Aktuelle Dermatologie 2006; 32(10): 432-435
DOI: 10.1055/s-2006-944585
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktuelle Aspekte zur Therapie kutaner T-Zell-Lymphome

Ergebnisse eines TED-basierten interaktiven SymposiumsCurrent Aspects Concerning the Therapy of Primary Cutaneous T-Cell Lymphomas:Results of a TED-Based Interactive SymposiumR.  Dummer1 , B.  Bonnekoh2 , M.  Weichenthal3
  • 1Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich
  • 2Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • 3Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Fakultät, Otto-von Guericke-Universität Magdeburg
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Prof. Dr. med. Reinhard Dummer

Dermatologische Klinik

Universitätsspital Zürich Gloriastrasse 31 8091 Zürich, Schweiz

Email: reinhard.dummer@usz.ch

Publication History

Publication Date:
17 October 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Kutane T-Zell-Lymphome sind relativ seltene Erkrankungen, die in den letzten Jahren besonderes Interesse für neue in der Therapie von malignen Erkrankungen sinnvolle Medikamente gefunden haben. So werden heute zahlreiche aussichtsreiche Medikamente in dieser Erkrankungsgruppe geprüft, die ein besonderes Verständnis der Molekularbiologie und der Immunbiologie dieser Erkrankungen benötigen. Im Rahmen eines interaktiven Symposiums des Deutschen Hautkrebskongresses in Magdeburg wurde das Auditorium zu verschiedenen Aspekten dieser Krankheiten befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung werden im Rahmen dieses Übersichtsartikels dargestellt.

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Abstract

Primary cutaneous T-cell lymphomas are rare diseases which are targeted by new treatment strategies as orphan drug indications. Today, there are several new promising medications in clinical trials which deserve a special understanding of the molecular biology and the immune biology of CTCL. During an interactive symposium of the German Skin Cancer Conference in Magdeburg in December 2005, the audience of the symposium received several questions concerning CTCL. The results of these TED-questions are presented in this review article.

Im Rahmen eines Mittagssymposiums der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie in Magdeburg wurden aktuelle Aspekte der primär kutanen T-Zell-Lymphome besprochen. Im ersten Teil gab Herr Prof. Dummer einen Überblick über aktuelle therapeutische Entwicklungen. Im zweiten Teil diskutierte Herr PD Dr. Michael Weichenthal diagnostische und therapeutische Optionen. Im dritten Teil fasste Herr Prof. Bonnekoh aus Magdeburg kombinationstherapeutische Strategien zusammen.

Die kutanen T-Zell-Lymphome sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die durch die Akkumulation von klonalen T-Lymphozyten in der Haut charakterisiert sind. Die Tumorzell-Populationen stellen in den meisten Fällen aktivierte T-Helfer-Lymphozyten dar, die über ihre Homing-Rezeptoren bevorzugt in die Haut einwandern. Wir gehen davon aus, dass die Dermis und die Epidermis diesen Zellen Überlebenssignale zur Verfügung stellen [1] [2]. Als gut differenzierte Tumorzellen sind sie in der Lage, regulatorische Funktionen auszuüben. In den meisten Fällen führt dies zu einer Immunsuppression, die sich auch in der Peripherie nachweisen lässt, z. B. über eine verminderte Aktivität der natürlichen Killerzellen oder eine reduzierte zelluläre Immunität. Dieses Modell wird unterstützt durch Untersuchungen an aufgereinigten Tumorzellen, deren Zytokin-Freisetzung immunsuppressive Zytokine beinhaltet. Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Pathophysiologie der Erkrankungen bieten sich eine ganze Reihe neuer therapeutischer Optionen an. Wie bei anderen malignen Erkrankungen sind verschiedene davon in klinischen Studien in Untersuchung.

Das Auditorium wurde deshalb gefragt, wo Fortschritte bei der Therapie der kutanen T-Zell-Lymphome am ehesten erfolgen werden ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Wir sind gespannt, von welchem Therapieansatz die meisten Fortschritte erzielt werden.

60 % der Befragten erwarteten am ehesten Fortschritte durch neue Moleküle wie Antikörper oder Fusionsmoleküle. Hierzu gehören z. B. ein humanisierter Antikörper gegen das CD4-Molekül oder das „Biological” Ontak®, das biotechnologisch zusammengesetzt wird aus dem Diphterie-Toxin und Interleukin-2 [3].

Ontak greift vor allem Zellen an, die den hochaffinen Interleukin-2-Rezeptor tragen, der neben der Beta- und der Gamma-Kette die Alpha-Kette, das CD25-Molekül, beinhaltet. Ontak wurde aufgrund von klinischen Studien an einem relativ kleinen Patientenkollektiv in den USA für die Behandlung von primär kutanen T-Zell-Lymphomen der Haut zugelassen und ist in Europa off-Label und im Rahmen einer prospektiv randomisierten Multizenterstudie im Einsatz. Für den Einsatz von Biologicals wie Ontak oder monoklonalen Antikörpern ist selbstverständlich der Phänotyp der Tumorinfiltrate von essenzieller Bedeutung. Deshalb wurde dem Auditorium die Frage gestellt, wie der häufigste Phänotyp der kutanen T-Zell-Lymphome der Haut aussieht. Hierbei war natürlich das häufigste T-Zell-Lymphom der Haut, die Mycosis fungoides, gemeint ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Hier wäre die Antwort 4 richtig gewesen. Das häufigste kutane Lymphom ist die Mykosis fungoides. Bei der Mykosis fungoides sind die Tumorzellen in der Regel negativ für CD7, CD25 und CD30 und positiv für CD3 und CD4.

Der typische Phänotyp der Mycosis fungoides ist C3+, CD4+, CD7-, CD30-, CD25-, was der vierten Lösungsoption entsprochen hätte [4]. Dieser Phänotyp wurde jedoch von nur 17 % der Befragten identifiziert. Es überraschte, dass mehr als die Hälfte des Auditoriums davon ausgegangen war, dass die Tumorzellen bei der Mycosis fungoides CD25 exprimieren. Dies ist jedoch nicht richtig. Erstaunlicherweise wirkt das Molekül Ontak jedoch auch bei Erkrankungen, die CD25 negativ sind. Hierzu gibt es verschiedene Erklärungshypothesen. Auf der einen Seite könnte es sein, dass durch die Behandlung mit Ontak die regulatorischen T-Zellen eliminiert und damit Immunantworten frei werden, die die Tumoren bekämpfen können. Auf der anderen Seite bindet zwar Ontak bevorzugt an den hochaffinen Interleukin-2-Rezeptor. Die Beta- und die Gamma-Kette jedoch ist auch Teil des Interleukin-7- und des Interleukin-15-Rezeptors, die in der homöostatischen T-Zell-Proliferation eine große Rolle spielen. Es könnte also gut sein, dass die suboptimale Bindung von Ontak an diese Rezeptoren für Anti-Tumor-Effekte von Bedeutung ist [5].

Viele therapeutische Strategien bei kutanen T-Zell-Lymphomen beabsichtigen eine Aktivierung von immunologischen Kaskaden. Das Zytokin Interferon-alpha wird ja seit Jahrzehnten erfolgreich für die Behandlung dieser Erkrankungen eingesetzt.

Fortschritte in der Immunologie haben zur Identifizierung so genannter Toll-like-Rezeptoren geführt, die vor allem der so genannten „Innate”-Immunität dazu dienen, repetitive Strukturen von Bakterien, Pilzen oder anderen Krankheitserregern zu identifizieren. Der Toll-like-Rezeptor-7-Agonist Imiquimod wird seit Jahren lokal erfolgreich zur Behandlung von viralen Erkrankungen eingesetzt und ist auch für die Therapie des Basalzellkarzinoms in Deutschland registriert.

Mit der nächsten Frage ([Abb. 3]) wurde nach dem natürlichen Liganden des Toll-like-Rezeptor-7 gefragt. Im letzten Jahr wurde nachgewiesen, dass dieser Ligand des Toll-like-Rezeptor-7, der in Endosomen in der Zelle lokalisiert ist, die einzelsträngigen RNA-Viren darstellt. So spielt z. B. dieser Rezeptor eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Influenza-Infektionen [6].

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Abb. 3 Die richtige Antwort ist 4. Die Toll-like-Rezeptoren 7 und 9 sind intrazellulär lokalisiert. Kürzlich wurde gezeigt, dass single-stranded RNA der natürliche Ligand des Toll-like-Rezeptors 7 ist.

In den letzten Jahren wurde molekularbiologisch gezeigt, dass epigenetische Veränderungen wesentlich zur Pathophysiologie maligner Erkrankungen beitragen. Dabei spielen die Veränderungen der Histone, die die DNA geordnet halten, eine wesentliche Rolle. Histone können in verschiedener Art und Weise modifiziert werden (z. B. acetyliert, methyliert, phosphoriliert oder ubiquitiniert). Histondeacetylase-Inhibitoren werden im Rahmen von klinischen Studien bei kutanen T-Zell-Lymphomen untersucht. Deshalb wurde Frage 4 zu den Histonen gestellt ([Abb. 4]). Histone sind Proteine, die im Zellkern liegen und dort die DNA ordnen und zur Transkription freigeben. Eine Methylierung der Histone inhibiert den Zugang zur DNA und reduziert die Gentranskription, während eine Acetylierung den Zugang verbessert und die Gentranskription fördert, so dass die Aussage 5 richtig gewesen wäre. Offensichtlich dachten viele Personen des Auditoriums, dass man bei Tumorzellen ja die Gentranskription blockieren müsste, wie das z. B. durch Zytostatika erfolgt. Wir wissen jedoch heute, dass eine Erhöhung der Transkription vor allem Moleküle wieder verfügbar macht, die den Zell-Zyklus regulieren oder die Apoptose induzieren können [6].

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Abb. 4 Histonmethylierung verbessert die Gentranskription durch eine bessere Erreichbarkeit der DNA für Transkriptionsfaktoren.

Herr PD Dr. Michael Weichenthal, Kiel, diskutierte in seinem Vortrag die wichtigen Nebenwirkungen des Retinoids Bexaroten, das inzwischen einen wichtigen Stellenwert in der Therapie kutaner T-Zell-Lymphome innehat. Der Einsatz von Bexaroten sollte nur dann erfolgen, wenn der behandelnde Arzt in der Lage ist, das mit Bexaroten verbundene Nebenwirkungsspektrum zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu stellte Herr PD Weichenthal die Frage, welche Medikamenteninteraktionen bei Diabetes mellitus zu erwarten sind. Hierbei ist es wichtig zu erkennen, dass eine diabetische Stoffwechsellage durch Bexaroten gebessert wird. Dabei steigert Bexaroten die Wirkung von Insulin ([Abb. 5]) [7] [8].

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Abb. 5 Die richtige Antwort ist 1. Bexaroten steigert die Wirkung von Insulin.

Eine weitere typische Nebenwirkung ist eine Hypothyreose, die fast obligat auftritt. Deshalb wird generell eine Frühsubstitution mit L-Thyroxin empfohlen ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Die Antwort 4 ist das richtige Vorgehen.

Herr Prof. Bonnekoh, Magdeburg, diskutierte in seinem umfangreichen Beitrag die Möglichkeiten einer Kombinationsbehandlung von Bexaroten mit anderen therapeutischen Maßnahmen. Interessant war dabei, dass praktisch alle Teilnehmer des Symposiums bereits Erfahrungen in der Kombinationstherapie mit Targretin gesammelt haben. Am häufigsten wird Targretin offensichtlich mit einer PUVA-Therapie und mit Interferon-alpha kombiniert ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Wie erwartet haben sehr viele Ärzte aus dem Auditorium Bexaroten schon in Kombinationen eingesetzt.

Die Referenten und die aktiv teilnehmenden Zuhörer des Symposiums waren sich einig, dass die Zukunft der Therapie mit Bexaroten in der Kombinationsbehandlung liegen wird. Deshalb werden die Ergebnisse der aktuell laufenden EORTC-Studie, die eine konventionelle PUVA-Behandlung vergleicht mit einer PUVA-Behandlung in Kombination mit Bexaroten, mit Spannung erwartet.

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Literatur

  • 1 Burg G, Kempf W, Cozzio A, Feit J, Willemze R. et al . WHO/EORTC classification of cutaneous lymphomas 2005: histological and molecular aspects.  J Cutan Pathol. 2005;  32 647-674
  • 2 Willemze R, Jaffe E S, Burg G, Cerroni L, Berti E, Swerdlow S H. et al . WHO-EORTC classification for cutaneous lymphomas.  Blood. 2005;  105 3768-3785
  • 3 Foss F. Clinical experience with denileukin diftitox (ONTAK).  Semin Oncol. 2006;  33 (1 Suppl 3) S11-S16
  • 4 Boehncke W H, Gerdes J, Wiese M, Kaltoft K, Sterry W. A majority of proliferating T cells in cutaneous malignant T cell lymphomas may lack the high affinity IL-2 receptor (CD25).  Arch Dermatol Res. 1993;  285 127-130
  • 5 Foss F, Demierre M F, Divenuti G. A Phase I trial of Bexarotene and Denileukin Diftitox in patients with relapsed or refractory cutaneous T-cell lymphoma.  Blood. 2005;  106 454-457
  • 6 Dummer R. Emerging drugs in cutaneous T-cell lymphomas.  Expert Opin Emerg Drugs. 2005;  10 381-392
  • 7 Mukherjee R, Davies P J, Crombie D L, Bischoff E D, Cesario R M, Jow L. et al . Sensitization of diabetic and obese mice to insulin by retinoid X receptor agonists.  Nature. 1997;  386 407-410
  • 8 Dummer R, Foss F, Dreno B, Bagot M. Clinical experience: practical management of five patients with cutaneous T-cell lymphoma (CTCL)-related symptoms.  Semin Oncol. 2006;  33 (1 Suppl 3) S26-S32

Prof. Dr. med. Reinhard Dummer

Dermatologische Klinik

Universitätsspital Zürich Gloriastrasse 31 8091 Zürich, Schweiz

Email: reinhard.dummer@usz.ch