Aktuelle Urol 2005; 36(6): 461-466
DOI: 10.1055/s-2005-922530
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom - Studie empfiehlt Re-Biopsie

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Publication Date:
25 November 2005 (online)

 
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PSA-Werte zwischen 4,0 ng/ml und 10,0 ng/ml findet man sowohl bei Prostatatumoren als auch benignem Prostatagewebe. Ein cutoff-Wert von 4,0 ng/ml detektiert 20% der Karzinome nicht (falsch negative Werte) und gibt bei etwa 65% der Patienten mit benignen Veränderungen an, dass ein Tumor vorliegt (falsch positive Werte). Bei diesen Patienten wird oft unnötigerweise eine invasive und kostenintensive Biopsie durchgeführt. Eine kürzlich erschienene Studie empfiehlt bei PSA-Werten zwischen 2,0 und 4,0 ng/ml und negativer Biopsie, eine erneute Biopsie durchzuführen (European Urology 2005; 47: 38-44).

B. Djavan et al. führten bei 315 Männern zwischen 46 und 74 Jahren mit PSA-Leveln zwischen 2,0 und 4,0 ng/ml eine transrektale Ultraschall-gesteuerte Sextanten-Biopsie und zwei zusätzliche Biopsien in der Transitionszone durch (= Oktantenbiopsie). Alle Patienten, bei denen kein Tumor nachgewiesen wurde, wurden nach 6 Wochen erneut biopsiert. Patienten, bei denen die Pathologen initial ein lokalisiertes Prostatakarzinom diagnostizierten, wurden entweder bestrahlt oder operiert.

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Bei Re-Biopsien häufiger Tumoren im apikal-dorsalen Bereich nachgewiesen

Bei der ersten Biopsierunde detektierten die Pathologen bei 75 der 315 Männer (24%) ein Prostatakarzinom, bei der zweiten Runde bei 29 von 224 Männern (13%). Das Prostatavolumen und das Volumen der Transitionszone waren bei Patienten mit positivem Befund bei der zweiten Biopsie (Gruppe 2) signifikant höher als bei Patienten, bei denen bereits bei der ersten Biopsie ein Karzinom nachgewiesen wurde (Gruppe 1) (p < 0,001). Die PSA- Werte waren signifikant geringer bei Patienten der Gruppe 2, verglichen mit Patienten der Gruppe 1 (p < 0,001).

83% der Patienten mit positiver Biopsie hatten einen klinisch lokalisierten Tumor. Davon wurden 87% radikal prostatektomiert und 11% mit einer Strahlentherapie behandelt. 2% wurden klinisch beobachtet. Tumoren, die bei der Erstbiopsie diagnostiziert wurden, waren häufiger multifokal (p = 0,01), während Krebse, die erst bei der zweiten Biopsie gefunden wurden, sich häufiger in der apikal-dorsalen Region befanden (p = 0,003). Die Autoren fanden keine Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen hinsichtlich extrakapsulärer Ausdehnung, Invasion in die Samenbläschen, positive Tumorränder, pathologisches Stadium, Gleason-Score, dem Anteil von Gleason- Score 4/5, Serum-PSA-Wert und Alter der Patienten.

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Prostatakarzinom. Oben: G1-Karzinom ("Haustierkrebs"), Mitte: G2-Karzinom ("Drüsen-in-Drüsen-Formation"), unten: G3-Karzinom ("Raubtierkrebs") (Bild: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

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Info

Prostatakarzinome

Prostatakarzinome gehören zu den häufigsten Malignomen bei Männern und sind gemäß der American Cancer Society die zweite Krebstodesursache weltweit. Ein hoher Gleason-Score, ein großes Tumorvolumen, Multifokalität, ein positiver Lymphknotenbefund und eine Gefäßinvasion innerhalb der Prostata sind mit einer Progression des Krebses assoziiert. Eine frühe Behandlung könnte zu einem downstaging und einer Reduktion der Mortalität führen. PSA-Wert und digital-rektale Untersuchung gehören zum Goldstandard der Diagnose.

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Fazit

Einer Oktantenbiopsie, die bei Männern mit PSA-Werten zwischen 2 und 4 ng/ml durchgeführt wurde, detektierte bei 24% der Männer bei Erstbiopsie und bei 13% bei einer Re-Biopsie ein Prostatakarzinom. Die Tumoren unterschieden sich nicht hinsichtlich PSA-Wert, Grading, Stadium und Tumorvolumen. Die Autoren empfehlen bei PSA-Werten zwischen 2 und 4 ng/ml bei negativer Erstbiopsie, eine erneute Biopsie durchzuführen. Die Biopsien sollten vor allem im apikal-dorsalen Bereich der Prostata durchgeführt werden, da bei den Re-Biopsien häufiger Tumoren in diesem Bereich detektiert wurden.

Dr. Felicitas Witte, Mannheim

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Erster Kommentar

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E. Allhof

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Bis heute kein Cut-off-Point identifiziert

Es ist hinreichend bekannt, dass Prostatakrebs eine wesentliche Ursache für die weltweite Morbidität und Mortalität darstellt. Es wurde geschätzt, dass bei 679 000 Männern weltweit ein Prostatakarzinom diagnostiziert wurde und alleine im Jahr 2002 221 000 dieser Tumorerkrankung erlagen. Während der letzten Jahre wurde hart um den PSA-Wert gerungen, der eine Prostatabiopsie rechtfertigt. Ein solcher Cut-off-Point konnte bis heute nicht identifiziert werden.

Die Problematik wird in der vorgelegten Arbeit von Djavan und anderen besonders deutlich, die mit einer Oktantenbiopsie bei Männern mit PSA-Werten zwischen 2 und 4 ng/ml in 24 % der Fälle bei Erstbiopsie und bei 13 % bei einer Re-Biopsie ein Prostatakarzinom diagnostizierten. Besonders dramatisch erscheint bei diesen Daten, dass sich die Tumoren hinsichtlich des PSA-Wertes, des Gradings, des Stadiums bzw. des Tumorvolumens nicht unterschieden. So empfehlen die Autoren bei dem definierten Patientenkollektiv bei negativer Erstbiopsie eine erneute Biopsie.

In JAMA 2005 stellen Thompson u. Mitarb. fest, dass es keinen Cutpoint für PSA gibt mit gleichzeitig hoher Sensitivität und Spezifität, um gesunde Männer hinsichtlich eines Prostatakarzinomes zu beobachten, sondern eher ein Continuum eines Prostatakarzinomrisikos bei allen PSA-Werten.

Bioptisch entdeckte Prostatakarzinome einschließlich high-grade-lesions sind nicht selten bei Männern mit PSA-Werten von 4 ng/ml oder weniger, folglich bei Werten, die generell dem Referenzbereich zugeordnet werden.

Haese u. Mitarb. unterbreiten den Vorschlag, bei PSA-Werten zwischen 2 und 4 ng/ml einen Range von freiem PSA zwischen 18 und 20% zu wählen, wodurch eine 50 %ige Entdeckungsrate gelänge bei Ersparnis von 73% unnötiger Biopsien mit einem Biopsie- zu Karzinom-Verhältnis von 3 : 1 bis 4 : 1.

Saraiya u. Mitarb. betonen in Cancer Epidemiol Biomarkers Prev. 2005, dass der Effekt, die Schwelle des Gesamt-PSA zu senken bzw. einen anderen Screeningtest einzuführen, wichtig sei.

Die Arbeitsgruppe um Bartsch weist in Prostate darauf hin, dass kleine Prostatakarzinome mit niedrigen PSA-Spiegeln und geringen Tumorvolumina alle Facetten des Prostatakarzinoms mit höheren Tumorvolumina aufweisen und die Charakteristika bösartiger Neoplasien, wie z. B. die Multifokalität, die Tretraploidie und eine hohe proliferative Aktivität, zeigen.

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Prostatabiopsie. Links: Schema in Anlehnung an Babaian, oben: unten: Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bilder: Praxis der Urologie, Thieme, 2002).

Kundu u. Mitarb. beweisen die Bösartigkeit von Prostatakarzinomen mit PSA- Werten < 2 ng/ml in einer herausragenden Studie im J Urol 04/2005, in der sie 18 140 freiwillige Patienten in eine initiale Screeningstudie integrierten und sie in 6-monatigen bis 1-jährigen Abständen bis zu einem Zeitrahmen von 8 Jahren beobachteten. Beeindruckend war die Tatsache, dass das 2- bzw. 4-jährige PSA-Screeningintervall bei Männern mit einem initialen Serum-PSA von weniger als 2 ng/ml in einer substanziellen Verzögerung der Krebsentdeckung resultieren würde. Allerdings ist nach Kenntnis der Autoren das Ausmaß, inwieweit diese Verzögerungen den Behandlungserfolg beeinflussen würden, unbestimmt.

In einer Studie zur Überprüfung der Screeningeffizienz in Fällen von PSA > 4 ng/ml wurden 87 konsekutive Biopsien entnommen, bei denen sich in 13 Fällen ein Karzinom und in 6 Fällen eine high- grade prostatic intraepithelial neoplasie fanden, 68 histologische Ergebnisse waren negativ. Die Ergebnisse der digital-rektalen Untersuchung, des transrektalen Ultraschalls und des Gesamt- PSA-Wertes waren wenig brauchbar in der Vorhersage des Ergebnisse einer Re-Biopsie, wohingegen die PSA velocity signifikant mit dem Biopsieergebnis korrelierte. Ein cutoff von 0,1 ng/ml/Jahr für die PSA velocity hätte die Hälfte der benignen Biopsien vermeiden können und kann infolgedessen als mögliches Kriterium für die Indikation einer Re-Biopsie bei persistierender PSA-Erhöhung gelten.

Ergänzend zu diesen Ergebnissen schlagen Eggener und andere vor, dass Männern mit einem PSA-Wert zwischen 2,6 und 4 ng/ml und einem negativen Biopsieergebnis eine Re-Biopsie empfohlen werden sollte, wenn Sie ein high grade prostatic intraepithelial neoplasia bei der initialen Biopsie, einem Ausgangs-PSA zwischen 3,6 und 4,0 ng/ml, einer Familienanamnese von Prostatakarzinom oder einer PSA velocitiy von 0 ng/ml oder mehr aufweisen.

Die Bedeutung der präoperativen PSA velocity unterstreicht D’Amico, der zu dem Schluss kommt, dass Männer, deren PSA-Werte um mehr als 2,0 ng/ml während des Jahres vor der Diagnose des Prostatakarzinoms ansteigen, ein relativ hohes Risiko haben, am Prostatakarzinom zu sterben, auch wenn sie sich einer Radikaloperation unterzogen haben.

Eine Lösung bei der Differenzierung der Karzinome mit niedrigen PSA-Werten eröffnet die im September 2005 im New England Journal of Medicine erschiene Arbeit von Wang und anderen. Darin werden protein mikroarrays verwendet, um Autoantikörper gegen Tumorantigene bei Patienten mit Prostatakarzinom zu identifizieren. Ein 22 phage-peptide-detector hatte eine 88,2%ige Spezifität (95 % Confidenzintervall, 0,78-0,95) und 81,6 % Sensitivität (95% Confidenzintervall, 0,70 bis 0,90) in der Diskriminierung zwischen der Gruppe mit Prostatakrebs und der Kontrollgruppe. Dieses Panel von Peptiden war erfolgreicher als PSA in der Unterscheidung zwischen den Gruppen mit Prostatakrebs und der Kontrollgruppe. Eine logistische Regressionsanalyse ergab, dass das phage-peptide-panel eine zusätzliche Trennungsstärke im Vergleich zu PSA besitzt (P < 0,001).

Autoantikörper gegen Peptide aus Prostatakrebsgewebe könnten die Basis für einen Screeningtest auf das biologische Potenzial des Prostatakrebses darstellen.

Prof. Dr. Ernst Allhoff, Magdeburg

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Zweiter Kommentar

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J. Walz

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Das Augenmerk auf die PSA-Velocity lenken

Die Studie von Djavan et al zeigt, dass in einem PSA-Bereich von 2-4ng/ml bei einem hohen Anteil der Patienten ein Prostatakarzinom (P-Ca) entdeckt werden kann. In der initialen Biopsie fand er in 24% der Fälle ein Prostatakarzinom wenn der PSA-Wert in diesem Bereich lag. Im Rahmen dieser Studie wurden die Patienten bei einer negativen initialen Biopsie systematisch rebiopsiert, d.h. ohne Faktoren wie Prostatagröße, Prostatitis usw. in die Entscheidungsfindung einer Re-Biopsie einfließen zu lassen. Hierbei entdeckte er erneut in 13% der Fälle ein Prostatakarzinom. Die Daten unterstützen das in den USA gebräuchliche Vorgehen, die Indikation zur Biopsie schon bei niedrigeren Werten als den ehemals 4 ng/ml zu stellen. Die Prostate Cancer Prevention Trial (PCPT) zeigte, dass in dem Bereich von 2,1-3,0 ng/ml und von 3,1-4,0 in 23,9% und 26,9 % der Fälle mit einer initialen Biopsie ein P-Ca detektiert werden konnte. Diese Studie zeigte jedoch auch, dass sogar in einem Bereich von 1,1 bis 2,0 ng/ml und sogar unterhalb von 1 ng/ml noch in 17% beziehungsweise 10,1% der Fälle ein P-Ca gefunden werden konnte. Das Besondere an der Studie von Djavan et al. ist, bei diesen Patienten eine Re-Biopsie durchzuführen. Bei PSA-Werten oberhalb von 4 ng/ml ist bekannt, dass die Sextantenbiopsie, aber auch die Mehrfachbiopsie, einen falsch negativen Wert von 20-30% hat. Dass es hier also notwendig ist bei einer initial negativen Biopsie eine erneute Biopsie durchzuführen, wenn man ein P-Ca mit größerer Sicherheit ausschließen will. Ein aggressiveres Vorgehen bei einem PSA-Wert unterhalb von 4 ng/ml scheint durchaus gerechtfertigt zu sein. Ergebnisse der PCPT zeigten, dass bei einem PSA-Wert unterhalb von 4 ng/ml, die hier operierten Tumoren zum Teil in 40% einen Gleason-Score > 7 aufweisen können und in ca. 20 % der Fälle schon nicht mehr organbegrenzt sind. Deutlich besser differenzierte Tumoren findet man erst bei einem PSA-Wert unterhalb von 1 ng/ml. Auch Djavan et al. beobachteten in diesem Bereich in ca. 30% der Fälle einen Gleason-4-Anteil und in 40% ein Stadium > pT3 in den Prostatektomiepräparaten der operierten Patienten. Dieser Anteil an schlecht differenzierten Tumoren und organüberschreitenden Tumoren ist vergleichbar mit den Tumoren eines PSA-Bereichs von 4-10ng/ml. Ein abwartendes Verhalten gegenüber den Patienten mit einem PSA-Wert zwischen 2,5-4 ng/ml kann also nicht mit der Begründung erfolgen, dass diese Tumoren klein und so genannt insignifikant sind. Eine Senkung der Biopsiegrenze auf 2,5 ng/ml scheint also sinnvoll. Noch wichtiger als diese Absenkung des Schwellenwertes scheint es zu sein, das Augenmerk verstärkt auf die PSA-Velocity zu legen. Mit dieser gelingt es deutlich besser, Biopsiekandidaten herauszufiltern. Auch hier ist der frühere Wert von einer Anstiegsgeschwindigkeit von 0,75 ng/ml aufgrund neuerer Daten auf 0,5 bis sogar 0,3 ng/ml gesenkt worden.

Das Besondere an der Studie ist, bei diesen Patienten eine Re-Biopsie durchzuführen.

Das Biopsieschema in der Studie von Djavan et al. bestand aus einer Sextantenbiopsie mit je einer Biopsie auf jeder Seite aus der transitional Zone, also einer 8fachen Biopsie. Dieses Schema vernachlässigt die lateral äußere Zone, in der der größte Anteil an Karzinomen in einer Biopsie gefunden werden kann. Bei einem modifizierten Biopsieschema in beiden Biopsien wäre evtl. die Detektionsrate in der 2. Biopsie niedriger gewesen, aber evtl. auch die Detektionsrate in der ersten Biopsie noch höher. Eine Biopsie sollte somit so effektiv wie möglich erfolgen, d.h. als mehrfache Biopsie von 10 oder 12 Stanzen mit einer guten Abdeckung der peripheren Zone durch Biopsien der lateral äußeren Zone.

Dr. Jochen Walz, Dr. Markus Graefen, Klinik und Poliklinik für Urologie, Hamburg-Eppendorf

 
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Prostatakarzinom. Oben: G1-Karzinom ("Haustierkrebs"), Mitte: G2-Karzinom ("Drüsen-in-Drüsen-Formation"), unten: G3-Karzinom ("Raubtierkrebs") (Bild: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie, Thieme, 1998).

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E. Allhof

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Prostatabiopsie. Links: Schema in Anlehnung an Babaian, oben: unten: Biopsienadel im Führungskanal des transrektalen Schallkopfes (Bilder: Praxis der Urologie, Thieme, 2002).

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J. Walz