Der Klinikarzt 2006; 35(5): XII-XIII
DOI: 10.1055/s-2006-941663
Blickpunkt

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MRSA-Infektionen - Schnittstelle chirurgischer Disziplinen

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. Mai 2006 (online)

 
Inhaltsübersicht

Aktuelle Therapiekonzepte bei komplizierten chirurgischen Infektionen waren das Thema eines Symposiums auf dem 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Unter dem Vorsitz von Prof. P. Kujath, Lübeck, und Prof. W. Knoefel, Düsseldorf, repräsentierte das Symposium die chirurgischen Fachgesellschaften, die seit der letzten Jahrestagung für eine Stärkung der DGCH gesorgt haben. Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC) als auch die Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) gehören jetzt bzw. wieder 'zum Team'. Nicht zuletzt daraus ergab sich für diese Veranstaltung eine "thematisch hochinteressante Kombination", wie Kujath betonte.

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Gefürchtete Komplikation in der Chirurgie

Bei allen Infektionen ist die Beteiligung methicillinresistenter Staphylococcus aureus (MRSA) eine gefürchtete Komplikation. Im Zeitraum von 1990 bis 2004 ist die MRSA-Prävalenz in Deutschland von 1,4 auf 22,6% angestiegen ([2], [3]). Bei postoperativen Wundinfektionen mit MRSA-Beteiligung beträgt die Mortalität rund 20% ([1]).

Im Rahmen der Thoraxchirurgie ist es vor allem die Zunahme nosokomialer Pneumonien mit MRSA-Beteiligung, die besondere Brisanz besitzt, betonte PD M. Peiper. Auch in dieser Situation stellt der Nachweis methicillinresistenter Staphylococcus aureus besondere Anforderungen an hygienische und therapeutische Maßnahmen. Bei der Antibiose, so Peiper, sei Linezolid (Zyvoxid®) dem Vancomycin in diesen Fällen überlegen, wie unterschiedlichste Studien demonstrieren.

Besondere Maßnahmen erfordern auch nekrotisierende Weichgewebeinfektionen wie das nekrotisierende Erysipel, die nekrotisierende Fasziitis, die Fournier-Gangrän, die clostridiale Myonekrose (Gasbrand), die Streptokokkenmyositis sowie nekrotisierende Mischinfektionen, erläuterte Dr. C. Eckmann, Lübeck. An erster Stelle stehe hierbei ein standardisiertes und radikales chirurgisches Vorgehen. Dabei entscheiden der Zeitpunkt und das Ausmaß der operativen Erstversorgung maßgeblich über die Prognose des Patienten, betonte Eckmann.

Immer wieder und in zunehmendem Maße ergeben sich Komplikationen durch multiresistente Erreger wie methicillinresistente Staphylokokken, vancomycinresistente Enterokokken oder Erregern, die Betalaktamasen mit erweitertem Wirkungsspektrum ("extended spectrum betalactamase", ESBL) bilden. Hier sieht Eckmann angesichts der hohen Letalitätsrate, die derartige Infektionsverläufe mit sich bringen, den Einsatz neuer, hochwirksamer Antibiotika als unerlässlich an.

Individuelle Lösungen erfordern periprothetische Infektionen in der Gefäßchirurgie, verdeutlichte Prof. W. Schareck, Rostock. Als wesentliche Risikofaktoren nannte der Referent Diabetes mellitus, Zustand nach Radiato, Reoperationen, Darmverletzung, gleichzeitiger Koloneingriff, ischämische Kolitis, Sigmadivertikulitis,Niereninsuffizienz, Harnwegsinfekt, Ileum conduit. Auch nach Jahren kann es im Rahmen einer Spätinfektion bei Implantatempfängern zu schweren Komplikationen kommen. Frühinfektionen zeigen sich bereits innerhalb von 30 Tagen mit klinische Symptomen und erfordern angemessene chirurgische und medikamentöse Maßnahmen.

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Hoher Stellenwert der operativen Infektiologie

Mit ihren Präsentationen haben die Referenten den hohen Stellenwert der operativen Infektiologie eindrucksvoll belegt, resümierte Kujath: So ermöglicht die Operation eines Pleuraempyems die Sanierung des Infektionsherdes, und die Lungenfunktion wird wieder hergestellt. Bei den nekrotisierenden Haut- und Weichgewebsinfektionen ist der operative Eingriff oft die lebensrettende Maßnahme. Der Standard der rekonstruktiven Chirurgie ermöglicht auch nach größeren Eingriffen an Stamm und Extremitäten eine passable funktionelle und kosmetische Wiederherstellung.

Auf dem Gebiet der periprothetischen Infektionen nach Gefäßeingriffen muss der Operateur aus einer Vielzahl von operativen Möglichkeiten die richtige, angemessene Strategie wählen. Hier sind zum Beispiel die Explantation der Prothese, die Konstruktion von temporären Umgehungen zum Erhalt der Prothese oder der Ersatz durch autologes Venenmaterial nur einige der möglichen Handlungsoptionen. Neben den anatomischen Rekonstruktionen finden auch extraanatomische Verfahren Anwendung.

Die richtige Wahl des Operationsverfahrens und deren Durchführung sind grundsätzlich von höchstem Schwierigkeitsgrad. Dennoch ist die frühe und definitive Herdsanierung maßgeblich für das Therapieergebnis. Sie wird unterstützt durch die antibiotische Behandlung mit hochwirksamen Substanzen, insbesondere bei Infektionen durch multiresistente Erreger. Diese Kombination ermöglicht zufrieden stellende klinische Ergebnisse bei einer möglichst kurzen Dauer des stationären Aufenthalts.

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MRSA-Spezialist bei Haut- und Weichgewebeinfektionen

Wenn sich eine Haut- und Weichgewebeinfektion in tieferes Gewebe ausgebreitet hat, wenn eine chirurgische Intervention notwendig ist oder wenn Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder eine HIV-Infektion vorliegen, gilt die Infektion als "kompliziert". Während oberflächliche Infektionen im Allgemeinen ambulant mit oralen Antibiotika behandelt werden, erfordern komplizierte Verläufe eine intravenöse Antibiose im Krankenhaus. In der Reihe der zahlreichen Pathogene, die für eine Haut-Weichgewebeinfektion verantwortlich sein können, nimmt Staphylococcus aureus mit etwa 40% Platz eins ein.

Eine MRSA-Beteiligung macht die Sache schwieriger

Eine Tatsache kommt noch komplizierend hinzu: Auch hier zu Lande sind - mit steigender Tendenz - methicillinresistente Stämme von Staphylococcus aureus (MRSA) an den Infektionen beteiligt. Bekannte Risikofaktoren für eine solche MRSA-Infektion sind längere Aufenthalte in Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen, vorausgegangene Antibiotikatherapie, Diabetes mellitus, eine Kolonisation durch methicillinresistente Staphylokokken sowie chronische Wunden. Zur Prävention solcher Infektionen ist die strikte und konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen unerlässlich. Darüber hinaus erlangt ein frühzeitiges Screening von Patienten zunehmend an Bedeutung.

Therapeutische Alternativen im Vergleich

Therapeutisch bieten sich für MRSA-Infektionen nur wenige Alternativen - so zum Beispiel das Oxazolidinon Linezolid oder das Vancomycin, ein Glykopetid-Antibiotikum. Wie sich diese beiden Substanzen bei der Behandlung komplizierter Haut- und Weichgewebeinfektionen unterscheiden, untersuchten Weigelt et al. in ihrer im Juni 2005 publizierten randomisierten Studie ([8]).

Bezüglich des Therapieerfolgs waren beide Antibiotika gleichwertig. Ein deutlicher Unterschied zeigte sich jedoch, wenn es um Infektionen mit MRSA-Beteiligung ging: Hier war das Linezolid dem Vancomycin mit Heilungsraten von 88,6 versus 66,9% deutlich überlegen (p < 0,001). Zudem erholten sich die Patienten in der Linezolidgruppe rascher, und sie konnten die Intensivstation bzw. das Krankenhaus früher verlassen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund knapper Kassen kein unwesentliches Argument.

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Infektionsmanagement bei MRSA

Wie bei allen bakteriellen Infektionen erfolgt das Infektionsmanagement auch bei resistenten Erregern wie MRSA mit einer adäquaten Antibiose, nur die Auswahl an Wirkstoffen ist hier naturgemäß eingeschränkt. Dazu kommt, dass häufig neben der umfassenden Resistenz gegen Betalaktame auch eine Resistenz gegen andere Wirkstoffe wie Chinolone, Makrolide und Lincosamide (Clindamycin) vorliegt. Lange standen in dieser Situation nur noch die Glykopeptide (Vancomycin und Teicoplanin) oder Substanzen wie Fusidinsäure, Fosfomycin und Rifampicin in Kombinationstherapieschemata als therapeutische Option zur Verfügung.

Derzeit kann in der Regel noch von der Wirksamkeit von Vancomycin auf MRSA ausgegangen werden. Wirksamer bei Infektionen mit MRSA ist jedoch das Linezolid aus der Substanzgruppe der Oxazolidinone (Abb. [1]; [5]-[7]), worauf auch die Paul Ehrlich Gesellschaft in ihren aktuellen Empfehlungen hinweist ([4]). Diese Substanz hemmt die Proteinbiosynthese an einer anderen Stelle als Antibiotika, sodass keine Kreuzresistenzen mit anderen bisher gebräuchlichen antimikrobiellen Substanzen zu erwarten sind.

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Besser als die Therapie von MRSA-Infektionen ist natürlich ihre Vermeidung. Hierfür reichen im Prinzip schon einfache Verhaltensregeln im Umgang mit MRSA-Patienten aus. So sollten kolonisierte (Risiko-)Patienten idealerweise bereits vor ihrer stationären Aufnahme und/oder vor risikobehafteten medizinischen Maßnahmen identifiziert und saniert werden. Ein routinemäßiges Screening aller stationären Patienten und des Klinikpersonals allerdings wird nicht empfohlen.

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Informationsfluss gewährleisten

Um eine weitere Verbreitung und/oder die Einschleppung von MRSA in Kliniken zu verhindern, ist neben dem Patientenscreening ein ausreichender Informationsfluss zu gewährleisten. Es genügt nicht, MRSA erst und nur in den Gemäuern einer Klinik zu entdecken und zu bekämpfen. Um eine unkontrollierte Ausbreitung auch im ambulanten Bereich so gering wie möglich zu halten, ist eine enge Zusammenarbeit aller die betroffenen Personen direkt oder indirekt betreuenden Akteure nötig.

Nur mit diesen gemeinsamen und übergreifenden Anstrengungen wird es möglich sein, methicillinresistente Staphylokokken und auch andere multiresistente Nosokomialkeime unter Kontrolle zu halten.

Gabriele Henning-Wrobel, Erwitte

Quelle: Satellitensymposium "Aktuelle Therapiekonzepte bei komplizierten chirurgischen Infektionen" im Rahmen des 123. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 2006, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe

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Literatur

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Literatur

 
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