Einleitung
Einleitung
Zahlreiche Evaluationsstudien belegen die Effektivität von stationären Entwöhnungsbehandlungen bei Alkoholabhängigen [1]
[2]. In den letzten Jahren wurden auch zunehmend Katamnesen für ambulante Entwöhnungstherapien publiziert [3]
[4]. Für die ambulanten und stationären Entwöhnungen werden differenzielle Indikationskriterien vorgegeben. Nach der „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen” von 2001 zwischen den Krankenkassen und den Rentenversicherern wird die teilstationäre Behandlung den stationären Entwöhnungen zugeordnet und unterliegt denselben Qualitätsanforderungen. Das Therapiekonzept für die abgestuft stationär-tagesklinische Entwöhnungstherapie, welches hier untersucht wurde, ist an den Grundlagen der wissenschaftlichen Therapieforschung ausgerichtet [5]. Das Therapiemodell, das vom Rentenversicherer anerkannt ist, wird der Beschreibung einer störungsspezifischen und nicht schulengebundenen Psychotherapie gerecht [6]. Es kombiniert eklektisch, aber gezielt ressourcen-, einsichts- und handlungsorientierte Einzel- und Gruppenpsychotherapie mit psychiatrisch-medizinischer und sozialarbeiterischer Versorgung - ein Konzept, das weltweit erfolgreich angewendet wird [7]. Die hiesige Therapie findet abgestuft stationär-tagesklinisch statt. Die 8-wöchige stationäre Phase bietet den Patienten einen intensiven Kontakt untereinander und zum Personal. Die nachfolgende 4-wöchige tagesklinische Phase gewährleistet den Transfer der erworbenen Lernerfahrungen in den Alltag. Insgesamt besteht ein durchschnittliches Zeitbudget von 12 Wochen, dass individuell angepasst werden kann. Die Patienten kommen meist aus einer qualifizierten Entzugsbehandlung, die 1 Tag bis 6 Wochen vor Therapieantritt beendet wurde. Teilweise werden sie direkt von den Suchtberatungsstellen vermittelt. Während der Wartezeit, die sich aus der Klärung der Kostenübernahme und/oder dem Freiwerden eines Therapieplatzes ergibt, bieten wir den Patienten zweimal wöchentlich eine ambulante Vorbereitungsgruppe an. Nach den Aufnahmeuntersuchungen werden die Patienten einem Bezugstherapeuten und einer Bezugsgruppe (10 bis 12 Teilnehmer) zugeordnet, in der wöchentlich ein neuer Patient begrüßt wird und ein Patient zum Therapieende verabschiedet wird. Die Patienten verbleiben auch in der tagesklinischen Phase in ihrer Bezugsgruppe. Dort werden die Suchtentwicklung und belastende Lebensereignisse aufgearbeitet. Des Weiteren werden individualisierte Therapieziele verfolgt, die der Therapeut mit den Patienten erarbeitet, in der Visite besprochen werden und die Auswahl der indikativen Gruppen bestimmen: z. B. Gedächtnistraining, Entspannungstherapie, Bewerbungstraining und soziales Kompetenztraining. Letzteres wird bei Suchtkranken als besonders wirksam eingeschätzt [8].
Das Rückfallpräventionstraining findet für jeden Patienten in einer geschlossenen Gruppe von der 2. bis zur 8. Therapiewoche einmal wöchentlich statt. Durch die vielfältigen Gruppenerfahrungen innerhalb einer überschaubaren Therapiegemeinschaft von 45 Patienten findet ein intensives soziales Lernen statt. Einzelheiten können dem Konzept der Klinik entnommen werden [5]. Das Anliegen der Untersuchung war, die Wirksamkeit der abgestuft stationär-tagesklinischen Entwöhnungstherapie darzustellen. Hierzu wurden die Abstinenzquote und die psychischen Veränderungen im Verlauf der Therapie und des 6-monatigen Katamnesezeitraumes untersucht.
Methoden
Methoden
Stichprobe
Die abhängigkeitsbezogenen und soziodemografischen Merkmale wurden mit dem Fragebogen zur differenzierten Drogenanamnese (FDDA) erfasst (s. Tab. [1]) [9]
[10]. Es wurde eine anfallende Stichprobe von insgesamt 60 Patienten der Klinik untersucht, welche in der Zeit von März 2002 bis April 2003 freiwillig an dieser Untersuchung teilnahmen. Die Studie wurde von der Ethik-Kommission der Charité-Universitätsmedizin Berlin bewilligt. Die Patienten sind durchschnittlich 42 Jahre alt. Jeder fünfte Patient ist ohne Bildungsabschluss und jeder zweite Patient ohne Arbeit. Nur jeder dritte Patient lebt in einer festen partnerschaftlichen Beziehung (s. Tab. [1]). Alle hier untersuchten Patienten wurden als alkoholabhängig nach ICD 10 (F 10.2) diagnostiziert. Der Beginn des regelmäßigen Konsums lag durchschnittlich bei 21 Jahren. Die durchschnittlich höchste Trinkmenge betrug von Bier m = 226 g (SD = 118), von Wein m = 260 g (SD = 177) und von Schnaps m = 301 g (SD = 158) reinem Alkohol täglich (nach folgender Umrechung: 1 l Bier entsprach 38,4 g, 1 l Wein/Sekt 88 g und 1 l Schnaps entsprach 264 g reinem Alkohol). Bei 60 % der Patienten lag eine familiäre Belastung für Alkoholabhängigkeit vor.
Tab. 1 Soziodemografische und alkoholbezogene Merkmale der Gesamtstichprobe (n = 60)
Alter | m (SD) | 42,2 (7,5) |
Minimum - Maximum | 28 - 60 |
Geschlecht (%) | männlich | 80 |
weiblich | 20 |
Bildungsabschluss (%) | ohne | 20 |
Facharbeiter | 50 |
Angestellter | 12 |
Beamter/Öffentlicher Dienst | 7 |
Akademiker | 3 |
sonstiges | 8 |
berufliche Situation (%) | Arbeiter/Facharbeiter | 27 |
Hausfrau/Hausmann | 3 |
Angestellter | 12 |
Beamter/Selbstständiger/Akademiker | 5 |
ABM/Umschulung | 3 |
berentet | 3 |
arbeitslos/keine Tätigkeit | 47 |
Partnerschaft (%) | keine feste Beziehung | 67 |
feste Partnerschaft | 33 |
Alter bei Beginn regelmäßigen Alkoholkonsums, m (SD)
| 21,4 (7,1) |
höchste tägliche Alkoholtrinkmengen (g reiner Alkohol), m (SD) - von Bier - von Wein - von Schnaps |
226 (118) 260 (177) 301 (158) |
Familiarität der Abhängigkeit (%)
|
Vater | 36 |
Mutter | 13 |
ein oder mehrere Geschwister | 38 |
ein oder beide Großeltern | 15 |
Geschwister der Eltern | 13 |
Angehörige ohne Alkoholproblem | 40 |
Erhebungsinstrumente, Untersuchungsablauf und Statistik
Als Erhebungsinstrumente wurden die Symptom-Checkliste (SCL-90-R) [11], die Allgemeine Depressionsskala - Kurzform (ADS-K) [12] und der Stressverarbeitungsbogen (SVF-120) [13] eingesetzt. Als generelles Merkmal der Interventionseffekte zwischen der Aufnahme der Behandlung und der Entlassung wurde die „allgemeine psychische Belastung” mit der Symptom-Checkliste erfasst.
Zur Bestimmung der individuellen Tendenz, auf Belastung mit unterschiedlichen Stressverarbeitungsweisen zu reagieren, wurde der Stressverarbeitungsbogen eingesetzt. Das Mittel der Subtests „Flucht” und „Resignation” erfasst hierbei die negativen Stressverarbeitungsstrategien. Das Mittel der Subtests „Positive Selbstinstruktion”, „Reaktionskontrolle”, „Situationskontrolle”, „Entspannung”, „Ersatzbefriedigung” und „Ablenkung” ergibt die Variable der positiven Stressverarbeitung.
Die Einschätzung der Abstinenzquote nach 6 Monaten wurde bei 30 % der Patienten anhand eines persönlichen Interviews in der Klinik (n = 18) und bei 45 % anhand einer telefonischen Befragung (n = 27) ermittelt. Die telefonisch nicht erreichten Patienten wurden angeschrieben, jedoch ohne dass sich dadurch die Ausschöpfungsquote verbesserte. Ein Viertel der Patienten (n = 15) wurde nicht mehr erreicht, sodass insgesamt eine Ausschöpfungsquote von 75 % vorliegt.
Nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DGSS-Kriterien) wurde der Behandlungserfolg auf alle Patienten, alle planmäßig entlassenen, alle erreichten sowie alle erreichten und planmäßig entlassenen Patienten bezogen [14]. Die Zeitpunkte der Erhebung der soziodemografischen und abhängigkeitsrelevanten Merkmale sowie der psychischen Variablen gehen aus Abb. [1] hervor. Zunächst wurden die mittleren Merkmalsausprägungen für zwei abhängige Stichproben, zu Beginn und zum Abschluss der Entwöhnungsbehandlung erfasst, um die Therapieeffekte im Prä-post-Design festzustellen. Nach Prüfung der Normalverteilung (Kolmogorow-Smirnow-Test) wurde der t-Test bei verbundenen Stichproben angewandt.
Um die Nachwirkungen der stationären Alkoholentwöhnungstherapie untersuchen zu können, wurde ein Paneldesign gewählt [15]. Vier Wochen nach Abschluss der Entwöhnungsbehandlung erfolgte die erste Nachuntersuchung. In äquidistanten Abständen von jeweils vier Wochen wurden weitere Nachuntersuchungen durchgeführt. In einem Katamnesezeitraum von 6 Monaten wurde also an acht Messzeitpunkten eine verbundene Stichprobe erfasst, sodass insgesamt eine Evaluation der Entwöhnungsbehandlung möglich wurde (s. Abb. [1]).
Abb. 1 Zeitlicher Ablauf der Untersuchungen.
Aufgrund der Panelmortalität sowie unvollständig beantworteten Fragebögen variierte die Patientenzahl, für welche vollständig und zu jedem Zeitpunkt dasselbe Merkmal erfasst wurde, zwischen 9 ≤ n ≤ 16, in Abhängigkeit vom Untersuchungsmerkmal. Wegen der geringen Stichprobe (n < 30) war die Normalverteilung nicht hinreichend genug zu bestimmen. Daher wurde der verteilungsfreie, nichtparametrische Friedman-Test zum Vergleich von mehr als zwei abhängigen Stichproben angewandt. Die Datenanalyse wurden mit dem Computerprogramm „SPSS®” Version 11.0 durchgeführt.
Ergebnisse
Ergebnisse
Aus Tab. [2] geht das Abstinenz- bzw. Rückfallergebnis nach einem Katamnesezeitraum von 6 Monaten gemäß der DGSS-Kriterien hervor: Von allen 60 (100 %) behandelten Patienten wurden 48 (80 %) planmäßig entlassen. Die Stichprobenmortalitätsrate von 20 % vom Beginn bis zum Abschluss der Therapie geht auf vorzeitige Therapiebeendigung ohne und mit ärztlichem Einverständnis, auf Verlegungen wegen somatischer Komplikationen und auf die Ablehnung der weiteren Teilnahme an der Studie zurück. Bezogen auf die planmäßig entlassenen und später persönlich erschienenen oder telefonisch erreichten Patienten (n = 38) waren 63,2 % (n = 24) abstinent bzw. 36,8 % (n = 14) rückfällig (DGSS 1). Wurden die nicht erreichten planmäßig entlassenen Patienten als rückfällig gewertet, verringerte sich die Abstinenzquote auf 50 % (n = 24) bzw. erhöhte sich die Rückfallquote auf 50 % (n = 24; DGSS 2). Wurde das Abstinenzergebnis bzw. Rückfallergebnis aller erreichter Patienten bewertet, also vorzeitige Therapiebeender und -abbrecher miteinbezogen, blieben 60 % (n = 27) abstinent bzw. wurden 40 % (n = 18) rückfällig (DGSS 3). Wurden die hierbei nicht erreichten Patienten als rückfällig gewertet (DGSS 4), verringerte sich die Abstinenzquote auf 45 % (n = 27) bzw. erhöhte sich die Rückfallquote auf 55 % (n = 33).
Tab. 2 Behandlungserfolg, berechnet nach den DGSS-Kriterien
Katamnese nach 6 Monaten | DGSS 1 erreichte planmäßig Entlassene n = 38 - 100 % | DGSS 2 planmäßig Entlassene n = 48 - 100 % | DGSS 3 erreichte Patienten n = 45 - 100 % | DGSS 4 alle behandelten Patienten n = 60 - 100 % |
Erfolgsquote | n = 24 - 63,2 % | n = 24 - 50,0 % | n = 27 - 60,0 % | n = 27 - 45,0 % |
6 Monate abstinent | n = 23 - 60,6 % | n = 23 - 47,9 % | n = 25 - 55,6 % | n = 25 - 41,7 % |
3 Monate abstinent nach Rückfall | n = 1 - 2,6 % | n = 1 - 2,1 % | n = 2 - 4,4 % | n = 2 - 3,3 % |
Rückfall | n = 14 - 36,8 % | n = 24 50,0 % | n = 18 - 40,0 % | n = 33 - 55,0 % |
Die psychischen Effekte der Entwöhnungstherapie konnten nur bei den zu den Untersuchungszeitpunkten erschienenen Patienten erhoben werden. Die Haltequote hierfür geht aus Abb. [1] hervor. Die mittlere Ausprägung der allgemeinen psychischen Belastung verringerte sich dabei signifikant (t (45) = 4,01; p < 0,001) vom Beginn (m = 59,7, SD = 13,1) bis zum Abschluss der Behandlung (m = 53,4, SD = 15,1). Die Ausprägung der Depressivität (Allgemeine Depressionsskala, ADS-K-Wert) verminderte sich im Verlauf der Therapie signifikant (m = 55,6, SD = 9,8 versus m = 49,7, SD = 13,4; t (37) = 3,19; p < 0,01). Die mittlere Ausprägung der negativen Stressverarbeitung nahm signifikant ab (m = 9,6, SD = 5,1 versus m = 8,3, SD = 5,2; t (43) = 2,19; p < 0,05), wohingegen die positive Stressverarbeitung zwischen der Untersuchung zur Patientenaufnahme und der Messung bei Therapieentlassung signifikant zunahm (m = 14,5, SD = 3,5 versus m = 16,1, SD = 3,3; t (40) = - 3,55; p < 0,001; s. Abb. [2]).
Abb. 2 Arithmetische Mittelwerte psychischer Variablen vor und nach 3-monatiger Entwöhnungsbehandlung. Arithmetische Mittelwerte für die Variablen „allgemeine psychische Belastung”, „Depressivität ”, „negative Stressverarbeitung” sowie „positive Stressverarbeitung” in beliebigen Einheiten zur Aufnahme vor der Alkoholentwöhnungsbehandlung (blau) und bei der Entlassung der therapeutischen Intervention (grau). Die schwarzen Strecken kennzeichnen den Standardfehler der arithmetischen Mittelwerte für die hier untersuchten Variablen. Weiterhin sind die Irrtumswahrscheinlichkeiten p angegeben (* signifikant, ** sehr signifikant, *** höchst signifikant).
Im Katamnesezeitraum blieben die Merkmale „allgemeine psychische Belastung”, „Depressivität” und „positive Stressverarbeitung” stabil. Die Ausprägung der Variable „negative Stressverarbeitung” änderte sich in Richtung Abnahme zwischen den Nachuntersuchungen signifikant (χ2 (6) = 16,3; p < 0,05).
Diskussion
Diskussion
Mit dem Abschluss des Evaluationszeitraumes haben wir die feste Aufteilung in 8 Wochen stationär und 4 Wochen teilstationär individualisiert. Patienten mit kurzen Heimwegen, ohne beeinträchtigende Begleit- und Folgeerkrankungen und mit einem stützenden Wohnumfeld bekamen die Möglichkeit zu längeren tagesklinischen Behandlungsphasen. Patienten, die in eine betreute Wohnform oder in adaptive Behandlungen wechselten, empfahlen wir eine stationäre Behandlung ohne tagesklinische Ausleitung. Die kombinierte stationär-tagesklinische Rehabilitation erhielten wir jedoch als Standard bei, weil sie den Vorteil des Schutzraumes und der Zeit intensiven interaktionellen Lernens einerseits und die schrittweise Umsetzung und die Erfahrung der suchtunabhängigen Kontrolle über die Lebensführung anderseits verbindet. Eine weitere Flexibilisierung der Dauer der stationären sowie der tagesklinischen Phase auf je 4 bis 8 Wochen, also mit einer Gesamttherapiedauer zwischen 8 bis 16 Wochen, könnte die Therapiebedürftigkeit und Lerngeschwindigkeit der unterschiedlichen Patienten besser berücksichtigen. Wegen der gegenwärtigen Knappheit der Mittel und des Kostendrucks aller Träger sind jedoch oft nur Kosten senkende und Kosten verschiebende Innovationen verhandelbar, ohne dass der soziale und volkswirtschaftliche Nutzen ausreichend gewürdigt wird.
In der Forschung besteht Konsens über die prognostische Relevanz sozialer Stabilität bei Alkoholkranken [16]. Die hier untersuchte Patientengruppe hatte zu 20 % keinen Bildungsabschluss, 47 % waren ohne Arbeit und 67 % lebten ohne festen Partner. Im Vergleich zur Katamnese stationärer Entwöhnungspatienten des Jahrgangs 2001 von Kliniken des Fachverbandes Sucht sind in unserer Stichprobe deutlich mehr Patienten ohne Bildungsabschluss, ohne Arbeit und leben ohne festen Partner [2]. Auch die alkoholbezogenen Parameter zeigen die Schwere der Abhängigkeit der Patienten: 36 % berichten von einem alkoholkranken Vater und 60 % haben eine positive Familienanamnese. Es wurden höchste tägliche Trinkmengen zwischen 226 g reinem Alkohol als Bier bzw. 301 g als Schnaps angegeben. Auch in Bezug auf soziale Variablen scheint diese Stichprobe im Vergleich zu den ambulant behandelten Patienten stärker beeinträchtigt zu sein [4]. Die Abstinenzquote der planmäßig entlassenen und erreichten Patienten (DGSS 1) betrug 63 %. Ein ähnliches Ergebnis wurde für ambulante Patienten nach 6 Monaten berichtet [4]. Für die planmäßig entlassenen Patienten unter Einstufung der nicht erreichten Patienten als rückfällig ergibt sich eine Abstinenzquote von 50 %. Diese Abstinenzrate liegt in der Größenordnung, die einer Metaanalyse für das Kriterium DGSS 2, allerdings berechnet über mehrere Messzeitpunkte, beschrieben wurde [16]. Die Erfolgsquote für das DGSS-Kriterium 4 von 45 %, die pessimistischste Schätzung, liegt möglicherweise im Vergleich relativ gut, weil 75 % der Ausgangsstichprobe erreicht wurden [2]
[16]. Bei einzelnen nur telefonisch kontaktierten Patienten bestanden partielle Glaubwürdigkeitszweifel, auch weil keine Bereitschaft für ein persönliches Interview und/oder einer Blutentnahme in der Klinik bestand. Dennoch kann dieses Ergebnis insbesondere im Vergleich zum Verlauf der Alkoholkrankheit nach dem stationären Entzug ohne weiterführende Entwöhnungstherapie für eine großstädtische Bevölkerung als positiv gewertet werden [17]. Kurzfristige Effekte der stationären Akutbehandlung zeigen, dass Patienten, die eine Entwöhnungsbehandlung beantragt haben, eine deutlich verbesserte Abstinenzprognose haben [18]. Dies ist ein Hinweis auf das Problem einer selektierten Stichprobe, die möglicherweise trotz oder wegen starker Beeinträchtigungen auch eine hohe Veränderungsmotivation hat.
Im Rahmen der Prä-post-Untersuchung zeigten sich günstige signifikante Interventionseffekte für die Variablen „allgemeine psychische Belastung” und „Depressivität”. Die Messwerte für beide Variablen lagen zu Beginn der Therapie im oberen Normbereich und näherten sich zum Ende der Behandlung fast dem Mittelwert der Eichstichprobe, welche für die deutsche Bevölkerung repräsentativ ist. Dies ist vor dem Hintergrund, dass eine hohe Zahl kritischer Lebensereignisse wie Trennungen, schwere Unfälle, schwere Krankheit und Gewalterfahrungen verschiedenster Art zu bewältigen waren, beachtlich. Die Bearbeitung der Suchtentwicklung und Biografie in der Bezugsgruppe könnte sich hierbei positiv ausgewirkt haben. Die Depressivität des Alkoholkranken ist oft durch Dysphorie (im Entzug) und durch Anhedonie (während der Abstinenz) charakterisiert [19]. Die Besserung dieser Gemütsstörungen ist für die weitere Lebensqualität wesentlich, gegebenenfalls nicht nur Rückfallprophylaxe, sondern auch Suizidprophylaxe.
Bei der unmittelbaren Wirkung der Therapie auf die Stressverarbeitungsstrategien werden die Merkmale der positiven und negativen Stressverarbeitung unterschieden. Die Häufigkeiten positiver Strategien wie Entspannung, Situations- und Reaktionskontrolle oder positive Selbstinstruktion vermehrten sich signifikant. Diese Fertigkeiten wurden in den indikativen Gruppen wie Entspannungstherapie, Rückfallprophylaxetraining und soziales Kompetenztraining vermittelt. Gleichzeitig nahmen die negativen Stressbewältigungsmodi wie Flucht oder Resignation signifikant ab, sodass die unmittelbaren Wirkungen dieser therapeutischen Arbeit in günstigen Veränderungen von Stressreaktionen bestehen.
Die günstigen Nachwirkungen der Therapie im Verlauf von 6 Monaten sind dadurch limitiert, dass es durch Verringerung des Stichprobenumfanges zum Ausschluss prognostisch ungünstiger Fälle kommt [20]. Für die verbliebenen Patienten konnte die Paneluntersuchung zeigen, dass die Besserung der psychischen Variablen nicht nur ein vorübergehender Effekt bei Beendigung der Therapie ist. Die 4-wöchentlichen Nachuntersuchungen belegen die Stabilität dieser Befunde und zeigen darüber hinaus einen weiteren Rückgang der negativen Stressbewältigungsstrategien wie Flucht oder Resignation. Akuter Stress gilt als ein Risikofaktor für Alkoholrückfälle, sodass die Erarbeitung von Bewältigungsstrategien für den weiteren Verlauf relevant ist [21].
Aufgrund einer fehlenden Kontrollgruppe können Schlussfolgerungen nur vorsichtig gegeben werden: Die abgestuft stationär-tagesklinische Behandlung ist auch für Alkoholabhängige einer großstädtischen Region mit hohen Trinkmengen, erheblicher familiärer Belastung und sozialer Vereinsamung wirksam. Um künftig bessere Ergebnisse erzielen zu können, wird es erforderlich sein, zunächst den Zugang zur stationären Entwöhnungstherapie nach qualifizierter Entzugsbehandlung nahtlos und niedrig schwellig zu ermöglichen. Die Überleitung in eine adäquate Weiterbehandlung gilt als Qualitätsmerkmal der Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen [22]. Dies wird durch Kooperation zwischen Akutbehandlung und Entwöhnungstherapie erreicht: Die Informationsgruppen auf den Akutstationen, die Vorgruppen in der Entwöhnungseinrichtung und die Kooperation mit den Kostenträgern sind ein Versuch, die Schnittstellenprobleme zu minimieren. Insgesamt wird nach unserer Erfahrung die Zugangsschwelle zu rehabilitativen Maßnahmen durch eine in der Region verankerte stationär-tagesklinische Behandlung gesenkt. Künftig werden wir die ambulante Fortsetzung der Therapie stärken müssen, um die Ergebnisse zu verbessern. In den letzten Therapiewochen werden den Patienten maßgeschneiderte Weiterbehandlungsmöglichkeiten angeboten, von deren Nutzung der langfristige Erfolg oft abhängt. Einerseits stellen die Anbieter der Nachsorge sich in der Klinik vor, anderseits gehen die Patienten in die Suchtberatungsstellen, Selbsthilfegruppen etc., um Kontakte zu knüpfen oder wieder aufzunehmen. Auch die Klinik bietet eine ambulante Nachsorge mit personeller Kontinuität an. Die Evaluation dieser ambulanten wohnortnahen diversifizierten Nachsorge für Suchtpatienten wie betreute Wohnformen, Adaptationsbehandlungen, Tagesstätten, Einzellfallhilfen, Krisendienst, sozialpsychiatrischer Dienst und nicht zuletzt der niedergelassenen Ärzte stellen eine wichtige Zukunftsaufgabe dar.[1]