Einleitung
Am 22. 11. 2006 versammelten sich niedergelassene und klinisch arbeitende Dermatologen
und Arbeitsmediziner im Rahmen des 9. Dermatologisch-betriebsärztlichen Kolloquiums
zum Thema „Berufsdermatologie und Arbeitsmedizin: Epoxidharze und Acrylate” in Heidelberg.
Ziel des Kolloquiums war es, einen aktuellen Überblick über die Systematik der Allergene
und Kreuzallergene im Epoxidharz- und Acrylatsystem zu gewinnen und diese anhand von
Kasuistiken und Arbeitsplatzbeispielen, an denen Epoxidharze und Acrylate ein großes
sensibilisierendes und allergisierendes Expositionspotenzial haben, zu veranschaulichen.
Zu diesem Zweck war es gelungen, Experten aus den dermatologischen und sozialmedizinischen
Kliniken der Universität Heidelberg sowie dem weiteren Bundesgebiet als Referenten
zu gewinnen.
Hauterkrankungen spielen unter den Berufserkrankungen eine bedeutende Rolle. So gab
es im vergangenen Jahr 9140 Fälle von hautbedingten Berufskrankheiten, wie Herr T.
Köhler vom Landesverband Südwestdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften
in seinem einleitenden Grußwort betonte. Diese Zahl stelle mit 40 % die größte Gruppe
aller Berufskrankheiten dar, was man zum Anlass nehme, 2007 und 2008 in Zusammenarbeit
von Berufsgenossenschaften, Betriebskrankenkassen, allgemeinen Ortskrankenkassen und
gewerblichen Landesverbänden eine Präventionskampagne durchzuführen. Unter dem Motto
„Die Haut - die wichtigsten 2 qm Deines Lebens” solle die Gesundheit der Haut stärker
ins Bewusstsein der arbeitenden Bevölkerung und der Firmen gebracht werden. Diese
Initiative sei die zweite große betriebliche Kampagne nach einer Maßnahme gegen Sturzunfälle
in den vergangenen Jahren, die immerhin zu einer Unfallreduzierung von 26 % geführt
habe. Insofern sei die Messlatte der Hautkampagne hoch angelegt und es bedürfe zu
einer erfolgreichen Durchführung der engagierten Unterstützung durch sämtliche klinisch
tätigen und niedergelassenen Haut- und Betriebsärzte.
Vorträge
Diesem Appell schloss sich Herr PD Dr. med. J. Geier vom Informationsverbund Dermatologischer
Kliniken (IVDK) an der Universität Göttingen an, in dem er unter dem Thema „Allergene in Epoxidharzen” einen Überblick über die Epoxidharzsysteme und ihr allergisierendes Potenzial gab.
Er stellte dabei auch in Auszügen Ergebnisse der Epox-2002-Studie vor.
Bestandteile von Epoxidharzsystemen sind u. a. die kalthärtenden Harze Bisphenol A
(DGEBA) und Bisphenol F (DGEBF), aliphatische, cycloaliphatische und aromatische Aminhärter,
aliphatische, cycloliphatische und aromatische Glycidylether und als reaktive Verdünner.
Weitere Zusatzstoffe sind je nach Epoxidharz Modifikationsmittel, Pigmente, Zuschläge
oder Additive, deren allergisierendes Potenzial allerdings zu vernachlässigen ist.
Die Epox-2002-Studie zur Diagnostik von Epoxidharzallergien diente der Ermittlung
der am häufigsten eingesetzten Bestandteile von Epoxidharzsystemen, der Zusammenstellung
einer vorläufigen Epoxidharz-Testreihe und der parallelen Testung kommerziell erhältlicher
Epoxidharz-Testzubereitungen. Sie wurde in 3 Phasen im Zeitraum 2002 - 2005 an insgesamt
217 Patienten in 20 Zentren durchgeführt. 50 % der Patienten kamen aus dem Bauhauptgewerbe,
75 % der Patienten stellten sich mit V. a. eine Epoxidharzallergie vor. Es zeigte
sich, dass DGEBA 58 % und DGEBF 46 % der Untersuchten allergisierte. Anders ausgedrückt,
von 160 untersuchten Patienten reagierten 69 positiv auf DGEBF, und von diesen wiederum
65 auch positiv auf DGEBA, was Anlass zur Schlussfolgerung gab, dass derjenige Arbeitende,
der positiv auf Bisphenol-Epoxidharz A reagiert, im Sinne einer Kreuzreaktion auch
den Kontakt mit Bisphenol-F-Epoxidharz meiden sollte. In der Gruppe der reaktiven
Verdünner lag die Zahl der positiv reagierenden Untersuchenden je nach Substanz zwischen
5 % und 22 %. Dabei wurde auch auf Substanzen reagiert, die kaum noch oder nicht mehr
verwendet werden. Dies erklärte sich aus Kreuzreaktionen der noch verwendeten reaktiven
Verdünner 1,6-Hexandioldiglycidether (1,6-HDDGE) und 1,4-Butandiol-diglycidylether
(1,4-BDDGE) und der nicht mehr gebräuchlichen Substanzen wie Phenylglycidylether (PGE)
und Cresylglycidylether (CGE) ([Abb. 1]). Des Weitern zeigten sich regelhafte Kreuzreaktionen zwischen 1,6-HDDGE und 1,4-BDDFGE,
fast keine positiven Reaktionen auf CGE ohne Reaktion auf PGE und keine gehäuften
gleichzeitigen Reaktionen auf PGE und p-tert-Butylphenylglycidylether. Schließlich
reagierten von 190 Untersuchten 31 positiv auf PGE und von diesen wiederum 29 ebenfalls
positiv auf das gebräuchliche DGEBA, so dass auch hier eine klare Kreuzreaktion zu
sehen war. In der Gruppe der Aminhärter lag die Zahl der positiv reagierenden Untersuchten
je nach Substanz zwischen 2 % und 12 %. Die Liste wurde angeführt von m-Xylendiamin
(MXDA), welches erst in der Studie als Testsubstanz eingeführt wurde mit dem Problem
der schlechten Lagerfähigkeit. Weiterhin zeigte sich eine mögliche Kreuzreaktivität
zwischen Epoxidharzen und Acrylaten, was im zahntechnischen Umfeld eine Rolle spielt.
Von 40 positiv auf Bisphenol-A-diglycidylmethacrylat (BIS-GMA) getesteten Untersuchten
reagierten 34 auch auf DGEBA positiv. Bei der Epikutantestung mit Bestandteilen von
Epoxidharzsystemen ist eine niedrige Testkonzentration und eine geeignete Grundlage
zu wählen, um testverfälschende Irritationen der Haut zu vermeiden. So wird in der
4. Auflage „ Kontaktdermatitis ” (Herausgeber P. J. Frosch, T. Menné, J.-P. Lepoittevin)
eine Harzkonzentration von 0,25 % und eine Härter-/Verdünnerkonzentration von 0,1-0,3
% in Vaseline, Aceton oder Ethanol empfohlen.
Abb. 1 Chemische Formeln der praxisrelevanten reaktiven Verdünner.
Frau Dr. med. S. Boms aus der Hautklinik Heidelberg berichtete über die „Berufliche und außerberufliche Relevanz der Allergie auf Epoxidharze” anhand zweier Kasuistiken. Zum einen stellte sie einen 27-jährigen Patienten ohne
Atopie-Anamnese vor, der 3 Wochen nach Beginn einer Tätigkeit als Fliesenleger Handekzeme
beiderseits entwickelte. Eine gezielte Epikutantestung zeigte 1-fach positive Reaktionen
auf 1,6-HDDGE und 1,4-BDDGE und 2-fach positive Reaktionen auf DGEBF und MXDA. Es
erfolgte eine Lokalbehandlung mit Basodexan Softcreme® und eine innerbetriebliche
Umsetzung, die sicherstellte, dass es zu keinem erneuten Epoxidharzkontakt mehr kam.
Infolge dieser Maßnahmen kam es zu einer vollständigen Abheilung der Hautveränderungen.
Zum anderen stellte die Referentin einen 50-jährigen gelernten Maler und Lackierer
mit Rhinkonjunktivitis allergica saisonalis vor, der 1981 in einem Labor regelmäßig
Stahlträger mit Epoxidharzen beschichtete. Nach 6 Monaten dieser Tätigkeit zeigten
sich Ekzeme an beiden Unterarmen und Händen, die erst nach innerbetrieblicher Umsetzung
abheilten. 1993 erfolgte eine Austestung, die positiv auf Epoxidharze, 4,4-SDiaminodiphenylmethan
(4,4-DDM), CGE und PGE verlief. Daraufhin wurde eine Anerkennung als BK-Nr. 5101 rückwirkend
seit 1982 ausgesprochen. Weitere Epikutantestungen im Rahmen von Folgegutachten 2000
uns 2002 bestätigten die positiven Reaktionen und erweiterten das Spektrum noch um
p-Phenylendiamin (PPD). Eine aktuelle Austestung der Heidelberger Hautklinik im Rahmen
der EPOX 2002-Studie zeigte schließlich 1-fach positive Reaktionen auf N-Aminoethylpip-erazin
und 1,4-BDDGE, 2-fach positive Reaktionen auf Trimethylhexan-1,6-diamin, Butylglycidylether,
1,6-HDDGE, p-tert-Butylphenylglycidether und cycloalipathisches Epoxidharz sowie 3-fach
positive Reaktionen auf DGEBF und MXDA ([Tab. 1]). Dabei wurde auf eine erneute Austestung von 4,4-DDM, CGE, PPD und PGE verzichtet,
um eine aktive iatrogene Sensibilisierung zu verhindern. Der Patient berichtete, dass
er Rezidive nach unwissentlichem Epoxidharzkontakt in seiner Freizeit erlitten hatte,
nämlich Handekzeme beim Verwenden von Teppichbodenklebern und airborne contact-Dermatitiden
nach Fußbodenverlegung und Kontakt mit einer Person, die zuvor epoxidharzhaltige Karnevalsorden
gegossen hatte. Die neuerlichen Hautveränderungen wurden lokal mit Steroiden behandelt
und kamen zur Abheilung. Beim Patienten der ersten Kasuistik zeigt sich also, dass
durch Hautschutzmaßnahmen ein Arbeitsplatzverbleib möglich gewesen wäre, beim Patienten
der zweiten Kasuistik, der auf außerberufliche Kontakt mit Rezidiven reagierte, war
die berufliche Umsetzung wegen der stärkeren Symptomatik und der deutlich stärkeren,
ja sogar aerogenen Sensibilisierungskomponente essenziell. Das Fazit war, dass Epoxidharzallergien
i. d. R. beruflich erworben sind, jedoch außerberufliche Folgeprobleme machen können,
da sie derart potent sind, dass ein kurzzeitiger Kontakt Sensibilisierungen ermöglicht
und es sogar zu aerogenen Kontaktekzemen kommen kann. Die Standardaustestung auf Epoxidharze
erfasst Sensibilisierungen gegen Einzelkomponenten nicht vollständig, was zur Fehldeutung
irritativer Kontaktekzeme führen kann. Dies wurde in der EPOX-2002-Studie herausgearbeitet.
Tab. 1 Anamnese und Diagnostik der Patienten im Fallbeispiel.
|
Patient I |
Patient II |
| Sensibilisierungsweg |
beruflich (Fliesenleger) |
beruflich (Stahlträgerbeschichtung mit Epoxidharzen) |
| Epikutantest |
Epoxidharz, Bisphenol F-Epoxidharz, m-Xylidendiamin, 1,4 Butandioldiglycidylether, 1,6 Hexandioldiglycidylether, p-tert.-Butylphenylglycidylether |
Bisphenol F-Epoxidharz, cycloaliphatisches Epoxidharz, m-Xylidendiamin, Trimethylhexan-1,6-diamin, N-Aminoethylpiperazin, 1,6 Hexandioldiglycidylether,
1,4-Butandioldiglycidylether, p-tert.-Butylphenylglycidylether und Butylglycidylether |
Frau Dr. med. A. Schmidt vom Büro für Berufsdermatologie, Begutachtung und Betriebsberatung
in Nürnberg erläuterte im weiteren Verlauf anhand von Bildern „Arbeitsplatzbeispiele für Hautgefährdung durch Epoxidharze”. Der Kontakt mit Epoxidharzen und Acrylaten ist vielschichtig und vielfältig:
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So setzen sich Fliesenleger beim Estrichlegen hohen Konzentrationen von Epoxidharzen
in meist abgeschlossenen Feuchträumen aus, die zudem insbesondere in der privaten
Bauwirtschaft fast nie durch Absaugungen arbeitschutzgerecht sind.
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Ebenfalls massiv werden Epoxidharze im Bootsbau verwendet, wo Mitarbeiter oft ungeschützt
Fiberglasschichten mit Epoxidharzklebern zusammenführen und weitere Bootsbestandteile
mit Acrylaten verkleben, ohne vor direkten Substanzkontakten oder aerogenen Belastungen
geschützt zu sein. In einem Beispiel hatten sich in kurzer Zeit annähernd die Hälfte
der 50 neuen Mitarbeiter auf Epoxidharze sensibilisiert.
-
Das gleiche Problem ergebe sich in der Möbelbaubranche beim Verkleben von Bauelementen
während der industriellen Fertigung. Hier habe aber die betriebsärztliche Intervention
zur Installation weitreichender Arbeitsschutzmaßnamen geführt. So habe man in einem
Betrieb separate Räume mit Absaugungen geschaffen, in dem Möbelteile verklebt würden,
zudem würden durch Papierabdeckungen Arbeitsplatzverunreinigungen gering gehalten.
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Im Bereich der Metallverklebung würden zunehmend Epoxidharze und Acrylate kombiniert
verwendet, hier mit immer neuen Mischungen, so dass eine genaue Austestung die differenzierte
Rezeptur der Arbeitsstoffe benötigt, um eine vernünftige Diagnostik gewährleisten
zu können.
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Selbst Branchen wie die Hörgerätefertigung verwenden heutzutage Kombinationen aus
Acrylaten und Epoxidharzen.
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Maler und Lackierer kommen insbesondere bei der Verwendung von wasserdichten Farben
im Keller-, Bad- und Außenbereich von Wohnungen und Gebäuden mit Acrylaten und Epoxidharzen
in ständigen Kontakt.
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KfZ-Mechaniker finden Acrylate und Epoxidharze in Lacken, Spachtelmaßen und Lösemitteln.
Epoxidharze sind nicht ersetzbar, da keine gleichwertigen Klebstoffe bekannt sind.
Sie finden daher im Gegenteil eine zunehmende Anwendung, so auch bei der Einarbeitung
von Schrauben in Metallträgern, die hoher Zugbelastung ausgesetzt werden. Der Kleber
besticht hier durch seine Klebepotenz und die Tatsache, dass er zuverlässig und dauerhaft
Oxidationsprozesse durch Eindringen von Flüssigkeiten verhindert. Die Referentin hob
dabei die überhäufige berufliche Relevanz der Epoxidharze im Vergleich zu den häufigsten
allergisierenden Kontaktsubstanzen wie Nickel(II)-Sulfat, Kobalt(II)chlorid oder Duftstoffmixe,
Formaldehyd oder Paraben-Mixe hervor ([Abb. 2]). Die positive Reaktion auf Epoxidharze beruflich und klinisch sei fast immer allergisch
oder irritativ bedingt.
Abb. 2 Klinische und berufliche Relevanzen sensibilisierender Substanzen im Vergleich.
Schließlich wies die Referentin anhand des Beispiels der Polierstaubarbeiten darauf
hin, dass ein aerogener allergischer Kontakt mit Epoxidharzen nicht möglich ist, wenn
sie korrekt gemischt wurden und vollständig ausgehärtet hatten, eine Allergisierung
jedoch möglich ist, falls im Gemisch noch Monomere vorhanden sind, die dann beim Polieren
aerogen freigesetzt werden können.
Herr F. Kirschner aus der sozialmedizinischen Abteilung der Universitätsklinik Heidelberg
trug in einer weiteren Kasuistik ein „Allergisches Kontaktekzem in einem Hautransplanat” vor. Ein 54-jähriger Mann erlitt 1990 bei einem Arbeitsunfall einen Hautdefekt, der
vom Tenar bis zum Handrücken der linken Hand reichte und mittels Leistenhauttransplanat
gedeckt werden musste. 2005 zeigten sich juckende, rötliche Makulä in den Transplantatecken,
im Verlauf kam es zu Schwellung, Vesikuläbildung, Krusten und Rhagaden. Eine vorübergehende
Abheilung wurde unter Therapie mit Locacorten-Vioform-Paste und Aureomycin-Salbe sowie
durch phasenweise Gabe oraler Antibiosen erzielt. Jedoch blühte die Symptomatik immer
wieder auf. Die Diagnostik ergab eine Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Gräser- und
Roggenpollen, D. pteronyssinus und D. farinae, sowie eine Typ-IV-Reaktion gegenüber
allen 4 Thiuramen der DKG Gummi-Reihe, Zinkdiethyldithiocarbamat, Nickel-II-Sulfat
und Dibromdicyanobutan. Locarten-Vioform-Paste, weiche Zinkpaste, Creme-PUVA bis zu
einer Dosis von 1,5 J/qcm und eine Hautpflege mit Urea 5 % in DAC-Basiscreme führten
zur Abheilung der Hautveränderungen des Transplantats. Es handelte sich um ein allergisches
Kontaktekzem nach Tragen eines carbamathaltigen Handschuhs bei Typ-IV-Sensibilisierung
gegenüber Thiuramen und Zinkdiethyldithiocarbamat. Das Transplanat wurde hierbei als
Locus minoris resistentiae und alleiniger Entstehungsort des Ekzems angesehen.
Frau Dr. med. H. Wiedemeyer berichtete im Folgenden über die Kasuistik einer „Rhinokonjunktivitis bei einer Floristin”.
Die heute 37-jährige Floristin entwickelte in den ersten 2 Jahren ihrer Berufstätigkeit
Symptome einer Rhinokonjunktivitis und einen Juckreiz an Händen, Armen und der Kopfhaut.
Sie band in der Zeit hauptsächlich Kränze, wobei es zu juckenden Ekzemen der Hände
kam. Bevor dieser Befund klinisch eingestuft werden konnte, wechselte die Patientin
den Arbeitsplatz und war nun hauptsächlich mit Schnittblumen befasst. Die Handsymptome
verschwanden, jedoch stellte sich nun eine erneute Rhinokonjunktivitis ein, die selbstständig
mit Antihistaminika therapiert wurde. Eine hautfachärztliche Vorstellung bei V. a.
auf Typ-I-Sensibilisierung auf Korbblüter (Asterceae) erfolgte, eine Diagnostik wurde
aber wegen der Schwangerschaft der Patientin nicht durchgeführt. Stattdessen erfolgte
aus privaten Gründen eine längere berufliche Abwesenheit. Der erneute Berufseinstieg
war in einem Geschäft für Hydrokulturen. Hier kam es schon nach 6 Monaten zu einer
Rhinokonjunktivitis mit Bronchokonstriktionen. Der überwiegende Pflanzenkontakt bestand
mit Ficuspflanzen. Die allergologische Austestung in der allergologischen Ambulanz
der Hautklinik Heidelberg zeigte dann auch ein erhöhtes spezifisches IgE auf Ficus
benjamina (20 kU/l). Das Risiko der Ficus-benjamina-Allergie wird durch eine atopische
Diathese erhöht. Das Symptomspektrum ist breit (Rhinokonjunktivitis allergica perennialis,
Kontakturtikaria, Quincke-Ödem, Asthma, anaphylaktischer Schock). Die Ficusmilch diffundiert
durch die Blätter, tritt an der Blattoberfläche durch Osmose aus, mischt sich mit
und akkumuliert in Hausstaub, wird somit zum aerogenen Allergen ([Abb. 3]). Kreuzreaktivitäten mit Latexproteinen (speziell Hevein) und Fruchtenzymen (Chitinasen,
Thioproteasen) sind bekannt ([Abb. 4]). Fazit ziehend ist die Atopie eine Prädisposition für die Ficussensibilisierung.
Die Ficusallergie ist beruflich relevant und somit sind Atopiker nicht geeignet für
den häufigen Kontakt mit Ficuspflanzen. Allgemein gibt es eine hohe Inzidenz von Sensibilisierungen
gegenüber Zierpflanzen bei Patienten mit allergischer Rhinitis. Ficus-Extrakt sollte
somit in die Prickstandardreihe der Soforttypallergien aufgenommen werden, da insbesondere
Ficus benjamina zeigt, dass Zierpflanzen versteckte Allergene sind, die viel zu selten
als solche registriert werden.
Abb. 3 Ficusmilch diffundiert durch die Blätter, tritt an der Blattoberfläche durch Osmose
aus, mischt sich mit Hausstaub.
Abb. 4 Kreuzreaktivität von Latexproteinen und Fruchtenzymen.
Frau Dr. med. E. Weisshaar aus der sozialmedizinischen Abteilung der Universitätsklinik
Heidelberg stellte schließlich die Kasuistik einer „Erfolgreichen Etanercepttherapie bei Acrodermatitis continua supportiva Hallopeau” vor. Eine heute 50-jährige Frau stellte sich erstmals 2003 mit seit 1997 bestehenden
juckenden Bläschen der Finger und gelben Bläschen der Fersen vor. Sie arbeitete seit
1971 als Zahnarzthelferin, zeigte eine Rhinokonjunktivitis allergica auf Hasel, Erle
und Birke, eine Latexsensibilisierung und eine Typ-IV-Sensibilisierung auf Nickel(II)-Sulfat
und Kolophonium. Sie benutzte Vinylhandschuhe am Arbeitsplatz, pflegte die Finger
und Fersen indifferent. Der Erlanger Atopiescore lag bei 9 Punkten, das Gesamt-IgE
bei 249 kU/l, Phadiatop war positiv, eine Mykologie der Handschuppen negativ. Es wurde
die Diagnose einer Acrodermatitis continua supportiva Hallopeau gestellt. Die Erkrankung
ist selten und zeigt chronische Eruptionen steriler Pusteln mit akraler, den Nagelwall
einbeziehender Lokalisation. Es kommt zu Onychodystrophie und Anonychie, ggf. auch
zu Gelenkbeteiligung. Die Ätiologie ist unbekannt, infektiöse Fokalherde sollten gesucht
werden. Die Behandlung ist schwierig, oft therapiefraktär. Zur Anwendung kommen topische
Steroide oder Calcipotriol, systemisch orale Retinoide, Cyclosporin, Dapson, MTX,
(Re)-PUVA. Die Patientin wurde zunächst mit Balneo-PUVA und Calcipotriol, schließlich
in wechselnden Dosen mit Acitrecin behandelt. Bei Auslassversuchen des Acitrecin kam
es fortwährend zu Rezidiven. Seit 02/06 wurde Etanercept in der Therapie ergänzt mit
einer Dosis von 25 mg s. c. zweimal wöchentlich, was zu einem bislang anhaltenden
Erfolg führte. Etanercept ist ein TNF-alpha-Antagonist, der als Enbrel 2 × 25 mg oder
2 × 50 mg wöchentlich subcutan verabreicht wird. Er wirkt monotherapeutisch bei Psoriasis
mit Gelenkbeteiligung, kann aber auch mit Immunsuppressiva und Immunmodulatoren kombiniert
werden und ist somit eine Therapiemöglichkeit bei ansonsten therapieresistenter Acrodermatitis
continua supportiva Hallopeau.
Zusammenfassung
Die oben geschilderten Erkenntnisse dokumentierten eindrücklich den hohen Stellwert
der Allergisierung durch Epoxidharze und Acrylate in der Berufswelt. Die zunehmende
Anwendung und Kombination dieser beruflich hochrelevanten Stoffe macht ihre ausführliche
allergologische Diagnostik immer anfordernder. Die Kenntnis der Systematik insbesondere
der Epoxidharzsysteme und die Fähigkeit der einzelnen Komponenten der Epoxidharzsysteme
zur Kreuzreaktivität ist hierbei von großer Bedeutung. Aber auch der Einblick in Arbeitsplatzsituationen,
die einen intensiven Kontakt mit Epoxidharzsystemen und Acrylaten herbeiführen, ist
wichtig für das Verständnis des hohen Sensibilisierungspotenzials der Stoffe und der
daraus folgenden Notwendigkeit (nicht nur) beruflicher Schutzmaßnahmen.
Das Kolloquium zeigte aber auch eindrückliche Kasuistiken seltener Sensibilisierungen
aus nicht epoxidharz- oder acrylatbelasteten Bereichen, die belegen, dass eine intensive
Diagnostik seltener aerogener Allergene und Kontaktallergene notwendig sein kann,
um therapeutisch erfolgreiche Erkenntnisse zu erzielen.