Der Klinikarzt 2006; 35(12): XVI-XX
DOI: 10.1055/s-2006-958519
Recht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs - Ausweitung der ambulanten Tätigkeiten von Krankenhäusern bei hoch spezialisierten Leistungen

Further Information

Publication History

Publication Date:
23 January 2007 (online)

 
Table of Contents

Im Gesetzesentwurf zum Wettbewerbsstärkungsgesetz (WSG), das nach derzeitigen Planungen am 01.04.2007 in Kraft treten soll, ist eine Ausweitung der ambulanten Tätigkeiten von Krankenhäusern im Rahmen des § 116 b SGB V vorgesehen. Zur Erinnerung: § 116 b SGB V regelt die ambulante Behandlung im Krankenhaus. Eine mögliche Variante betrifft die Erbringung von hoch spezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen (Abs. 2, 3).

#

Bisher Vertragsschluss mit Krankenkassen erforderlich

Danach können Krankenkassen bisher mit zugelassenen Krankenhäusern Verträge über die ambulante Erbringung hoch spezialisierter Leistungen sowie zur Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen schließen. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Leistungen und Behandlungen im gesetzlich vorgegebenen Katalog des § 116 b Abs. 3 SGB V bzw. den Ergänzungen des Kataloges durch den Gemeinsamen Bundesausschuss enthalten sind (Tab. [1]).

Zoom Image

Entsprechend § 116 b Abs. 4 SGB V kann der Gemeinsame Bundesausschuss diese Katalogleistungen noch ergänzen. Dies ist bereits für ein paar weitere Erkrankungen erfolgt.

Die Leistungen aus dem Vertrag werden nach aktuellem Recht unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Dabei hat diese der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen. Bisher war das Interesse der Krankenkassen am Abschluss solcher Verträge sehr bescheiden, da die Vergütung zusätzlich zu der Vergütung für die Vertragsärzte, die ebenfalls diese Leistungen erbringen, erfolgen muss. Zwar haben Krankenhäuser und Krankenkassen die Verhandlungen durchaus aufgenommen, Abschlüsse von Verträgen aber erfolgten - wohl auch mangels ernsthaften Interesses der Krankenkassen - eher selten.

#

Gesetzgeber entmachtet Krankenkassen

Aus diesem Grund plant der Gesetzgeber, den Krankenkassen die Vertragskompetenz zu entziehen. Die Einführung eines Zulassungsverfahrens durch die Länder soll die Umsetzung der ambulanten Erbringung hoch spezialisierter Leistungen am Krankenhaus nach dem Willen des Gesetzgebers vorantreiben. Daher soll der § 116 b Abs. 2 nun wie folgt neu geregelt werden:

"Ein zugelassenes Krankenhaus ist zur ambulanten Behandlung der in dem Katalog nach Abs. 3 und 4 genannten hoch spezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt, wenn und soweit es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes auf Antrag des Krankenhausträgers unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation dazu bestimmt worden ist. Eine Bestimmung darf nicht erfolgen, wenn und soweit das Krankenhaus nicht geeignet ist. Eine einvernehmliche Bestimmung mit den an der Krankenhausplanung unmittelbar Beteiligten ist anzustreben."

#

Zukünftig Leistung ohne Vertrag möglich

In Zukunft soll jedes Krankenhaus zur ambulanten Behandlung der in dem Katalog genannten hoch spezialisierten Leistungen, seltenen Erkrankungen und Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen berechtigt sein. Voraussetzung dafür ist, dass

  • es sich um ein zugelassenes Krankenhaus handelt und

  • es im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes

  • auf Antrag des Krankenhausträgers

  • unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation

  • dazu als geeignet bestimmt worden ist.

Einen Antrag sollen alle zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Krankenhäuser (§ 108 SGB V) unter Nennung der betreffenden Leistungen und Erkrankungen stellen können. Die Entscheidung soll im Rahmen der Krankenhausplanung fallen.

Wann eine Eignung eines Krankenhauses vorliegt, führt der Entwurf allerdings nicht aus. In der Begründung findet sich lediglich ein Hinweis darauf, dass die Eignung für die Erbringung der Leistungen bei Krankenhäusern der Grundversorgung in der Regel nicht gegeben sein soll. Eine Bedarfsprüfung soll nicht erfolgen. Ist das Krankenhaus zur Erbringung der Leistungen bestimmt worden, ist also kein Vertragsabschluss mit den Krankenkassen mehr notwendig.

#

Einvernehmliche Bestimmung

Grundsätzlich regelt der § 7 Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes die Mitwirkung der Beteiligten: "Bei der Durchführung dieses Gesetzes arbeiten die Landesbehörden mit den an der Krankenhausversorgung im Lande Beteiligten eng zusammen; das betroffene Krankenhaus ist anzuhören. Bei der Krankenhausplanung und der Aufstellung der Investitionsprogramme sind einvernehmliche Regelungen mit den unmittelbar Beteiligten anzustreben."

Laut Satz 2 hat das Land dabei also eine "einvernehmliche Bestimmung" mit den an der Krankenhausplanung im Land unmittelbar Beteiligten (wozu auch Landesverbände der Krankenkassen gehören können) anzustreben. Gemeint ist ausweislich der Gesetzesbegründung ein ernsthaftes Bemühen, sich mit den Beteiligten zu einigen. Wie die Zusammenarbeit und Abstimmung im Einzelnen erfolgt, soll Sache des jeweiligen Landes sein.

#

Anforderungen an die ambulante Erbringung

Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung durch das Krankenhaus im Einzelfall sollen die Anforderungen für die vertragsärztliche Versorgung entsprechend gelten. Darüber hinaus sind in den vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu beschließenden Richtlinien zusätzliche sächliche und personelle Anforderungen sowie die einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung an die ambulante Leistungserbringung des Krankenhauses zu regeln.

#

Vergütung nach EBM

Die Vergütung der ambulanten Leistungen des Krankenhauses soll genauso erfolgen als ob ein niedergelassener Vertragsarzt die Leistung erbracht hätte: Demnach teilt das Krankenhaus den Krankenkassen die von ihm ambulant erbringbaren Leistungen mit und bezeichnet die hierfür berechenbaren Leistungen auf Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM).

Die Vergütung in den Jahren 2007 und 2008 erfolgt in den einzelnen Quartalen nach Maßgabe des durchschnittlichen Punktwertes. Dieser ergibt sich aus den letzten vorliegenden Quartalsabrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung bezogen auf den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung.

#

Ausblick

Zwar ist noch nicht sicher, wann das Wettbewerbsstärkungsgesetz tatsächlich in Kraft tritt und ob die Regelungen zu den hoch spezialisierten Leistungen noch modifiziert werden. Deutlich wird allerdings bereits anhand dieses Entwurfes der Neuregelung des § 116 b SGB V, dass der Gesetzgeber die ambulante Tätigkeit von Krankenhäusern stärker fördern will und dazu sogar bereit ist, den Krankenkassen das unmittelbare Recht der Auswahl der erbringenden Krankenhäuser zu entziehen.

Fraglich bleibt jedoch, inwieweit die neue Regelung wirklich einfacher umzusetzen ist. Die Krankenhäuser müssen zudem in ihre Überlegungen einbeziehen, ob die vertragsärztliche Vergütung finanziell interessant genug ist. Und auch die Gefahr, niedergelassene Ärzte - und damit Einweiser - durch Erbringung dieser ambulanten Leistungen im Krankenhaus zu verärgern, ist sicher nicht zu unterschätzen.

Dr. iur. Isabel Häser, Rechtsanwältin,

Ehlers, Ehlers & Partner, München

 
Zoom Image