Seit dem Erscheinen des ersten Schwerpunktheftes zum Thema ADHS im Erwachsenenalter
hat sich die Situation deutlich verändert. Die Bundesregierung hat nach anfänglichen
Schwierigkeiten wegen der zunehmenden Verordnungen von Stimulanzien, die als Mittel
der ersten Wahl bei der Behandlung dieses Krankheitsbildes unumgänglich sind, Expertenkommissionen
einberufen, um sich einen Überblick über die Situation im Hinblick auf Diagnostik
und Therapie zu verschaffen. Aus der ersten Konferenz im Juni 2002, bei der nur wenige
Erwachsenenpsychiater eingeladen waren, bekam ich den Auftrag zur Gründung einer speziellen
Expertengruppe ADHS im Erwachsenenalter, mit der Zielsetzung, Leitlinien für das Erwachsenenalter
zu entwickeln. Diese Kommission hat dann in nur einjähriger Arbeit Leitlinien geschaffen,
die im Oktober 2003 im „Nervenarzt” veröffentlicht wurden.
Die Wahrnehmung der ADHS als eigene Störung des Erwachsenenalters mit einem Symptombild,
das nicht mehr der ADHS des Kindesalters entspricht, hat inzwischen große Fortschritte
gemacht; an vielen universitären Einrichtungen gibt es mittlerweile Spezialambulanzen,
die in wissenschaftlichen Projekten die besonderen Aspekte der Situation Erwachsener
untersuchen.
In dieser Ausgabe zeigt die Arbeit der Hannoveraner Gruppe unter der Leitung von M.
Ohlmeier die Problematik des Drogenkonsums auf, während R. Laufkötter, Leiter der
Regensburger Spezialambulanz, sich mit den bei Erwachsenen sehr häufigen Komorbiditäten
auseinandersetzt.
Obwohl inzwischen im November 2004 eine Aufklärungsbroschüre durch die Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung veröffentlicht wurde, die die verschiedensten Aspekte
der Erkrankung umfasst und in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit
und Soziale Sicherung erstellt wurde, ist leider die Behandlungssituation durch die
fehlende Zulassung von Medikamenten in der Indikation „ADHS des Erwachsenenalters”
sehr dramatisch. In diesem Jahr wurde nun die Gründung eines Netzwerkes ADHS zur Versorgung
der Patienten mit dieser Störung vom BMGS in Auftrag gegeben, die Belange der Erwachsenen
sollen dort ausdrücklich berücksichtigt werden. Noch immer ist aber in Deutschland
kein einziges Präparat offiziell für Erwachsene zugelassen; dies führt zu extremen
Schwierigkeiten in der Versorgung von Kassenpatienten, da eine Verordnung zu Lasten
der gesetzlichen Krankenkassen häufig mit Regressforderungen an den behandelnden Arzt
verbunden sind, obwohl die gesetzlichen Anforderungen an das Urteil des Bundessozialgerichts
vom März 2002 erfüllt sind. Auf diese Aspekte wird im Artikel zur Medikation eingegangen.