Der Klinikarzt 2005; 34(12): VIII
DOI: 10.1055/s-2005-926206
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Früh- und Spätfolgen berufsbedingter Allergien - Ist die Naturlatexallergie noch relevant?

Further Information

Publication History

Publication Date:
19 January 2006 (online)

 
Table of Contents

Medizinisches Personal ist besonders gefährdet für Sensibilisierungen. Oft fängt es relativ harmlos mit einer irritativ-toxischen Dermatitis an. Durch häufiges Händewaschen kommt die Haut permanent mit Wasser in Berührung, zudem werden die Hände oft nicht gepflegt - die Haut ist gereizt, leicht entstehen Risse und Entzündungen. Doch die zunächst entstehende Dermatitis ist noch keine Allergie. Kommt jedoch der regelmäßige Kontakt mit einem potenziell allergenen Stoff hinzu, ist der Weg frei für eine allergische Reaktion. Häufig manifestieren sich diese an den Händen als Latexallergie.

Bei zahlreichen Tätigkeiten in der Klinik ist das Tragen von Handschuhen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. In Latexhandschuhen enthaltene Proteine können aber zu allergischen Sofortreaktionen führen. Latexfreie Vinylhandschuhe etwa sind jedoch aufgrund der schlechteren Trageeigenschaften unbeliebter als Handschuhe aus Latex. Ein potenziell geringeres allergenes Potenzial bei hohem Tragekomfort weist dagegen beispielsweise der OP-Handschuh Biogel EclipseTM (Regent Medical) auf. Dieser besteht aus deproteinisiertem Naturlatex, bei dem schon im Ausgangsmaterial bis zu 90% der allergieauslösenden Proteine entfernt wurden.

#

Austausch gepuderter Latexhandschuhe ist Pflicht

Da die im Naturlatex enthaltenen Proteine zu allergischen Akutreaktionen und sogar - bei bereits sensibilisierten Menschen - zu einem anaphylaktischen Schock führen können, ist der Austausch gepuderter Latexhandschuhe bereits seit 1997 vorgeschrieben. In der technischen Regel für Gefahrstoffe 540 (TRGS 540) "Sensibilisierende Stoffe" heißt es: "Gepuderte Naturgummilatexhandschuhe sind durch puderfreie und allergenarme Latexhandschuhe oder andere geeignete Handschuhe zu ersetzen". Dabei löst nicht - wie häufig vermutet - der Puder selbst allergische Reaktionen aus, sondern die Proteine lagern sich an den Puder, wirbeln beim Auspacken der Handschuhe in der Luft herum, werden inhaliert und können neben einer Kontakturtikaria dann gegebenfalls zu Rhinitis und Asthma führen.

Laut Einschätzung von Prof. T. Fuchs, Göttingen, hat die Umsetzung dieser Regel wahrscheinlich mit zum positiven Trend des Rückgangs der berufsbedingten Hauterkrankungen beigetragen: Die Zahl der Verdachtsfälle berufsbedingter Hauterkrankungen ging vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2003 um über 1500 zurück und damit auch die Prävalenz der hierzu zählenden Latexallergien. Doch ist damit die Gefahr bereits gebannt, gibt es das Problem der Latexallergie nicht mehr?

Immer noch, so konstatierte Fuchs, gibt es gepuderte Latexhandschuhe auf dem Markt und auch Verantwortliche in Krankenhäusern, die ihren Mitarbeitern entgegen der seit nunmehr acht Jahren bestehenden Regel gepuderte Latexhandschuhe Handschuhe zur Verfügung stellen - ein eindeutig nicht hinnehmbares Vorgehen.

Und wie geht es Patienten, bei denen die Diagnose 'Latexallergie' einmal gestellt wurde? Dieser Frage ging Fuchs in einer Untersuchung mit 69 Patienten nach, die wegen einer Naturlatexallergie in Behandlung gewesen waren. Wie sich zeigte, sind Patienten auch bis zu zehn Jahre nach der Diagnosestellung noch von der Allergie beeinträchtigt. Etwa 74% der untersuchten Patienten hatten trotz konsequenter Umsetzung der empfohlenen Allergenkarenzmaßnahmen weiterhin zum Teil schwere klinische Symptome bei Re-Exposition mit Naturlatex. "Eine Naturlatexallergie verliert sich nicht", resümierte Fuchs. Wird bei Patienten mit Latexallergie beispielsweise nicht auf geeignete Handschuhe und eine geeignete Maske geachtet, können schwere Zwischenfälle im OP die Folge sein.

#

Latexallergie wird häufig erst spät erkannt

Wie gefährlich eine unerkannte Latexallergie im Krankenhausalltag ist, verdeutlichte Fuchs an einem Beispiel: Eine Kontakturtikaria war bei einer 50-jährigen OP-Schwester das erste Symptom der Latexallergie. Dennoch blieb die Allergie zunächst unbekannt, der Nesselausschlag wurde nicht weiter beachtet, und auch die Rhinokonjunktivitis wurde nicht mit den gepuderten Handschuhen der Kollegen in Verbindung gebracht, sondern fälschlicherweise für einen normalen Heuschnupfen gehalten. Erst nach einer urologischen Operation, bei der sie einen anaphylaktischen Schock erlitt, wurden allergische Tests durchgeführt, bei denen die Naturlatexallergie zu Tage kam. Viele Fälle ähneln sich, die Latexallergie zeigt sich zwar, wird aber erst erkannt, sobald sie beispielsweise während einer Operation klinisch relevant wird. Wer denkt etwa bei einem Angioödem beim Luftballonaufblasen sofort an eine Naturgummi-Latexallergie?

Ist schließlich mittels Haut- oder Bluttests nachgewiesen, dass eine Allergie besteht, erhalten die Patienten einen Allergiepass, auf dem die Naturlatex-Kontakturtikaria vermerkt ist. Um die Patienten nicht zu gefährden, sollte dieser Pass sowohl von den Schwestern als auch dem Arzt unbedingt ernst genommen und keinesfalls ignoriert werden, so Fuchs.

Quelle: Fortbildungsveranstaltung "Aktuelles zur Infektionsprävention und Allergievermeidung", unterstützt von Regent Medical Overseas Ltd., Zweigstelle Deutschland

KJ