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DOI: 10.1055/s-2005-922533
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Belastungsinkontinenz - Unkontrollierten Urinverlust besser behandeln
Publication History
Publication Date:
25 November 2005 (online)
Wenn Menschen beim Heben, Tragen, Husten, Niesen oder Lachen unkontrolliert Urin verlieren, leiden sie an einer so genannten Belastungsinkontinenz. Mit Blasentraining, Medikamenten und Operationen können Ärzte heute die Symptome lindern oder die Kontinenz völlig wiederherstellen, so die Deutsche Kontinenz Gesellschaft. Diese Möglichkeiten nutzen jedoch immer noch zu wenige Patienten.
Unter Belastungsinkontinenz leiden insbesondere Frauen. Ursache ist häufig eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur - hervorgerufen durch Schwangerschaft und Geburt oder die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre. Bei leichten Formen hilft ein Blasentraining: Regelmäßiges und planmäßiges Entleeren der Blase oder das Meiden von harntreibenden Getränken kann verhindern, dass es zum Malheur kommt.
Außerdem können Medikamente eingesetzt werden, die im Rückenmark beziehungsweise im Gehirn auf die Steuerung der Blasenentleerung einwirken. "Diese Mittel unterstützen den Schutzreflex, der normalerweise verhindert, dass eine Druckerhöhung im Bauch zur unwillkürlichen Blasenentleerung führt", erläutert Prof. Dr. med. Klaus-Peter Jünemann vom Campus Kiel der Universität Schleswig-Holstein und 1. Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft. Im fortgeschrittenen Stadium lässt sich durch Einspritzen von Gelen die Muskelwand der Harnröhre stabilisieren. Führt dies nicht zur erwünschten Kontinenz, kann ein wenig belastender operativer Eingriff Abhilfe schaffen: Unter örtlicher Betäubung bringt der Arzt Bänder oder Schlingen aus Kunststoff in das kleine Becken ein. Sie verwachsen mit dem Bindegewebe und stärken auf diese Weise den Beckenboden. "Von einem erfahrenen Operateur durchgeführt, sind die Ergebnisse dieser Methoden sehr gut", berichtet Prof. Jünemann: Nach 7 Jahren seien bis zu 80 Prozent der Frauen beschwerdefrei.
Hat die Beckenbodenschwäche bereits zu einem Scheidenvorfall geführt, wird eine so genannte Sakrokolpopexie notwendig. Hierbei wird vorrangig der Zugangsweg durch die Scheide gewählt, wobei das Scheidenende an querverlaufenden Bändern des Kreuzbeines befestigt wird. Die Erfolgsraten dieser Operation sind anfangs gut, die meisten Patientinnen sind zunächst beschwerdefrei. "Die Langzeitergebnisse sind jedoch enttäuschend und die Gefahr eines erneuten Scheidenvorfalls nach fünf Jahren steigt auf über 20 Prozent an", sagt Prof. Jünemann. Müssen die Patientinnen dann ein zweites Mal operiert werden, kann eine neue Variante dieser Operation zum Einsatz kommen, die der 1. Vorsitzende der Deutschen Kontinenz Gesellschaft selbst entwickelt hat: Nach der in diesem Fall benutzten Form des Netzes wird die Operation in Fachkreisen als "Kieler Entenschnabel-Verfahren" bezeichnet. Die Methode sei für den Chirurgen einfach durchzuführen und auch die allermeisten Patientinnen seien mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weiß Prof. Jünemann aus seiner Klinik zu berichten.
Leider ist es bei den Betroffenen viel zu wenig bekannt, dass es heute wirksame Behandlungsmöglichkeiten der Belastungsinkontinenz gibt. "Viele Patienten quälen sich lange Zeit unnötig, schämen sich für ihr Leiden und schotten sich aus Angst vor peinlichen Situationen ab”, bedauert Prof. Jünemann. Sowohl medikamentöse als auch operative Verfahren stellen sicher, dass heute keine Frau mehr dauerhaft unter Belastungsinkontinenz leiden muss. Deswegen empfiehlt die Deutsche Kontinenz Gesellschaft betroffenen Frauen, sich zu informieren. Weiterführende Informationen sowie eine aktuelle Übersicht über die ärztlichen Beratungsstellen, Kontinenz-Zentren und Selbsthilfegruppen der Deutschen Kontinenz Gesellschaft sind abrufbar unter www.kontinenz-gesellschaft.de.
Nach einer Mitteillung der Deutschen Kontinenz-Gesellschaft