Rofo 2006; 178(6): 648-650
DOI: 10.1055/s-2006-941692
Mitteilungen der DRG
Radiologie und Recht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Referentenentwurf - Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄG

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Rechtsanwälte WIGGE & KLEINKE

Rechtsanwalt Dr. Peter Wigge

Münster

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. Juni 2006 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die Bundesregierung hat beschlossen, vor der beabsichtigten "Großen Gesundheitsreform" einige Rechtsänderungen im Vertragsarztrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorzunehmen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat dazu am 12. April 2006 einen Referentenentwurf vorgelegt. Die Verbände hatten Gelegenheit, bis zum 5. Mai 2006 eine Stellungnahme dazu abzugeben. Nach den Anhörungen im Ministerium soll der Gesetzentwurf im Mai im Bundeskabinett beraten werden. Die Bundesregierung strebt an, diesen Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause des Bundestages über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Voraussichtlich ist jedoch mit einer Verabschiedung des VÄG im Bundestag erst im Herbst diesen Jahres zu rechnen.

Die Schwerpunkte des Referentenentwurfes sind:

  • Die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages und des Deutschen Zahnärztetages - jeweils noch aus dem Jahr 2004 - sollen in das Vertrags- (zahnarzt-) arztrecht transformiert werden, um die ärztliche/zahnärztliche Berufsausübung effizienter und damit wettbewerbsfähiger zu gestalten.

  • Mit verschiedenen Maßnahmen zur vertragsärztlichen Flexibilisierung sollen Versorgungsprobleme in den neuen Ländern gelöst werden.

  • Es sind Klarstellungen zu den Voraussetzungen für die Gründung Medizinischer Versorgungszentren (MVZs) vorgesehen.

  • Die Beteiligung der Patientenvertreter in den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung - insbesondere im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) - soll rechtlich besser verankert werden.

  • Die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zur Reform des vertragsärztlichen Vergütungssystems und die Einführung der direkten Morbiditätsorientierung imRisikostrukturausgleich (RSA) werden um zwei Jahre verschoben.

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1. Vertragsarztrechtliche Regelungen zur Liberalisierung der ärztlichen Berufsausübung

Die neue (Muster-)Berufsordnung Ärzte (MBO-Ä) erfüllt derzeit die ihr zugedachte Funktion, durch Empfehlung an die Ärztekammern als Normgeber der Berufsordnungen eine Simultannormgebung auf dem Gebiet des allgemeinen Berufsrechts zu gewährleisten, nicht in ausreichendem Maße; in zahlreichen Ärztekammern besteht noch Uneinigkeit, insbesondere über die Umsetzung des neuen § 19 Abs. 2 MBO-Ä, der die Anstellung fachgebietsfremder Ärzte vorsieht. Deshalb soll es nach Ansicht des Gesetzgebers zur Transformation von Regelungen der MBO-Ä ins Vertragsarztrecht nicht zweckmäßig sein, wie bisher in Form einer dynamischen Verweisung auf "landesrechtliche Vorschriften über die ärztliche Berufsausübung" zu verweisen (vgl. § 33 Abs. 2 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zur Gemeinschaftspraxis und ähnlich § 15a Abs. 2 der Bundesmantelverträge für die vertragsärztliche Versorgung zur ausgelagerten Praxisstätte). Die entsprechenden Tatbestände sollen daher zwar grundsätzlich inhaltlich gleichlautend, aber eigenständig ausformuliert werden. Darüber hinaus will der Gesetzgeber zur Herstellung effizienter und auch medizinisch sinnvoller Versorgungsstrukturen in einigen Bereichen, im Vertragsarztrecht über die im ärztlichen Berufsrecht erfolgte Liberalisierung hinausgehen. So soll z.B. die Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes an mehr als zwei weiteren Orten, die Anstellung fachgebietsfremder Ärzte ohne Verknüpfung mit einem nur gemeinsam durchzuführenden Behandlungsauftrag, die Möglichkeit, Berufsausübungsgemeinschaften nicht nur mit anderen ärztlichen, sondern auch anderen heilkundlichen Leistungserbringern einzugehen, zugelassen werden

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Der Gesetzentwurf sieht folgende organisationsrechtliche Erleichterungen der Leistungserbringung durch Vertragsärzte und Vertragsärztinnen vor:

  • Die Möglichkeiten der Vertragsärzte, Ärzte anzustellen, werden erweitert. Derzeit können Vertragsärzte nach § 32b Abs. 1 Ärzte-ZV einen ganztags beschäftigten Arzt oder zwei halbtags beschäftigte Ärzte desselben Fachgebiets anstellen, wobei die Vertragsärzte sich gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung verpflichten müssen, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet. Künftig sollen Vertragsärzte ohne Begrenzung Ärzte auch mit anderen Facharztbezeichnungen sowie mit individueller Arbeitszeitgestaltung anstellen können, sofern Zulassungsbeschränkungen nicht entgegenstehen. Die angestellten Ärzte werden Mitglieder ihrer Kassenärztlichen Vereinigungen.

  • Vertragsärzte sollen künftig gleichzeitig auch als angestellter Arzt in einem Krankenhaus arbeiten können. Eine gleichzeitige Tätigkeit im Krankenhaus bewirkt keine Ungeeignetheit mehr für die vertragsärztliche Tätigkeit in Sinne von § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV. Die Änderung ermöglicht zunächst, dass ein Vertragsarzt über die bereits von der Rechtsprechung anerkannten Fälle der nicht patientenbezogenen Tätigkeit hinaus (BSGE 81, 143 m.w.N. - Arzt für Pathologie) in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen worden ist, tätig sein kann oder mit einer solchen Einrichtung kooperieren kann, ohne dass damit seine Eignung als Vertragsarzt in Frage gestellt ist. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen der Arzt als angestellter Arzt der Organisationshoheit des Krankenhauses unterworfen ist (so in BSGE 81, 143; vgl. oben), als auch für die Fälle, in denen der Arzt in anderer Form mit dem Krankenhaus oder der Rehabilitationseinrichtung kooperiert (z.B. als Konsiliararzt, der vom Krankenhaus zur Beratung oder Mitbehandlung herangezogen wird). Mit der Änderung wird weiter klargestellt, dass ein Arzt als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sein kann.

  • Vertragsärzte sollen außerhalb ihres Vertragsarztsitzes gemäß § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV an weiteren Orten (auch außerhalb ihres KV-Bezirks) vertragsärztlich tätig sein können - auch mit Unterstützung von hierfür angestellten Ärzten - wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Absatz 4 bestimmt für ausgelagerte Praxisräume (spezielle Untersuchungs- und Behandlungsräume in räumlicher Nähe zur Vertragsarztpraxis, vgl. § 18 Abs. 2 MBO-Ä - alt), die nach geltendem Recht genehmigungsfrei sind, vgl. § 15a Abs. 2 BMV-Ä, eine Anzeigepflicht, damit die Kassenärztliche Vereinigung in der Lage ist, die Einhaltung der Anforderungen an ausgelagerte Praxisräume zu überprüfen.

  • Die vertragsärztlichen Leistungserbringer sollen gemäß § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV örtliche und überörtliche Berufsausübungsgemeinschaften bilden können, und zwar über die Bezirksgrenzen einer Kassenärztlichen Vereinigung hinweg. Sie sollen die gemeinsame Erbringung auf einzelne Leistungen beschränken können, soweit es sich nicht um die fachgebietsüberschreitende Erbringung überweisungsgebundener medizinisch technischer Leistungen nach in § 13 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 7 Abs. 4 EKV handelt (z.B. Labor, Nuklearmedizin, Radiologie). Durch diese Beschränkung von "Teilgemeinschaftspraxen" sollen in der vertragsärztlichen Versorgung Zuweisungsmodelle und Kickback-Konstellationen verhindert werden, bei denen ein Arzt eines therapieorientierten Fachgebietes (z.B. Orhtopädie) eine Berufsausübungsgemeinschaft eingeht mit einem Arzt eines Methodenfaches (z.B. Radiologie), um das berufsrechtliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu unterlaufen.

  • Da der sich aus der Zulassung ergebende Versorgungsauftrag eines Vertrags(zahn)arztes oder Vertragspsychotherapeuten von einer vollzeitigen Tätigkeit ausgeht, soll zur Flexibilisierung der beruflichen Betätigungsmöglichkeiten (insbesondere auch für (Zahn)Ärztinnen und Psychotherapeutinnen) sowie zur besseren Bewältigung von Unterversorgungssituationen nach § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV die Möglichkeit vorgesehen werden, den sich aus der Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer hauptberuflichen Tätigkeit beschränken zu können (sog. Teilzulassung).

  • Der im SGB V noch vorgesehene Auftrag an den Gesetzgeber, Verhältniszahlen für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung festzulegen und damit die Bedarfsplanung zu verschärfen, soll ersatzlos gestrichen werden (§ 102 SGB V). Die Vorschrift ist 1992 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (BGBl. I S. 2266) eingefügt worden. Zu diesem Zeitpunkt ging man von ständig steigenden Arztzahlen aus. Zwischenzeitlich besteht jedoch, zumindestens in Teilen des Bundesgebietes, sogar eher eine Tendenz in Richtung Unterversorgung, so dass die Vorschrift überflüssig geworden ist.

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2. Vertragsärztliche Regelungen bezüglich der Organisation von Medizinischen Versorgungszentren

  • Auf das Merkmal "fachübergreifend" in § 95 Abs. 1 SGB V als Errichtungsvoraussetzung soll verzichtet werden, da diese Voraussetzung in der Vergangenheit medizinisch unsinnige Kombinationen provoziert und aufgrund vergütungsrechtlicher Nachteile der Gründung von MVZ häufig entgegenstand.

  • In einem Krankenhaus angestellte Ärzte dürfen gleichzeitig in einem Medizinischen Versorgungszentrum arbeiten. Eine gleichzeitige Tätigkeit im Krankenhaus bewirkt keine Ungeeignetheit für die vertragsärztliche Tätigkeit in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Sinne von § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV.

  • Sofern das Medizinische Versorgungszentrum als juristische Person betrieben wird, sollen seine Gesellschafter nach § 106b SGB V bei Auflösung für die nicht aus dem Liquidationsvermögen getilgten Verbindlichkeiten gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen. Vertragsärzte, die als Einzelpersonen oder als Gesamthand in einer Berufsausübungsgemeinschaft in vertragsarztrechtlichen Beziehungen zu einer Kassenärztlichen Vereinigung und zu Krankenkassen stehen, haften für Ansprüche dieser Institutionen auch nach Beendigung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit, sei es als Einzelperson unmittelbar, sei es gesamtschuldnerisch als Mitglied der Berufsausübungsgemeinschaft akzessorisch analog §§ 128, 129 HGB mit ihren Privatvermögen (vgl. BGHZ 146, 341 ff. - BGB-Gesellschaft - und § 8 Abs. 1 PartGG - Partnerschaftsgesellschaft). Diese Haftungserstreckung wird wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung vertragsärztlicher Leistungserbringer unabhängig von deren rechtlicher Organisationsform auf die Rechtsansprüche von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen Medizinische Versorgungszentren zu übertragen, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind. Hinzu kommt, dass Kassenärztliche Vereinigungen (z.B. wegen möglicher Rückforderungsansprüche nach § 106 Abs. 5c oder wegen erst nach Auflösung des Medizinischen Versorgungszentrums entdeckter Falschabrechnungen) und Krankenkassen (z.B. bezüglich der Realisierung von Schadensersatzansprüchen aufgrund eines erst nach Auflösung des Medizinischen Versorgungszentrums festgestellten sonstigen Schadens; vgl. § 48 BMV-Ä) sich nicht absichern können. Die Neuregelung nimmt deshalb die ehemaligen Gesellschafter eines aufgelösten Medizinischen Versorgungszentrums für die nicht realisierbaren Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gesamtschuldnerisch in Haftung.

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3. Vertragsärztliche Regelungen zur Abmilderung von regionalen Versorgungsproblemen

  • Auf der Ebene des einzelnen Arztes sieht der Gesetzentwurf - neben den Regelungen zur Flexibilisierung - folgende spezielle gesetzliche Lockerungen bei Versorgungsdefiziten vor:

    - Die derzeit bestehende Altersgrenze von 55 Jahren in § 25 Ärzte-ZV für die Erstzulassung von Vertragsärzten wird aufgehoben in Planungsbereichen, für die der Landesausschuss eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung festgestellt hat.

    - Die Altersgrenze für das gesetzliche Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit sowie der Tätigkeit von angestellten Ärzten in MVZ und Vertragsarztpraxen - derzeit 68 Jahre - soll bei Unterversorgungsfeststellung durch den Landesausschuss gesetzlich hinausgeschoben, bis der Landesausschuss die Unterversorgungsfeststellung wieder aufgehoben hat.

    - Dem Gemeinsamen Bundesausschuss wird aufgegeben, in Richtlinien zu regeln, in welcher Höhe bei der Anstellung von Ärzten in Vertragsarztpraxen in überversorgten Gebieten wegen eines lokalen Versorgungsbedarfs Ausnahmen von der an sich bei einer Anstellung in überversorgten Gebieten bestehenden Leistungsbegrenzung (Überschreitungsvolumen von 3 v.H. bezogen auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals) gemacht werden können.

  • Auf der Landesebene soll der Aufsichtsbehörde nach § 105a SGB V die Möglichkeit eingeräumt werden, unabhängig von einer Unterversorgungsfeststellung durch den Landesausschuss, zur Beseitigung der von ihr festgestellten Versorgungslücken nach erfolgloser Abmahnung der Kassenärztlichen Vereinigung den Sicherstellungsauftrag insoweit auf die Krankenkassen zu übertragen. Die Krankenkassen haben durch Abschluss von Einzelverträgen die Versorgungslücken zu schließen; die ihnen dadurch entstehenden notwendigen Kosten sind der Kassenärztlichen Vereinigung in Rechnung zu stellen.

  • Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen in den neuen Ländern wird der dort immer noch geltende Vergütungsabschlag für privat(zahn)-ärztliche Leistungen sowie für Leistungen freiberuflicher Hebammen im Rahmen der Hebammenhilfe der GKV aufgehoben.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf zahlreiche andere Regelungen wie z.B. die Verschiebung des Zeitpunkts für die zum 1. Januar 2007 ursprünglich geplante Einführung der direkten Morbiditätsorientierung im Risikostrukturausgleich (vgl. § 268 Abs. 1 SGB V) und der GMG-Regelungen zur Reform des vertragsärztlichen Vergütungssystems (§§ 85a bis 85d SGB V). Außerdem ist eine Verlängerung der Anschubfinanzierung für die Integrierte Versorgung bis zum 31. Dezember 2007 vorgesehen.

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