Der Klinikarzt 2007; 36(11): 660-661
DOI: 10.1055/s-2007-1012492
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Interview mit PD Dr. Winfried Willinek, Bonn - Erfahrungen aus der Praxis

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Publication Date:
20 December 2007 (online)

 
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    PD Dr. Winfried Willinek von der Radiologischen Klinik in Bonn ist einer der Radiologen, die Vasovist®, das erste Blood-Pool-Kontrastmittel, bereits gut kennen. Daher haben wir ihn gebeten, zu seinen Erfahrungen kurz Stellung zu nehmen.

    ? Vasovist® ist das erste Blood-Pool-Kontrastmittel auf dem Markt. Welche Unterschiede bestehen zu konventionellen, gadoliniumhaltigen extrazellulären Kontrastmitteln?

    PD Dr. Winfried Willinek: Im Wesentlichen sind es drei Aspekte: Der erste und wichtigste ist die reversible, aber starke Bindung des Blood-Pool-Kontrastmittels zum Serumalbumin. Dadurch kommt es zu einer längeren Verweildauer im Gefäßlumen, was wiederum ein zeitlich und räumlich größeres Messfenster ermöglicht. Darüber hinaus hat die Substanz eine deutlich höhere Relaxivität, die wiederum positiv in der MRT-Bildgebung, grundsätzlich aber insgesamt bei der MR-Angiografie genutzt werden kann.

    ? Welche Vorteile bieten die hohe Proteinbindung und die hohe Relaxivität für die Diagnostik?

    Willinek: Beides ermöglicht letztendlich ein sehr hohes Kontrast- zu Rausch-Verhältnis, das zusammen mit der längeren Messzeit genutzt werden kann, um eine extrem hohe räumliche Auflösung zu erzielen. So lassen sich kleine Gefäße und Details besser abbilden. Außerdem reichen dadurch relativ niedrige Konzentrationen des Kontrastmittels aus - was insbesondere im Rahmen der allgemein stattfindenden Diskussion über den Einsatz dieser Kontrastmittel sicherlich vorteilhaft ist.

    ? Welche zusätzlichen diagnostischen Möglichkeiten erlaubt der Einsatz des innovativen Blood-Pool-Kontrastmittels?

    Willinek: Die Möglichkeit, ein längeres Messfenster zu erzielen, bietet einen klaren diagnostischen Vorteil: Man ist nicht mehr nur an die First-Pass-Bildgebung gebunden, also an die primäre Zirkulation dieses Kontrastmittels, sondern kann mehrere Zyklen messen. Dadurch ergibt sich ein neues Messfenster im Steady-State mit hoher räumlicher Auflösung. Dies ist immer von Vorteil, um die Graduierung von Stenosen zu verbessern, insbesondere aber auch, um Gefäße in der zweiten oder sogar dritten Ebene noch einmal anzuschauen, was der Beurteilung von Gefäßprozessen dienlich ist.

    ? Leidet durch die gleichzeitige Darstellung von Arterien und Venen im Steady-State nicht die Beurteilbarkeit des Bildes?

    Willinek: Natürlich liegt das Kontrastmittel, wenn Sie das Messfenster verlängern, in allen Gefäßen vor, also auch in den Venen. Eine venöse Überlagerung, wie wir sie von den früheren First-Pass-Aufnahmen kennen, tritt jedoch nicht auf. Die hohe räumliche Auflösung macht es vielmehr möglich, Arterien und Venen voneinander abzugrenzen.

    Dies lässt sich durchaus diagnostisch nutzen. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein hochgradig verändertes arterielles Gefäß, das plötzlich verschlossen ist. Wo die Arterie weitergeht, lässt sich jedoch nicht genau feststellen. Sehen Sie daneben die Vene, können Sie sich an dieser sozusagen als Hilfsstruktur im weiteren anatomischen Verlauf orientieren und dann den distalen Anschluss der Arterie viel leichter finden. Vielmehr wird die Vene sogar zum "Freund" des Radiologen, weil sie in der Beurteilbarkeit von Erkrankungen zum Teil in der Tat hilfreich sein kann.

    ? Können auch die Zuweiser von Aufnahmen mit dem Blood-Pool-Kontrastmittel profitieren?

    Willinek: Ja, auch die zuweisenden Ärzte haben sicherlich Vorteile: Wurde zum Beispiel der Bolus verpasst, hat man ohne einen zweiten Untersuchungstermin immer ein Untersuchungsergebnis. Vorteile ergeben sich auch bei der Beurteilung von Stenosen, die in der herkömmlichen First-Pass-Bildgebung schnell überschätzt werden, während man im Steady-State hier eine deutlich höhere Genauigkeit erreicht. Gefäßbereiche, die im First-Pass zunächst 100 %ig verschlossen aus¬sahen, haben sich beispielsweise im Steady-State als nur hochgradig stenosiert, aber eben zum Beispiel noch durch den Katheter als passierbar gezeigt.

    Die Möglichkeit, Arterien und Venen gleichzeitig zu beurteilen, stößt bei unseren zuweisenden Kollegen auf großes Interesse. Denn Gefäßprozesse beschränken sich nicht nur auf ein Gefäßbett und gerade die Beurteilung der Venen kann beispielsweise bei der präoperativen Diagnostik vor der Anlage eines Bypass - egal ob in der Peripherie oder am Herzen - eine große Rolle spielen.

    In Zukunft wird es sicher auch möglich werden, eine reine Magnetresonanz-Venenbildgebung relativ einfach und offenbar zuverlässig durchzuführen. Dies war bis vor Kurzem der invasiven Phlebografie mit Röntgenkontrast und Strahlenexposition vorbehalten oder vielmehr noch dem untersucherabhängigen Verfahren der Duplexsonografie, die zum Teil extrem zeitaufwendig sein kann.

    ! Herr Dr. Willinek, herzlichen Dank für dieses Gespräch.