Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(3): 244-245
DOI: 10.1055/s-2006-947119
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

BK-Gonarthrose: Wissenschaftliche Bewertung und gutachterliche Problematik

O. Gonschorek1 , V. Bühren1
  • 1Abt. Chirurgie/Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
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Dr. O. Gonschorek
V. Bühren

Abt. Chirurgie/Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

Professor Küntscher Straße 8, 82418 Murnau

Publication History

Publication Date:
04 July 2006 (online)

 
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Dr. Oliver Gonschorek

Das Bundesarbeitsblatt vom 1.10.2005 empfiehlt die Aufnahme einer neuen Berufskrankheit in die Liste der Berufskrankheitenverordnung.

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Berufskrankheiten (BK)

Berufskrankheiten sind beruflich bedingte Erkrankungen, die in der Liste der Berufskrankheiten im Anhang der Berufskrankheitenverordnung (BKV) aufgeführt sind. In dieser Liste sind alle Krankheiten zusammengefasst, welche grundsätzlich durch berufliche Einwirkung verursacht werden können. Wird eine Krankheit von einem Arzt oder Zahnarzt angezeigt, so läuft ein Verfahren bei der zuständigen Unfallversicherung an, an dessen Ende die Entscheidung steht, ob eine Berufskrankheit besteht und ob bei positivem Bescheid eine Leistung (Rente, Heilfürsorge, Berufshilfe etc.) zu gewähren ist. Zu einigen dieser Krankheiten wurden einschränkende Voraussetzungen definiert, wie Berufsgruppe, Dauer und Intensität der Einwirkung. Außerdem gibt es zu jeder in der Liste aufgeführten Krankheit ein erläuterndes Merkblatt.

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Meniskopathie

Als BK 2102 wird bereits die Meniskopathie aufgeführt. Nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten kann ein Meniskusschaden als Berufskrankheit anerkannt werden. Eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke gilt für Dauerzwangshaltungen, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder durch häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere beim Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage. Mit einer überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke muss z. B. im Bergbau unter Tage, bei Ofenmaurern, bei Fliesen- oder Parkettlegern, bei Rangierarbeitern, bei Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen gerechnet werden. Eine Gonarthrose ist als Krankheitsfolge möglich.

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BK Gonarthrose

Laut Bundesarbeitsblatt vom 1.10. 2005 wird die Einführung einer neuen Berufskrankheit mit folgender Definition empfohlen:

"Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde/Schicht."

In diesem Zusammenhang werden als Arbeiten, die Knien, Hocken, Kriechen oder den Fersensitz erzwingen, beim Fliesenleger, Bodenleger, Teppichleger, Parkettleger, Natur- und Kunststeinleger, Estrichleger, Pflasterer, Dachdecker, Installateur, Maler, Betonbauer, Bergmann im untertägigen Bergbau, Schweißer, Schiffbauer, Werkschlosser, Gärtner, Rangierer als überdurchschnittlich belastende Tätig-keiten angegeben.

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Gonarthrose

Eine Gonarthrose kann bisher als Folge eines Traumas oder auch einer berufsbedingten Meniskopathie (BK 2102) für die gesetzliche Unfallversicherung relevant werden. Die beruflich und außerberuflich erworbenen Gonarthrosen unterscheiden sich im klinischen Erscheinungsbild nicht. Entsprechend problematisch ist die Differenzierung zwischen einer berufsbedingten und aus anderen Ursachen resultierenden Gonarthrose. Die immense volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Fragestellung lässt sich erahnen: Die Bewegungsorgane sind zurzeit bei den arbeitsbedingten Erkrankungen und Beschwerden als Grund für Arbeitsausfallzeiten führend. Es resultieren Behandlungskosten in geschätzter Höhe von etwa 35 Milliarden Euro und Produktionsausfälle von ca. 12,5 Milliarden Euro.

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Anerkennungskriterien

Das Bundesarbeitsblatt vom 1.10. 2005 empfiehlt zur Anerkennung des Zusammenhangs, neben der entsprechenden Belastung, nachfolgend aufgeführte diagnostische Kriterien vorauszusetzen:

  • chronische Kniegelenkbeschwerden,

  • Funktionsstörungen (eingeschränkte Streckung und Beugung),

  • röntgenologische Gonarthrose mindestens Grad 2 (nach Kellgren) mit definitiven Osteophyten und zumindest möglicher Verschmälerung des Kniegelenkspaltes.

Die Anerkennung einer einseitigen Gonarthrose setzt eine damit vereinbare Tätigkeitsbeschreibung voraus. Eine Adipositas erhöht das Risiko der Entstehung einer Gonarthrose (relatives Risiko 8,1), bei gleichzeitig kniender Tätigkeit ergibt sich ein multiplikatives Risiko, bei gesicherter beruflicher Belastung und Adipositas ist die Gonarthrose als Berufskrankheit anzuerkennen. Konkurrierende bzw. gleichzeitig wirkende Faktoren sind Patella alta als präarthrotische Deformität, posttraumatische Inkongruenzstörung (relatives Risiko 2,9), Osteochondrosis dissecans, chronische Polyarthritis, Zustand nach Meniskusresektion (relatives Risiko 7,0-9,7), Kreuzbandinsuffizienz (relatives Risiko 9,6), positive Familienanamnese für arthrotische Veränderungen (relatives Risiko 2,3).

Eine ärztliche Begutachtung zur Abschätzung der wesentlichen Teilursache ist somit in jedem Einzelfall erforderlich. In der Regel erfolgt keine Anerkennung als BK bei außerberuflicher Meniskusresektion oder Kreuzbandruptur. Chondropathia und Chondromalazia patellae werden ebenfalls als außerberufliche wesentliche Ursachen genannt.

Allein die Tatsache, dass einerseits dargelegt wird, dass Adipositas mit einem über 8fach erhöhtem Risiko der Arthrose-Entstehung einhergeht und dennoch auch bei Vorliegen einer Adipositas eine BK Gonarthrose anerkannt werden soll, zeigt die derzeitige Brisanz des Themas.

Die bisherigen Empfehlungen im Vorfeld zur Erarbeitung wissenschaftlich begründeter Richtlinien sind nun von den entsprechenden Gremien zu verifizieren und festzulegen. Der Prozess zur Definition verbindlicher Richtlinien zur Anerkennung einer Berufskrankheit ist in der Regel komplex und erfordert die Zuarbeit unterschiedlicher Institutionen. Die Technischen Kommissionen der Berufsgenossenschaften sind gefordert, Belastungskomponenten bestimmter Berufsgruppen und ihre zeitlich sequenzielle Struktur zu analysieren.

In der Literatur finden sich durchaus unterschiedliche Angaben zu Lastmanipulationen in Abhängigkeit unterschiedlicher Körperhaltungen. Auch wurden signifikante Unterschiede innerhalb der einzelnen Berufsgruppen bei verschiedenen Arbeitsbedingungen (z.B. Akkord, Großbaustelle) aufgezeigt. In medizinischen Arbeitskreisen müssen diverse Begriffsdefinitionen gefunden und vereinbart werden, bevor im Detail zu einzelnen Kriterien der Anerkennung oder Ablehnung wissenschaftlich begründet Stellung bezogen werden kann.

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Gutachterliche Problematik

Erst wenn diese Definitionen und Richtlinien klar vorgegeben sind, können Anträge und Begutachtungen zu der neuen BK ausreichend begründet werden. Mehrere Autoren sehen den wissenschaftlichen Hintergrund als Voraussetzung für eine gutachterliche Umsetzung zum Thema BK Gonarthrose zum jetzigen Zeitpunkt als noch nicht ausreichend abgesichert an. Die Berufsgenossenschaften haben auf diese kritischen Stimmen im Vorfeld reagiert und multidisziplinäre Arbeitsgruppen gebildet, mit der Aufgabe, verbindliche und nachvollziehbare Vorgaben zu definieren, um die BK Gonarthrose schlüssig und wissenschaftlich begründet von Gonarthrosen mit anderen wesentlichen und somit konkurrierenden kausalen Genesen abzugrenzen.

Dr. O. Gonschorek
V. Bühren

Abt. Chirurgie/Unfallchirurgie, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

Professor Küntscher Straße 8, 82418 Murnau

Dr. O. Gonschorek
V. Bühren

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