Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(3): 120
DOI: 10.1055/s-2006-939481
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Verschüttungs- und Bergungstod - Typische Verletzungen sind das Compartment- und Crush-Syndrom

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Publication Date:
03 April 2006 (online)

 
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Erdbeben, Terrorangriffe, Gasexplosionen, Lawinen oder statische Überbelastung sind die häufigsten Ursachen für den Einsturz von Gebäuden. Dabei kann es zur Verschüttung von Menschen kommen, wie das Unglück in Bad Reichenhall zeigt. 50% derjenigen, die durch eine Verschüttung unter Trümmern zu Tode kommen, sterben innerhalb der ersten 15 Minuten und zirka 75% innerhalb der ersten 45 Minuten. Sie erliegen ihren schweren mechanischen Verletzungen, einem Blutungsschock oder sie ersticken.

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Pathophysiologie ist seit dem 2. Weltkrieg bekannt

Typische Verletzungen bei Verschüttung sind das so genannte Compartment- und Crush-Syndrom. Dies sind Quetschungen der Muskulatur mit der Folge, dass diese abstirbt. In der Folgezeit gelangen Eiweißstoffe, saure Stoffwechselprodukte und Kalium in den Blutkreislauf und vergiften die Nieren. Es kommt zum Nierenversagen, das unbehandelt zum Tode führt. Diese medizinischen Zusammenhänge sind seit der Bombardierung Londons im 2. Weltkrieg bekannt, als auffiel, dass aus den Trümmern Gerettete ohne schwere äußerlich erkennbare Verletzungen starben. 1941 entdeckten die Forscher Bywater und Beal die pathophysiologischen Zusammenhänge und prägten den Begriff "Crushsyndrom" dafür.

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Ziel der Rettungsmaßnahmen: Bergungstod vermeiden

Für die Verschütteten bedeuten die Rettungsmaßnahmen ein Wettrennen mit der Zeit, das über ihr Überleben entscheidet. Für die Rettungsmaßnahmen gilt es, den so genannten Bergungstod zu vermeiden. Darunter versteht man, dass nach mehreren Stunden oder Tagen aus den Trümmern Gerettete innerhalb der nächsten Minuten sterben, praktisch in den Armen der Retter. Dies erklärt sich so: Nach dem Wegräumen von auf den Verschütteten lastenden Trümmern, werden die gequetschten Arme und Beine und ihre Muskulatur wieder besser durchblutet. Das führt dazu, dass die verletzten Strukturen wieder zu bluten anfangen; es kommt auch zum Einstrom giftiger Stoffe in die Organsysteme, mit der Folge einer Vertiefung des Schocks. Außerdem versagt die so genannte noradrenerge Stressreaktion. Während der Verschüttung befinden sich nicht bewusstlose Verletzte in einer extremen Stresssituation. Diese bewirken die freigesetzten Stresshormone Adrenalin und Cortison aus der Nebenniere. Sie halten den Kreislaufs der zentralen lebenswichtigen Organe wie Hirn, Herz, Lunge, Leber und Nieren aufrecht. Nach der Rettung sistiert dieser überlebensnotwendige Stressmechanismus. Endlich in "Sicherheit" bricht der nicht mehr von Stresshormonen aufrechtgehaltene zentrale Blutkreislauf zusammen, der Gerettete stirbt in den Armen der Retter oder Angehöriger

Quelle: Deutsche Gesellschaft für KatastrophenMedizin e.V.