Dyspnoe ist eine mit dem Regelkreis der Atmung in Verbindung stehende, unangenehme
Empfindung. Sie ist abzugrenzen von der physiologischen Luftnot. Da sie als wichtiger
Hinweis für eine relevante Erkrankung dienen kann, ist es unbedingt erforderlich,
eine Ursachenanalyse durchzuführen. Es gilt, die Art und den Umstand ihres Auftretens
zu untersuchen, um gegebenenfalls eine rasche und gezielte Therapie einleiten zu können.
Durch einfache anamnestische Fragen können verschiedene Dyspnoe-Grade 1 - 4 festgelegt
werden ([Tab. 1]). Den geringsten Schweregrad stellt die Belastungsdyspnoe dar, wobei die Frage nach
der Anzahl von Stockwerken, die ohne relevante Dyspnoe erreicht werden können, eine
weitere Unterteilung ermöglicht. Auch der Vergleich mit einer altersbezogenen Referenz
in der Frage zwei kann wichtige Informationen liefern. Die Ergebnisse einer solchen
Befragung sind allerdings ungenau und sollten durch quantitative Messungen ergänzt
bzw. erhärtet werden. Die Indikation für eine Spiroergometrie ergibt sich immer dann,
wenn das Symptom Dyspnoe unter Belastung nicht durch Untersuchungen in Ruhe (Ganzkörperplethysmographie,
Methacholin-Test, Echokardiografie) ausreichend erklärt werden kann [1].
Tab. 1 Fragen zur Einteilung von Dyspnoe-Schweregraden
| Dyspnoe-Graduierung (WHO) |
| 1.Haben Sie Atemnot bei schnellem Gehen in der Ebene, Bergaufgehen oder Treppensteigen? |
| 2.Haben Sie Atemnot beim normalen Gehen in der Ebene mit Altersgenossen? |
| 3.Müssen Sie anhalten, um Atem zu holen, wenn Sie in der Ebene Ihr eigenes Tempo gehen? |
| 4.Haben Sie Atemnot in Ruhe? |
Bei der Ergospirometrie handelt es sich um eine wenig invasive Untersuchung, die bei
Wahl eines Rampen-Protokolls innerhalb kurzer Zeit von etwa 10 - 15 Minuten durchgeführt
werden kann. Der Patient wird in halbliegender Position auf dem Fahrrad-Ergometer
mit einer Steigerungs-Rate der Belastung von 5, 10 oder 15 Watt pro Minute bis zum
symptomlimitierten Abbruch belastet, so dass die Gesamtbelastungszeit zwischen acht
und 12 Minuten liegen sollte. Neben den klassischen EKG-Ableitungen werden die expiratorischen
Gaskonzentrationen von Sauerstoff und Kohlendioxid mittels einer Mund-Nasenmaske sowie
der Atemfluss mittels eines Pneumotachographen gemessen und hieraus ventilatorische
Größen wie Tidalvolumen und Atemfrequenz errechnet [2]. Zusätzlich sollten die arteriellen Blutgase aus dem hyperämisierten Ohrläppchen
bestimmt werden. Während und am Ende der Belastung sollte der Schweregrad der Dyspnoe
anhand der Borg-Scala abgefragt werden (siehe [Abb. 1]). Anhand der Zunahme der Dyspnoe während der Belastung kann der Zeitpunkt des Belastungsabbruches
abgeschätzt, und damit können rechtzeitig Vorbereitungen getroffen werden, abschließende
Messungen vornehmen zu können. Als Ursache des Belastungsabbruchs finden wir z. B.
bei COPD nur in etwa ein Drittel aller Fälle Dyspnoe, häufig aber auch Muskelschmerzen
oder Schwäche als Grund, weshalb der Patient die Belastung beendet. Die Beurteilung
erfolgt heute überwiegend anhand der standardisierten 9-Felder-Graphik nach Wasserman
[2] mit dem Vorteil der guten Vergleichbarkeit der Ergebnisse.
Abb. 1 Borg-Skala zur Quantifizierung der Dyspnoe in Abhängigkeit von Watt. Aus Praktikabilitätsgründen
wird eine 10-stufige Borg-Skala empfohlen. In dem Beispiel sieht man den Anstieg der
Dyspnoe bei einem leistungsgeminderten Patienten, der bei 75 Watt wegen Dyspnoe Borg-Schweregrad
9 abgebrochen hat, ein weiterer Patient stoppte die Belastung erst bei etwa 110 Watt,
ebenfalls bei Borg-Schweregrad 9. Der Schweregrad wird ermittelt, indem der Patient
während der Belastung auf einer Borg-Skala den aktuellen Dyspnoe-Schweregrad nach
einer Steigerung von jeweils 25 Watt anzeigt.
In vielen Lungen-Fachkliniken und Praxen wird immer noch die so genannte kleine Ergometrie
oder Ergo-Oxymetrie mit Registrierung der Watt-Zahl und der Blutgase favorisiert.
Im Folgenden sollten deshalb zum Vergleich die Vorteile der aufwändigeren, aber damit
auch weitaus aussagekräftigeren Spiroergometrie und die mögliche Differenzierung in
pulmonale oder kardiale Ursachen der Dyspnoe an einem Fallbeispiel dargestellt werden.
1. Maximale Leistungsfähigkeit
1. Maximale Leistungsfähigkeit
Kleine Ergometrie: Die Leistung (in Watt), die erreicht wird, wenn der Patient die
Belastung abbricht, wird als maximale Leistung angesehen. Dies gilt nur, wenn der
Patient optimal mitarbeitet.
Spiroergometrie: von maximaler Leistung wird nur dann gesprochen, wenn eine Abflachung
der Sauerstoffaufnahme zum Ende der Belastung beobachtet werden kann, sonst wird von
der Peak-Sauerstoffaufnahme gesprochen. Häufig wird die maximale Leistung nicht durch
kardiopulmonale Faktoren, sondern durch Gelenk- und Muskelschmerzen bestimmt. Wenn
die anaerobe Schwelle ermittelt wird, kann mithilfe der Spiroergometrie die kardiopulmonale
Leistungsfähigkeit auch ohne maximale Anstrengung abgeschätzt werden. Sie ist gut
reproduzierbar und - wenn erreicht - mitarbeitsunabhängig und von daher für Gutachten
oder Verlaufsbeurteilungen sehr gut geeignet. Wenn der respiratorische Quotient, besser
die RER bei maximaler Leistung unter 1,0 liegt, weist dies auf eine fehlende metabolische
Ausbelastung oder Ausbelastung bei geringer Leistungsfähigkeit hin.
2. Atemmechanik
2. Atemmechanik
Kleine Ergometrie: Die Atemmechanik ist unter Belastung schlecht beurteilbar, da nur
die Atemfrequenz gemessen werden kann.
Spiroergometrie: Die Atemfrequenz, das Tidalvolumen und damit das Atemzeitvolumen
werden kontinuierlich registriert. Das Fluss-Volumendiagramm im Vergleich zum maximalen
Fluss-Volumendiagramm, das in Ruhe vor der Belastung registriert wird, gestattet eine
Abschätzung der atemmechanischen Limitation und das Ausmaß der dynamischen Überblähung
(siehe [Abb. 5]). Die Atemreserve ermöglicht eine zusätzliche Beurteilung der ventilatorischen Begrenzung
des Patienten.
Abb. 2 Sauerstoffaufnahme (ml/min) in Abhängigkeit von der Leistung (WR) mit der Einheit
Watt. Auf der linken Seite der Abbildung sieht man das Beispiel einer Normalperson
mit einer Leistung über 200 Watt entsprechend einer Sauerstoffaufnahme von etwa 3000
ml/min. Auf der rechten Seite der Abbildung sieht man bei der Patientin eine verminderte
Sauerstoffaufnahme bezogen auf die Leistung (dVO2/dWR). Die maximale Sauerstoffaufnahme ist aus 86 % des Solls erniedrigt. Grüne Kurve:
V'O2. Rote Kurve V'CO2.
3. Gasaustausch
3. Gasaustausch
Kleine Ergometrie: Der Gasaustausch unter Belastung ist schlecht beurteilbar, da der
respiratorische Quotient neben dem alveolären PCO2 den arteriellen PO2 beeinflussen.
Spiroergometrie: Sie gestattet es, den alveolären PO2 zu errechnen, so dass die alveolo-arterielle PO2-Differenz errechnet werden kann. Sie ist ein Maß für den physiologischen und pathologischen
Shunt (Blut-Shunt) sowie Diffusions- und Verteilungsstörungen.
4. Totraumventilation
4. Totraumventilation
Kleine Ergometrie: Der Luft-Shunt ist mit dieser Methode nicht messbar.
Spiroergometrie: Mithilfe des arteriellen PCO2, der expiratorischen CO2-Konzentration und dem Atemzeitvolumen (VE) kann die Totraumventilation errechnet
werden. Das Atemäquivalent für CO2 (VE/VCO2) ermöglicht ebenfalls eine gute Abschätzung, sofern VCO2 und PaCO2 in etwa konstant bleiben (Panel 4 der 9-Feldergraphik nach Wasserman).
5. Endtidaler Kohlendioxid-Partialdruck (PET, CO2)
5. Endtidaler Kohlendioxid-Partialdruck (PET, CO2)
Kleine Ergometrie: Der PET,CO2 ist mit dieser Methode nicht messbar.
Spiroergometrie: Infolge ausgeprägter Minderperfusion und damit erhöhter Totraumventilation
ist bei primär pulmonaler Hypertonie der endtidale PCO2 sowohl in Ruhe als auch unter Belastung erniedrigt (Panel 9). Liegt der PCO2 bei Patienten mit Belastung Dyspnoe unklarer Genese an der anaeroben Schwelle unter
30 mm Hg, besteht der dringende Verdacht auf diese Erkrankung [3].
Im Folgenden soll anhand eines Fallbeispiels einer 53-jährigen Patientin die Aussagekraft
der Spiroergometrie bei der Frage nach pulmonaler oder kardialer Dyspnoe dargestellt
werden:
Die 53-jährige Patientin stellt sich in der Ambulanz mit unklarer Dyspnoe vor. Bei
der klinischen Untersuchung finden sich über der Lunge auskultatorisch diskrete inspiratorische
feuchte und trockene Rasselgeräusche. Herzaktion regelmäßig, Töne rein Herzfrequenz
80 pro Minute, nur geringe prätibiale Ödeme. In der Echokardiographie Vergrößerung
des linken Vorhofes auf 4,5 cm. Keine regionalen Wandbewegungsstörungen. Linksventrikuläre
Hypertrophie mit diastolischer Funktionsstörung wie bei hypertensiver Herzerkrankung.
EKG: Sinus-Rhythmus keine Erregungsrückbildungsstörungen. Langzeit EKG: unauffällig.
Lungenfunktion: Die Bodyplethysmographie ergab normale statische und dynamische Lungenvolumina,
keine Obstruktion ([Tab. 2]). PH und Blutgase lagen im Normbereich ([Tab. 3]). Die Diffusionskapazität war auf 73 % des Solls erniedrigt ([Tab. 4]). Der Methacholin-Test war negativ.
Tab. 2 Ergebnisse der Ganzkörperplethysmographie der Patientin: Normalwerte
|
Messwert |
%Soll |
| FEV1 (I) |
2,73 |
115 |
| IVC (I) |
3,26 |
118 |
| MEF 75/25 (l/s) |
3,0 |
95 |
| Rtot (kPa* s/l) |
0,20 |
66 |
| ITGV (I) |
2,32 |
90 |
| RV (I) |
1,56 |
93 |
| TLC (I) |
4,82 |
104 |
| RV %/TLC |
32,45 |
89 |
Tab. 3 Ergebnisse der Blutgas-Analyse: Normalwerte
|
Ruhe |
| pH 7,40 ± 0,05 |
7,41 |
| PO2 (mm Hg) |
73 |
| PCO2 (35 - 45 mm Hg) |
41 |
Stand. Bicarbonat (24, ± 2,0 mÄqu/l) |
25,6 |
| BE (± 2,0 mÄqu/l) |
+ 2,2 |
Tab. 4 Ergebnisse der CO-Diffusionskapazitätsmessung: Normalwerte
|
Messwert |
%Soll |
Transferfaktor TLCO SB (mmol/min/kPa) |
5,59 |
73 |
Transferkoeffizient TLCO/VA (mmol/min/kPa/l) |
1,23 |
75 |
Zur möglichen Differenzierung von pulmonaler bzw. kardialer Dyspnoe stehen mehrere
Messgrößen zur Verfügung ([Tab. 5]).
Tab. 5 Kriterien zur evtl. Differenzierung zwischen kardialer und pulmonaler Dyspnoe/Limitation
|
Kardial |
Ventilatorisch |
| V'02, peak |
reduziert |
reduziert |
| pulmonal |
| Atemreserve |
> 25 % (> 15>L) |
< 20 % |
| Belastungs-Fluss-Volumenkurve |
normal |
pathologisch |
| Alveolo-art.O2-Differenz |
normal |
erhöht |
| kardial |
| dV'O2/dWR |
< 8 |
> 9 |
| HF-Reserve |
< 15 |
> 15 |
| 02-Puls |
erniedrigt |
normal |
Folgende Zeitreihen bzw. leistungsabhängige Parameter der Spiroergometrie wurden nun
analysiert. Panel 3, Panel 7, Fluss-Volumen-Kurve, Panel 2 und Panel 4 der 9-Feldergraphik
nach Wasserman.
Zur Beurteilung der Sauerstoff-Transportkette sollte immer zuerst die Leistung in
Watt und die maximale bzw. Peak-Sauerstoffaufnahme beschrieben werden ([Abb. 2]). Im Vergleich zu einer gesunden Versuchsperson steigt die Sauerstoffaufnahme, bezogen
auf Watt, nicht adäquat an. Vor dem Belastungsabbruch findet sich eine Abflachung
der Sauerstoffaufnahme, ein so genanntes Levelling-off als Hinweis, dass tatsächlich
die maximale Sauerstoffaufnahme erreicht wurde. Die maximale Sauerstoffaufnahme liegt
bei 86 % des Solls. Als erstes Fazit kann damit festgehalten werden, dass die maximale
Sauerstoffaufnahme erniedrigt ist und eine inadäquate Steigerung der Sauerstoffaufnahme
erfolgt. Damit sollte weiter analysiert werden, welche kardiale oder pulmonale Funktionsstörung
vorliegt.
Differenzialdiagnose pulmonale Dyspnoe
Differenzialdiagnose pulmonale Dyspnoe
Atemgrenzwert: Die Patientin erreicht ein Atemzeitvolumen von 62 Liter/Minute ([Abb. 3]). Der Atemgrenzwert wurde aus der Sekundenkapazität, multipliziert mit 35 = 94,5
Liter/Minute, errechnet. Die Atemreserve beträgt damit 32,5 Liter/Minute = 34 %. Die
Atemreserve ist nicht ausgeschöpft, eine atemmechanische Limitation liegt aufgrund
dieser Messung nicht vor. Die Atemreserve kann in % des rechnerischen Sollwertes oder
als Absolutwert (mindestens 15 L/min) angegeben werden.
Abb. 3 Atemzugvolumen in Abhängigkeit vom Atemzeitvolumen. Bei der Normalperson auf der linken
Seite der Abb. zeigt sich eine große Atemreserve. Auch bei der Patientin ist die Atemreserve
mit 32,5 Liter normal.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Atemreserve auch an der Laktatschwelle/anaerobe
Schwelle (> 0,42) kardiovaskuläre bzw. pulmonale Dyspnoe mit hoher Sensitivität und
Spezifität differenziert [4].
Noch bessere Möglichkeiten bietet unserer Ansicht nach die Beurteilung der Flussvolumenkurve.
Vor der Belastung wird die maximale Flussvolumenkurve in- und exspiratorisch ermittelt.
Während der Belastung wird in regelmäßigen zeitlichen Abständen die Flussvolumenkurve
registriert, dabei muss darauf geachtet werden, dass durch maximale Inspirations-Manöver
die Fluss/Volumen-Kurve richtig positioniert wird, da während der Belastung ein Drift
des Volumens auftreten kann ([Abb. 4]). Wird exspiratorisch die Strömungskurve der forcierten Exspiration im Bereich von
MEF 50 um mehr als 50 % überschritten, ist objektiv eine atemmechanische Begrenzung
(Strömungslimitierung) als Ursache der Dyspnoe zu diagnostizieren [5]
[6] ([Abb. 5]). Auch mit dieser Messung ist die in dem Fallbeispiel geklagte Dyspnoe nicht zu
erklären, da die Flussvolumenkurve unter maximaler Belastung die in Ruhe gemessene
nicht tangiert ([Abb. 6]).
Abb. 4 Maximale Flussvolumenkurve, die vor Beginn der Spiroergometrie registriert werden
sollte. Mehrfach während und am Ende bei Belastungsabbruch wird die Flussvolumenkurve
in dieses gespeicherte Diagramm eingetragen. In dem Beispiel sieht man die Ruhe-Flussvolumenkurve
( gepunktet) bei einer Normalperson. Unter maximaler Belastung steigen Fluss und Volumen
(gepunktet) an, ohne die maximale Flussvolumenkurve zu berühren (durchgezogen).
Abb. 5 Flussvolumen-Kurven eines COPD Patienten. Man sieht die maximale exspiratorische Flussvolumenkurve
(gepunktet) und die Flussvolumenkurve unter maximaler Belastung (durchgezogene Linie).
Dieser Patient bricht aus atemmechanischen Gründen die Belastung ab. Atemmechanische
Limitation ist dann vorhanden, wenn die exspiratorische Flussvolumenkurve unter maximaler
Belastung die maximale exspiratorische Flussvolumenkurve um mehr als 50 % von VT,max
überschreitet.
Abb. 6 Maximale Flussvolumenkurve der Patientin in Ruhe mit gepunktet eingezeichneter Flussvolumenkurve
unter maximaler Belastung. Es besteht keine Flusslimitation.
Wir ziehen als weiteres Fazit, dass objektiv die Dyspnoe nicht atemmechanisch erklärt
werden kann.
Kardiale Dyspnoe
Kardiale Dyspnoe
Als ersten Hinweis auf eine kardial bedingte Einschränkung fanden wir eine inadäquate
Steigerung der Sauerstoffaufnahme (Panel 3). Weitere, eher der kardialen Funktion
zuzuordnende Messgrößen sind Herzfrequenz und Sauerstoffpuls ([Abb. 7]).
Abb. 7 Herzfrequenz und Sauerstoffpuls: Auf der linken Seite der Abbildung sieht man einen
adäquaten Herzfrequenzanstieg bei einer Normalperson. Der Sauerstoffpuls zeigt eine
Plateaubildung bei etwa 15 ml Sauerstoff-Aufnahme pro Pulsschlag. Auf der rechten
Seite sieht man, dass die Herzfrequenzreserve grenzwertig vermindert ist. Der Sauerstoffpuls
bei verminderter maximaler Leistung ist ebenfalls grenzwertig eingeschränkt.
Herzfrequenzreserve: Diese wird errechnet aus der maximalen Soll-Herzfrequenz abzüglich
der tatsächlich unter maximaler Belastung erreichten Herzfrequenz. Die Soll-Herzfrequenz
errechneten wir aus der Gleichung 210 abzüglich Lebensalter. In unserem Beispiel liegt
die Soll-Herzfrequenz bei 157. Die tatsächlich erreichte Herzfrequenz lag bei 139,
damit liegt die Herzfrequenzreserve bei 18 Schlägen/Minute.
Sauerstoffpuls: Er errechnet sich aus der Sauerstoffaufnahme, geteilt durch Pulsfrequenz.
Der Normalwert liegt bei maximaler Belastung bei 8 - 14 ml Sauerstoff pro Herzschlag.
Ein Plateau ist nur pathologisch, wenn die Normwerte nicht erreicht werden. Vor allem
am Ende der Belastung steigt die arteriovenöse Sauerstoff-Gehalts-Differenz nicht
mehr an, sodass der Sauerstoffpuls das erniedrigte Schlagvolumen bei Herzinsuffizienz
charakterisiert (siehe [Abb. 8]). In unserem Falle erreicht der Sauerstoffpuls ein Plateau und liegt bei 9 ml pro
Pulsschlag (siehe [Abb. 7]).
Abb. 8 Sauerstoffpuls bei einer Normalperson, bei COPD, Herzinsuffizienz, Ischämie oder inadäquater
Tachykardie. Bei COPD wird der untere Grenzbereich meistens noch überschritten, bei
Herzinsuffizienz ist der maximale Sauerstoffpuls aufgrund des erniedrigten Schlagvolumens
erniedrigt.
Als Fazit aus der Analyse von Panel 2 resultiert der dringende Verdacht auf eine kardial
bedingte Dyspnoe bei grenzwertiger Herzfrequenzreserve und grenzwertigem Sauerstoffpuls.
Der Schweregrad der Herzinsuffizienz kann an der Steigung von VE in Abhängigkeit von
VCO2 abgelesen werden [8]. Bei Herzinsuffizienz tritt unter Belastung eine Ventilations-Perfusions-Verteilungsstörung
infolge einer regionalen Minderperfusion auf, sodass die Totraumventilation erhöht
ist [7]. Auch bei der Patientin findet sich ein erhöhtes Atemzeitvolumen, bezogen auf die
Kohlendioxidabgabe, in Panel 4 (siehe [Abb. 9]), in einem weiteren Diagramm, ablesbar am Atemäquivalent für CO2, in Panel 6 (ohne Abbildung). Eine weitere Ursache für das erhöhte Atemäquivalent
besteht darin, dass Patienten mit Herzinsuffizienz unter Belastung eine alveoläre
Hyperventilation, die ein erhöhtes Atemzeitvolumen nach sich zieht, entwickeln.
Abb. 9 Atemzeitvolumen bezogen auf die Kohlendioxidabgabe: auf der linken Seite der Abb.
sieht man einen normalen Anstieg des Atemzeitvolumens bei einer Normalperson, die
beiden gestrichelten Linien zeigen den Normalbereich. Auf der rechten Seite sieht
man einen inadäquaten Anstieg des Atemzeitvolumens über den Normalbereich (gestrichelt),
wobei als wichtigste Ursache eine erhöhte Totraumventilation infrage kommt.
Fasst man die Ergebnisse der Spiroergometrie zusammen, finden sich ausreichende Hinweise
für eine kardial bedingte Belastungsdyspnoe. Die Therapie sollte demnach eine Optimierung
der kardialen Funktionen beinhalten ([Tab. 6]).
Tab. 6 Zusammenstellung der Ursachen von Dyspnoe bei 50 Patienten. Die Zeitdauer der Beschwerden
bis zur Abklärung betrug 23 Monate. Die vorläufige Zuordnung richtete sich nach den
Ergebnissen der Spiroergometrie. Diese erfolgte nur, wenn eine normale Lungenfunktion
in Ruhe vorlag. Die Diagnose wurde anschließend durch Echokardiographie, Methacholin
Test, Herzkatheter-Untersuchung und Verlaufskontrollen überprüft. In 77 % aller Fälle
gelang eine richtige Zuordnung durch die Spiroergometrie
| Diagnose |
|
VO2 %Soll |
Anaerobe Schwelle %Soll |
| Trainingsmangel |
14 (26 %) |
69,8 ± 4,4 |
44,6 ± 6,4 |
| kardiale Ursache |
7 (13 %) |
70,6 ± 2,6 |
58,8 ± 10,7 |
| psychogen |
9 (17 %) |
86,5 ± 5,5 |
70,8 ± 7,1 |
| normal |
7 (13 %) |
104,4 ± 6,2 |
80,7 ± 8,7 |
| hyperreaktiv |
12 (23 %) |
75,5 ± 4,7 |
57,4 ± 7,5 |
| Lungenfibrose |
4 (8 %) |
92,5 ± 8,2 |
81,5 ± 15,1 |
Fazit für die Praxis
Fazit für die Praxis
Es sollte festgehalten werden, dass die Ergebnisse der Spiroergometrie keine eindeutige
Abgrenzung von pulmonaler oder kardial bedingter Dyspnoe bzw. Trainingsmangel ermöglichen,
aber in einem hohen Prozentsatz eine richtige Zuordnung gestattet. So konnte in einer
Untersuchung an 50 Patienten mit über 23 Monaten bestehender Dyspnoe in über 75 %
aller Fälle durch aufwändigere Untersuchungen bis zum Herzkatheter und von Verlaufsbeobachtungen
nach Therapie die primär spiroergometrisch gestellte Diagnose bestätigt werden [9]. Sie stellt somit einen wichtigen Baustein bei der Differenzialdiagnose von Belastungsdyspnoe
dar.
Häufig wird eine kombinierte pulmonal und kardial bedingte Dyspnoe gefunden. Hier
kann durch die Spiroergometrie der Anteil von Herz und Lunge an der Störung abgeschätzt
werden [10]. Generell gilt, dass die Spiroergometrie im Stufenkonzept zur Abklärung von Dyspnoe
frühzeitig zum Einsatz kommen sollte und auch gut geeignet ist, den Verlauf unter
Therapie zu charakterisieren.