Dialyse aktuell 2007; 11(8): 72-73
DOI: 10.1055/s-2007-1010957
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Vitamin-D-Mangel - Alfacalcidol in der Therapie der Osteoporose und der renalen Osteopathie

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12 December 2007 (online)

 
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Eine Vielzahl von Studien und Beobachtungen hat die Kenntnis um die Bedeutung einer Unterversorgung mit nativem Vitamin D respektive der Reduktion der Vitamin-D-Aktivierung bei der Behandlung der Osteoporose vertieft. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D und Kalzium ist für eine normale Entwicklung und den Erhalt des Skeletts unverzichtbar.

Natives Vitamin D und D-Hormon-Analoga, wie etwa Alfacalcidol, sind somit wichtige Bestandteile der Behandlung primärer und sekundärer Osteoporosen. Für das native Vitamin D in Kombination mit Kalzium liegen kontrollierte Studien vor, die den Effekt einer prophylaktischen Behandlung zur Reduktion extravertebraler Frakturen und von Stürzen bei älteren Frauen mit nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel zeigen.

Aus den mit Cholecalciferol durchgeführten Studien darf man aber nicht, wie Prof. Johann Ringe, Leverkusen, warnte, ableiten, dass eine Supplementierung mit nativem Vitamin D in Kombination mit Kalziumsalzen ähnlich wirksam ist wie eine Therapie mit aktivem Vitamin D. Dies gilt sowohl für die Prävention des Knochenverlustes als auch für die Reduktion von Frakturen bei den unterschiedlichen Formen der Osteoporose.

Auch die RECORD-Studie zeigte eindeutig, dass Cholecalciferol in Verbindung mit Kalzium die vertebrale Frakturrate nicht senkt. Eine Monotherapie mit nativem Vitamin D in Kombination mit Kalzium bei manifesten postmenopausalen Osteoporosen kann, so das Fazit von Ringe, nach heutigem Wissensstand nicht empfohlen werden.

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Rationale für Alfacalcidol

Die Gabe von nativem Vitamin D stellt, so Ringe, lediglich eine Nahrungsergänzung dar. Bei Patienten mit normalen Vitamin-D-Spiegeln im Serum oder bei renaler Insuffizienz können keine biologischen Wirkungen erwartet werden. Denn die Aktivierung von nativem Vitamin D zu D-Hormon (1,25(OH)2D) unterliegt in der Niere einer strengen Regulierung, sodass sich durch die Gabe von nativem Vitamin D keine pharmakologisch wirksamen D-Hormon-Serumspiegel aufbauen lassen. Dies gelingt, wie Ringe betonte, durch die Gabe von Alfacalcidol.

Alfacalcidol wird nach oraler Gabe und intestinaler Absorption oder nach i.v.-Gabe sowohl in der Leber als auch im Zielorgan Knochen zu D-Hormon hydroxyliert. Damit umgeht Alfacalcidol die streng regulierte Hydroxylierung in der Niere und erhöht - auch bei ausreichender Vitamin-D-Zufuhr - die 1,25(OH)2D-Spiegel. Mit Alfacalcidol lassen sich damit die erforderlichen, pharmakologisch wirksamen D-Hormon-Serumspiegel erzeugen, die einem schnellen Knochenmasseverlust vorbeugen oder eine manifeste Osteoporose therapieren. Aufgrund der physiologischen Wirkung ist die Gefahr einer Hyperkalzämie gering.

Die aktuelle Studienlage zur Therapie mit aktiven Vitamin-D-Analoga zeigt Ringe zufolge, dass Alfacalcidol in der Prävention und Therapie von postmenopausalen, altersassoziierten und glukokortikoid-/entzündungsinduzierten Osteoporosen wirksam ist. Die duale Wirkung auf Knochenfestigkeit und Muskelleistung, die zur Reduktion von Stürzen führt, ist einzigartig, da alle anderen Antiosteoporotika nur knochenspezifisch das Frakturrisiko beeinflussen.

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Studiendaten zu postmenopausaler ...

Die Therapie mit D-Hormon-Analoga bewirkt eine signifikante Senkung der Inzidenz vertebraler Frakturen bei postmenopausaler Osteoporose, so das Ergebnis mehrerer prospektiver, randomisierter placebokontrollierter Studien mit insgesamt 1 176 Patientinnen, die Ringe vorstellte [1], [2], [6].

Eine Metaanalyse von Richy et al. [3] stützt diese Erkenntnis. Die Autoren werteten 17 Studien aus, in denen D-Analoga bei postmenopausaler oder glukokortikoidinduzierter Osteoporose (GIOP) eingesetzt wurden. Wie belegt werden konnte, haben D-Analoga bei postmenopausaler Osteoporose einen signifikanten Effekt auf Knochendichte und Frakturrate. Außerdem war ein signifikanter Effekt auf den Knochenverlust bei Patienten mit Glukokortikoidexposition zu beobachten.

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... und glukokortikoidinduzierter Osteoporose

Dass die Therapie mit Alfacalcidol der Behandlung mit Vitamin D hinsichtlich der Frakturrate bei der Therapie der glukokortikoidinduzierten Osteoporose überlegen ist, konnte Ringe in einer eigenen Studie belegen. Patienten, die unter Langzeitkortikoidtherapie standen, wurden entweder mit Alfacalcidol plus Kalzium oder Vitamin D plus Kalzium therapiert.

Während der dreijährigen Therapie konnte ein signifikanter Anstieg der Knochendichte an der Lendenwirbelsäule in der Gruppe beobachtet werden, die mit Alfacalcidol und Kalzium therapiert wurde. In der mit Vitamin D3 behandelten Gruppe traten keine signifikanten Knochendichteerhöhungen auf.

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Auch in Kombinationstherapien überlegen

Auch bei neuen Kombinationsstrategien ist Alfacalcidol als Kombinationspartner dem nativen Vitamin D überlegen. Dass durch die Kombination mit dem rein antiresorptiv wirksamen Alendronat eine noch effektivere Therapie möglich sein könnte, zeigen die Ergebnisse der AAC-Studie [4].

Patientinnen mit postmenopausaler Osteoporose als auch Männer mit Osteoporose (n = 90) wurden den drei Gruppen zugeteilt. Gruppe A (n = 30) erhielt täglich 1 µg Alfacalcidol + 500 mg Kalzium, Gruppe B (n = 30) erhielt 70 mg Alendronat wöchentlich + 1 000 mg Kalzium + 1 000 IU Vitamin D täglich, Gruppe C (n = 30) erhielt 1µg Alfacalcidol täglich + 70 mg Alendronat wöchentlich + 500 mg Kalzium täglich.

Im Verlauf der Zweijahresstudie wurde gegenüber dem Ausgangswert eine LWS-Zunahme von 3 % in Gruppe A, von 5,4 % in Gruppe B und von 9,6 % in Gruppe C beobachtet. Die durchschnittliche Knochendichtezunahme war ebenfalls in Gruppe C (Alfacalcidol + Alendronat) mit 3,8 % am ausgeprägtesten versus 1,5 % bei Gruppe A und 2,4 % bei Gruppe B. Am Ende der Studie bestand zudem eine erhöhte Tendenz für vertebrale und nicht vertebrale Frakturen in den Gruppen A und B (9 respektive 10) gegenüber zwei bei Gruppe C.

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Einfluss auf kardiovaskuläre sowie renale Morbidität und Mortalität

Die renale Osteopathie wird heute als komplexes Syndrom verstanden, in dessen Pathogenese Vitamin-D-Mangel und die verminderte Aktivierung von Vitamin D eine essenzielle Rolle spielen. Eine reduzierte Vitamin-D-Rezeptoraktivierung führt, wie Dr. Preben Joffe, Odense (Dänemark), ausführte, zu einem Knochenmasseverlust und steigenden Parathormonwerten.

Dieses Krankheitsbild führt zur arteriellen Kalzifikation sowie zu Insulinresistenz und Bluthochdruck. Die bestehenden Dysbalancen im Mineralstoffwechsel sind zudem mit einer höheren kardiovaskulären und renalen Morbidität und Mortalität assoziiert.

Therapeutisch wird der Ausgleich eines Mangels an nativem und aktivem Vitamin D sowie die Vermeidung der Hyperphosphatämie angestrebt. Sinkt das Parathormon zu stark ab, kommt es zum adynamen Knochen und ebenfalls zu Verkalkungen. Die Kunst der Therapie besteht nach Joffe darin, eine Übersuppression von PTH zu vermeiden und den Einbau von Kalzium und Phosphat in den Knochen zu erhalten.

Der Einsatz von Alfacalcidol zum Zeitpunkt einer beginnenden Nierenfunktionseinschränkung kann einen krankhaften Anstieg der Parathormonausschüttung und somit die Ausbildung eines sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) aufhalten oder ganz verhindern.

Eine Studie beschäftigt sich mit dem Einfluss von Vitamin-D-Analoga auf die kardiovaskuläre Mortalität von Dialysepatienten. In die nicht randomisierte monozentrische Kohortenanalyse [5] wurden 242 Hämodialysepatienten eingeschlossen. 162 Patienten ("User") erhielten Alfacalcidol (median 0,5 µg/Tag) und 80 Patienten wurden nicht oder sehr unregelmäßig mit Alfacalcidol ("Non-User") behandelt. Die Gruppe der "User" erhielt Alfacalcidol in 20,6 von 24 Monaten.

Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 61 ± 23 Monaten verstarben 53 der 242 Dialysepatienten. Die Kaplan-Meier-Analyse der Patientenüberlebenskurven zeigte einen signifikanten Vorteil im kardiovaskulären Überleben für die Patienten, die regelmäßig mit Alfacalcidol behandelt wurden (Abb. [1]). Dieser Effekt war auch nach Adjustierung für die in den Gruppen differenten Variablen wie zum Beispiel Diabetes noch vorhanden.

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Abb. 1 Reduziertes Risiko der kardiovaskulären Mortalität nach [5]

Die Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch das Vitamin-D-Analogon beruht, so Joffe, möglicherweise auf den folgenden Mechanismen

  • Hemmung unterschiedlicher Aspekte der Inflammation

  • antiproliferativer Effekt auf die Hypertrophie des Myokards

  • Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems.

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Pleiotrope Wirkungen des Vitamin-D-Hormons

  • Reduktion der Parathormon-Gen-Transkription

  • Reduktion der Nebenschilddrüsenhyperplasie

  • reduzierter Epo-Bedarf

  • reguliert Zelldifferenzierung

  • erhöhte Insulinempfindlichkeit

  • reduzierte kardiovaskuläre Mortalität

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Offene Fragen für neue Therapieoptionen

Die derzeitige Studienlage ist für die neuen Vitamin-D-Analoga noch sehr dürftig. Bislang konnten weder pleiotrope Effekte noch klinisch relevante Vorteile hinsichtlich einer Kalziumerhöhung belegt werden. Zudem ist die reduzierte Zulassung in den Stadien 3 und 4 der CKD ("chronic kidney disease") und bei Parathyreoidektomien zu beachten.

Auch für Kalzimimetika - eine wichtige neue Option zur Kontrolle des Knochen- und Mineralstoffwechsels - sieht Joffe Einschränkungen hinsichtlich ihres erheblichen Nebenwirkungsprofils. Joffe forderte deshalb direkte Vergleichsstudien zwischen den Vitamin-D-Analoga. Für Kalzimimetika sollte die Möglichkeit eines kombinierten Einsatzes zusammen mit Vitamin-D-Analoga in weiteren Studien beleuchtet werden.

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Fazit

Bei der Therapie mit nativem Vitamin D bzw. Alfacalcidol muss man zwischen der Supplementation eines Vitamin-D-Mangels und der pharmakologischen Behandlung mit D-Hormon-Analoga unterscheiden. Nur die pharmakologische Behandlung mit D-Hormon-Analoga wie dem Alfacalcidol erlaubt es, durch höhere Konzentrationen des D-Hormons in den Zielorganen dessen Wirkungen auf verschiedene Organsysteme (Darm, Knochen, Muskeln, Immunsystem) zu nutzen. Alfacalcidol, allein oder in Kombination, ist aufgrund seines pleiotropen Wirkprofils eine sehr interessante Therapieoption bei Osteoporosen, renaler Osteopathie und Osteomalazien.

Dr. Daniel Bomar, Linkenheim-Hochstetten

Quelle: Symposium "Alfacalcidol: Aktuelle Daten - maßgeschneiderte Lösungen" im Rahmen des 38. Kongresses der Gesellschaft für Nephrologie (GfN), veranstaltet von der LEO Pharma GmbH, Neu-Isenburg

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der LEO Pharma GmbH, Neu-Isenburg

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Literatur

  • 01 Gallagher. et al . Calcif Tissue Int. 2003;  72 769-784
  • 02 Orimo H . Shiraki M . Hayashi Y . et al . Calcif Tissue Int. 1994;  54 (5) 370-376
  • 03 Richy F . Ethgen O . Bruyere O . Reginster JY . Osteoporos Int. 2004;  15 (4) 301-310
  • 04 Ringe J . et al . Rheumatol Int. 2007;  27 (5) 425-434
  • 05 Shoji T . Shinohara K . Kimoto E . et al . Nephrol Dial Transplant. 2004;  19 179-184
  • 06 Tilyard MW . Spears GF . Thomson J . Dovey S . N Engl J Med. 1992;  326 (6) 357-362
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Literatur

  • 01 Gallagher. et al . Calcif Tissue Int. 2003;  72 769-784
  • 02 Orimo H . Shiraki M . Hayashi Y . et al . Calcif Tissue Int. 1994;  54 (5) 370-376
  • 03 Richy F . Ethgen O . Bruyere O . Reginster JY . Osteoporos Int. 2004;  15 (4) 301-310
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  • 06 Tilyard MW . Spears GF . Thomson J . Dovey S . N Engl J Med. 1992;  326 (6) 357-362
 
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Abb. 1 Reduziertes Risiko der kardiovaskulären Mortalität nach [5]