psychoneuro 2005; 31(10): 488
DOI: 10.1055/s-2005-922006
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aufgehoben in der Gemeinde

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Publication Date:
17 January 2006 (online)

 
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    Krisor, Matthias: Aufgehoben in der Gemeinde. Entwicklung und Verankerung einer offenen Psychiatrie. Psychiatrie-Verlag, 2005, ISBN 3-88414-387-5, 260 Seiten, 19,90 €

    Der Autor ist Fachleuten bekannt als wortreicher Vertreter der kleinen psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, die gegenläufig zur allgemeinen Differenzierung und Spezialisierung in der Medizin alles können wollen und müssen. Er hat seine Ideen dazu in diesem Buch niedergelegt.

    Zunächst wundert man sich, dass man über einen relativ einfachen Sachverhalt 256 Seiten füllen kann. Erst bei näherer Betrachtung wird offensichtlich, dass der eigentliche Sachverhalt, frühestens ab Seite 120 zu finden ist. Bis dahin nämlich lässt sich der Autor ausführlich aus über Kritik an Institutionen und über das Menschenbild im Allgemeinen. Letzteres wird ausführlich beschrieben und zwar werden eine Fülle von Philosophen herangezogen und aufgelistet, die sich zum Menschenbild Krisor's Meinung nach eindeutig und vernünftig positiv ausgelassen haben. Wenn der Grundtenor, der von Krisor ausgefilterten Literatur offenbar die Ansichten des Gutmenschen stützt, ist es zumindest befremdlich, dass auch die Erkenntnis von Marx und Engels im Zusammenhang mit der Frankfurter Schule erwähnt werden. Sicher wäre es nicht ganz falsch gewesen, gerade die Marxisten und deren Protagonisten und deren Lehre als Beispiel dafür zu nehmen, wie auch scheinbar hehre menschliche hochethische Forderungen und Theorien in der Praxis zu Katastrophen führen und sich Massenmörder wie Stalin, Pol Pot u.a. sich dieser Theorien bedienten.

    Man muss diesen Teil nicht unbedingt lesen, ganz abgesehen davon, dass sich die Sprache teilweise ziemlich schwierig anhört und strapaziert wirkt: "Das Atelier ist der exemplarische Ort, an dem sich die Enpowerment-Perspektive voll entfaltet" (Seite 120 als Beispiel).

    Über Fehler sieht man diskret hinweg (Seite 70): "Bereits 1920 setzen sich Binding und Hoche, zwei führende Psychiater, mit ihrer Schrift: "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens...". Nur einer von den beiden war Psychiater, der andere Jurist.

    Ab Seite 120 geht es eigentlich erst richtig los. Zuerst werden die "gemeindepsychiatrisch-stationären Strukturelemente" aufgelistet. Sie sollen hier nicht wiederholt werden, nur die Bemerkung muss erlaubt sein, dass die grundsätzlich offenen Stationen natürlich dann offen gelassen werden können, wenn hinter der offenen Tür ein hauptamtlicher Mitarbeiter des Krankenhauses sitzt und aufpasst, wer herein oder heraus will, wie der Rezensent das öfter erlebt hat.

    In großer Aufmachung berichtet der Autor, was alles auf seiner gemeindepsychiatrischen klinischen Abteilung passiert, wie der gemeindepsychiatrische Alltag abläuft, wie er die Beschäftigungstherapie ersetzt durch Ateliers, wie die Patienten sogar in der Gemeinde wirken können, usw. Alles gute Ideen, wobei man sich fragt, wer alles bei diesem Angebot eigentlich auf der Strecke bleibt. Wo sind die Trainingsmöglichkeiten für Industriearbeiter, die trotz Medikamenten wieder ihren Arbeitsplatz einnehmen sollen, wie geht er denn mit den Menschen um, die eine beginnende oder fortgeschrittene Demenz entwickeln und krankenhausbedürftig sind. Welche von diesen vielen Aktivitäten kommen zu den Menschen, die an einer schweren Depression oder einer akuten Schizophrenie erkrankt sind? Diese Patienten kommen entweder in dieser Klinik nicht vor - das aber kann nicht sein, weil Krisor ausdrücklich betont, dass er sogenannte Vollversorgung betreibt - oder aber, sie können von diesen Aktivitäten nicht erfasst werden und kommen in dem Programm nicht vor.

    Für alle, die sich für Gemeindepsychiatrie, kleine psychiatrische Abteilungen, offene Stationen usw. interessieren, ist dieses Buch sicherlich beachtenswert.

    Prof. F. Reimer, Weinsberg

     
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    Krisor, Matthias: Aufgehoben in der Gemeinde. Entwicklung und Verankerung einer offenen Psychiatrie. Psychiatrie-Verlag, 2005, ISBN 3-88414-387-5, 260 Seiten, 19,90 €