Für das Überleben von Patienten mit schweren Infektionen im Krankenhaus kommt es entscheidend darauf an, dass die Erstbehandlung mit einem Antibiotikum unmittelbar anschlägt. "Lange Zeit haben wir das Antibiotikum in der Intensivmedizin nur als Supportivtherapie gesehen, doch das stimmt so nicht", konstatierte Prof. Chr. Wenisch, Wien (Österreich). Denn mit einer effektiven Antibiotikabehandlung lasse sich die Mortalität dieser schwer kranken Patienten deutlich senken. So steigt zum Beispiel die Mortalität von Sepsispatienten um etwa 5-10% pro Stunde, solange keine adäquate Antibiotikatherapie erfolgt.
"Extrabreitband-Antibiotikum"
"Extrabreitband-Antibiotikum"
"Für die erfolgreiche Intervention in dieser lebensgefährlichen Situation braucht man jedoch Antibiotika, die ein möglichst breites Erregerspektrum inklusive resistenter Keime abdecken", betonte Wenisch. "Und das breiteste Antibiotikum, das uns in Kürze am Krankenbett zur Verfügung stehen wird, ist das Tigecyclin". In den USA ist die Substanz bereits zur Behandlung von schweren Haut- und Weichgewebeinfektionen zugelassen, in Europa wird die Zulassung im nächsten Jahr erwartet. Das Spektrum dieses ersten Vertreters der neuen Substanzklasse der Glycylcycline, umfasst
-
nahezu alle wichtigen gramnegativen (MHK90 zum Teil deutlich unter 2 µg/ml)
-
die wichtigsten grampositiven Erreger (MHK90 zum Teil deutlich unter 1 µg/ml)
-
Problemkeime mit klinisch relevanten Resistenzeigenschaften (methicillinresistente und vankomycinresistente Staphylokokken [MRSA, VRSA], aber auch penicillinresistente Streptokokken [PRSP])
-
Anaerobier (vor allem gegen Clostridien, aber auch gegen Prevotella-, Peptostreptococcus- und Porphyromonas-Arten
-
atypische Erreger.
Lediglich Pseudomonas spp. und Proteus spp. werden damit nicht erfasst.
Ebenso wirksam wie Standardkombinationen
Ebenso wirksam wie Standardkombinationen
In den Zulassungsstudien war die initiale Monotherapie mit Tigecyclin ebenso wirksam wie die jeweilige Standardtherapie, für die aber in der Regel mehrere Antibiotika verwendet werden müssen, sagte Prof. T. Welte, Hannover. So waren die klinischen und mikrobiologischen Erfolgsraten bei Patienten mit komplizierten Haut- und Weichgewebeinfektionen unter einer Tigecyclin-Monotherapie ähnlich gut wie unter einer Behandlung mit Vancomycin und Aztreonam, wie die gepoolten Daten von zwei prospektiv randomisierten Studien mit insgesamt 1116 Patienten belegen ([2]).
Je nachdem welche klinische Diagnose zugrunde lag, waren klinische Erfolgsraten von gut 86% (Weichgewebeinfektionen) bis zu 100% (Verbrennungen) zu verzeichnen. "Damit liegen die Erfolgsraten durchaus in vernünftigen Bereichen - auch bei den Diabetikern oder bei Patienten mit peripheren vaskulären Erkrankungen. In diesen Fällen waren Erfolgsraten zwischen 72 und 76% zu beobachten", meinte Welte.
Nahezu identisch war der klinische Behandlungserfolg bei Patienten mit komplizierten intraabdominellen Infektionen ([1]) - egal ob die Patienten Tigecyclin erhielten (86,1%) oder Imipenem plus Cilastin (86,2%), die Standardkombination in dieser Situation. "Mehr kann man in diesen Fällen auch nicht erwarten", meinte Welte. In beiden Studienarmen wurden bei Patienten mit komplizierter Appendizitis mit 88-89% höhere Erfolgsraten erzielt als bei Patienten mit intraabdominellem Abszess, komplizierter Divertikulitis oder Perforation des Darmtraktes (71-79%). Auch für diese Studie waren die Daten aus zwei prospektiv randomisierten Studien zusammen ausgewertet worden (n = 1642).
"Häufigste Nebenwirkung der Tigecyclintherapie in allen vier Studien waren Übelkeit und Erbrechen", meinte Welte. "Entscheidend aber ist, dass die Drop-out-Rate aufgrund dieser gastrointestinalen Nebenwirkungen mit insgesamt 2,3% außerordentlich gering war. Somit spielte die medikationsbedingte Übelkeit im Vergleich zur Infektion eher eine untergeordnete Rolle!"
Leider fehlen noch Mortalitätsdaten
Leider fehlen noch Mortalitätsdaten
"Tigecyclin ist eine viel versprechende Option zur Therapie von (polymikrobiellen) Infektionen bei denen eine hohe Gewebepenetration gefordert ist", dieses persönliche Fazit zog Welte als aus den Studien. "Jetzt müssen wir sehen, wie die Ergebnisse in der Lunge aussehen werden. Außerdem brauchen wir Daten für kränkere Patienten." Denn in allen vier Zulassungsstudien hatten die Patienten in der Regel einen APACHE-Score von unter 10, und damit seien Aussagen zur Mortalität der Patienten praktisch nicht möglich. "Dies ist infofern schwierig, da die Probleme bei schwer kranken Patienten in einem anderen Bereich liegen. Aber das ist ein generelles Problem von Zulassungsstudien", schloss Welte.
Quelle: Symposium "Neue Antibiotika für die Intensivstation" im Rahmen der 2. Gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM), veranstaltet von der Wyeth Pharma GmbH, Münster