Gastroenterologie up2date 2006; 2(3): 170-171
DOI: 10.1055/s-2006-944795
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Multiresistenter Staphylococcus aureus (MRSA): Was macht bestimmte Stämme so gefährlich und im ambulanten Bereich bemerkenswert virulent?

Winfried  Kern, Johannes  Weiß
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Publication Date:
20 September 2006 (online)

Kommentar zu:

Komplette Genomsequenz von USA300, einem epidemischen, ambulant erworbenen Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stamm

Complete genome sequence of USA300, an epidemic clone of community-acquired meticillin-resistant Staphylococcus aureus

Diep BA, Gill SR, Chang RF, Phan TH, Chen JH, Davidson MG, Lin F, Lin J, Carleton HA, Mongodin EF, Sensabaugh GF, Perdreau-Remington F; Department of Medicine, University of California, San Francisco General Hospital, San Francisco, USA

Hintergrund: Da zunehmend auch Gesunde außerhalb der Klinik mit Methicillin-resistenten Stämmen von Staphylococcus aureus (MRSA) kolonisiert sind, hat die Zahl an ambulant erworbenen MRSA-Infektionen in den letzten 5 Jahren stark zugenommen.

Methoden: B. A. Diep et al. sequenzierten nun das Genom von USA300, einem multiresistenten MRSA-Klon, der eine der Hauptquellen für ambulant erworbene Infektionen in den USA, Kanada und Europa ist. Die Ergebnisse verglichen sie anschließend mit Genomsequenzen von 10 anderen Staphylokokkenstämmen. Ziel dabei war, Gene zu identifizieren, die für bestimmte Virulenzeigenschaften des Keims verantwortlich sind.

Ergebnisse: Verglichen mit eng verwandten S.-aureus-Stämmen bestanden die spezifischen Gene von USA300 in einer Anhäufung neuer Allotypen mobiler genetischer Elemente. Einige davon waren für die Pathogenität verantwortlich, etwa Varianten von Enterotoxin Q und K. Die hervorstechendste Eigenschaft von USA300 war die horizontale Akquisition von Genen, die für einen Arginin-Deiminase-Weg und ein Oligopeptid-Permease-System kodieren und möglicherweise verantwortlich für Wachstum und Überleben des Bakteriums sind. Die Autoren konnten diese Gene, „arginin catabolic mobile element” (ACME) genannt, in keinem anderen Stamm von S. aureus nachweisen, fanden aber eine hohe Prävalenz davon bei S. epidermidis. Dies könnte darauf hinweisen, dass die Gene von S. epidermidis erworben sind und einen selektiven Vorteil für die Besiedelung der menschlichen Haut darstellen.

Folgerungen: USA300 hat nach Ansicht der Autoren mobile genetische Elemente erworben, die für Resistenz- und Virulenzfaktoren kodieren und so die Überlebensfähigkeit und Pathogenität des Keimes fördern.

Lancet 2006; 367: 731 - 739

Staphylococcus aureus ist ein häufiger Infektionserreger. Verschiedene Infektionen werden von ihm verursacht. Das Spektrum reicht von Impetigo und anderen Pyodermien bis zur schweren Sepsis mit metastatischen Absiedlungen in Knochen und Gelenken, ZNS und viszeralen Organen. Toxinbildner kommen vor - gut bekannt ist vielen das so genannte menstruelle „Toxic shock”-Syndrom, es gibt jedoch weitere Formen. Staphylococcus aureus besiedelt primär den Nasen-Rachen-Raum, über die Hände auch die Haut und Wunden. Nasen-Rachen-Abstriche bei Gesunden sind in etwa 30 - 40% positiv.

Penicillin- und Oxacillin-Resistenz. Die In-vitro-Empfindlichkeit von Staphylococcus aureus gegenüber Penicillin hat der Erreger bereits in den 50er Jahren verloren. Heute sind nur noch weniger als 20 % der Isolate Penicillin-empfindlich. Die in Deutschland erst Ende der 1990er Jahre rasant an Fahrt gewinnende Entwicklung von Oxacillin-empfindlichen zu Oxacillin-resistenten Spezies (so genannte ORSA oder auch Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, MRSA) ist nicht verwunderlich - war aber weitgehend beschränkt auf den Krankenhausbereich. Dies ist nicht mehr so. Die Verbreitung von MRSA außerhalb der Kliniken hat begonnen. Staphylococcus aureus hat sich hierzu genetisch weiter ausgestattet, und zwar wie schon häufiger in der Evolution mit Elementen von Staphylococcus epidermidis. Der Erwerb des so genannten ACME-Genclusters von Staphylococcus epidermidis ist bemerkenswert. Der Stamm USA300 ist damit das „Erfolgsmodell” geworden - vorerst.

Multiresistenz. Interessanterweise handelt es sich bei USA300 um einen Stamm, der nicht nur Oxacillin-resistent ist. USA300 ist gegenüber Makroliden/Clindamycin sowie Tetracyclinen resistent, zudem hochgradig resistent gegenüber Mupirocin (die Substanz, die als topisches Antibiotikum zur Dekolonisierung im Nasen-Rachen-Raum eingesetzt wird) und niedriggradig resistent gegenüber Fluorochinolonen.

Fazit. Die Implikationen dieser Beobachtungen für den Klinik- und Praxisalltag hier sind derzeit gering. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass ein gehäuftes Auftreten in Mitteleuropa und auch ungewohnt schwere Infektionen innerhalb der nächsten Jahre auf uns zukommen werden. Es wird dann notwendig sein, Kriterien zu entwickeln, mit denen am Krankenbett entschieden werden kann, bei wem eine (empirische) Therapie mit Betalactam-Antibiotika als nicht ausreichend betrachtet werden muss. Neuere Substanzen wie Linezolid, Tigecyclin und Daptomycin werden neben den konventionellen Glykopeptid-Antibiotika vermehrt eingesetzt werden müssen. Es ist zu hoffen, dass klinische Beobachtung und Analysen und nicht allein In-vitro-Testergebnisse Empfehlungen zur Therapieoptimierung erlauben werden. Positiv könnte sein, dass mehr in die Entwicklung von Schnelltests auf der einen Seite und in Vakzineforschung auf der anderen Seite investiert werden wird.

Prof. Dr. med. Winfried Kern

Medizinische Klinik und Poliklinik · Universitätsklinikum Freiburg

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