Der Klinikarzt 2007; 36(1): 11-12
DOI: 10.1055/s-2006-959081
Medizin & Management

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualitätsmanagement im Krankenhaus - Unverzichtbares Instrument für Patient, Arzt und Klinik

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Korrespondenz

Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

Email: r.schwarz@sana.de

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Publication Date:
31 January 2007 (online)

 
Table of Contents

Ohne ein möglichst optimales Qualitätsmanagement kann sich heute keine Klinik mehr langfristig im Gesundheitsmarkt behaupten. Doch wie kann man die verschiedenen Instrumente möglichst "nutzbringend" implementieren?

An erster Stelle gefordert sind hierbei die Führungskräfte eines Hauses, denn die Veränderungen, die sich aus einer datenbasierten, geplanten, qualitäts- und kundenorientierten Unternehmensentwicklung ergeben, sind enorm. Doch jeder einzelne Mitarbeiter muss den hohen Qualitätsanspruch - festgelegt zum Beispiel im Rahmen eines Leitbildes einer Klinik - mittragen und miterleben. Ein besonderer Stellenwert kommt jedoch dem Patienten oder auch dem Einweiser als Kunden zu. Denn deren Vertrauen in eine Einrichtung oder einen Arzt und dessen Leistung ist der Schlüssel zum Erfolg.

Vor etwa 20 Jahren begannen die ersten zögerlichen Schritte einzelner Gesundheitseinrichtungen zur Einführung von Qualitätsmanagementsystemen. Inzwischen hat sich in der deutschen Krankenhauslandschaft viel getan. Der Nutzen von umfassendem Qualitätsmanagement steht mittlerweile nicht mehr infrage. Es geht nun nicht mehr um das "Ob", sondern um das "Wie"!

Eine viel benutzte Methode, um eine umfassende Selbstbewertung vorzunehmen, Stärken und Verbesserungspotenziale herauszuarbeiten und darauf die Unternehmensentwicklung auszurichten, ist zum Beispiel das Modell der "European Foundation for Quality Management" (EFQM-Modell). Nach zaghaften Versuchen einiger Kliniken, sich nach dem DIN ISO-Standard zertifizieren zu lassen, setzen sich in letzter Zeit aber immer mehr Zertifizierungen nach dem Modell der "Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus" (KTQ) durch. Doch was ist denn nun der richtige Weg, in einem Krankenhaus eine systematische Qualitätsentwicklung zu fördern?

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Die Grundgedanken

Die Ausgangsfrage, wie Systeme zur Qualitätsentwicklung beitragen, findet sich in allen erwähnten Konzepten wieder, von denen einige hier kurz beleuchtet werden:

  • Kundenorientierung

  • Führung und Zielkonsequenz

  • Mitarbeiterentwicklung und -beteiligung

  • Management mit Prozessen und Fakten

  • Ergebnisorientierung

  • kontinuierliches Lernen, Innovation und Verbesserung

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Kunden haben Marktmacht

Was bedeutet Kundenorientierung konkret im Gesundheitswesen? Wer ist hier der Kunde? Und was unterscheidet ihn von Kunden anderer Branchen?

Im Gesundheitswesen entdecken wir gerade langsam, dass der Patient und seine Angehörigen selbstverständlich Kunden unserer Unternehmen sind. Sie fragen Leistungen nach, vergleichen die von ihnen wahrgenommene Qualität mit anderen Einrichtungen und wählen - wenngleich aus einem eingeschränkten Anbieterspektrum - aus. Trotzdem haben Patienten als Kunden auch ihre Besonderheiten: Vor allem können wir ihnen den Erfolg einer Behandlung nicht vorbehaltlos garantieren. Was zählt ist also das grundsätzliche Vertrauen der Kunden in uns und unsere Leistungen.

Darüber hinaus existieren noch eine Reihe weiterer Spezifika der Dienstleistungen im Krankenhaus an den Kunden, die die Qualitätsmessung und -optimierung beeinflussen: Zum einen sind Dienstleistungen im Wesentlichen immateriell und vergänglich, ihr Ergebnis ist demnach oft nur schwer zu messen. Zudem fallen die "Produktion" und die "Verwertung" der Dienstleistungen zeitlich oft zusammen. Vorbeugende Qualitätssicherung und Fehlervermeidung haben also einen besonderen Stellenwert.

Dienstleistungen weisen darüber hinaus generell einen hohen Grad von Individualität auf. Strategien der Normierung und Standardisierung allein genügen also nicht, obwohl sie im Krankenhausbereich natürlich nützlich sind. Im Einzelfall muss ein entsprechender Handlungs- und Entscheidungsspielraum gegeben sein.

Patienten und ihre Angehörigen können die ärztlich-pflegerische Kernleistung nur schlecht beurteilen. Die Formulierung von Qualitätsforderungen erfolgt also stellvertretend durch Experten. Nicht zuletzt ist der "Kunde" Patient - bedingt durch seine Krankheit - oft nur eingeschränkt handlungs- und entscheidungsfähig. Dies erfordert eine schmale Gratwanderung, um sich individuell und den verschiedenen Phasen der Behandlung angepasst ein Bild vom Selbstbestimmungswillen des Patienten zu machen und ihm gegebenenfalls Entscheidungen abzunehmen, ohne ihn zu bevormunden.

Will man wirklich wissen, wie Patienten die Kernleistungen einer Klinik beurteilen, muss man sie selbst fragen und dafür wissenschaftlich fundierte Instrumente nutzen.

Aber auch die zuweisenden Ärzte werden zunehmend als Kunden entdeckt. Denn 60 % der Patienten hören bei der Wahl ihres Krankenhauses auf den Rat ihres Hausarztes. Die Steuerungsfunktion, die ein Hausarzt einnimmt, ist also erheblich. Und nicht immer fällt es leicht, Befragungen durchzuführen. Hohe Rücksendequoten erreicht man hier nur, wenn die gestellten Fragen auch die Probleme der niedergelassenen Ärzte in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus offen ansprechen und der Eindruck entsteht, dass wirklich Veränderungen herbeigeführt werden sollen.

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Erfolgsfaktor "Mitarbeiter"

Qualität ist vor allem die Sache jedes Einzelnen. Aber auch im Umgang mit Mitarbeitern haben wir im Gesundheitswesen besondere Rahmenbedingungen. Viele Leistungen erfordern den direkten Arzt-Patienten- oder Pflege-Patienten-Kontakt. Dabei nehmen die Patienten natürlich direkt die Motivation der Mitarbeiter, ihr Einfühlungsvermögen, ihr Engagement, ihre Stimmungslage und auch ihre persönliche Qualifikation wahr, was wiederum ihr Qualitätsurteil unmittelbar beeinflusst.

Dabei sind Mitarbeiter im Krankenhaus vielfältigen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, wodurch eine besondere Gesundheitsfürsorge selbstverständlich sein sollte:

  • durch den Umgang mit gefährlichen Stoffen bzw. Strahlen (z.B. Röntgenstrahlung, radioaktiven Substanzen, Infusionslösungen für die Tumorbehandlung)

  • durch besondere somatische Gefährdungen (z.B. durch Infektionen wie Hepatitis oder HIV)

  • durch große körperliche Dauerbelastungen (z.B. durch die Langzeitpflege körperlich Behinderter oder Schwerverletzter).

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Ergebnisorientierung als Triebfeder

Qualität kann natürlich kein Selbstzweck sein. In einem Wirtschaftsbetrieb, das jedes Krankenhaus letztendlich nun einmal ist, spielt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Erhalt des Unternehmens eine entscheidende Rolle. Eine hervorragende Qualität ist hierfür die Basis. Zahlen, Daten und Fakten sind die Grundlage moderner Entscheidungsfindung. Darum benötigt auch eine Gesundheitsorganisation geeignete Kennzahlen. Ein Kennzahlenset sollte umfassen:

  • kundenbezogene Kennzahlen wie das medizinische Ergebnis mit diagnosebezogenen und diagnoseunabhängigen Indikatoren, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, Servicekennzahlen, Kundenzufriedenheit, insbesondere Patienten- und Einweiserzufriedenheit

  • das wirtschaftliche Ergebnis

  • mitarbeiterbezogene Ergebnisse

  • Risikokennzahlen

  • Imageanalysen.

Diese Informationen müssen unter kurz-, mittel- und langfristigen Aspekten zur Festlegung, Umsetzung und Bewertung der Politik, Strategien, operativen Ziele, Zielwerte, Kennzahlen und Planungen genutzt werden. Die gesammelten Informationen helfen, ambitionierte Ergebnisse zu planen und zu erzielen. Nur so kann eine Unternehmensstrategie bis in die Zielvereinbarung einzelner Mitarbeiter wirksam werden.

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Die "Werkzeugkiste"

So wie die bisher dargestellten Grundgedanken der Qualitätsentwicklung den Gegebenheiten in Gesundheitsorganisationen entsprechend interpretiert werden müssen, gilt dies auch für die einschlägigen Werkzeuge. Die wichtigsten hierbei sind:

  • Leitbild

  • Qualitätsentwicklungsplan

  • Qualitätsmanagement-Handbuch mit Verfahrens- und Arbeitsanweisungen

  • Führung im Qualitätsmanagement

  • Beschwerdemanagement

  • Human-Ressource-Management

  • Qualitätsmessung

  • Kleingruppenarbeit.

Dass ein Unternehmen ein Leitbild mit einer klaren Festlegung der Mission, einer fokussierten Vision und nachvollziehbaren Werten braucht, ist heute unumstritten. Aber was tut ein Krankenhaus, was tut der Klinikarzt, um daraus gelebte Unternehmenswirklichkeit werden zu lassen? Hier scheiden sich oft die Geister. Goldrahmen und Hochglanzbroschüren allein sind nicht hilfreich. Es braucht einen Plan, wie das Unternehmen seine Aufträge erfüllen, Visionen erreichen und Werte in das tägliche praktische Handeln überführen will. Nur wenn systematisch und für die Mitarbeiter spürbar an der Erreichung der im Leitbild festgeschriebenen langfristigen Ziele gearbeitet wird, erhält ein Leitbild Glaubwürdigkeit und Akzeptanz.

Um ein Leitbild in einer Klinik lebendig werden zu lassen, ist - neben anderen Festlegungen - eine klare ethische Ausrichtung notwendig, niedergelegt beispielsweise in einem Ethikstatut. Dieses sollte durch Verfahrensanweisungen, beispielsweise für den Umgang mit Eltern von totgeborenen Kindern, sterbenden Patienten oder Verstorbenen bzw. für die Berücksichtigung von Patientenverfügungen für jeden Mitarbeiter unmittelbar verbindlich werden.

Einem kompetenten Umgang mit Beschwerden kommt im Gesundheitswesen besondere Bedeutung zu. Wie schaffen wir es, dass sich jeder Mitarbeiter für eine Beschwerde zuständig fühlt? Wie gehen wir einer Beschwerde auf den Grund, wer wird um eine Stellungnahme gebeten? Wie erreichen wir, rasch wieder für Zufriedenheit zu sorgen, wie lernen wir aus Beschwerden? All dies kennzeichnet einen respektvollen Umgang mit Patienten und ihren Angehörigen und liegt gerade in Krankenhäusern doch so oft im Argen. Die Umsetzung eines fundierten, modernen Beschwerdemanagementsystems gehört deshalb zu den elementaren Instrumenten eines Qualitätsmanagementsystems.

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Qualitätsentwicklung ist Führungsaufgabe

Die Einführung eines Systems zur Qualitätsentwicklung ist eine wesentliche Führungsaufgabe, gleichermaßen für den Klinikarzt wie für das Management. Die Veränderungen, die sich aus einer datenbasierten, geplanten, qualitäts- und kundenorientierten Entwicklungsstrategie ergeben sind so erheblich, dass die notwendigen Entscheidungen nur von der Leitung eines Unternehmens getroffen werden können.

Viele Wege führen dabei sprichwörtlich nach Rom. EFQM, ISO oder KTQ - jedes der Systeme, auch wenn sie nicht alle Qualitätsmanagementsysteme sind, tragen zur Unternehmensentwicklung bei. Sie weisen unterschiedliche Stärken und Zielrichtungen auf; der Weg zur Exzellenz ist also vielfältig. Mit welchem der Systeme man dabei beginnt ist aber zweitrangig. Die Vorteile aus allen sollten genutzt werden. Viel wichtiger ist es, den eingeschlagenen Weg konsequent und nachhaltig weiterzuverfolgen.

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Dr. Reinhard Schwarz

Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA

Gustav-Heinemann-Ring 133

81739 München

Email: r.schwarz@sana.de

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