Aktuelle Dermatologie 2006; 32(10): 429-431
DOI: 10.1055/s-2006-944767
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Miliares (kleinpapulös-lichenoides) disseminiertes Granuloma anulare

Miliar Lichenoid Disseminated Granuloma AnnulareL.  Kowalzick1 , L.  Eickenscheidt1 , D.  Ehrich1 , H.  Ziegler1
  • 1Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HUMAINE Vogtland-Klinikum Plauen GmbH (Ärztl. Direktor: Prof. Dr. med. habil. L. Kowalzick)
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Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie HUMAINE Vogtland-Klinikum Plauen GmbH

Postfach 100153 08505 Plauen

Email: lutz.kowalzick@web.de

Publication History

Publication Date:
17 October 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Berichtet wird über den Fall eines 46-jährigen Patienten mit der seltenen Variante eines miliaren (kleinpapulös-lichenoiden) disseminierten Granuloma anulare und konsekutivem Erythema nodosum. Überlegungen zur Diagnostik, Differenzialdiagnose und den therapeutischen Möglichkeiten werden diskutiert. Auf die hohe Bedeutung einer histologischen Diagnosesicherung bei lichenoiden Dermatosen wird hingewiesen.

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Abstract

We report the case of a 46 years old male patient with a rare miliar lichenoid variant of disseminated granuloma annulare and conscutive appearence of erythema nodosum. Diagnostic procedures, differential diagnosis and therapeutic options are discussed. The high importance of histopathology for the diagnosis in lichenoid dermatoses is pointed out.

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Einleitung

Das Granuloma anulare ist eine benigne, meist selbst-limitierende Erkrankung unbekannter Ursache, gekennzeichnet durch dermale Papeln, die oft eine anuläre Konfiguration annehmen, und die zu den granulomatösen entzündlichen Hauterkrankungen, die durch histomorphologisch nachweisbare Granulome gekennzeichnet sind, zählt. Neben der lokalisierten Form gibt es auch disseminierte Formen der Erkrankung. In etwa 15 % der Fälle liegt ein generalisiertes oder disseminiertes Granuloma anulare vor, wobei oft ältere Patienten erkranken. Diese Erkrankung äußert sich meist durch disseminierte anulär betonte erythematöse, plane oder plaqueartige Hautveränderungen. Daneben kann sie selten auch primär durch Hunderte von kleinen disseminierten hautfarbenen oder rötlichen Knötchen gekennzeichnet sein, die dann erst später zu anulären, bis zu etwa 5 cm durchmessenden randbetonten Plaques von weißlicher, rötlicher, livider oder bräunlicher Farbe konfluieren können. Im Gegensatz zu der subjektiv oft weitgehend symptomlosen und meist binnen zwei Jahren spontan abheilenden lokalisierten Erkrankung, die nicht in jedem Falle therapiert werden muss, verlaufen die disseminierten Formen eher chronisch und neigen weniger zur Spontanheilung. Wir stellen hier einen Patienten mit einer miliaren (hirsekorngroßen) kleinpapulös-lichenoiden Variante des disseminierten Granuloma anulare vor.

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Kasuistik

Uns wurde ein 46-jähriger Patient mit Hunderten exanthematisch ausgesäter Knötchen im Bereich des Stammes und der proximalen Extremitäten vorgestellt. Der Patient gab an, die allenfalls gering juckenden Hautveränderungen seien vor ca. 8 Monaten erstmals simultan aufgetreten. Der Patient sah einen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Hauterscheinungen und einem vorherigen Zeckenbiss. Medikamenteneinnahmen wurde negiert. Unter einer seitens der zuweisenden Dermatologin durchgeführten kombinierten UV-A- und UV-B-Phototherapie sei es eher zu einem Progress, insbesondere an den Beinen, gekommen.

Es fanden sich am gesamten Stamm und an den proximalen Extremitäten disseminiert Hunderte von monomorphen erythematösen Knötchen von 1 - 2 mm Durchmesser. Diese hatten einen lichenoiden Aspekt mit angedeutet polygonaler, scharfkantiger, flach erhabener Form und aufliegender Hyperkeratose ([Abb. 1]). Striäre Anordnungen von Einzelherden im Sinne eines Köbner-Phänomens fanden sich nicht. In der Diaskopie zeigte sich kein lupoides Infiltrat. Im Bereich der Wangen-Schleimhaut fand sich angedeutet eine Wickhamsche Zeichnung. Das Genitale fand sich frei.

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Abb. 1 a, b Schulter und Flanke eines 46-jährigen Patienten mit disseminiertem miliaren (kleinpapulös-lichenoiden) Granuloma anulare: Hunderte von 1 - 2 mm durchmessenden erythematösen und lichenoiden Papeln. Diaskopisch ohne apfelgeleeartigen Farbaspekt.

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Klinisch erinnerten die Hautveränderungen trotz des kaum vorhandenen Juckreizes am ehesten an einen Lichen ruber exanthematicus bzw. einen Lichen nitidus. In der Histologie fanden sich aber Veränderungen im Sinne eines Granuloma anulare. Bei orthokeratotischer Epidermis fand sich eine sternförmig umschriebene, unscharf begrenzte Nekrobiose mit vermehrter Muzineinlagerung, umgeben von einer palisadierenden histiozytären Randreaktion. Im Randbereich fanden sich paravasal auch lockere Rundzellaggregate. Eine Eosinophilie fehlte ebenso wie Merkmale eines sarkoidalen Granuloms ([Abb. 2]). In der Labordiagnostik fanden sich die Borrelien-, TPHA- und Hepatitis-Serologie negativ, das HbA1c fand sich normwertig.

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Abb. 2 a,b HE-Präparat (a) und Alzianfärbung (b)eines biopsierten lichenoiden Knötchens: Sternförmig umschriebene, unscharf begrenzte Nekrobiose mit vermehrter Muzineinlagerung (b) umgeben von einer palisadierenden histiozytären Randreaktion. Im Randbereich fanden sich paravasal auch lockere Rundzellaggregate.

Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient nach einer weiteren Woche im Bereich der Streckseite des linken Unterschenkels kontusiforme sehr stark schmerzhafte subkutane Knotenbildungen im Sinne eines Erythema nodosum. In der Labordiagnostik zeigte sich eine mäßige Monozytose von 13 %. ACE, Antistreptolysin, CRP und Rheumafaktor fanden sich im Normbereich bzw. negativ. Ein durchgeführter Röntgen-Thorax in 2 Ebenen fand sich ohne Hinweis auf ein Tumorgeschehen, eine aktive Tuberkulose oder pneumonische Infiltrate und ohne Nachweis einer pulmonalen Sarkoidose.

Dem Patienten wurde zur Therapie des disseminierten Granuloma anulare eine Photochemotherapie (orale oder Bade-PUVA-Behandlung) angeboten. Aufgrund des geringen subjektiven Leidensdrucks wollte er hiervon zunächst jedoch Abstand nehmen.

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Diskussion

Das Granuloma anulare (Wortstämme: „Körnchen” und „Ring”) ist eine benigne, meist selbst-limitierende Erkrankung unbekannter Ursache, gekennzeichnet durch dermale Papeln, die oft eine anuläre Konfiguration annehmen. Die Erkrankung wurde erstmals 1895 durch Fox klinisch und 1902 durch Crocker als spezifische Entität beschrieben [3]. Sie zählt zu den granulomatösen entzündlichen Hauterkrankungen, die durch histomorphologisch nachweisbare Granulome, knötchenförmige Zellansammlungen, die hauptsächlich aus Makrophagen und Lymphozyten bestehen, gekennzeichnet sind. Klinisch werden neben der klassischen lokalisierten Form, die perforierende, die subkutane, die erythematöse, die plaqueförmige und die disseminierte Form des Granuloma anulare, histologisch die nekrobiotische und die granulomatös-interstitielle Variante unterschieden [3].

In etwa 15 % der Fälle liegt ein generalisiertes oder disseminiertes Granuloma anulare vor, wobei oft ältere Patienten erkranken. Bei der erythematösen Form können sich besonders am Stamm aus disseminierten anulären Erythemen flache, unterschiedlich konfigurierte Papeln entwickeln. Bei der Plaqueform entwickeln sich, besonders an den Unterschenkeln, flächenhaft infiltrierte rötliche oder rötlich-bräunliche randbetonte Herde, ähnlich wie bei der Necrobiosis lipoidica. Diese beiden Formen können auch als klinische Varianten des disseminierten Granuloma anulare betrachtet werden. In einer seltenen weiteren Variante tritt die Erkrankung meist am Stamm und an den Unterschenkeln auf und ist gekennzeichnet durch Hunderte von kleinen disseminierten hautfarbenen oder rötlichen Knötchen, die gelegentlich auch jucken können und später zu anulären, bis zu etwa 5 cm durchmessenden randbetonten Plaques von weißlicher, rötlicher, livider oder bräunlicher Farbe konfluieren können. Die disseminierten Formen der Erkrankung verlaufen chronischer und neigen weniger zu Spontanheilungen [3].

In unserem Fall fand sich ein Befall des Stammes und besonders der proximalen Extremitäten mit Hunderten von hirsekorngroßen (miliaren) rötlichen Papeln mit deutlichem lichenoiden Aspekt. Klinisch wurde zunächst an einen disseminierten Lichen ruber bzw. einen Lichen nitidus gedacht, wobei gegen erstere Differenzialdiagnose der nur gering vorhandene Juckreiz, gegen letztere die rötliche Farbe, die etwas zu großen Einzelherde und deren Verteilung sprach. Erst die histopathologische Untersuchung eines biopsierten Knötchens zeigte eine nekrobiotische Form eines Granuloma anulare. Trotz des späteren Auftretens eines Erythema nodosum fanden sich weder klinisch, histologisch, laborchemisch noch radiologisch Anhaltspunkte für eine Sarkoidose.

Der kleinpapulös-lichenoide Typ des disseminierten Granuloma anulare als atypische Manifestation der Erkrankung wurde erstmals von Pachinger und Kerl [5] in ihrer Einteilung klinischer Erscheinungsformen des Granuloma anulare definiert. Einzelne Fälle mit zusätzlicher teilweise anulärer Anordnung der lichenoiden Papeln wurden vereinzelt beschrieben [6] [9]. Zuweilen sind die lichenoiden Papeln auch follikulär angeordnet und zentral gedellt [1].

Insbesondere bei den Formen des disseminierten Granuloma anulare werden verschiedene kausale Faktoren, insbesondere Diabetes mellitus Typ 2 oder Hepatitis-Virus-Infektionen diskutiert [3]. Für entsprechende Begleiterkrankungen fand sich in unserem Fall kein Hinweis.

In einem Fall eines anulär angeordneten kleinpapulös-lichenoiden Granuloma anulare kam es zur Abheilung nach Etretinat-Therapie, in einem weiteren nach Einstellung eines begleitenden Diabetes mellitus [6] [9]. Fälle von follikulär angeordneten kleinpapulös-lichenoidem Granuloma anulare sprachen vorübergehend auf systemische Steroide an [1]. Harth und Richard berichten über die erfolgreiche kombinierte Behandlung eines Falls eines kleinpapulös-lichenoiden Granuloma anulare mit Etretinat und PUVA [2]. Verschiedene Varianten des disseminierten Granuloma anulare behandelten Langrock sowie Salomon und Mitarbeiter [4] [7] in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich mit Bade-PUVA. Ein kleinpapulöses Granuloma anulare, das nicht auf systemische Steroide, Clofazimine bzw. Creme-PUVA ansprach, heilte unter Fumarsäure binnen 6 Wochen nahezu vollständig ab [8].

Unserem Patienten wurde zur Therapie des disseminierten Granuloma anulare eine Photochemotherapie (orale oder Bade-PUVA-Behandlung) vorgeschlagen. Alternativ wäre vor allem ein individueller oraler Heilversuch mit Retinoiden oder Fumarsäureestern zu erwägen.

Wir denken, dass der vorliegende Fall die hohe Bedeutung einer histologischen Diagnosesicherung bei lichenoiden Dermatosen demonstriert, da in manchen Fällen auch ein disseminiertes kleinpapulös-lichenoides Granuloma anulare vorliegen könnte.

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Danksagung

Wir danken Frau Dr. med. Renate Ott, Hautarztpraxis Rehau, für die gemeinsame Betreuung des Patienten, Herrn Dr.med. Michael Wilk, Dermatohistologisches Labor Nürnberg, für die Überlassung und Herrn Chefarzt Dr. med. Christoph Seidl, Institut für Pathologie und Tumordiagnostik am HUMAINE Vogtland-Klinikum Plauen, für die Ablichtung der histologischen Schnittpräparate.

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Literatur

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie HUMAINE Vogtland-Klinikum Plauen GmbH

Postfach 100153 08505 Plauen

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