Z Orthop Ihre Grenzgeb 2006; 144(5): 437-439
DOI: 10.1055/s-2006-949583
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arthroskopisch assistierter simultaner vorderer und hinterer Kreuzbandersatz

Further Information
#

Dr. Markus Schofer
Dr. Horst-Rainer Kortmann

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg GbR

Großenbaumer Allee 250, 47249 Duisburg

Email: markus.schofer@bgu-duisburg.de

Publication History

Publication Date:
05 October 2006 (online)

 
Table of Contents

Kombinierte Rupturen des vorderen und hinteren Kreuzbandes sind seltene Verletzungen. Nach konservativer Behandlung resultiert eine multidirektionale Instabilität des Kniegelenkes, welche neben den klinischen Beschwerden zu einem vorausschreitenden Kniegelenkverschleiß führt.

#

Unterschiedliche Verletzungen und Therapieverfahren

In der Literatur werden verschiedene operative Behandlungskonzepte angegeben. Diese beziehen sich meist auf retrospektive Studien mit geringer Fallzahl. Die unterschiedlichen Verletzungskombinationen, verschiedene operative Behandlungen, Nachbehandlungen und verwendete Nachuntersuchungsparameter machen einen Literaturvergleich schwer. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die klinische Evaluation der Ergebnisse nach arthroskopisch assistierter simultaner vorderer und hinterer Kreuzbandersatzplastik mit autologem, ipsilateral entnommenem Sehnentransplantat, unter besonderer Berücksichtigung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

#

Häufigste Ursache sind Verkehrsunfälle

Von 2001-2003 wurden 9 Patienten an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg mit einer einseitigen traumatischen intraligamentären vorderen und hinteren Kreuzbandruptur operativ behandelt. Zur Vereinheitlichung des Kollektivs wurden Patienten mit Gefäß-Nerven-Verletzungen oder knienahen Frakturen ausgeschlossen. Das Durchschnittsalter der 1 weiblichen und der 8 männlichen Patienten betrug 31 (17-45) Jahre. Als Unfallhergang überwog der Verkehrsunfall (4x Motorrad, 3x PKW = 78%). Bei 6 Patienten lag eine Kniegelenksluxation vor. Die komplexe Kniebandinstabilität wurde bei 2 polytraumatisierten Patienten erst sekundär erkannt.

Die Patienten waren im Durchschnitt 1,4-mal arthroskopisch voroperiert. Hierbei erfolgte bei einem Patienten eine Meniskusrefixation und bei 2 Patienten eine Meniskusresektion. Begleitverletzungen des Kapsel-/ Bandapparates wurden primär operativ oder konservativ behandelt. Innenbandverletzungen wurden bei 5 Patienten konservativ, die so genannte posterolaterale Ecke bei je einem Patienten konservativ beziehungsweise offen operativ behandelt.

#

Später Operationszeitpunkt nach Trauma

Der arthroskopische simultane Kreuzbandersatz erfolgte im Durchschnitt 235 (52-567) Tage nach dem Trauma mit ipsilateralem Patellarsehnen- und Beugesehnentransplantat. Ursächlich für die späte kreuzbandstabilisierende Operation waren die im Vordergrund stehenden Begleitverletzungen beziehungsweise die späte Patientenvorstellung nach auswärtiger Vorbehandlung. Bei dem konservativ behandelten Patienten mit zusätzlicher posterolateraler Instabilität war bei fortbestehender Instabilität eine posterolaterale Refixation in der Technik nach Larson erforderlich. Die standardisierte funktionelle Nachbehandlung wurde mit einer Knieorthese durchgeführt.

Alle Patienten konnten durchschnittlich 37 (24-58) Monate postoperativ nachuntersucht werden. Es erfolgte eine Anamneseerhebung mit Fragen nach gesundheitsbezogener Lebensqualität und Knieschmerzen, klinische Untersuchung, isokinetische Austestung, sonographische Untersuchung, Röntgenuntersuchung mit gehaltenen Aufnahmen und Kernspintomographie.

#

Subjektive und objektive Besserung

Im klinischen Lysholm-Gillquist-Kniescore wurde eine signifikante Verbesserung von präoperativ 45 (25-60) Punkten auf 74 (64-84) Punkte zur Nachuntersuchung erreicht (p< 0,001). Der Lysholm-Gillquist-Score (0-100 Punkte) wird am häufigsten bei Knieinstabilitäten verwendet, er besteht zu 95% aus subjektiven und 5% aus objektiven Parametern.

Im Score des International Knee Documentation Committee (IKDC) werden bei einer minimalen Nachkontrollzeit von 2 Jahren die untersuchten Parameter in 4 Gruppen mit insgesamt 15 Kategorien eingeteilt. Für jede Kategorie wird eine Bewertung von A-D vorgenommen; dabei bedeutet A = normal, B = fast normal, C = abnormal und D = stark abnormal. Die schlechteste Bewertung innerhalb der 4 Gruppen ergibt die Gruppenqualifikation und die schlechteste Gruppenqualifikation ergibt das Gesamtergebnis. Wird ein Kniegelenk somit in nur einer Hinsicht als abnormal bewertet, so kann es sich auch im Gesamten nicht um ein normales Kniegelenk handeln. Im IKDC Knie-Evaluationsblatt erreichten bei der Nachuntersuchung 4 Patienten die Beurteilung "fast normal" und 5 Patienten die Beurteilung "abnormal". Von den 9 operierten Patienten verbesserten sich in Bezug auf den präoperativen Zustand 7 in der Eingruppierung, 2 Patienten verblieben in der Bewertung "abnormal".

Das Aktivitätsniveau der Patienten wurde nach Tegner und Lysholm mit 11 Abstufungen (0-10) eingeschätzt. Der Aktivitätsscore stieg durchschnittlich von 4,2 (3-5) vor der Kreuzbandoperation auf 6,4 (5-9) bis zur Nachuntersuchung (p < 0,002), wobei sich alle Patienten um 1 bis 5 Aktivitätslevel verbesserten.

Die mit der visuellen Analogskala (0-10) ermittelten Knieschmerzen betrugen bei den Patienten durchschnittlich präoperativ 4,7 ±1,0 Punkte und verbesserten sich zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung auf 2,2 ±0,8 Punkte (p < 0,001). Alle Patienten würden die Kreuzbandersatzoperation erneut durchführen lassen.

Die Messung der vorderen und hinteren Kniestabilität und isokinetischen Muskelkraft ergab im Vergleich zur gesunden Gegenseite signifikant schlechtere Ergebnisse. Im Seitenvergleich wurde durchschnittlich ein Streckdefizit von 3° (0-10°) und eine Beugehemmung von 11° (0-20°) festgestellt. Eine beginnende posttraumatische Arthrose wurde bei 6 Patienten nachgewiesen.

#

Vorheriges sportliches Niveau unerreicht

Verglichen mit einer alters- und geschlechtsentsprechenden Referenzgruppe zeigten die Patienten eine wesentliche Einschränkung der Lebensqualität vor allem in Bezug auf die körperliche Befindlichkeit. Alle Patienten konnten ihren bisherigen Beruf weiter ausüben, hatten jedoch das vorherige sportliche Niveau nicht wieder erreicht.

Als postoperative Komplikation war bei einem Patient eine zweimalige Kniegelenkspunktion erforderlich. Bei einem Patient wurde kernspintomographisch eine Teilruptur des hinteren Kreuzbandtransplantates bei der Nachuntersuchung festgestellt. Die Kreuzbandtransplantate der übrigen 8 Patienten waren kernspintomographisch unauffällig

#

Schlussfolgerung

Die eigenen Frühresultate zeigen, dass die arthroskopisch assistierte simultane vordere und hintere Kreuzbandersatzplastik sicher durchzuführen ist. Die Patienten kommen im Alltag gut zurecht, eine normale Funktion und Belastbarkeit des Kniegelenkes kann jedoch nicht wieder erreicht werden.

Zoom Image

Abb. 1 a-d: MRT-Bilder eines 22-jährigen Patienten mit vorderer und hinterer Kreuzbandruptur nach Verkehrsunfall (a). Röntgenbefund nach sekundärer simultaner Kreuzbandrekonstruktion mit ipsilateralem Patellarsehnen- und Beugesehnentransplantat (b). Regelrechter Transplantatverlauf im MRT (c), bei stabilem Kniegelenk und gutem funktionellen Ergebnis nach 33 Monaten (d).

Literatur beim Verfasser

#

Dr. Markus Schofer
Dr. Horst-Rainer Kortmann

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg GbR

Großenbaumer Allee 250, 47249 Duisburg

Email: markus.schofer@bgu-duisburg.de

#

Dr. Markus Schofer
Dr. Horst-Rainer Kortmann

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg GbR

Großenbaumer Allee 250, 47249 Duisburg

Email: markus.schofer@bgu-duisburg.de

 
Zoom Image

Abb. 1 a-d: MRT-Bilder eines 22-jährigen Patienten mit vorderer und hinterer Kreuzbandruptur nach Verkehrsunfall (a). Röntgenbefund nach sekundärer simultaner Kreuzbandrekonstruktion mit ipsilateralem Patellarsehnen- und Beugesehnentransplantat (b). Regelrechter Transplantatverlauf im MRT (c), bei stabilem Kniegelenk und gutem funktionellen Ergebnis nach 33 Monaten (d).