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DOI: 10.1055/s-2006-925066
Hypersensitivitätssyndrom nach Einnahme von Carbamazepin
Hypersensitivity Syndrome During Medication with CarbamazepineZusammenfassung
Bei einer 51-jährigen Patientin mit bekannter endogener Depression entwickelte sich 4 Wochen nach Einleitung einer Carbamazepin-Therapie ein generalisiertes makulo-papulöses Exanthem. Neben septisch verlaufenden Temperaturen, einer Splenomegalie und einer generalisierten Lymphadenopathie zeigten sich deutliche Erhöhungen der Transaminasen und eine ausgeprägte Eosinophilie. Nach Abbruch der Carbamazepin-Therapie und systemischer Behandlung mit Kortikosteroiden kam es zu einer vollständigen Rückbildung der klinischen und laborchemischen Symptomatik.
Das hier vorgestellte Hypersensitivitätssyndrom muss zur Gruppe der potenziell lebensbedrohlichen Arzneimittelreaktionen gezählt werden. Dabei ist die Prognose von einer frühzeitig einsetzenden, hochdosierten Behandlung mit Kortikosteroiden abhängig. Vor diesem Hintergrund ist die differenzialdiagnostische Abgrenzung des Hypersensitivitätssyndroms von klinisch ähnlich verlaufenden Virusinfektionen zwingend notwendig.
#Abstract
After a four weeks period of taking carbamazepine for treatment of endogenous depression a 51 years old female patient developed a widespread eruption of erythematous macules and papules. Additionally the patient showed septic temperatures, splenomegaly, a pronounced lymphadenopathy and a clear increase of transaminases and eosinophilic leucocytes. When therapy with carbamazepine was stopped and after treatment with systemic steroids clinical symptoms and laboratory parameter completely resolved.
A hypersensitivity syndrome has to be taken into account as a potential life threatening drug eruption. The prognosis depends on early onset of steroid medication. Therefore virus infections should urgently be considered as a differential diagnosis.
#Einleitung
Das medikamentös ausgelöste Hypersensitivitätssyndrom, das auch mit dem Akronym DRESS für Drug Related Eosinophilia with Systemic Symptoms beschrieben wird, ist eine klinisch häufig bedrohlich verlaufende, zahlreiche Organsysteme betreffende Arzneimittelreaktion [1]. Dabei erfüllt das Hypersensitivitätssyndrom die Kriterien der Idiosynkrasie. Hierzu zählen das Auftreten der klinischen Symptomatik frühestens eine Woche nach Beginn der Arzneimitteleinnahme bzw. innerhalb von 24 Stunden bei Reexposition. Zu den typischen Symptomen zählen Fieber, Exantheme, eine meist ausgeprägte Eosinophilie und eine Beteiligung innerer Organe, wobei typischerweise die Leber und das hämatopoetische System betroffen sind [2]. Pathogenetisch wird bei einer Idiosynkrasiereaktion ein individueller, genetisch determinierter Faktor postuliert, der einzelne Patienten prädisponiert, bei Einnahme bestimmter Arzneimittel in der beschriebenen Form zu reagieren [3]. Das Hypersensitivitätssyndrom kann in jedem Alter auftreten und ist auch bei Kindern wiederholt beschrieben worden [4] [5]. Die Geschlechtsverteilung ist ausgeglichen [6] [7]. Neben der Haut werden bei Hypersensitivitätssyndromen vor allem das lymphatisch-hämatologische System, die Leber und die Nieren, seltener die Lungen, das Herz oder das Zentralnervensystem in den Krankheitsprozess einbezogen. Die Letalität des Hypersensitivitätssyndroms, die mit 8 - 10 % angegeben wird, ist in den meisten Fällen auf eine fulminant verlaufende Hepatitis zurückzuführen [8] [9]. Zu den auslösenden Arzneimitteln zählen hauptsächlich aromatische Antikonvulsiva, Antibiotika und reverse Transkriptase-Inhibitoren [7] [10] [11] [12]. Dabei werden die aromatischen Antikonvulsiva Carbamazepin und Phenytoin mit Abstand am häufigsten für die Entwicklung eines Hypersensitivitätssyndroms verantwortlich gemacht. Von 17 Patienten, die Bork mit einem Hypersensitivitätssyndrom beobachten konnte, hatten 12 Patienten Carbamazepin und die übrigen Phenytoin eingenommen [6]. Insgesamt muss bei den aromatischen Antikonvulsiva mit einem Hypersensitivitätssyndrom bei 5000 behandelten Patienten gerechnet werden [6]. Weitere Arzneimittel, die gehäuft zum Auftreten von Hypersensitivitätssyndromen führen können, sind innerhalb der Gruppe der Antibiotika Minocyclin und die Sulfonamide einschließlich Diaminodiphenylsulfon (DADPS) sowie Abacavir, Nevirapin und Zalcitabin als Vertreter der reversen Transkriptase-Inhibitoren [7] [10] [11] [12]. In Einzelfällen wurden Hypersensitivitätssyndrome auch durch Allopurinol, Goldsalze und Azathioprin ausgelöst [6] [13].
Der Fall der hier vorgestellten Patientin ist in seinem Verlauf und im Auftreten der klinischen und laborchemischen Befunde exemplarisch für ein Hypersensitivitätssyndrom nach Einnahme von Carbamazepin. Auch die zunächst bestehenden Probleme in der differentialdiagnostischen Abgrenzung von akuten Virusinfektionen sind für das Hypersensitivitätssyndrom typisch und unterstreichen die Notwendigkeit der Kenntnis dieser bedrohlich verlaufenden Arzneimittelreaktion.
#Kasuistik
#Anamnese
Bei der jetzt 52-jährigen Patientin war vor etwa 30 Jahren eine endogene Depression aufgetreten, die seither in unregelmäßigen Abständen episodenhaft rezidivierte. Bei einem entsprechenden Bedarf waren in den letzten Jahren Behandlungen mit tri- oder tetrazyklischen Antidepressiva, MAO-Hemmern oder selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern durchgeführt worden. Bei einer erneuten Zunahme der depressiven Symptomatik hatte die Patientin nun erstmals Carbamazepin in einer täglichen Dosierung von 200 mg verordnet bekommen. Vier Wochen nach Einleitung dieser Therapie entwickelten sich Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Temperaturen bis 40 °C. Gleichzeitig wurden Lymphknotenschwellungen bemerkt und ein an Ausbreitung schnell zunehmendes Exanthem. Eine daraufhin eingeleitete Behandlung mit einem Penicillin-Präparat hatte keinerlei Einfluss auf die klinische Symptomatik, so dass die Patientin bei einer weiteren Verschlechterung ihres Allgemeinbefindens stationär aufgenommen werden musste.
#Aufnahmebefund
Am Stamm, proximal an den Extremitäten, am Hals sowie im Bereich des Gesichtes fand sich ein makulo-papulöses, zu größeren Flächen konfluierendes Exanthem (Abb. [1] u. 2). Darüber hinaus zeigte sich ein ausgeprägt ödematöses Erythem der Mund- und Rachenschleimhaut.
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Abb. 1 Makulo-papulöses Exanthem Gesicht, Hals und vorderes Dekolleté.
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Abb. 2 Zu größeren Flächen konfluierender Befund am Rücken.
Temperatur bei Aufnahme 39,2 °C. Zervikal, axillär und inguinal konnten druckdolente Lymphknoten getastet werden. Das Allgemeinbefinden der Patientin war insgesamt deutlich reduziert.
#Histopathologische Befunde
Perivaskuläres und interstitielles entzündliches Infiltrat in der verbreiterten papillären Dermis, das auf die angrenzende Epidermis übergreift und aus Lymphozyten, Histiozyten und vereinzelten eosinophilen Granulozyten besteht (Abb. [3] u. 4; Dr. C. Diaz, Einsendungslabor für Dermatopathologie Freiburg).
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Abb. 3 Perivaskuläres und interstitielles Infiltrat in der papillären Dermis, auf die Epidermis übergreifend (HE × 100).
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Abb. 4 In der ödematös aufgelockerten Dermis perivaskuläres lymphohistiozytäres Infiltrat mit einzelnen eosinophilen Granulozyten (HE × 400).
Laborbefunde
Blutbild: Leukozyten 14.0/nl (NW: 4 - 10,5/nl). Erythrozyten, Hämoglobin, Hämatokrit und Thrombozyten in den jeweiligen Normbereichen. Diff.-BB: Stabkernige 10 % (NW: 0 - 6 %), Segmentkernige 50 % (NW: 45 - 85 %), Eosinophile 13 % (NW: 0 - 6 %), Basophile 1 % (NW: 0 - 3 %), Monozyten 9 % (NW: 1 - 11 %) und Lymphozyten 17 % (NW: 10-50 %).
Enzyme: GOT 121 U/l (NW: 0 - 32 U/l), GPT 305 U/l (NW: 0 - 35 U/l), gamma-GT 152 U/l ( NW: 0 - 38 U/l), GLDH 12,1 U/l (NW: < 4,8 U/l), APH 112 U/l (NW: 30 - 135 U/l), LDH 473 U/l (NW: 126 - 253 U/l) und CK 36 U/l (NW: < 185 U/l).
Entzündungsparameter: BSG n. W. 32/76 mm (NW: 10/20 mm), CRP 27 mg/l (NW: 3 - 15 mg/l), Elektrophorese geringfügige Erhöhung der alpha-1- und alpha-2-Globulinfraktionen bei sonst unauffälligen Befunden.
Hepatitis-Serologie: Hep A-IgM-AK, Hbs-AG, Hep Bc-AK und Hep C-AK negativ.
Übrige Laborbefunde (ASL, Bilirubin, nierenpflichtige Substanzen, Gerinnungsparameter, Elektrolyte und Urinstatus) unauffällig.
#Ergänzende apparative Untersuchungen
Die Röntgenaufnahme der Thoraxorgane und das EKG zeigten keine pathologischen Befunde.
In der Oberbauchsonographie konnte eine Splenomegalie bei sonst unauffälligen Befunden nachgewiesen werden. Die Lymphknotensonographie zervikal, axillär und inguinal führte zum Nachweis einzelner bis zu 2,5 cm großer, physiologisch geschichteter Lymphknoten.
#Therapie und Verlauf
Die klinische Symptomatik der Patientin konnte bei der stationären Aufnahme zunächst nicht sicher eingeordnet werden. Diskutiert wurden eine Virusinfektion, eine myeloproliferative Erkrankung und eine Arzneimittelreaktion. Durch laborchemische Untersuchungen konnten eine infektiöse Mononukleose sowie eine Hepatitis A, B und C ausgeschlossen werden. Auch fanden sich hierbei keine Hinweise für eine Leukämie oder ein Lymphom. Auffällig war hingegen eine Leukozytose, eine Eosinophilie und eine deutliche Erhöhung der Transaminasen. Bei den sonographischen Untersuchungen zeigten sich eine Splenomegalie und vergrößerte, morphologisch jedoch unauffällig geschichtete Lymphknoten. Der histopathologische Befund war durch eine Interface-Dermatitis mit Eosinophilie gekennzeichnet. Bei Wertung aller Befunde wurde die Diagnose eines Hypersensitivitätssyndroms gestellt. Nach Absetzen des Carbamazepins wurde eine orale Behandlung mit 100 mg Prednisolon täglich eingeleitet, die bei schrittweiser Reduktion der Dosierung nach 2 Wochen beendet werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich das Arzneimittelexanthem und die Lymphadenopathie vollständig zurückgebildet. Auch die pathologischen Befunde im Blut- und Differenzial-Blutbild waren nicht mehr nachweisbar. Die Normalisierung der Transaminasenwerte konnte hingegen erst weitere 3 Wochen später beobachtet werden. Die allergologischen Untersuchungen erfolgten 2 Monate nach Beendigung der oralen Prednisolon-Therapie. Bei der Epikutantestung mit Carbamazepin zeigte sich nach 48 und 72 Stunden ein deutlich infiltriertes Erythem. Der Lymphozyten-Transformationstest war hingegen negativ. Bei einer erneut aufgetretenen behandlungsbedürftigen Depression wurde der Patientin Nortriptylin verordnet, das ohne Nebenwirkungen vertragen wurde.
#Diskussion
Arzneimittelexantheme nach Einnahme von Antikonvulsiva sind häufig und zeigen nicht selten eine ausgeprägte Manifestation. Bei Carbamazepin, einem der am häufigsten verordneten Antikonvulsiva, entwickeln 2 - 5 % der behandelten Patienten eine kutane Arzneimittelreaktion [14] [15]. Kommt es darüber hinaus zu weiteren multisystemischen Nebenwirkungen, zu denen definitionsgemäß Fieber, eine Lymphadenopathie, eine Eosinophilie und die Erkrankung mindestens eines weiteren Organsystems gezählt werden, kann die Diagnose eines Hypersensitivitätssyndroms als gesichert angesehen werden [16]. Das Risiko, nach Einnahme von Carbamazepin ein Hypersensitivitätssyndrom zu entwickeln, ist jedoch insgesamt gering. Bei 10 000 Verordnungen ist, Schätzungen zufolge, mit maximal 4 Erkrankungen zu rechnen [17].
Der Verlauf und die klinische Symptomatik eines Hypersensitivitätssyndroms sind grundsätzlich unabhängig von der im Einzelfall eingenommenen und für die Auslösung des Syndroms verantwortliche Arzneimittelsubstanz. Vereinzelt werden komplette und inkomplette Formen des Hypersensitivitätssyndroms unterschieden. Dabei gelten als Hauptsymptome Fieber, Exanthem, Lymphadenopathie und Hepatitis, deren gemeinsames Auftreten die komplette Form des Syndroms definiert, während bei einem inkompletten Hypersensitivitätssyndrom mindestens zwei der genannten vier Hauptsymptome vorliegen müssen [7]. Die Latenzzeit zwischen dem Beginn einer medikamentösen Therapie und dem Auftreten der ersten Symptome eines Hypersensitivitätssyndroms beträgt in den meisten Fällen 2 - 6 Wochen [13] [18] [19] [20]. Nur sehr selten wurde über längere Latenzzeiten von 3 bis maximal 14 Monaten berichtet [21] [22].
Typischerweise ist die initiale Phase eines Hypersensitivitätssyndroms durch ein allgemeines Krankheitsgefühl, eine Laryngitis, Zephalgien, Arthralgien und Fieber gekennzeichnet. Die ebenfalls bereits in der Frühphase der Erkrankung auftretenden generalisierten Exantheme zeichnen sich durch eine deutliche klinische Polymorphie aus. Dabei werden makulo-papulöse, morbilliforme, rubeoliforme und pustulöse Formen beschrieben [6] [18] [21] [23]. Purpuriforme und Erythema exsudativum multiforme-artige Exantheme, das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxische epidermale Nekrolyse zählen ebenso wie lymphomartige Infiltrationen oder Papeln und Knoten zu den weiteren möglichen kutanen Arzneimittelreaktionen eines Hypersensitivitätssyndroms [6] [22] [23] [24] [25]. Nur in Ausnahmefällen wurde keine dermatologische Beteiligung beobachtet [26]. Die Lymphadenopathie als weiteres initiales Symptom manifestiert sich lokal im Bereich der peripheren Lymphknoten oder generalisiert peripher und intraabdominal. Histopathologisch zeigen die Lymphknoten eine benigne Hyperplasie bei sonst unauffälliger Struktur [27] [28]. Der weitere Verlauf eines Hypersensitivitätssyndroms ist in meist zunehmender Weise durch die Mitbeteiligung viszeraler Organsysteme geprägt. Dabei ist die Leber mit 34 - 94 % das am häufigsten betroffene Organ [29] [30]. Von besonderer Bedeutung ist die vereinzelt fulminant verlaufende Hepatitis, die als Hauptursache der mit 8 - 10 % hohen Letalität angesehen wird [8] [9]. Das klinische Spektrum der meist anikterischen Hepatitiden umfasst eine asymptomatische Transaminasenerhöhung, eine deutliche Funktionseinschränkung mit Hepatomegalie und eine akut verlaufende Leberzellnekrose. Mit Ausnahme der fulminanten Verläufe zeigt sich das histopathologische Bild einer granulomatösen Hepatitis [23]. Neben der im Vordergrund stehenden Hepatitis sind die Myokarditis, die Pneumonie, die interstitielle Nephritis sowie die Thyreoiditis weitere internistische Manifestationen des Hypersensitivitätssyndroms. Auch eine zerebrale Symptomatik, eine Rhabdomyolyse und eine Splenomegalie wurden vereinzelt als zusätzliche Organbeteiligungen beobachtet [6] [21] [28] [31] [32] [33] [34] [35] [36]. Die für das Hypersensitivitätssyndrom typischen Laborbefunde sind Ausdruck einer primären Beteiligung des hämatologischen Systems oder können auf entzündliche Reaktionen der betroffenen Organsysteme zurückgeführt werden. Zu den am häufigsten auftretenden hämatologischen Störungen zählen die Eosinophilie, eine Leukozytose und eine teilweise mononukleose-artige atypische Lymphozytose, während Thrombozytopenien, Agranulozytosen oder hämolytische Anämien nur selten beschrieben worden sind [6] [27] [28] [37]. Bei einer hepatogenen Manifestation des Hypersensitivitätssyndroms ist eine Erhöhung der Transaminasen obligat, während eine Hyperbilirubinämie selten und nur bei einzelnen Medikamenten, z. B. bei Diaminodiphenylsulfon, häufiger nachweisbar ist. Eine ausgeprägte Hyperbilirubinämie ist vermutlich mit einer schlechteren Prognose verbunden [7] [28]. Bei einer Beteiligung anderer Organsysteme, z. B. bei einer Karditis, einer Niereninsuffizienz oder einer Thyreoiditis, finden sich richtungsweisende Laborbefunde.
Die Pathogenese des Hypersensitivitätssyndroms ist nicht geklärt. Als mögliche Ursache wird eine genetisch determinierte Störung in der Metabolisierung einzelner Arzneimittel diskutiert.
Der damit verbundene Anstieg toxischer oder immunologisch wirksamer Metaboliten wird für die klinische Symptomatik des Hypersensitivitätssyndroms verantwortlich gemacht. Die aromatischen Antikonvulsiva, zu denen Carbamazepin, Phenytoin, Primidon und Clonazepam zählen, werden durch die Cytochrom P-450-Isoenzyme hydroxiliert. Die entstehenden Zwischenprodukte, die Epoxide, gelten biologisch als besonders aktive Verbindungen. Ist deren weiterer enzymatischer Abbau behindert, z. B. durch eine Störung der Epoxidhydrase, kommt es zu einer Kumulation der Epoxide, die möglicherweise mit anderen Molekülen toxische oder immunologisch wirksame Verbindungen eingehen [38]. Als weiterer Hinweis für einen gestörten Metabolismus der aromatischen Antikonvulsiva gelten die bei einzelnen Patienten nachgewiesenen LKM-Antikörper (liver-kidney-microsomal antibody), die spezifisch gegen Cytochrom P-450-Isoenzyme gerichtet sind und für deren Funktionsstörung verantwortlich gemacht werden [39] [40]. Einer anderen These zur Folge, die besonders in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist die Reaktivierung der humanen Herpes-Viren 6 oder 7 ein wesentlicher Faktor in der Pathogenese des Hypersensitivitätssyndroms. Der Titeranstieg spezifischer IgG-Antikörper 3 bis 4 Wochen nach Auftreten der klinischen Symptome eines Hypersensitivitätssyndroms, der Nachweis der Virusreplikation im Serum vor Beginn der Antikörperproduktion und die direkt nachgewiesene Virus-DNA in erkrankten Organsystemen, z. B. im Liquor bei einer Enzephalitis, gelten als Belege für eine pathogenetische Bedeutung der Herpes-Viren [41] [42] [43].
Ein Hypersensitivitätssyndrom sicher zu diagnostizieren ist schwierig und wird besonders in der Anfangsphase der Erkrankung nur vereinzelt möglich sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Krankheitsbild selten und daher nur wenig bekannt ist, während die Diagnose klinisch gestellt werden muss. Darüber hinaus sind die klinischen und laborchemischen Befunde eines Hypersensitivitätssyndroms in ihrer Kombination so vielgestaltig und sicher auch ungewöhnlich, dass man in der Regel nicht sofort an eine Arzneimittelreaktion denken wird. Die Patienten sind im Allgemeinen schwer krank mit hohen Temperaturen, Zephalgien, Myalgien und den klinischen Zeichen eines Infektes der oberen Luftwege. Gleichzeitig werden neben einer Lymphadenopathie klinisch-morphologisch sehr unterschiedliche Exantheme beobachtet, die makulo-papulöse, morbilliforme oder auch rubeoliforme Manifestationen beinhalten können. Die klinische Symptomatik ist daher mit viralen oder auch bakteriellen Infektionen durchaus vereinbar, so dass in der Literatur zahlreiche Infektionskrankheiten als typische Differenzialdiagnosen zum Hypersensitivitätssyndrom angegeben werden. Einzelne Beispiele sind die infektiöse Mononukleose, der akute grippale Infekt, virale Hepatitiden, HIV-Infektionen, Masern, Röteln oder bakterielle Septikämien und das toxische Staphylokokken-Schocksyndrom [7] [12] [13] [18] [23]. Zu den weiteren Differenzialdiagnosen nicht infektiöser Genese zählt der Lupus erythematodes, das Hypereosinophilie-Syndrom und verschiedene Formen der Vaskulitiden. Bei Erwachsenen mit lymphomartigen Infiltrationen der Haut sind bei gleichzeitigem Nachweis einer Lymphadenopathie und schwer gestörtem Allgemeinbefinden der Patienten akute Lymphome differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen, während bei Kindern in Einzelfällen auch ein mukokutanes lymphonodales Syndrom ausgeschlossen werden muss [6] [12] [25] [44]. In Ergänzung zu der klinisch zu stellenden Diagnose eines Hypersensitivitätssyndroms können bei einzelnen Arzneimitteln, z. B. bei Carbamazepin, positive Epikutan- oder Lymphozyten-Transformationstestungen den kausalen Zusammenhang zwischen dem Syndrom und dem auslösenden Medikament sichern [45].
Die Behandlung eines Hypersensitivitätssyndroms besteht zunächst im Absetzen aller für die Auslösung des Syndroms in Frage kommenden Arzneimittel. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, vertreten die meisten Autoren die Auffassung, dass bei einem Hypersensitivitätssyndrom die Indikation zu einer systemischen Therapie mit Kortikosteroiden gegeben ist, wobei Dosierungen von 100 - 150 mg oder 1 - 2 mg/kg Körpergewicht Prednisolon täglich empfohlen worden sind. Die Behandlung sollte über einen Zeitraum von 2 - 3 Wochen erfolgen, da ein schnelles Absetzen oder auch eine schnelle Reduktion der Dosis zu einem erneuten Auftreten der Symptomatik führen können [12] [13] [22] [23] [27]. Durch die Therapie mit Kortikosteroiden kommt es im Allgemeinen zu einer schnellen Rückbildung der klinischen Symptomatik einschließlich der dermatologischen Manifestationen, während sich bei den Laborbefunden insbesondere die Transaminasen erst nach 4 bis 6 Wochen normalisieren.
Nach einem durch Carbamazepin bedingten Hypersensitivitätssyndrom muss die neurologische Behandlung einer Epilepsie mit anderen Antikonvulsiva fortgeführt werden. Dabei sollten grundsätzlich keine aromatischen Antikonvulsiva verordnet werden, da Kreuzreaktionen aufgrund der ähnlichen Metabolisierungswege häufig sind [46] [47]. Für die Therapie der betroffenen Patienten hat sich die Valproinsäure als Alternative bewährt [19] [47].
Die hier vorgestellte Patientin war wegen einer endogenen Depression mit Carbamazepin behandelt worden. Die Verordnung von tri- oder tetrazyklischen Antidepressiva ist bei einem Carbamazepin induzierten Hypersensitivitätssyndrom ebenfalls keineswegs unbedenklich, da Carbamazepin und zahlreiche Vertreter der genannten Antidepressiva chemisch gleiche oder ähnliche Ringstrukturen aufweisen [48]. Tatsächlich wurden vereinzelt Kreuzreaktionen zwischen Carbamazepin und trizyklischen Antidepressiva nachgewiesen [13]. Bei unserer Patientin stellte der behandelnde Psychiater die Indikation zur Therapie mit Nortriptylin, einem trizyklischen Antidepressivum, ohne dass Nebenwirkungen beobachtet werden konnten. Bei einer entsprechenden Indikation sollten Patienten mit einem bekannten Hypersensitivitätssyndrom sehr engmaschig klinisch und laborchemisch überwacht werden, um Kreuzreaktionen möglichst frühzeitig erkennen zu können.
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Dr. G. Wagner
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Dr. G. Wagner
Hautklinik · Kinikum Bremerhaven Reinkenheide
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Abb. 1 Makulo-papulöses Exanthem Gesicht, Hals und vorderes Dekolleté.
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Abb. 2 Zu größeren Flächen konfluierender Befund am Rücken.
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Abb. 3 Perivaskuläres und interstitielles Infiltrat in der papillären Dermis, auf die Epidermis übergreifend (HE × 100).
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Abb. 4 In der ödematös aufgelockerten Dermis perivaskuläres lymphohistiozytäres Infiltrat mit einzelnen eosinophilen Granulozyten (HE × 400).