Quellen: Hochman JS, Lamas GA, Buller CE et al. Coronary intervention for persistent occlusion
after myocardial infarction. N Engl J Med 2006; 355: 2395-2407
Dzavik V, Vuller CE, Lamas GA et al. Randomized trial of percutaneous coronary intervention
for subacute infarct related coronary artery occlusion to achieve long-term patency
and improve ventricular function: the Total Occlusion Study of Canada (TOSCA)-2 trial.
Circulation 2006; 114: 2449-2457
Thema: Nicht wenige Kardiologen beriefen sich auf den gesunden Menschenverstand und die
Logik und propagierten, Herzinfarktpatienten lieber spät einer Koronarangioplastie
zuzuführen als gar nicht - auch wenn das Akutereignis bereits einige Tage zurücklag.
Sie konnten ihre Argumentation zwar nicht auf Studienergebnisse stützen, waren sich
aber dennoch sicher, dass auch diese Patienten von der Koronarintervention profitieren.
Einige lehnten Studien, in der eine optimierte medikamentöse Therapie gegen die Spätintervention
getestet werden sollte, sogar als unethisch ab. Jetzt jedoch liegen aktuelle Studienergebnisse
vor, die diese Mediziner eines Besseren belehren sollten.
Projekt: Die Initiatoren der OAT[1]-Studie testeten nämlich eben diese Fragestellung und randomisierten 2166 stabile
Patienten, deren Myokardinfarkt drei bis 28 Tage zurücklag in zwei Studiengruppen.
Alle Studienteilnehmer erhielten eine optimale medikamentöse Behandlung, 1082 Patienten
wurden zusätzlich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) plus Stent an dem total
verschlossenen Infarktgefäß zugeführt. Der kombinierte primäre Endpunkt der Studie
setzte sich zusammen aus Tod, Reinfarkt oder Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse IV.
Ergebnisse: Zwar hatten die Patienten, die sich einer Koronarangioplastie unterzogen hatten,
weniger Angina-pectoris-Schmerzen (gemessen nach vier Monaten und einem Jahr), doch
dies relativierte sich im Verlauf der vierjährigen Beobachtungszeit. Einen Vorteil
bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse belegte die Studie jedoch nicht, wenn überhaupt
scheint die Koronarintervention eher mit einem etwas höheren kardiovaskulären Risiko
für die Patienten verbunden zu sein.
So erreichten 17,2% der PCI-Patienten den primären Endpunkt, während dies in der rein
medikamentös behandelten Gruppe nur bei 15,6% der Patienten der Fall war. Allerdings
war dieser Unterschied nicht signifikant (p = 0,20). Getrieben wird dieser Trend wohl
vor allem durch die etwas höhere Rate an nichttödlichen Herzinfarkten bei den angioplastierten
Patienten (6,9 versus 5,0%; p = 0,08).
Ein Einfluss der Koronarintervention auf die Ejektionsfraktion und das Remodeling
konnte im Rahmen einer OAT-Substudie (TOSCA[2]-2, n = 381) ebenfalls ausgeschlossen werden. Zwar war das Gefäß bei 83% der PCI-Patienten
noch offen, während nur bei 25% der Patienten der Kontrollgruppe das Gefäß zu diesem
Zeitpunkt noch offen war. Dennoch unterschied sich die Ejektionsfraktion zwischen
den beiden Studiengruppen nicht signifikant.
Fazit: Eine späte Koronarintervention ist nach Meinung der Studienautoren zwar gerechtfertigt,
wenn ein Patient subjektiv unter starken Angina-pectoris-Beschwerden leidet. Zur Prävention
von Herzinfarkten oder einer schweren Herzinsuffizienz eignet sich der Eingriff -
für das Gros der Patienten - jedoch nicht. Ob sich aufgrund der Studienergebnisse
in Zukunft die Zahl der Katheterprozeduren reduzieren wird, bleibt jetzt abzuwarten.
Key Words: Myokardinfarkt - perkutane Koronarintervention - Angina pectoris - Prävention