Große Fortschritte in der antiretroviralen Therapie in den letzten Jahren machen es heute möglich, die Viruslast bei HIV-Infizierten über lange Zeiträume effizient zu kontrollieren. Dabei ist es jedoch von außerordentlicher Bedeutung, die Behandlung von Beginn an gut zu planen, insbesondere um die Entwicklung resistenter Virusstämme zu vermeiden. Schnell kann eine Resistenzmutation die antiretrovirale Behandlung erschweren, wie ein interessanter Fallbericht zeigt.
Die Vorgeschichte
Die Vorgeschichte
Bei dem Patienten handelt es sich um einen 30-jährigen Mann mit einer HIV-Infektion, Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV-Infektion) und bekanntem Drogenabusus in der Vorgeschichte. Bis zu dem endgültigen Drogenentzug im März 2004 war der Patient seit seinem 16. Lebensjahr drogenabhängig. 1999 wurde die Erstdiagnose einer HIV-Infektion gestellt. Im November wurde bei einer Viruslast von 205000 Kopien/ml eine Dreifachtherapie mit Didanosin (ddI), Stavudin (d4T) und Efavirenz initiiert, die der Patient nach bis dahin erfolgreichem Therapieverlauf im Jahr 2002 abbrach (Abb. [1]).
Im Februar 2004 war die Viruslast wieder auf 67000 Kopien/ml angestiegen (CD4+-Zellzahl: 256/µl). Daraufhin erhielt der Patient im August eine hochaktive antiretrovirale Therapie mit Atazanavir/rtv, Tenofovir (TDF) und Emtricitabin (FTC). Bereits nach zwei Wochen entwickelte der Patient jedoch einen Ikterus und setzte die Behandlung selbstständig ab. Er insistierte zu diesem Zeitpunkt, auf keinen Fall mehr einen Proteaseinhibitor (PI) einnehmen zu wollen und setzte die Behandlung mit Nevirapin (NVP) plus Tenofovir und Emtricitabin fort (Abb. [1]).
Therapieversagen lässt Resistenzmutationen vermuten
Therapieversagen lässt Resistenzmutationen vermuten
Die im August 2004 initiierte Dreifachtherapie konnte die Viruslast jedoch nicht vollständig unter die Nachweisgrenze senken. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Wiederanstieg der Viruslast auf knapp 8000 Kopien/ml. Daraufhin wurde ein genotypischer Resistenztest durchgeführt, der Resistenzmutationen sowohl gegen nichtnukleosidale Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) wie auch gegen nukleosidale Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) zeigte:
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NRTI-Resistenzenmutationen: M184V, K65R
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NNRTI-Resistenzenmutationen: K103S, G190A.
Funktionelle Monotherapie verstärkt den Resistenzdruck
Funktionelle Monotherapie verstärkt den Resistenzdruck
Es ist anzunehmen, dass sich eine NNRTI-Resistenz schon bei der Beendigung der zuerst durchgeführten antiretroviralen Therapie mit Efavirenz, Stavudin und Didanosin im Jahr 2002 entwickelt hat. Da Efavirenz eine vergleichsweise lange Halbwertszeit besitzt, kam es durch das zeitgleiche Absetzen der Therapiekomponenten zu einer passageren funktionellen Monotherapie von Efavirenz, die bekanntermaßen zu einer schnellen Entwicklung einer Resistenz gegen NNRTI führen kann.
Beim Wechsel der antiretroviralen Therapie auf den NNRTI Nevirapin in Kombination mit den nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmern Tenofovir und Emtricitabin lag bei dem Patienten wahrscheinlich bereits eine NNRTI-Mutation vor. Nevirapin war somit nicht mehr wirksam. Daraufhin konnten sich unter der Therapie mit Tenofovir und Emtricitabin rasch die K65R- und die M184V-Mutation entwickeln. Gerade die K65R-Mutation ist sehr problematisch, da sie eine Kreuzresistenz gegen fast alle Substanzen aus der Klasse der NRTI vermittelt. Als einzige vollwirksame Substanz unter den NRTI steht dann nur noch Zidovudin (AZT) zur Verfügung.
Zurück zu dem Fall: Ende Januar 2005 wurde die antiretrovirale Behandlung des Patienten erneut umgestellt. Aufgrund der Ergebnisse der genotypischen Resistenztestung wurde der Patient nun mit einem geboosterten Proteasehemmer behandelt. Aufgrund der vorliegenden K65R-Mutation, erfolgte außerdem eine Umstellung auf Zidovudin. Unter der Therapie mit Fosamprenavir/rtv in Kombination mit Zidovudin und Lamivudin sank daraufhin die Viruslast rasch unter die Nachweisgrenze von 50 Kopien/ml und es kam bis dato zu keinem erneuten Anstieg der Viruslast.
Quelle: Workshop veranstaltet von der GlaxoSmithKline GmbH, München