Ergebnisse
Die PubMed-Analyse ergab eine Trefferzahl von 1802 Einträgen. Nach der Durchsicht
der Abstracts der einzelnen Artikel (Übertragung von Medline in Endnote) wurden die
relevanten Arbeiten im Volltext analysiert. Die Pharmakotherapieansätze lassen sich
untergliedern in Antibiotika, Virostatika oder Immunmodulatoren ([Abb. 1 ]). Die meisten Therapiestrategien sind nicht evidenzbasiert und teilweise basierend
auf präklinischen bzw. In-vitro-Daten ([Tab. 1 ]).
Abb. 1 Klinische und experimentelle Pharmakotherapieverfahren
Antibiotika
Während des Ausbruchs von SARS 2002/2003 wurden potenzielle SARS-Patienten initial
mit Breitspektrumantibiotika behandelt, die gegen die typischen bakteriellen Ursachen
ambulant erworbener Pneumonien wirksam sind. Die Anwendung eines Breitspektrumantibiotikums
plus einem Makrolid wird heute noch bei ersten Anzeichen einer SARS-Erkrankung empfohlen,
da die initialen Symptome unspezifisch sind. Seitdem das SARS-Coronavirus identifiziert
wurde und es keine Anzeichen dafür gibt, dass Antibiotika zu einer klinischen Verbesserung
führen, ist eine Behandlung mit Antibiotika jedoch nicht mehr indiziert.
Virostatika - Ribavirin
Ribavirin wurde bereits vor der Identifikation des SARS verursachenden Erregers empirisch
als anti-SARS-Therapeutikum eingesetzt [25 ]. Bis heute existiert jedoch noch keine Studie, die die Wirksamkeit von Ribavirin
in der Therapie von SARS eindeutig nachweist.
Ribavirin ist ein synthetisches Nukleosidanalogon. Es blockiert u. a. das Enzym Guanylyltransferase
und hemmt so die Ausbildung der 5Ž-cap-Struktur an viralen und eukaryoten mRNAs. Ribavirin
wirkt daher nicht virusspezifisch, so dass es auch zu massiven Schädigungen von Wirtszellen
kommen kann. Ribavirin ist gegen ein breites Spektrum von RNA- und DNA-Viren wirksam
[26 ]
[27 ].
Die bisher durchgeführten Fallstudien untersuchten die Wirkung von Ribavirin nur in
Kombination mit weiteren Therapeutika. So zeigten Studien radiologische und symptomatische
Verbesserungen bei Patienten, die mit einer Kombinationstherapie aus Ribavirin und
Steroiden behandelt wurden [28 ]
[29 ]. Ohne den Einbezug einer Vergleichsgruppe ist es jedoch schwierig festzustellen,
ob die Verbesserungen aufgrund der Therapie mit Ribavirin, mit Steroiden, der Kombination
aus beiden Präparationen oder dem natürlichen Verlauf der Erkrankung eintraten.
Eine Studie zeigte, dass ein verzögerter Therapiebeginn mit einer Kombination aus
Ribavirin und Steroiden einen Risikofaktor für die Entwicklung eines schweren Verlaufes
der Erkrankung darstellte. Auch diese Studie unterschied jedoch nicht zwischen einer
verzögerten Gabe von Ribavirin und der verzögerten Gabe von Steroiden [30 ]. Es kann daher keine eindeutige Aussage über die Wirksamkeit von Ribavirin als Einzeltherapeutikum
gemacht werden.
Eine randomisierte klinische Studie aus Guangdong kam zu dem Ergebnis, dass die Effektivität
einer Therapie mit niedrig dosiertem Ribavirin (400 - 600 mg/dl) deutlich geringer
war, als die Effektivität einer frühen aggressiven Therapie mit Steroiden und Interferon
alfa [31 ]. Allerdings fehlte auch bei dieser Studie eine Kontrollgruppe, so dass keine eindeutigen
Schlüsse zu der Wirkung einer Ribavirin-Therapie im Vergleich mit einem Therapieverzicht
gezogen werden können.
In vitro-Tests zeigten, dass Ribavirin nicht in der Lage war, die Replikation des
SARS-CoV in für eine erfolgreiche Therapie benötigter Konzentration zu hemmen [32 ]
[33 ].
Bei verstorbenen SARS-Patienten, die zuvor mit Ribavirin behandelt wurden, stellte
man in Nachuntersuchungen eine hohe Viruslast fest [34 ].
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass Ribavirin, wenn überhaupt, nur eine geringe
therapeutische Wirkung gegen das SARS-CoV aufzeigt.
Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn man die nicht unerheblichen Nebenwirkungen
betrachtet, die durch Ribavirin verursacht wurden. Knowles u. Mitarb. berichteten
über ein Kollektiv von 110 möglichen SARS-Patienten, die mit Ribavirin behandelt wurden
[35 ].
61 % dieser Patienten entwickelten Symptome einer hämolytischen Anämie; bei 58 % der
Erkrankten wurde eine Hypokalziämie, bei 46 % eine Hypomagnesiämie festgestellt.
Virostatika - Proteaseinhibitoren
Die Kombinationstherapie aus den Proteaseinhibitoren Lopinavir und Ritonavir stellte
zu Anfang eine vielversprechende Therapiemöglichkeit dar, nachdem in vitro Studien
die antivirale Aktivität dieser Substanzen gegen das SARS-Coronavirus nachgewiesen
hatten [36 ]
[37 ].
Während der Zeit des Ausbruchs von SARS wurde diese Kombinationstherapie seltener
eingesetzt als Ribavirin.
Chan u. Mitarb. [37 ] verglichen die Ergebnisse einer Kombinationstherapie mit Lopinavir/Ritonavir - als
initiale Therapie und als Notfalltherapeutikum - mit Kontrollgruppen.
Alle Patienten wurden nach einem standardisierten Schema mit Steroiden und Ribavirin
behandelt. Die zusätzliche initiale Therapie mit Lopinavir/Ritonavir zeigte im Vergleich
zu den Kontrollgruppen eine statistisch signifikante Reduktion der Mortalitätsrate
und der Intubationsrate (p < 0,05). Hingegen zeigte die Patientengruppe mit Lopinavir/Ritonavir
als Notfalltherapeutikum keinen statistisch signifikanten Unterschied in diesen Endpunkten.
Auch Chu u. Mitarb. [36 ] verglichen die Therapie mit Lopinavir/Ritonavir mit Kontrollgruppen; allen Patienten
wurden, ähnlich dem Schema der Chan-Studie, Ribavirin und Steroide verabreicht. Schwere
Krankheitsverläufe (Entwicklung eines akuten Lungenversagens [ARDS] oder Tod innerhalb
von 21 Tagen) entwickelten sich signifikant seltener in der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe
als in den Kontrollgruppen (p < 0,001). Außerdem zeigte die Studie in der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe
eine statistisch signifikante Reduktion des Einsatzes von Steroiden aufgrund akuter
Verschlechterung der Lungenfunktion (p < 0,001) und eine signifikante Reduktion nosokomialer
Infektionen im Vergleich zu den Kontrollgruppen (p < 0,043).
Mehrere Untersuchungen zeigten, dass der Verzicht auf eine Therapie mit Lopinavir/Ritonavir,
fortgeschrittenes Alter (> 60 Jahre) sowie ein positiver Hepatitis B-Trägerstatus
voneinander unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung eines schweren Krankheitsverlaufes
waren.
Diese schweren Verläufe gingen einher mit der Entwicklung eines ARDS (Acute Respiratory
Distress Syndrom) oder führten zum Tod [36 ]. Zusammenfassend zeigen die vorliegenden Studien, dass Lopinavir/Ritonavir ein effektives
Kombinationstherapeutikum für die Therapie von SARS zu sein scheint.
Auch andere Proteaseinhibitoren wurden in vitro auf ihre antivirale Aktivität gegen
das SARS-CoV geprüft. So testeten Yamamoto u. Mitarb. [38 ] eine Reihe von in der antiviralen Therapie bereits etablierten Substanzen und fanden
heraus, dass Nelfinavir ein starker Replikationshemmer des SARS-CoV ist. Nelfinavir
hemmte den durch Coronaviren induzierten zytopathischen Effekt und verringerte die
Expression viraler Antigene in mit Nelfinavir therapierten Zellen. Auch Bernard u.
Mitarb. [39 ] entdeckten zwei Proteaseinhibitoren (Calpain inhibitor VI/ III), die gegen das SARS-Coronavirus
in vitro Wirksamkeit zeigten.
Proteaseinhibitoren scheinen gegen das SARS-CoV, zumindest experimentell, Wirksamkeit
zu besitzen, und man kann davon ausgehen, dass es in diesem Gebiet noch weitergehende
Studien geben wird.
Virostatika - Virale Bindungsinhibitoren
Die membranassoziierte Carboxypeptidase ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) ist
ein zellulärer Rezeptor des SARS-Coronavirus. Er interagiert mit der S1-Domäne des
SARS-CoV Spike Proteins [41 ]. Peptide oder andere Verbindungen, die an ACE2 binden, könnten daher möglicherweise
in der Prävention und Therapie von SARS eingesetzt werden [42 ]
[43 ]. Eine lösliche Form des Rezeptors, Rezeptor-Antikörper oder die rezeptorbindende
Domäne des Spike-Proteins könnten weitere Ansätze einer Therapie sein.
Sui u. Mitarb. [44 ] identifizierten in einer Bibliothek für nichtimmune humane Antikörper einen humanen
monoklonalen anti-S1-Antikörper, 80R, der durch Blockade der Virusbindung an den ACE2-Rezeptor
der Wirtszelle eine Infektion mit dem SARS-CoV verhinderte. Die Untersuchungen zeigten,
dass der Antikörper mit dem löslichen ACE2 um die Bindung der S1-Domäne konkurrierte.
Der Antikörper zeigte hierbei eine hohe Affinität zur S1-Domäne des SARS-CoV Spike-Proteins.
Virostatika - Fusionsinhibitoren
In vitro-Testergebnisse sowie theoretische Überlegungen weisen darauf hin, dass Fusionsinhibitoren
in der Therapie von SARS effektiv sein könnten [44 ]
[45 ].
Peptide, die mit den HR („heptad repeat regions”) 1 und 2 des HIV-1 gp41 interagieren,
sind die Grundlage der in der HIV-Therapie eingesetzten Fusionsinhibitoren. Gp41 ist
ein transmembranes Virusprotein, das bei der Fusion des HIV mit der Wirtszelle eine
elementare Rolle spielt. Aufgrund zahlreicher Ähnlichkeiten zwischen den „heptad repeat
regions” des gp41 und „heptad repeat regions” des SARS-CoV Spike-Proteins ging man
davon aus, dass diese Viren einen gemeinsamen Mechanismus der Fusion mit der Wirtszelle
besitzen [44 ]
[45 ]. Liu u. Mitarb. [44 ] testeten 2 Reihen von Peptiden, die mit den „heptad repeat regions” des Spike-Proteins
interagierten, auf ihre hemmende Wirkung gegen das SARS-Coronavirus. Sie fanden heraus,
dass das Peptid CP1 in vitro eine Infektion mit dem SARS-CoV verhindert. Man geht
davon aus, dass CP1 an das HR1 des Spike-Proteins bindet und so die für die Fusion
mit der Zielzelle benötigten Konformationsänderungen des Proteins verhindert. Erste
in vivo Studien stehen noch aus.
Virostatika - RNA-Interferenz
Die Technik der RNA-Interferenz zur Inaktivierung von Genen wurde bereits in der Therapie
von HIV, Hepatitis B und Hepatitis C experimentell angewendet [47 ]
[48 ]
[49 ]. Sie beruht auf der Einführung kurzer doppelsträngiger RNA-Moleküle (small interfering
RNAs - siRNA) in eine Zelle oder einen Organismus. Diese RNA-Moleküle entsprechen
in ihrer Nukleotidsequenz der Sequenz des zu inaktivierenden Gens. Es kommt zur Hybridisierung
der RNA-Moleküle mit der mRNA des Zielgens und in der Folge zum Abbau der mRNA. Um
die Möglichkeit der Anwendung einer Gen-Inaktivierung in der SARS-Therapie zu prüfen,
wurden spezifische kurze RNA-Moleküle synthetisiert, die dem Spike-Gen des SARS-CoV
entsprechen. Diese RNA-Moleküle hemmten effektiv und spezifisch die Expression des
Spike-Proteins in SARS-CoV infizierten Zellen [50 ]. Eine weitere Studie untersuchte in vitro die Wirksamkeit von sechs kleinen RNA-Molekülen,
die verschiedenen Abschnitten der Replikase 1A-Region des SARS-CoV entsprachen. Drei
der RNA-Moleküle hemmten deutlich die zytopathischen Effekte, die durch eine Infektion
und durch die Replikation des Virus hervorgerufen werden [51 ].
Glycyrrhizin - Traditionelle Chinesische Medizin
Glycyrrhizin ist ein Bestandteil der Lakritzwurzel. Es hemmt die Replikation des HIV
in vitro [52 ] und wurde, teilweise mit Erfolg, bereits in der Therapie von Hepatitis C [53 ] und Hepatitis B [54 ] eingesetzt. In vitro-Studien haben gezeigt, dass Glycyrrhizin auch die Replikation
des SARS Coronavirus hemmt [33 ]. Der Mechanismus der durch Glycyrrhizin induzierten Hemmung der Virusreplikation
ist bisher jedoch nicht bekannt. Eine wichtige Rolle könnte ein antiviraler Effekt
des Stickstoffmonoxid (NO) spielen. Glycyrrhizin erhöht in diesem Zusammenhang die
Expression der NO-Synthetase und die Produktion von NO in Mausmakrophagen [55 ]. Auch Ergebnisse von Cinatl u. Mitarb. [33 ] zeigen, dass Glycyrrhizin in Affennierenzellen (die zur Kultivierung des SARS-Coronavirus
verwendet wurden) die Expression der NO-Synthetase induzierte.
Stickstoffmonoxid (NO)
Cinatl u. Mitarb. [33 ] zeigten, dass die Replikation des SARS-CoV gehemmt wird, wenn „DETA NONOate” - ein
NO-Donor - zum Kulturmedium hinzugefügt wird. Dieses Ergebnis wurde durch Keyaerts
u. Mitarb. bestätigt [56 ], die als NO-Donor S-nitro-N-acetyl-Penicillamin verwendeten. Außerdem untersuchten
Keyaerts u. Mitarb. an SARS-Patienten die Wirksamkeit einer Inhalationstherapie mit
NO-Gas. Die Erkrankten zeigten sofort nach Verabreichung eine Verbesserung der Oxygenierung.
Die Wirkung hielt außerdem über die Beendigung der Inhalation hinaus an. Der zugrunde
liegende Effekt beruht wahrscheinlich auf einer NO-bedingten Vasodilatation der pulmonalen
Kapillaren im Bereich ventilierter Areale. Dieser Effekt wird generell bei ARDS beobachtet,
und die Wirkungen NOs haben deswegen wahrscheinlich weniger mit dem direkten antiviralen
Effekt zu tun, der von Cinatl u. Mitarb. in vitro nachgewiesen wurde.
Niclosamid
Wu u. Mitarb. testeten in vitro eine Reihe von Substanzen, die bisher nicht als Virustatika
auf dem Markt registriert waren, auf ihre antivirale Aktivität gegen das SARS-Coronavirus.
Sie fanden heraus, dass Niclosamid - eigentlich ein Anthelmintikum - die Replikation
des SARS-CoV hemmt. Der virustatische Wirkmechanismus ist unbekannt. Die Studie zeigte
aber, dass Niclosamid weder die Adsorption oder das Eindringen in die Wirtszelle noch
die Aktivität der Protease beeinflusste.
Immunmodulatoren - Steroide
Während des Ausbruchs von SARS Ende 2002 bis Anfang 2003 gehörte die systemische Gabe
von Steroiden zu den Hauptmaßnahmen in der SARS-Therapie [58 ]. Die Gründe hierfür lagen u. a. in der Beobachtung, dass trotz eines Absinkens der
Viruslast und Anstiegs der SARS-CoV spezifischen IgG-Ak in der 3. Krankheitswoche
bei einigen Patienten paradoxerweise eine Verschlechterung des Krankheitszustandes
eintrat [30 ]. Pathologische Untersuchungen zeigten Bronchitis-obliterans-Pneumonien und akutes
Lungenversagen. Diese Befunde führten zu der Hypothese, dass es während einer SARS-CoV-Infektion
zu einer immunologischen Hyperaktivität des Wirtes und so zu einer zytokinvermittelten
Lungenschädigung kommt. Diese Hyperaktivität des Immunsystems könnte durch eine Steroidtherapie
reduziert werden [59 ].
In den meisten Fällen wurden Steroide ergänzend zu einer Ribavirintherapie verabreicht.
Verschlechterte sich die Lungenfunktion des Patienten, wurden außerdem hoch dosierte
Steroide gegeben. Studien, die die Effektivität einer Therapie mit Steroiden untersuchten,
beinhalteten fast immer die gleichzeitige Gabe von mehreren Therapeutika. Außerdem
enthielt keine der Studien eine Kontrollgruppe. Inwieweit Steroide also tatsächlich
in der Therapie von SARS wirksam sind, kann noch nicht eindeutig festgestellt werden.
In einigen Studien schienen Therapieregime, die Steroide enthielten, mit Verbesserungen
der Thorax-Röntgen Befunde, Fieberabfall und einer schnelleren Verbesserung der Oxygenierung
im Zusammenhang zu stehen [31 ]
[60 ]
[61 ].
In einer Studie von Hsu u. Mitarb. [61 ] zeigte die zusätzliche Gabe von Steroiden jedoch keine klinischen Verbesserungen.
Allerdings wurde in dieser Studie eine niedrigere Steroiddosis verabreicht als in
den Studien, die eine klinische Besserung aufzeigten.
Ho u. Mitarb. [62 ] verglichen in einer retrospektiven Studie die klinischen und radiologischen Daten
von möglichen SARS-Patienten, die mit Ribavirin behandelt wurden. Siebzehn dieser
Patienten bekamen zusätzlich initial eine Stoßtherapie mit hoch dosierten Steroiden,
55 der Patienten bekamen initial niedrig dosierte Steroide. Hoch dosierte Steroide
wurden außerdem an Patienten mit einer akuten Verschlechterung der Lungenfunktion
verabreicht. Die kumulative Steroiddosis, die Zahl der Intensivstationsaufnahmen,
der Bedarf an künstlicher Beatmung sowie die Mortalitätsrate waren nach 21 Tagen in
beiden Patientengruppen gleich. Allerdings benötigten die Patienten, denen initial
eine Hochdosis-Stoßtherapie verabreicht wurde, weniger Sauerstoff und zeigten früher
eine Verbesserung der radiologischen Befunde. Außerdem hatten diese Patienten deutlich
weniger Bedarf an einer Notfallmedikation mit Steroiden. Das Ergebnis dieser Studie
zeigt, dass durch eine frühe Gabe von Steroiden in Form einer Hochdosis-Stoßtherapie
möglicherweise eine deutliche Verbesserung im Krankheitsverlauf von SARS-Patienten
erreicht werden kann.
Allerdings werden Studien mit eindeutigeren Ergebnissen und einem Einbezug von Kontrollgruppen
benötigt. Außerdem sollte zwischen dem Nutzen einer Steroidtherapie und den damit
verbundenen Risiken, wie der Entwicklung avaskulärer Nekrosen, einer sekundären Sepsis
oder einer disseminierten Aspergillose abgewogen werden. Einige dieser verheerenden
Nebenwirkungen wurden bei SARS-Patienten bereits beobachtet [63 ]
[64 ]. Hong u. Mitarb. [65 ] untersuchten zwischen März und Mai 2003 in Beijing 67 SARS-Patienten, die mit Ribavirin
und Steroiden behandelt wurden und an starken Gelenkschmerzen litten, die wahrscheinlich
durch avaskuläre Nekrosen hervorgerufen wurden. Bei 28 Patienten (42 %) zeigten die
Röntgen- und MRT-Aufnahmen eine Bestätigung des Verdachtes. Die Diagnose der avaskulären
Nekrose wurde im Durchschnitt 4 Monate nach Beginn der Steroideinnahme gestellt.
Immunmodulatoren - Interferone
In vitro-Studien haben gezeigt, dass Typ 1-Interferone die Replikation des SARS-Coronavirus
hemmen [32 ]
[66 ]
[67 ]
[68 ]. Da diese Studienergebnisse bereits während der SARS-Epidemie vorlagen, wurden Interferone
im weiteren Verlauf der Epidemie klinisch eingesetzt.
Loutfy u. Mitarb. [69 ] dokumentierten ihre klinischen Erfahrungen, die sie mit der Therapie mit Interferon
alfacon 1 (einem rekombinanten synthetischen Typ 1-Interferon) bei 22 SARS-Patienten
in einer Studie in Toronto machten. 13 Patienten, die nur mit Steroiden behandelt
wurden, wurden mit 9 Patienten, die Steroide und Interferon alfacon 1 erhielten, verglichen.
Die Patientengruppe, die zusätzlich mit Interferon alfacon 1 behandelt wurde, zeigte
eine signifikante Verbesserung der Sauerstoffsättigung (p = 0,02) und bessere radiologische
Befunde. Außerdem zeigte diese Patientengruppe deutlich geringere Anstiege der Kreatinkinase
und eine schnellere Normalisierung der Lactatdehydrogenasekonzentration [69 ]. Jedoch erhielt die Interferon alfacon-Gruppe auch höhere Dosen an Steroiden, so
dass nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob die besseren Ergebnisse dieser Gruppe
tatsächlich auf die Wirkung des Interferon alfacon 1 zurückgeführt werden können.
Haagmans u. Mitarb. [70 ] untersuchten die prophylaktische Anwendung von Interferonen in einem Affenmodell.
3 Tage vor der Einimpfung des SARS-CoV wurde einem Teil der Affen pegyliertes Interferon
alfa verabreicht. Diese Affen zeigten im Gegensatz zu den nicht behandelten Affen
eine deutliche Reduktion der Replikation und Freisetzung des Virus, eine verminderte
Expression viraler Antigene in Typ 1-Pneumozyten und eine geringere Schädigung der
Lunge. Postexpositionelle Behandlungen mit pegyliertem Interferon alfa zeigten weniger
deutliche Ergebnisse.
Diskussion
Die zentrale Frage der heutigen Forschung ist die nach Strategien für den Fall einer
neuen SARS-Epidemie. In der Zeit des Ausbruchs von SARS wurden zahlreiche Therapeutika
gegen SARS eingesetzt, jedoch erfolgte dies in keinem Fall klinisch kontrolliert.
Basierend auf den bis heute vorliegenden Daten über Substanzen mit guten klinischen
Ergebnissen scheinen - von den sofort verfügbaren Therapeutika - Typ 1-Interferone,
Steroide und die Kombinationstherapie aus Lopinavir/Ritonavir die größte Wirkung gegen
eine SARS Coronavirus Infektion zu zeigen.
Idealerweise sollten alle potenziell wirksamen Substanzen in kontrollierten klinischen
Studien evaluiert werden. Jedoch kam es bereits während der SARS-Epidemie zu zahlreichen
Schwierigkeiten in der Gestaltung und Ausführung klinischer Studien, die u. a. von
Muller u. Mitarb. [71 ] zusammengefasst wurden. Im Falle eines plötzlichen Ausbruchs einer neuen Erkrankung
durch einen unbekannten Erreger stehen viele Daten und Informationen, die zur Durchführung
klinischer Studien benötigt werden, nicht zur Verfügung. Hierzu gehören u. a. spezifische
mikrobiologische Tests zur Identifizierung einer geeigneten Studienpopulation und
Richtlinien, die Dosis, Frequenz und Dauer einer therapeutischen Intervention festlegen.
Ein weiteres Problem besteht darin, eine ausreichende Zahl an Patienten zu rekrutieren,
bevor eine Epidemie endet bzw. Patienten frühzeitig aus der Studie herausfallen. Die
Möglichkeit, eine Studie schnell planen und durchführen zu können, ist jedoch abhängig
von der Zeit, die benötigt wird, bis eine Bewilligung durch die Ethikkommission erfolgt
ist und ausreichende Fördermittel zur Verfügung stehen.
Die Gründung einer international zusammenarbeitenden Arbeitsgruppe zur Planung und
Durchführung klinischer Studien mit Zugriff auf einen Hilfsfonds und der Basis international
akzeptierter ethischer Grundsätze könnte eine schnelle Ausführung klinischer Studien
im Fall einer neuen Epidemie erleichtern.