Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(3): 118
DOI: 10.1055/s-2006-939478
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TIA/Schlaganfall - Patienten in Stroke Units haben hohes Rezidivrisiko

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Publication Date:
03 April 2006 (online)

 
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Weil dank des medizinischen Fortschritts die Menschen immer älter werden, entwickelt sich demnächst der Apoplex weltweit zur führenden Todesursache, prophezeite Prof. H.-C. Diener, Essen. Die Situation ist dadurch charakterisiert, dass 15% der transitorischen ischämischen Attacken (TIA) innerhalb eines Jahres rezidivieren und 6% der Patienten, die mit einem Schlaganfall in eine Stroke Unit kommen, innerhalb von sieben Tagen einen zweiten Apoplex erleiden. Zudem besagt der Essen Stroke Risk Score (ESRS), dass 69% der Patienten, die in Stroke Units aufgenommen werden, ein hohes Rezidivrisiko haben. Folglich ist es unabdingbar, nach einem Apoplex sofort sekundärpräventiv zu intervenieren.

Für welchen Patienten sich welche Sekundärprävention eignet, lässt sich anhand von Scores einfach ermitteln. Als Beispiel nannte Diener den vom ihm entwickelten ESRS, der neun Risikofaktoren erfasst, nämlich Alter über 65 beziehungsweise 75 Jahre, Hypertonie, Diabetes mellitus, früherer Myokardinfarkt, andere kardiovaskuläre Erkrankungen, PAVK, Rauchen und frühere TIA/Schlaganfall.

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Hohes Risiko erfordert intensive Sekundärprävention

Erreicht der Patient auf dem ESRS, der auf dem Datensatz von 19185 Patienten basiert, nicht mehr als zwei Punkte, hat er mit weniger als 4% pro Jahr ein niedriges Apoplexrisiko. Hier genügt die ASS-Monotherapie. Liegt das Risiko über 4% oder weit höher, ist die Kombination aus 200 mg retardiertem Dipyridamol plus 25 mg ASS (Aggrenox®) oder die Gabe von 75 mg Clopidogrel (z. B. Plavix®) indiziert. Je höher das Apoplexrisiko, desto wirksamer ist Clopidogrel im Vergleich zur ASS-Monotherapie, bekräftigte Diener.

Hochrisikopatienten sind auch mit der von 85 deutschen Stroke Units mit insgesamt 852 Patienten in die Wege geleiteten SCALA-Studie (Systemic Risk Score Evaluation in Ischemic Stroke Patients) zu identifizieren. Von diesen Patienten hatten 82,9% einen Apoplex und 18,4% eine TIA erlitten. Der Schlaganfall war vielfach nur leicht ausgeprägt, doch fanden sich zahlreiche Begleitleiden, die das Risiko für weitere zerebrale Ereignisse steigern, und zwar Hypertonie (71%), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (41%), Diabetes (26%) und symptomatische PAVK (10%).

Da die PAVK als Indikator einer generalisierten Atherosklerose fungiert, wurde in der von Diener geleiteten SCALA-Studie auch der Ankle-Brachial-Index (ABI) bestimmt. Ist in den Knöchelarterien der Blutdruck niedriger als in den Armarterien, signalisiert der ABI von 0,9 und darunter eine PAVK und damit eine Atherosklerose des gesamten Gefäßsystems. Mittels ABI wurde bei 51% der Patienten eine meist symptomlose PAVK aufgespürt, die aber ihrerseits ein hohes Risiko für einen späteren Schlaganfall oder Myokardinfarkt darstellt. Wenn die SCALA-Resultate demnächst vorliegen werden, kann man feststellen, ob ESRS und ABI-Wert bei der Prognose eines Apoplexrezidivs gleichwertig sind.

Karl B. Filip, Landsberg

Quelle: Pressegespräch "SCALA - Ergebnisse einer epidemiologischen Erhebung in deutschen Stroke Units", Regensburg, Januar 2006. Veranstalter: sanofi-aventis-Gruppe.