungsprojekten und Forschungsergebnissen
gegeben, die den Einsatzbereich antimikrobiell ausgestatteter Textilien aufzeigen.
Bei antimikrobiell ausgestatteten Textilien 3D-Strukturen sind die Hautverträglichkeit
aber auch die Schonung der physiologischen Standortflora die vordergründigen Ziele.
Mittlerweile nähern sich moderne textiltechnische Lösungen sehr deutlich diesem Idealziel
an.
Mit einer ausgesprochen interessanten und zukunftsweisenden Möglichkeit der Herstellung
und Anwendung einer natürlichen Cellulosefaser - SeaCell®Active - mit antimikrobiellen
Eigenschaften befasst sich der Artikel von Hipler und Fluhr. Eine besondere Fähigkeit
der SeaCell® Faser ist es, Stoffe zu binden und zu absorbieren. Die spezielle Fähigkeit
der Metallsorption wird bei der Aktivierung von SeaCell® Fasern ausgenutzt. Dabei
kann das bakterizid wirkende Metall Silber vom bereits fertig ausgeformten cellulosischen
Faserkörper absorbiert werden. Die vorliegende Studie zeigt die antimykotische Wirkung
von SeaCell®Active in einem In-vitro-Testsystem gegenüber Candida albicans, Candida
tropicalis und Candida krusei. Darüber hinaus wurde die antibakterielle Aktivität
der Fasern mit unterschiedlichen Mengen an SeaCell®Active dosisabhängig gegenüber
Staphylococcus aureus und Escherichia coli nachgewiesen.
In dem Beitrag von Buschmann und Schollmeyer werden verschiedene Möglichkeiten der
Oberflächenmodifizierung von hautnah getragenen Textilien dargestellt. Schwerpunkt
dieses Artikels ist die Modifizierung von textilen Materialien mit Hilfe supramolekularer
Wirtsmoleküle. Dabei sind insbesondere Cyclodextrine und Dendrimere besonders gut
geeignet. Beide Wirtmoleküle sind in der Lage, als molekulare Speicher für chemische
Substanzen zu dienen. Ähnlich lassen sich auch Nano- und Mikrokapseln verwenden, die
jedoch im Gegensatz zu Cyclodextrinen und Dendrimeren nach einer Freisetzung der eingeschlossenen
Substanz nicht mehr beladen werden können.
Damit solche neuen, biofunktionellen Textilien auch bedenkenlos am Menschen eingesetzt
werden können, bedarf es sorgfältiger und verlässlicher Prüfungen, sowohl In-vitro
als auch In-vivo. In dem Beitrag von Schönfelder und Hipler werden einige, mittlerweile
etablierte, In-vitro-Testsysteme zur Untersuchung der Hautverträglichkeit von Cylcodextrinen
am Zellkulturmodell vorgestellt. Die Verwendung der Cylodextrine zur Funktionalisierung
von Textilien und ihre Anwendung sowohl im dermatologischen als auch kosmetischen
Bereich machen eine Abklärung der Hautverträglich der verwendeten Cyclodextrine unumgänglich,
stellt doch auch gerade die Europäische Konferenz über Textilen und Haut sehr deutlich
die Forderung nach etablierten Testsystemen, die die Wirksamkeit von antimikrobiellen
Textilien bewertbar und vergleichbar machen. Darüber hinaus wird auch die Empfehlung
ausgesprochen, die Produktentwicklung durch entsprechende Sicherheitsprüfungen im
Labor zu ergänzen, um nicht nur die Wirksamkeit des Produkts zu bewerten, sondern
auch unerwünschte sekundäre Effekte, wie Zytotoxizität, allergenes Potential und irritative
Wirkung ausschließen zu können.
Allen diesen, sicherlich als innovativ zu bezeichnenden Entwicklungen, muss man leider
das gemeinsame Attribut zuordnen, dass umfassende klinische und In-vivo-Studien noch
ausstehen. Wie schon im letzen Schwerpunktheft, muss auch an dieser Stelle nochmals
deutlich an das verstärkte Engagement von uns Dermatologen appelliert werden, zumal
die öffentliche Diskussion, insbesondere in Deutschland, sehr kontrovers geführt wird,
weil eben nicht überall genügend fundierte Kenntnisse über antimikrobielle Textilien
vorhanden sind. Die Informationen müssen den späteren Nutzern der Produkte vermittelt
werden, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er ein antimikrobielles Produkt kaufen
möchte oder nicht. Auch und gerade in diesem Zusammenhang sind der Rat und die klinische
Erfahrung des Dermatologen nicht nur gefragt, sondern zwingend notwendig.