Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(2): 59
DOI: 10.1055/s-2006-933607
Blickpunkt
Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview - Welche Risiken entstehen durch die neuen Opioidpflaster ohne Beschriftung?

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Publication Date:
01 March 2006 (online)

 
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    Bei Patienten mit starken chronischen Schmerzen, zum Beispiel Tumorschmerzen und nozizeptiven Schmerzen wie durch degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates, gehört die transdermale Applikation von Opioiden inzwischen zum therapeutischen Alltag. Das Fentanylpflaster Durogesic® SMAT setzt den Wirkstoff kontinuierlich über 72 Stunden frei. Zur bedarfsgerechten Dosierung gibt es das Pflaster in fünf verschiedenen Dosierungen, die auf dem Pflaster vermerkt sind. Seit Ende 2005 sind weitere Fentanylpflaster auf dem Markt, die - gegenüber dem Referenzprodukt - jedoch unbedruckt sind und somit keinerlei Hinweise auf die Art des Pflasters schließen lassen. Wir befragten Herrn Dr. med. Michael Zimmermann, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Klinikum der J.W.-Goethe Universität in Frankfurt a.M., zu dieser Problematik.

    Herr Dr. Zimmermann, in Deutschland ist der medizinische Bereich durch Vorschriften sehr gut geregelt. Wie kann es passieren, dass Opioidpflaster ohne Beschriftung auf den Markt kommen können?

    Dr. Zimmermann: Die Verordnung von Opiaten ist in Deutschland sehr genau durch das Betäubungsmittelgesetz geregelt. Jeder Arzt der Opiate verschreibt, muss dort Betäubungsmittelrezepte anfordern, die zentral erfasst werden. Das Arzneimittelgesetz regelt in § 10 die Kennzeichnung von Fertigarzneimitteln (Verpackung), nicht jedoch die der Präparate selbst.

    Warum ist die Situation gerade bei Pflastern so bedenklich?

    Dr. Zimmermann: Fentanyl ist eines der stärksten in der Medizin eingesetzten Opioide. Es gibt derzeit Pflaster, die den Wirkstoff in einem Reservoir oder in einer Matrix enthalten. Bei den Pflastern mit Matrix kommen zwei unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen vor. Dies führt zu Unterschieden in der Pflastergröße, die verwechselt werden können. Wenn ein Pflaster versehentlich mit erhöhter Fentanylkonzentration appliziert wurde, ist die Wirkung aufgrund der trägen Pharmakokinetik auch nach Entfernen des Pflasters noch längere Zeit vorhanden.

    Worin besteht denn die Gefahr, wenn Pflaster nicht beschriftet sind?

    Dr. Zimmermann: Die Gefahr einer Verwechselung von Fentanylpflastern besteht insbesondere im Bereich von Krankenhäusern und Pflegeheimen. Hier können leicht Pflasterstärken verschiedener Hersteller vertauscht werden. Bei annähernd gleicher Größe kann die Freisetzung von Fentanyl beispielsweise statt 50 µg/h - 75 µg/h betragen oder statt 75 µg/h - 100 µg/h, wenn Pflaster verschiedener Hersteller ohne Kennzeichnung verwechselt werden. Hierdurch können Nebenwirkungen einer Opiattherapie wie zum Beispiel die gefürchtete Atemdepression auftreten. In Notfallambulanzen oder in Notfallsituationen können Ärzte, Pfleger oder Rettungsassistenten nicht erkennen womit die Patienten eingestellt sind.

    Wer haftet eigentlich, wenn etwas passiert, was durch eine Kennzeichnung vermieden werden könnte?

    Dr. Zimmermann: Nach dem Behandlungsvertrag besteht für den verordnenden Arzt eine besondere Sorgfaltspflicht, wonach es sich verbietet, den Patienten vermeidbaren Risiken einer Therapie auszusetzen.

    Wie könnte man der Problematik Abhilfe schaffen - was fordern Sie?

    Dr. Zimmermann: Eine eindeutige Kennzeichnung der Pflaster würde die Verwechslungsgefahr deutlich reduzieren. Daher ist die Angabe der Inhaltsstoffe und der Wirkstärke, sowie der Namen des Präparates auf dem Pflaster zu fordern.

    Herr Dr. Zimmermann, wir bedanken uns für dieses Gespräch!