Die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) galt in Deutschland nach
schulmedizinischer Auffassung bisher vorwiegend als Erkrankung des Kindes- und Jugendalters.
Im Zuge der steigenden Verschreibung von Stimulanzien - insbesondere von Methylphenidat
(z.B. Ritalin®) - ist ADHS inzwischen zunehmend in den Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses gerückt [6]
[15]. Die Häufigkeit der Persistenz der ADHS im Erwachsenenalter ist bislang unklar.
Nach epidemiologischen Studien ist in 35-80 % von einem Persistieren von zumindest
einigen Symptomen der ADHS auszugehen [1]
[29]. Die Diagnose der ADHS bei Erwachsenen wird anhand der amerikanischen DSM-IV-Kriterien
gestellt [9]. Die Kernsymptome der Erkrankung sind durch Aufmerksamkeitsstörungen, erhöhte Impulsivität,
Hyperaktivität, Desorganisation und emotionale Instabilität gekennzeichnet, und müssen
bereits in der Kindheit vor dem siebten Lebensjahr begonnen haben. Als eine mögliche
Ursache der ADHS wird derzeit eine genetisch determinierte Dysfunktion des Katecholaminstoffwechsels
angenommen, die insbesondere das frontostriatale System des Gehirns betrifft [22]. Der mit Hilfe bildgebender Verfahren, Positronenemissionstomografie (PET) und Singlephotonenemissionstomografie
(SPECT), geführte Nachweis einer erhöhten Dopamintransporterdichte im Striatum lässt
im engeren Sinne eine Störung der dopaminergen Funktionen vermuten [10]
[11]
[12]. Neurobiologisch ist demzufolge auch die Rede von der „Dopaminmangelhypothese”.
Inzwischen gibt es einige Untersuchungen, die auch die Beteiligung anderer Neurotransmittersysteme
postulieren. Die pharmakologische Behandlung der ADHS wird derzeit vor allem durch
die Medikamentengruppe der Stimulanzien - insbesondere von Methylphenidat (z.B. Ritalin®)
- bestimmt. Seit Dezember 2004 ist auch der selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
Atomoxetin (Strattera®) als erstes Nichtstimulans zur Behandlung des ADHS im Kindes-
und Jugendalter zugelassen. Darüber hinaus gibt es einige Alternativsubstanzen wie
z.B. Pemolin (Tradon®) (wegen z.T. schwerer unerwünschter NW nur noch selten eingesetzt),
selektive Serotonin- bzw. Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, trizyklische Antidepressiva
und Betarezeptorenblocker. Die Pharmakotherapie sollte grundsätzlich i.S. eines „multimodalen
Therapiekonzeptes” in Kombination mit psychotherapeutischen Therapieverfahren erfolgen.
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und Suchterkrankung
Verschiedene Studien konnten zeigen, dass die ADHS einen Risikofaktor für die Entwicklung
einer Suchterkrankung darstellt. Eine Komorbidität von ADHS und Alkoholismus bzw.
Substanzmissbrauch wurde in bis zu 71 % beschrieben [30]. Bei Patienten mit ADHS und Substanzmissbrauch kommt es zu einem früheren Beginn
und einer stärkeren Ausprägung des Substanzmissbrauchs als bei Suchtpatienten ohne
ADHS. Das Durchschnittsalter bei Beginn eines Substanzmissbrauches bei ADHS-Patienten
wurde in einer Studie mit 19 Jahren angegeben, während in einer Kontrollgruppe von
Suchtpatienten ohne ADHS die Suchterkrankung im Durchschnitt erst im 22. Lebensjahr
begann [30]. Andere Autoren beschrieben für ADHS-Patienten ein verdoppeltes Lebenszeitrisiko
für eine Suchterkrankung und stellten fest, dass ADHS in Verbindung mit einer komorbiden
Störung (Persönlichkeitsstörung, Depression, Angststörungen etc.) zusätzlich das Risiko
einer Suchtentwicklung erhöht [2]. In diesem Zusammenhang wurde auch berichtet, dass bei einer Komorbidität von ADHS
und Suchterkrankung in bis zu 71 % auch eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert
werden kann [27].
Hinsichtlich einer Kokainabhängigkeit konnte gezeigt werden, dass bei ADHS in Verbindung
mit Suchterkrankungen eine Prävalenz von 35 % vorliegt und dass der Kokaingebrauch
in dieser Patientengruppe deutlich ausgeprägter ist und früher beginnt als bei Kokainabhängigen
ohne ADHS [5].
Das Risiko einer Nikotinabhängigkeit scheint bei ADHS-Patienten ebenfalls erhöht zu
sein. Die Koinzidenz einer Nikotinabhängigkeit bei Erwachsenen mit ADHS wird mit 40-75
% (vs. 19-26 % in der Normalpopulation) angegeben [23]. Pathophysiologisch könnte die hohe Prävalenz von Nikotinabhängigkeit bei ADHS-Patienten
dadurch erklärbar sein, dass Nikotin die Neurotransmitterausschüttung (Acetylcholin,
Dopamin, Serotonin) stimuliert und dadurch die Aufmerksamkeit erhöht. Nikotin scheint
einen ähnlichen Effekt auf den Nucleus accumbens zu haben, wie Amphetaminderivate
[24]. In einer Studie konnte eine ähnliche Wirkung auf die Dopamintransporter belegt
werden, wie sie von Methylphenidat bekannt ist [16]. Verschiedene dopaminerg und noradrenerg wirksame Medikamente wie Bupropion (Zyban®,
Wellbutrin®), Nortriptilen (Nortilen®), Moclobemid (Aurorix®) wirken sich interessanterweise
sowohl bei der Behandlung der Nikotinabhängigkeit als auch der ADHS günstig aus. Klinischen
Beobachtungen zu Folge vermindert Nikotin signifikant die Symptome bei ADHS und wird
verschiedentlich sogar als mögliches Therapeutikum diskutiert [7]
[17]
[18].
Behandlung bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung und Suchterkrankung
Verschiedene Studien belegen, dass die Behandlung von suchterkrankten ADHS-Patienten
mit Stimulanzien den Substanzmissbrauch und das „craving” reduziert (19, 20, 25).
Unter Therapie mit Methylphenidat wurde bei ADHS-Patienten, die einen Kokainabusus
betrieben, ein vermindertes „Kokain-craving” sowie eine Besserung der ADHS-Symptomatik
beschrieben [20]
[28]. In anderen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung von Kindern
mit ADHS mit Methylphenidat (MPH) die Gefahr eines späteren Substanzmissbrauchs vermindern
kann [4]
[13]. So konnte in einer Langzeitstudie über fünf Jahre bei Patienten mit ADHS unter
Therapie mit MPH ein deutlich geringerer Suchtmittelgebrauch als bei unbehandelten
ADHS-Patienten beobachtet werden [21]. Jugendliche ADHS-Patienten, die mit Stimulanzien behandelt wurden, scheinen somit
ein deutlich geringeres Risiko einer Suchtentwicklung (Alkohol, Kokain und andere
Drogen) zu haben bzw. betreiben einen geringeren Substanzgebrauch [4].
Es stellt sich nun die Frage, ob eine amphetaminähnliche Substanz wie Methylphenidat
selbst süchtig machen kann. Hierfür gibt es derzeit keine Evidenz-basierten Hinweise.
In verschiedenen Studien wurde dagegen nachgewiesen, dass bei Kindern mit ADHS die
Behandlung mit Methylphenidat die Gefahr eines späteren Substanzmissbrauchs vermindern
kann [4]
[13]. Bei ADHS mit komorbidem Substanzmissbrauch gilt die pharmakologische Behandlung,
besonders mit länger wirkenden (retardierten) Stimulanzien, trizyklischen Antidepressiva
oder selektiven Serotonin-, Noradrenalin- bzw. kombinierten Wiederaufnahmehemmern
(Atomoxetin, Reboxetin, Venlafaxin) als Mittel der Wahl. Die Behandlung scheint bei
den Betroffenen den Substanzmissbrauch und das „craving” zu reduzieren. Bei ADHS und
komorbidem Substanzmissbrauch sollte zunächst eine Behandlung der Suchterkrankung
erfolgen, welche bei entsprechender klinischer Ausprägung im stationären Setting durchgeführt
werden sollte. Begleitend können Selbsthilfegruppen, Psychoedukation und Psychotherapie
hilfreich sein. Im Verlauf wird die pharmakologische Behandlung der ADHS und der ggf.
vorliegenden komorbiden Störungen (Depression, Angststörungen etc.) empfohlen [26].
Eigene Untersuchungen zur Prävalenz von ADHS bei Suchterkrankungen
Ziel einer eigenen Studie war es, retrospektiv zu prüfen, wie häufig bei Patienten
mit einer Alkoholabhängigkeit oder einer multiplen Substanzabhängigkeit eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
in der Kindheit vorlag und ob deren Symptome aktuell persistieren. Darüber hinaus
wurde die Frage nach möglichen Auswirkungen der ADHS auf den Beginn, die Art und die
Ausprägung der Suchterkrankung gestellt.
Patienten und Methoden
Es wurden insgesamt 152 Patienten (volljährige Männer und Frauen) in die Studie eingeschlossen,
die sich in freiwilliger stationärer Behandlung in der suchtmedizinischen Abteilung
eines psychiatrischen Krankenhauses (Klinikum Wahrendorff) befanden. Zur diagnostischen
Abgrenzung eines Alkoholabhängigkeitssyndroms (ICD: F10.2) und einer multiplen Substanzabhängigkeit
(ICD: F19) (einschl. Heroin, Methadon, Kokain, Amphetamine, LSD, Halluzinogene, Cannabinoide,
Benzodiazepine, Analgetika) diente neben der klinisch-psychiatrischen Untersuchung
der European Addiction Severity Index (EuropASI). Die Untersuchung wurde bei Patienten
mit Alkoholabhängigkeit frühestens nach 10-tägiger, bei Patienten mit multipler Substanzabhängigkeit
frühestens nach 14-tägiger Entgiftungsbehandlung durchgeführt, da zu diesem Zeitpunkt
davon ausgegangen werden konnte, dass keine Entzugssymptomatik mehr vorlag. Ausschlusskriterien
waren akute Psychosen und andere Erkrankungen, die eine Einwilligungsfähigkeit der
Patienten ausschlossen. Als Untersuchungsinstrumente für die retrospektive Beurteilung
des Vorliegens einer ADHS in der Kindheit diente die autorisierte deutsche Übersetzung
der Wender-Utah-Rating-Scale (WURS-K) [14] und die DSM-IV-Symptomcheckliste für ADHS [9]. Ergänzend erfolgte eine Einteilung der Betroffenen in diagnostischen Untergruppen
nach DSM-IV (unaufmerksamer Typ, impulsiver Typ, gemischter Typ). Zur Überprüfung
des Persistierens der ADHS-Symptome im Erwachsenenalter wurden die Conners Adult ADHD
Rating Scales (CAARS, Long Version) [8] angewandt.
Ergebnisse
Bei 91 (59,9 %) der 152 untersuchten Patienten konnte nach ICD-10 und DSM-IV die Diagnose
einer Alkoholabhängigkeit, bei 61 (40,1 %) die einer multiplen Substanzabhängigkeit
gestellt werden.
Wie in [Abbildung 1] dargestellt, erreichten in der Gruppe der Alkoholabhängigen 19 Patienten (20,9 %)
in der WURS den cut-off von 30 und erfüllten damit die Kriterien für das Vorliegen
einer ADHS in der Kindheit. In der ebenfalls retrospektiv angewandten DSM-IV-Symptomcheckliste
ließ sich bei 21 (23,1 %) der alkoholabhängigen Patienten die ADHS-Diagnose bestätigen.
Bei fünf (26,3 %) der WURS-positiven alkoholabhängigen Patienten fanden sich in den
CAARS Hinweise auf das aktuelle Vorliegen von ADHS-Symptomen, und somit für das Persistieren
der ADHS im Erwachsenenalter.
In der Gruppe der Patienten mit multipler Substanzabhängigkeit erreichten 31 (50,8
%) in der WURS den cut-off von 30. Bei 33 Patienten (54,1 %) sprachen die Ergebnisse
der retrospektiv eingesetzten DSM-IV-Symptomcheckliste ebenfalls für das Vorliegen
einer ADHS in der Kindheit. In den CAARS fanden sich in dieser Gruppe bei 19 Patienten
(65,5 %) Hinweise für ein aktuelles Fortbestehen von ADHS-Symptomen. Die Ergebnisse
der WURS, der DSM-IV-Symptomcheckliste sowie der CAARS beider untersuchten Gruppen
sind in [Abbildung 2] gegenübergestellt.
Ergänzend wurde eine diagnostische Einteilung der ADHS-Subtypen nach den Kriterien
der DSM-IV vorgenommen (vgl. [Abb. 1]). Demnach erfüllten aus der Gruppe der Alkoholabhängigen 13 Patienten (14,3 %) die
diagnostischen Kriterien für das Vorliegen des „unaufmerksamen Typs”, zwei Patienten
(2,2 %) die des „hyperaktiven” und sechs Patienten (6,6 %) die des „gemischten Typs”
der ADHS. Demgegenüber fanden sich in der Gruppe der Substanzabhängigen 16 Patienten
(26,2 %), welche die diagnostischen Kriterien für den „unaufmerksamen”, 3 Patienten
(4,9 %) für den „hyperaktiven” und 14 (23 %) für den „gemischten Typ” erfüllten.
Hinsichtlich der Art des Substanzmittelabusus ließ sich feststellen, dass bei den
ADHS-Betroffenen in etwas höherem Maß Kokain (74,2 % versus 73,3 %) und deutlich mehr
Cannabis (100 % versus 83,3 %) konsumiert wurde. Auch der Heroinkonsum war bei der
ADHS-Gruppe höher (83,9 % versus 70,0 %), der Amphetamingebrauch dagegen etwas geringer
(32,3 % versus 40,0 %) (vgl. [Abb. 3]).
In beiden untersuchten Gruppen ließ sich darüber hinaus nachweisen, dass bei einer
Komorbidität mit ADHS der Substanzmittelgebrauch deutlich früher begann. In [Abbildung 4] ist das Alter des Erstgebrauchs der verschiedenen Substanzen für die Gruppe der
Substanzmittelabhängigen mit und ohne komorbide Erkrankung dargestellt.
Diskussion und Zusammenfassung
Die vorliegenden Studienergebnisse konnten zeigen, dass die Patienten einer großen
suchtmedizinischen psychiatrischen Abteilung überproportional häufig die diagnostischen
Kriterien der DSM-IV für das Vorliegen einer ADHS erfüllen. Sowohl in der Gruppe der
Alkoholabhängigen als auch in der Gruppe der Patienten mit einer multiplen Substanzabhängigkeit
ließ sich retrospektiv in einem hohen Prozentsatz eine ADHS in der Kindheit diagnostizieren,
die zum Teil noch im Erwachsenenalter persistiert.
Die untersuchten alkoholabhängigen Patienten erfüllten in 20,9 % (WURS) bzw. in 23,1
% (DSM-IV) die diagnostischen Kriterien für das Vorliegen einer ADHS in der Kindheit
und in 26,3 % (CAARS) das Persistieren des Störungsbildes.
Noch deutlichere Untersuchungsergebnisse hinsichtlich des Vorkommens der ADHS fanden
sich in der Gruppe mit einer multiplen Substanzabhängigkeit. In 50,8 % (WURS) bzw.
in 54,1 % (DSM-IV) war hier von dem Vorliegen einer ADHS in der Kindheit auszugehen,
welche in 65,5 % (CAARS) persistierte. Diese Ergebnisse waren ebenfalls hochsignifikant.
Demzufolge scheint - insbesondere in der Gruppe der Substanzabhängigen - die ADHS
auch zu einem hohen Prozentsatz bis in das Erwachsenenalter zu persistieren.
Ausgehend von einer Prävalenz der ADHS im Kindesalter von 8-10 %, einem Persistieren
der ADHS-Symptomatik in bis zu 80 % und einer Prävalenz der ADHS im Erwachsenenalter
von 2-6 %, belegen unsere Daten - vergleichbar mit bereits vorliegenden Studienergebnissen
- ein deutlich erhöhtes Vorkommen der ADHS bei Suchtpatienten. Somit kann ADHS auch
nach unseren Daten als ein erheblicher Risikofaktor für eine Suchtentwicklung angesehen
werden. In beiden Gruppen fand sich darüber hinaus ein signifikant geringeres Alter
bei Erstgebrauch der Droge, wenn eine ADHS vorlag. Die ADHS kann also auch als Risikofaktor
für einen „frühen Einstieg” gewertet werden.
Warum es eine so hohe Koinzidenz von ADHS, Suchterkrankungen und komorbiden Störungen
gibt, kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen ist insbesondere bei den hyperaktiven
und impulskontrollgestörten ADHS-Patienten bzw. bei den Patienten vom „gemischten
Typ” von einer erhöhten „Experimentier- und Risikofreudigkeit” mit Drogen und Alkohol
auszugehen - was u.a. auch den in der Untersuchung deutlich gewordenen stärkeren Gebrauch
der „Hochrisikodroge” Heroin erklären könnte -, zum anderen zeigen die klinischen
Erfahrungen, dass betroffene Patienten im Sinne einer „Selbstmedikation” insbesondere
bei Cannabis- und Kokainkonsum von einer - zumindest scheinbaren - Besserung der ADHS-spezifischen
Symptome berichten. Dementsprechend dürften auch die vorliegenden Untersuchungsbefunde
mit einem deutlich höheren Cannabis- und einem - zumindest tendenziell - höheren Kokainkonsum
in der ADHS-Gruppe zu interpretieren sein. Diese Hypothese wird u.a. auch durch die
Studien von Volkow et al. (31) unterstützt, welche feststellten, dass bei ADHS vermehrt
Kokainabusus vorkommt, und Patienten nach Konsum von einer deutlichen Symptomreduktion
berichteten. So ergaben sich in unserer Untersuchung in der Gruppe der Substanzabhängigen
signifikant höhere Werte für den „unaufmerksamen” und den „gemischten Typ”. Der isolierte
„hyperaktive Typ” war in beiden Gruppen vergleichsweise unterrepräsentiert. Diese
Ergebnisse scheinen im Hinblick auf die vorliegende Literatur durchaus plausibel.
Die Überrepräsentanz in der Gruppe der Substanzabhängigen und das hohe Vorkommen des
„gemischten Typs”, welcher die Kriterien der Unaufmerksamkeit und der Hyperaktivität
subsumiert, lassen in dieser Gruppe eine erhöhte Risikobereitschaft vermuten. Patienten
vom „unaufmerksamen Typ” benutzen die Substanz vermutlich primär zur Stimulation.
Resümee
Wie im Vorausgegangenen deutlich wurde, kann die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
nicht als „neues Krankheitsbild”, sondern als ein psychopathologisches Syndrom vermutlich
multifaktorieller Genese verstanden werden. Die diagnostische Abgrenzung von anderen
psychiatrischen Erkrankungen kann schwierig sein, was die Notwendigkeit einer kritischen
und sorgfältigen Diagnosestellung unterstreicht. Die ADHS ist, besonders in Verbindung
mit Komorbidität, ein Risikofaktor für Substanzmissbrauch. Insofern scheint auch im
Hinblick auf die Ergebnisse unserer Studie eine frühzeitige Diagnose und Behandlung
- die i.S. eines „multimodalen Therapieansatzes” pharmakologische und psychotherapeutische
Behandlungskonzepte beinhalten sollte - besonders wichtig und kann die Wahrscheinlichkeit
einer Suchtentwicklung reduzieren.